Torgo - Prinz von Atlantis 17: Die Stadt der Götter - Charles de Clermont - E-Book

Torgo - Prinz von Atlantis 17: Die Stadt der Götter E-Book

Charles de Clermont

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Beschreibung

Urgo wird beschuldigt, den Führer einer Karawane ermordet zu haben.Bobolam, der König von Gomorrha, verurteilt Torgo und Urgo zum Tod in der Arena. Die beiden Männer müssen um ihr Leben kämpfen.

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TORGOPrinz von Atlantis

In dieser Reihe bisher erschienen

3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten

3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter

3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao

3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis

3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis

3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes

3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi

3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas

3709 Charles de Clermont Bei den Säulen des Herkules

3710 Charles de Clermont Die Rache der Königin

3711 Charles de Clermont Im Land der Pyramiden

3712 Charles de Clermont Auf Leben und Tod

3713 Charles de Clermont Das Gespenstergrab

3714 Charles de Clermont Die sieben Plagen

3715 Charles de Clermont Das Geheimnis

3716 Charles de Clermont Die Verfolgten

3717 Charles de Clermont Die Stadt der Götter

3718 Charles de Clermont Erendira

3719 Charles de Clermont Turm zu Babel

Charles de Clermont

TORGOPrinz von Atlantis

Die Stadt der Götter

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-377-3

Kapitel 1

Die Händler in der Vorhalle des Verunha-Tempels zeigten sich unzufrieden. Wie jedes Jahr hatten sie prall gefüllte Körbe mit reifen Trauben gebracht. Die Leute von Gomorrha pflegten diese Weintrauben während der Kulthandlung von der Priesterin Veiha weihen zu lassen und sie dann mit nach Hause zu nehmen, wo sie andächtig verspeist wurden. Doch heute wurden weit weniger Trauben verkauft als sonst. Die Körbe leerten sich nur zögernd, und viele, die kamen, vor allem die Flüchtlinge aus Sodom und Umgebung, griffen nach den erfrischenden Trauben nur, um sie an Ort und Stelle zu essen; sie dachten nicht daran, sie vorher weihen zu lassen. Auch die Opfertiere – Tauben, Hasen und Hühner – fanden kaum Absatz, und die Priesterin Veiha stellte stirn­runzelnd fest, dass sich der Tempel, kaum, dass er sich zur Hälfte gefüllt hatte, auch schon wieder zu leeren begann.

Und dabei boten sie und ihre jungen Tempelmädchen heute den üppigsten Traubentanz seit Langem. So, als wollten sie durch dessen Zauber die Menge im Tempel festhalten – was ihnen aber nicht gelang. Was war los? Hatte der Gong nicht nachhaltig genug gerufen? Er hatte. Aber sein Schall wurde durch die Ereignisse übertönt. Da war zunächst die Stimme des Herolds, der die Menge in die Arena lud. Die Spiele begannen zwar erst am Nachmittag, doch wer sich einen guten Platz sichern wollte, ging schon vorher hin. Und die Arena war jedenfalls zugkräftiger als der Tempel. Und dann war da auch noch Sodoms Vernichtung durch das Feuer! Die ­Folgen davon waren überall sichtbar und spürbar. Selbst im Tempel roch es nicht nur nach Weih-, sondern auch nach anderem Rauch. Die Schwaden zogen vom Siddim-Tal und der zerstörten, jedoch noch immer brennenden Stadt bis über Gomorrha. Das Sonnenlicht kämpfte mit ihnen; unter den Planen, welche die Bazar-Straße überdeckten, wurde es zeitweilig so dunkel wie am Abend. Die Taschendiebe priesen diesen Tag; sie machten reiche Beute. Die Passanten eilten offenbar ziellos, auf der Suche nach Unterkünften, durch die Stadt. Sie brauchten zumindest eine Bleibe für die nächsten Tage, bis man die Situation wieder in den Griff bekam.

Doch innerhalb seiner Stadtmauern bot Gomorrha den Flüchtlingen kaum Obdach. Bald war es gewiss, dass die meisten außerhalb würden kampieren müssen. Vorläufig waren die Straßen verstopft mit den Karren voll Hausrat, welche die Flüchtlinge mit sich schleppten, und mit ihren geretteten Tieren, die sie mit sich führten. Ihr Klagen, dazu das Blöken und Schreien von Eseln, Kamelen, Ziegen und Schweinen, das Wiehern von Pferden und Schimpfen von Bütteln, die außerstande waren, die Ordnung aufrechtzuerhalten, hallte von den Häuserwänden wider.

Der Töpfer erkannte, wie unvorsichtig er war, als er, im Vertrauen auf den alltäglichen Ablauf der Dinge, auch heute wieder vor dem Gewölbe seine zerbrechliche Ware zur Schau gestellt hatte. Schon waren etliche Schalen und Krüge beschädigt; doch unachtsame Menschen nahmen nicht die geringste Notiz davon. Kaufen wollte schon gar keiner; auch zeigte sich niemand weder bereit noch imstande, für den verursachten Schaden aufzukommen. Fluchend begann der Töpfer, was noch heil war und ihm verblieb, wieder in Sicherheit zu bringen. Sein Tag hatte gar nicht gut begonnen.

Bis auf einige wenige, die den Diwan als ihr zweites Zuhause erkoren hatten, fanden sich auch kaum Besucher in Hafiz Erdomans Goldgrube ein. Malaba meldete dem Herrn empört, dass noch nicht einmal alle Musiker erschienen waren, um ihre Arbeit zu beginnen. Sie ahnte nicht, dass einige, als sie ihr Heim verlassen wollten, von Verwandten aus Sodom um Hilfe und Aufnahme angefleht wurden, da sie daheim alles verloren hatten.

Um die Mittagsstunde pflegte die Arena gewöhnlich in prallem Sonnenlicht zu liegen. Jedes Detail des gewaltigen Rundbaues war dann sogar aus größerer Entfernung gut zu erkennen.

Heute jedoch war der Himmel verdunkelt. Nur kurze, heftige Böen trieben für kurze Augenblicke die Rauchschwaden fort, dafür aber einen Nieselregen von Asche und feinem Salzstaub über die Stadt, der vom Salzberg herabgeweht wurde. Dennoch füllten sich die Ränge der Arena, wenn auch nur zögernd. Die Schaulustigen begannen zu kommen – darunter auch Taaf. Der Schreiber hatte Wort gehalten und ihm einen Platz neben der Loge des Königs reserviert. Taaf war erwartungsvoll und enttäuscht zugleich. Er sah die gedrückte Stimmung der Zuschauer und merkte, dass sie allmählich auf ihn übergriff. War es die Ahnung kommenden Unheils? Die Königsloge blieb immer noch leer; nur hin und wieder zeigte sich einer der Würdenträger, die Bobolam als seine Gäste zum Kampfspiel geladen hatte. Da jedoch nur der König selbst das Zeichen zum Beginn der Spiele geben konnte, wurde Unmut laut.

Endlich erschienen die Fanfarenbläser und nahmen Aufstellung, um den Herrscher über die Stadt und ihren Umkreis anzukündigen. Doch nichts geschah; man wartete immer noch vergeben auf Bobolam. Doch auch die Zuschauerränge waren noch nicht bis zur Hälfte besetzt. Und dabei war es längst über die zum Beginn der Spiele festgesetzte Zeit. Wie um den Wartenden die Zeit zu vertreiben, erschienen jetzt zwei kräftige Arbeiter und rammten einen Pfahl in den Sandboden der Arena. Die Schläge ihrer schweren Hämmer widerhallten im Rund. Es war dies der Pfahl, an dem Urgo festgebunden werden sollte.

Kapitel 2

König Bobolam hatte längst seinen festlichen Ornat angelegt. Auch Königin Zarzi war fertig angekleidet und verging fast vor Ungeduld. Gehörte es doch zu den königlichen Pflichten, pünktlich vor dem Volk zu erscheinen. Doch heute waren die Ereignisse derart, dass der König noch immer in seinen Amtsräumen festgehalten war. Beamte und Boten kamen und gingen; sie berichteten von dem, was in und um Gomorrha geschah. Die Stadt begann allmählich im Flüchtlingsstrom zu ersticken. Es mussten Maßnahmen getroffen werden, um Übergriffe zu verhindern. Der König ließ die Krieger, die ihm zur Verfügung standen, vor den Stadttoren Aufstellung nehmen, um jedermann den Zutritt zu verwehren. Man riet dem König, außerhalb der Stadt ein Auffanglager zu schaffen, in dem die Betroffenen mit dem Nötigsten versorgt und vorerst untergebracht werden konnten.

„Die Spiele!“, erinnerte ihn Zarzi mit wachsender Ungeduld.

„Ich weiß, ich weiß!“, beschwichtigte sie Bobolam. „Verstehst du nicht, dass dies hier wichtiger ist?“

„Bobolam“, widersprach die Königin, „was weiß die Menge, was wichtig ist! Das Volk wird es dir übel nehmen, wenn du es warten lässt!“

Die Sonne zeigte längst eine spätere Stunde an, als der König samt Königin und seinem Tross endlich nach der Arena aufbrach, um das Blutspektakel zu eröffnen.

Kapitel 3

Unterdessen waren Taafs gedungene Männer nach und nach im Diwan eingetroffen. Sie nahmen verteilte Plätze ein, als würden sie nicht zusammengehören, und bestellten reichlich Speis und Trank. Sie hatten vor, zunächst zu genießen, was der Diwan zu bieten hatte. Und keiner von ihnen hatte vor, zu bezahlen. Nur Jambor, der Anführer, war noch nicht erschienen. Dabei fiel ihm dieselbe Aufgabe wie König Bobolam zu. Er hatte das Zeichen zum Anfang zu geben. Jambor aber war zu spät aufgebrochen und hatte nun Schwierigkeiten, an der Wache am Stadttor vorbeizukommen. Eine laut protestierende, schreiende und schimpfende Menge drängte sich vor dem Tor, doch des Königs Befehl gemäß wurde niemand mehr eingelassen.

„Ihr habt draußen zu bleiben vor der Stadt, ihr alle!“, hieß es. „Niemand passiert mehr! Auf Befehl des Königs: Bleibt, wo ihr seid, und sucht euch eine andere Bleibe!“

Doch da waren Männer und Frauen, die auf die Hilfe von Verwandten zählten, die in Gomorrha lebten. Sie nahmen Bobolams Befehl nicht zur Kenntnis, der Haufen wuchs, und immer mehr drängten nach. Schließlich war die Wache nicht mehr imstande, dem Ansturm standzuhalten. Und in dem Moment, in dem die Ersten die Sperre durchbrachen, zwängte sich auch Jambor durch. Mit Mühe erreichte er den Diwan. Das Lokal war so spärlich besucht, wie er vermutet hatte. Er sah seine Spieß­gesellen, verteilt im Raum und bei schwelgerischem Verzehr und in Gesellschaft von Mädchen, und beschloss, es sich gleichfalls erst einmal gut gehen zu lassen. Schließlich hatte es ihn Schweiß gekostet, überhaupt hierherzukommen. Malaba aber war froh, einen weiteren Gast zu erblicken, und schickte Morimba auf die Spielfläche. Vergeblich jedoch spähte sie nach dem, den sie erwartete, den reichen Händler, der die Schöne heute mit sich nehmen sollte.

Die nun endlich vollzählig versammelten Musiker setzten ein und der Diwan konnte mit seinem heutigen Programm beginnen.

Kapitel 4

In der Arena trieben indes die mit Speeren bewaffneten Wärter die hungrig brüllenden Löwen aus ihren Käfigen und in einen Verschlag, der sich nur nach der Arena öffnen ließ. Ihr Gebrüll war bereits bis auf die Ränge zu hören und wirkte nach der entnervenden Wartezeit elektrisierend.

„Endlich“, rief Taaf, „geht es los! Ich dachte schon, heute wird es nichts mehr!“

Sein Nachbar blickte gleichzeitig misslaunig zur Königsloge. „Freu dich nicht zu früh, Bobolam ist noch immer nicht da! Ohne ihn kann man nicht anfangen!“

„Aber wann kommt er denn endlich?“, empörte sich Taaf. „Hat er es denn vergessen? Weiß er nicht, dass er längst hier sein sollte?“

„Frag ihn doch selbst“, brummte der Nachbar. „Er ist der König!“

Empört wandte sich Taaf von ihm ab und starrte weiter auf die Arena, aus der nun auch die beiden Arbeiter wieder verschwunden waren. Ihr Werk war getan, der Pfahl fest in den Boden gerammt. Der Delinquent würde ihn selbst unter Aufbietung aller Kräfte nicht lockern können.

Auf den Rängen waren nun doch etwas mehr Zuschauer erschienen. Und ihre Ungeduld machte sich nun bemerkbar. Es wurde höchste Zeit für Bobolam, das Zeichen zum Beginn zu geben, wenn er sich nicht die Gunst seiner Untertanen verscherzen wollte.

Unten im Verlies schlossen indessen die Wärter die Gefangenen von ihren Ketten los und banden ihnen die Hände auf den Rücken. Viele wehrten sich, es war immer so. Ein letztes Mal versuchten sie, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen, doch es half ihnen nichts. Die Wärter bekamen rasch Hilfe. Wachen erschienen und brachten die Unglücklichen zur Raison. Sie schleppten sie aus dem Verlies und in eine Kammer, die unmittelbar neben jener lag, in welcher die Raubtiere darauf harrten, auf ihre Beute losgelassen zu werden. Ihre beißende Ausdünstung wehte zu den Gefangenen herüber und wurde zum Vorgeschmack auf das Kommende. Panik packte sie. Bitten, Gebete und Flüche wurden laut – vergebens. Jeder von ihnen blieb allein in seiner Not. Verunha war weit fort, von Weihrauch umweht, und hörte sie nicht, und auch keiner der vielen anderen Götter, die man im Lande verehrte, half ihnen.

Noch hingen Torgo und Urgo in ihren Ketten, und ein Funke Hoffnung keimte in Urgo auf. Die anderen Gefangenen waren bereits fortgebracht. Hatte man sie vergessen? Oder waren sie doch noch begnadigt worden? Torgo, der in diesen Minuten seinen Blick nicht vom Antlitz seines Sohnes wandte, erkannte, was in diesem vorging, und wie trügerisch diese Hoffnung war.

„Nein, Urgo“, schüttelte er mitleidig den Kopf, „täusche dich nicht! Sie werden auch uns holen, sobald es so weit ist!“

„Aber wir sind allein geblieben im Verlies! Was hat das zu bedeuten?“

„Dass wir zum Schluss – und Höhepunkt – dieses grausamen Spektakels erkoren sind!“, erklärte er. „Auch in Gomorrha hebt man sich das Beste für den Schluss auf! Unser Sterben soll noch einmal zu einem Sturm der Begeisterung führen! Gibt es uns beide nicht mehr, ist das grausame Spiel zu Ende. Wer zugesehen hat, geht befriedigt heim.“

„Das ist doch unmenschlich, Vater! Weshalb lässt Gott solches zu? Und so vieles andere auch?“

„Ich weiß es nicht, Urgo. Sein Ratschluss ist uns unbegreiflich. Er allein weiß, weshalb er es geschehen lässt.“ Ein ungläubiger Seufzer entrang sich Urgos Brust. In ohnmächtiger Verzweiflung zerrte er an seinen Ketten.

„Hat mich meine Mutter dazu geboren?“, rief er aus. „Soll das wirklich mein Ende sein? Ein Ende, zur Belustigung des Pöbels von Gomorrha?“

„Man hat mir ein Schwert versprochen, mein Sohn“, presste Torgo aus trockener Kehle hervor. „Ich werde dich verteidigen!“

„Gib mir das Schwert, Vater, und ich verteidige mich selbst!“

„Und was würdest du tun? Den Wärter niederstechen, und vielleicht auch zwei oder drei? Du kämst nicht weit, Urgo! Wir können nur eines: auf Gott vertrauen! Nur er kann uns retten!“

„Du kannst auch nichts anderes tun. Woher nimmst du nur die Kraft, so zu sprechen“, schüttelte Urgo den Kopf. „Er hätte uns längst retten können, wenn er gewollt hätte!“

„Seine Wege sind nicht die unseren, und seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Kein Mensch mit seinen niederen Gedanken kann erfassen, nach welchem Gutdünken unser Gott seine Schöpfung lenkt. Du kennst Atlantis nur aus den Erzählungen von deiner Mutter und mir. Wir haben das nie erwähnt. Auch dort gab es grausame Spiele, zum Teil auf Geheiß von Amur, deinem Großvater, zum Teil auch vom Hohepriester. Sogar deine Mutter war in größter Gefahr!“

Urgo hatte eine heftige Erwiderung auf der Zunge, als er plötzlich merkte, dass sein Vater ihm nicht zuhören würde.

Etwas Sonderbares, Unbegreifliches schien mit Torgo zu geschehen. Wie gebannt blickte der junge Mann zu seinem Vater hinüber. Torgo schien weit fort zu sein. Trotzdem er immer noch in seinen Ketten hing, schien es auf einmal so, als wäre er frei!

Kapitel 5

Weit fort, in der Oase Hamada, begriff Miriam plötzlich, in welcher Lage sich Torgo befand und ebenso Urgo, sein Sohn. Sie wusste nicht, woher dieses Wissen kam, doch sie sah und fühlte förmlich die Not der beiden. Sie kniete am Brunnen, und durch ihre Finger rann eine Handvoll weicher Sand. Und so, wie der Sand in ihrer Handfläche seinem Ende zuneigte, war es, als ginge auch Torgos und Urgos Leben seinem Ende zu. Zur selben Zeit wusste Torgo, dass Miriam ihn in seinen Ketten sah. Und der Herzschlag der fernen Tochter seines Freundes und sein eigener wurden eins. Miriam spürte, wie sie zusammenwuchsen, und betete: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkünden seiner Hände Werk.“

Im selben Augenblick schmetterten die Fanfaren und verkündigten die Ankunft des Königs und der Königin. Der Schall der Fanfaren schnitt Urgo durch Herz und Hirn. Wie eine eiskalte Welle durchfuhr ihn die Erkenntnis, dass nun das Ende kommen sollte. Doch Torgo schien nichts davon wahrzunehmen! Urgo hörte ihn vielmehr murmeln: „Nun merke ich, dass der Herr seinem Gesalbten hilft und ihn erhört! Seine Rechte hilft ihm mit Macht.“

Die Stimme des Prinzen war der einzige Laut im Verlies. Miriam betete in Hamada, und Torgo sprach ihre Worte aus: „Herr, schaffe mir Recht! Ich hoffe auf dich, und darum werde ich nicht fallen!“

Urgo vernahm diese Worte; er wusste, was sie bedeuteten, aber nicht, woher sie kamen; denn sein Vater stand aufrecht vor der Wand aus Lehm, und wenn er die Lippen bewegte, war es, als spräche jemand anders aus seinem Mund. Miriam!, durchfuhr Urgo plötzlich diese Erkenntnis. Er begriff, was geschah. Und in seine Verzweiflung mischte sich Grauen.