Torgo - Prinz von Atlantis 07: Das Orakel von Delphi - Charles de Clermont - E-Book

Torgo - Prinz von Atlantis 07: Das Orakel von Delphi E-Book

Charles de Clermont

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Beschreibung

Während die Hethiter versuchen, Ägypten zu erobern, nimmt Torgo in Delphi einen verschlüsselten Orakelspruch entgegen. Der Pharao hat jedoch einen Beistandspakt mit den Griechen. Intrige und Verrat gedeihen.Aus Hass auf Torgo ehelicht Nif-Iritt den griechischen König Telaus.

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TORGOPrinz von Atlantis

In dieser Reihe bisher erschienen

3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten

3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter

3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao

3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis

3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis

3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes

3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi

3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas

Charles de Clermont

TORGOPrinz von Atlantis

Das Orakel von Delphi

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-622-4Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1

Als die Krieger des Königs und dieser selbst den Gastmahlsaal fluchtartig verlassen hatten, sahen sich Torgo und seine Freunde plötzlich mit der Leiche Sachos allein. Nebussor stand auf dem gedeckten Tisch, zwischen gefüllten Schalen und Schüsseln und starrte von dort oben herab mit einem Ausdruck namenlosen Entsetzens auf Sachos, der in sich zusammengekrümmt auf den spiegelnden Steinornamenten lag, unbeweglich und still als sei er selbst zu ihnen gehörig.

„Er hat die Pest“, flüsterte Nebussor, kaum hörbar. „Die Pest, nun ist sie auch hier im Schloss!“

Bethseba stand zitternd in einen Winkel des Saales gedrückt. Unwillkürlich war auch Jargo zurückgewichen. Nur Torgo stand wo er gestanden hatte, das Schwert in der Hand. Der Kampf war anders entschieden worden als sie alle gedacht hatten, auch König Telaus. Ein viel Mächtiger war auf dem Platz erschienen und hatte seine Stimme erhoben – der Tod.

Aber auch Torgo brauchte ein paar Augenblicke der Besinnung.

„Der Weg ist frei“, sagte er endlich. „Ich glaube, dass wir das Schloss ungehindert verlassen können. Die elenden Feiglinge haben sich in ihre Gemächer verkrochen. Sie fürchten die Ansteckung. Kommt, wir wollen gehen.“

„Vorsicht, denk an die Wachen Herr!“, warnte Jargo. „Draußen auf dem Burghof werden wir ihnen begegnen. Wahrscheinlich ist das Tor des Schlosses versperrt.“

Da legte ihm Roduros die Hand auf die Schulter.

„Ich weiß einen Weg aus dem Schloss“, sagte er. „Er führt durch einen unterirdischen Gang in eine Felsenschlucht. Aber zuvor habe ich noch ein Werk zu vollenden. Dieser meuchlerische König, der uns hier in die Falle locken wollte, hat vor dem Burgtor alle meine Leute ermordet.“

„Verzichte auf die Rache, wenigstens im Augenblick“, erwiderte ihm Jargo. „Unser Leben ist jetzt wichtiger als des Königs Tod. Wer weiß, vielleicht hat die Pest schon nach ihm gegriffen.“

„Oder nach uns“, entgegnete Roduros.

„Ich stelle mich dem König gern in einem offenen Kampf“, sagte nun Torgo. „Aber gegen einen Wehr­losen trete ich nicht an und ihm hinterrücks mein Schwert in den Rücken zu stoßen, liegt mir nicht. Aber verdient hätte er es. Wäre ich nicht für ihn eingetreten, hätten ihn deine Leute an der Quelle getötet, Roduros.“

„Daran erkennst du die Dankbarkeit des Menschen“, erklärte Roduros finster. „Ich habe ihm nicht umsonst Rache geschworen und eines Tages erfülle ich meinen Schwur. All mein Elend verdanke ich ihm. Ich mag nicht verkennen, dass Telaus auch seine guten Seiten hat, mir aber hat er nur seine Schlechten bewiesen.“

Torgo trat von Sachos Leiche zurück.

„Wir wollen uns entfernen“, sagte er. „Zeig uns den Weg Roduros und wenn du kannst richte es so ein, dass wir niemandem begegnen.“

„So kommt.“

Roduros gab der kleinen Gruppe einen Wink, ihm zu folgen. Sie verließen den Saal des grausigen Gastmahls. Der Korridor davor war menschenleer. Irgendwo im Inneren des Schlosses erklangen aufgeregte, laute Stimmen. Aber das war nicht in der Nähe, ungehindert liefen die vier dem Räuber folgend, den Korridor entlang. Jeder von ihnen, außer Bethseba und Nebussor hielt ihr Schwert umklammert, bereit sich zu verteidigen, wenn sie auf Widerstand stoßen sollten und selbst der kleine Nebussor hielt in der Rechten einen langen, persischen Dolch, der eine gefährliche Waffe war.

Sie gelangten an eine Treppe. Hier erklangen die Stimmen lauter. Offenbar wurde in den unteren Geschossen des Bauwerks wild durcheinander gesprochen. Roduros verhielt seinen Schritt.

„Vorsicht“, flüsterte er. „Da unten sind Krieger. Der Hauptmann befiehlt ihnen, nach oben zurückzukehren und uns festzunehmen, aber sie weigern sich. Sie haben Angst vor der Pest.“

„Das ist Meuterei“, erklärte Torgo finster.

„Nenne es wie du willst. Auf jeden Fall ist es begreiflich. Auch will der Hauptmann selbst unten bleiben!“

„Dieser elende Feigling“, gab Torgo zurück. „Los, Roduros, wir müssen weiter bevor sie kommen.“

„Aber wir können nicht, wir müssten dort unten vorbei“, erklärte Roduros. „Da höre, sie kommen bereits!“

„Schnell, wir müssen verschwinden das ist gewiss!“, drängte Nebussor. „Macht, dass wir von hier wegkommen.“

Unschlüssig sah sich Roduros um. Er kannte das Schloss, er war einige Male hier gewesen. Aber so genau war seine Kenntnis des Bauwerks wieder nicht, dass er über alle Räume des Hauses Bescheid gewusst hätte.

„Hier sind Türen!“, rief Torgo leise. Auf die zu beiden Seiten des Korridors befindlichen Zugänge deutend. „Wir haben keine Wahl, wir müssen da irgendwo hinein.“

Roduros nickte. Während das Lärmen der Soldaten näher kam, machte die Gruppe kehrt. Torgo setzte sich selbst an die Spitze. Gewaltsam stieß er die erste der Türen auf an welche sie gelangten. Mit einem Ausruf der Überraschung blieb er stehen.

Da stand Nif-Iritt, die junge Königin und starrte ihn mit großen, erschrockenen Augen an.

Roduros, Jargo, Nebussor und Bethseba drängten nach und Jargo schloss blitzschnell die Tür hinter ihnen.

„Nif-Iritt!“, rief Bethseba.

Sie konnte den Ausruf nicht unterdrücken. Herrin und Dienerin von einst standen einander gegenüber.

„Verräterin!“, zischte Nif-Iritt, ihr ihre Blicke zuwendend. „Zurück, verlasst sofort mein Gemach, oder ich schreie um Hilfe!“

Torgo trat einen Schritt vor. Fest fassten sie seine Blicke, so dass sie unsicher wurde und die Röte der Verlegenheit sich über ihre Schläfen ergoss.

„Du irrst Königin“, sagte Torgo hart. „Du bist zum zweiten Mal meine Gefangene. Du wirst uns hier verstecken, während die Krieger deines Mannes nach uns suchen.“

Nif-Iritt stampfte zornig mit dem Fuß auf. „Und wenn ich mich weigere?“, fragte sie.

„Dann werden sie uns vielleicht lebend, dich aber ganz sicher als Leiche finden.“

„Ihr werdet es nicht wagen“, begehrte die Ägypterin auf.

„Was gibt es dabei zu wagen“, erklärte Roduros in verächtlichem, rauen Tonfall. „Du bist schneller tot, als du denkst und keiner deiner Götter vermag dir zu helfen.“

Nif-Iritt blickte in das grausame, zu allem entschlossene Antlitz des Räubers und sie fühlte, dass dieser Mann seine Drohung ungeachtet der möglichen Folgen wahrmachen würde.

Unterdessen klangen draußen schon die Stimmen der Krieger auf, sie eilten zurück nach dem Gastmahlsaal, wo sie allerdings niemand mehr vorfinden würden als den toten Sachos.

„Los, versteck uns!“, drängte Torgo.

Nif-Iritt stand den gewappneten Männern wehrlos gegenüber. Sie sah, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu gehorchen. Aber sie sann auf ein Mittel, Torgo und die Seinen dennoch zu verderben. Draußen erhob sich ein großes Lärmen. Die Krieger hatten entdeckt, dass die Gesuchten geflohen waren. Nun rissen sie eine der Türen nach der anderen auf, um sie zu suchen. Immer noch stand Nif-Iritt unschlüssig.

Im nächsten Augenblick mussten sie Nif-Iritts Türe erreichen.

Torgos Blicke und die ihren ruhten ineinander. Es war, als ob Nif-Iritt in Torgos Blick lesen wollte, eine Antwort auf viele unausgesprochenen Fragen, die jetzt weniger gestellt werden konnten, denn je.

„Nun?“, fragte Torgo drohend.

„Hinter die Vorhänge“, wies Nif-Iritt die Gesellschaft wohl oder übel an.

Im nächsten Augenblick waren sie alle verschwunden. Als Letzter verschwand Nebussor. Er kroch noch gerade rechtzeitig hinter einen der Vorhänge, welche den Raum zu beiden Seiten verschlossen und war kaum verschwunden, als die Tür aufging. Eine Gruppe Krieger erschien. Sie blieben respektvoll stehen, als sie die Königin erblickten, die an ihrem Platz geblieben war.

„Was wollt ihr hier?!“, herrschte sie Nif-Iritt an.

„Wir suchen Roduros, den Räuber und diesen Prinzen von Atlantis mit seiner Gefolgschaft.“

„Du siehst, dass sie hier nicht sind“, gab Nif-Iritt zurück.

„So müssen sie mit Geistern im Bunde sein, denn wir sind ihnen gleichfalls nicht begegnet.“

„Sie sind gewiss längst über alle Berge. Glaubt ihr etwa, sie hätten im Saale auf euch gewartet?“, fragte Nif-Iritt spöttisch. „Hier ist niemand. Nun geht und lasst mich allein.“

Wohl oder übel entfernten sich die Krieger wieder und kehrten unverrichteter Dinge zu ihrem Hauptmann zurück, der sie mit einem Donnerwetter empfing, weil sie keinen Erfolg gehabt hatten.

Sie waren kaum draußen, als Nif-Iritt den Vorhang zur Seite riss.

„Sie sind gegangen“, zischte sie „und ich habe getan, was ihr von mir verlangt habt. Nun lasst mich allein.“

„Ein wenig noch leisten wir dir Gesellschaft“, meinte Torgo hervortretend, „dann aber –“

Er überlegte. Nif-Iritt merkte es und ein schadenfrohes Lächeln entstellte ihr Gesicht.

„Was sollen wir mit ihr anfangen Herr?“, sprach Jargo aus. „Wenn wir sie hier lassen, wird sie kaum dass wir den Raum verlassen haben, Lärm schlagen.“

„Wir machen keine Umstände“, erklärte Roduros. „Wir fesseln und knebeln sie und verstecken sie dort hinter dem Vorhang.“

„Nein“, stieß Nif-Iritt hervor, „das werdet ihr nicht tun. Ich zeige euch einen Weg, der euch ins Freie führt.“

Sie war auf einen Einfall gekommen, wie sie die Freunde verderben konnte, doch Torgo durchschaute sie.

„Spare deine Worte“, antwortete er ihr verächtlich. „Ich weiß, was du im Schilde führst. Roduros hat recht.“

Nif-Iritt wehrte sich. Sie wollte schreien, aber der kleine Nebussor war schneller und schob ihr, gerade als sie den Mund auftat, ein Stück Tuch zwischen die Lippen, welches er sorgsam an ihrem Nacken verknotete. Als Nif-Iritt gefesselt war, hoben die Männer sie auf und trugen sie hinter den Vorhang, wo sie nicht sogleich entdeckt werden konnte.

„Und jetzt weg“, rief Roduros. „Der Weg ist frei!“

Sie verließen das Gemach, in welchem die Königin lag.

„Rasch, rasch, sonst finden sie uns noch!“, drängte Nebussor.

Roduros setzte sich wieder an die Spitze. In eiligem Lauf ging es treppab. Man hatte schließlich das ­Erdgeschoss erreicht, als Roduros an eine Verzierung in der Wandtäflung drückte, welche sich bewegen ließ. Eine der Marmortafeln wich zur Seite und gab einen dunklen Gang frei, auf den Roduros deutete. „Da hinein!“

Augenblicke später waren sie alle verschwunden. Roduros ging zum Schluss und brachte die Platte wieder in ihre ursprüngliche Lage. Ein Uneingeweihter hätte sich wirklich nicht zu denken vermocht, wo die Flüchtlinge geblieben waren. Einen Augenblick brauchten sie, um sich an die herrschende Dunkelheit zu gewöhnen. Roduros tastete umher.

„Hier müssen irgendwo Fackeln liegen“, brummte er, „und Zunder um sie zu entzünden.“

Endlich hatte er gefunden was er suchte. Eine der Fackeln flammte auf. Nun sah man, dass man sich in einem niedrigen Stollen befand, welcher hier offenbar in mühseliger Arbeit durch den Felsen gehauen worden war, um den Bewohnern des Bergschlosses bei Gefahr als geheimer Fluchtweg zu dienen. Auch Torgo ergriff eine der Fackeln und setzte sie in Brand. Nun hatten sie alle genügend Licht.

„Folgt mir!“, forderte der Räuber sie auf und sie setzten sich neuerlich in Bewegung.

Der Gang führte in schnurgerader Richtung etwa fünfhundert Schritt geradeaus. Dann endete er plötzlich. Man befand sich vor einer rauen Felswand und der Stollen schien in einer Sackgasse zu enden.

„Hier geht es nicht weiter das ist gewiss“, erklärte Nebussor erschrocken. „Hier kommen wir nicht heraus, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand.“

„Da irrst du dich aber Kleiner“, lächelte Roduros.

Er tastete den Felsblock ab und hatte schließlich gefunden, was er suchte. Der Block bewegte sich plötzlich aufwärts und gab einen schmalen Ausstieg frei durch den grelles Sonnenlicht einfiel und sie blendete.

„Derjenige, der sich hier nicht zu bücken braucht, bin ich“, strahlte Nebussor daraufhin und marschierte als erster ins Freie.

Erleichtert atmeten sie auf, als sie wieder unter freiem Himmel standen. Sie befanden sich in einer wilden Felsenlandschaft, in einem Seitental, von dem aus das Schloss keine Zugänge zu haben schien. Seine Mauern wuchteten glatt und fast fensterlos gegen den Himmel, als ob sie direkt aus dem Felsen wüchsen.

„Geschickt angelegt und gut zu verteidigen“, sagte Torgo anerkennend.

„Unsere Pferde sind im Schloss geblieben“, erklärte Roduros missmutig. „Wir müssen uns nun zu Fuß durchschlagen.“

„Wohin soll es gehen?“, fragte Jargo.

„Nach meinem verborgenen Nest oben in den Bergen, mein Quartier an der Werkstatt der Zyklopen haben die Leute des Königs wohl zerstört. In so einem Falle haben wir einen geheimen Schlupfwinkel, an dem sich alle Überlebenden eines Angriffes treffen. Ich will sehen, wen ich da noch vorfinde Ich fürchte, dass es ein vernichtender Schlag gegen meine Bande war, den der König auf so hinterhältige Weise geführt hat, während wir ihm stets in offenem Kampf gegenübergetreten sind. Aber ich will mich überraschen lassen. Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie ich annehme und mancher meiner Freunde ist noch am Leben. In diesem Falle aber Torgo, das schwöre ich dir und ich will mich nicht mehr von dir bereden lassen, in diesem Falle werde ich Telaus die Antwort erteilen die ihm gebührt.“

Mit finsterer Miene kletterte er voran. Er verschwand bald zwischen Felsbrocken und kletterte sodann eine steile Rinne aufwärts, in der vorwärtszukommen Bethseba alle Mühe hatte. Sie nahmen sie in die Mitte, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Ein Felskegel entzog das ungastliche Königsschloss ihren Blicken. Es ging weiter und weiter aufwärts, bald weniger steil, bald wieder über schroffe Felsgrate, von denen aus es zu beiden Seiten in schwindelnde Tiefe niederfiel. Es war früher Nachmittag. Die Sonne brannte heiß auf das kahle Felsland herab, in dem nur spärlicher Wuchs sein kümmerliches Dasein fristete und nichts zu hören war als das Pfeifen des Windes und oder Flügelschlag der Vögel, welche in den Felswänden nisteten.

„Ob sie uns verfolgen werden?“, fragte Jargo nach einer Weile.

„Das ist gewiss“, gab Nebussor seine Meinung kund.

„So sicher scheint es mir gar nicht“, meinte Torgo. „Wahrscheinlich werden sie uns noch eine Weile im Schloss suchen. Sie werden durch alle Räume gehen, und sich unser Verschwinden nicht erklären können.“

„Und selbst wenn sie uns verfolgen würden sie uns nicht finden“, erklärte Roduros mit Bestimmtheit. „Wie sollten sie es auch anstellen? Der nackte Fels auf dem wir klettern, nimmt keine Spuren an und wir sind auch ihrer Sicht entzogen. Noch eine halbe Stunde und ihr werdet das Schloss sehen. Ihr werdet euch aber wundern, wie weit wir bereits von ihm abgekommen sind.“

Seine Worte sollten sich bewahrheiten. Sie sahen das Schloss in der angegebenen Zeit von einem Felskegel aus tief unter sich liegen. Es krönte die Spitze eines anderen Felsens, aber eine große Entfernung trennte sie von ihm. Sie befanden sich auf einem kleinen Plateau das ihnen Gelegenheit zu einer kurzen Rast bot. Sie empfanden Durst, aber es gab hier nirgendwo eine Quelle, aus der sie ihn hätten stillen können.

„In dieser Einöde kann man zugrunde gehen“, brummte Jargo.

„In meinem Unterschlupf finden wir kühles und klares Wasser“, tröstete Roduros sie. „Die Einöde ist nicht so trostlos für den, der sie kennt. Mich hat sie wie einen Sohn aufgenommen. Ich lebe hier und liebe dieses Land und auch ihr werdet es lieben lernen.“

„Ich bleibe nicht hier“, versicherte Nebussor. „Ich gehe nach Persien, wo meine Wiege stand.“

Roduros lachte. „Ich fürchte, diesen Plan wirst du verschieben müssen“, sagte er. „Ich bin überzeugt, dass du bald auf allen Landstraßen die Häscher des Königs treffen wirst, welche nach euch ausgeschickt werden. Da ist es nicht ratsam, eine Reise zu unternehmen. Zu leicht könnte man ein anderes Ziel erreichen, als man sich vorgenommen hat.“

„Man wird mich ungeschoren lassen“, meinte Nebussor.

„Deine Zuversicht in Ehren, aber ich glaube, du irrst dich. Man wird dich ebenso wenig schonen, wie man es heute getan hätte. Die Griechen sind den Persern nicht wohlgesinnt und ich glaube, umgekehrt geht es nicht anders.“

„Da magst du recht haben Roduros“, gab Nebussor zu. „Es herrscht keine große gegenseitige Sympathie das ist gewiss. Aber deswegen kann ich doch nicht bis zu meinem Tode in diesem vermaledeiten Lande bleiben. Bin ich heil aus Atlantis fortgekommen, so wird mir für das letzte Stück Weges in meine Heimat der Schutz der Götter nicht versagt bleiben.“

„Wir werden eine Möglichkeit finden“, tröstete ihn Torgo. „Ich verstehe, dass du dich nach deiner Heimat sehnst. Ich habe versprochen, dich dahin zu bringen und ich werde mein Versprechen auch halten, Nebussor.“

„Wenn ich euch raten darf, dann bleibt eine Weile bei eurem Freunde Roduros“, machte dieser einen Vorschlag. „Jawohl, bei eurem Freunde Torgo, du hast mit mir auf Leben und Tod gekämpft und mir das Leben gelassen, als du siegtest. Und obwohl du dich am folgenden Tage an der Quelle gegen mich wandtest, habe ich deinen Großmut nicht vergessen. Welche Dankbarkeit hingegen der König dir bezeugt hat das hast du soeben erlebt. Ich biete euch meine Gastfreundschaft an und diese ist ehrlich gemeint, nicht so wie jene von König Telaus. Ihr seid sicher in meiner Höhle.“

Er sah, wie Torgo zögerte, seine Einladung anzunehmen und fügte hinzu:

„Ich bin ein Räuber und kein König und meine Höhle ist freilich kein Palast. Aber was das Wort eines Königs und die Sicherheit seines Palastes für seine Gäste anbelangt, so hast du es am eigenen Leibe erfahren, dass ihnen weniger zu trauen ist als dem Wort eines Räubers und seinem Schlupfwinkel.“

Er hielt Torgo seine raue, schwielige Rechte hin und gerührt schlug der Prinz ein.

„Es kommt mir nicht mehr zu, die Menschen nach ihrem Stand zu beurteilen“, sagte er. „Du hast recht und wir haben auch keine andere Wahl. Wir nehmen also dein Angebot an und bleiben bei dir, solange es unsere Sicherheit erfordert.“

„Bleibt, solange es euch gefällt“, forderte Roduros sie auf. „Und gefallen wird es euch, dessen bin ich sicher. Wir führen ein freies, ungebundenes Leben und kennen keinen Herrn, nicht einmal König Telaus. Seine Gesetze haben in unserem Kreise ihre Wirksamkeit verloren.“