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Torgo wird des Mordes verdächtigt und kämpft dennoch gegen eine grauenhafte Horde, die ganze Landstriche terrorisiert.Nif-Iritt dankt als griechische Königin ab und streckt erneut ihre Fühler nach Torgo aus.
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Seitenzahl: 152
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TORGOPrinz von Atlantis
In dieser Reihe bisher erschienen
3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten
3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter
3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao
3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis
3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis
3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes
3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi
3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas
3709 Charles de Clermont Bei den Säulen des Herkules
3710 Charles de Clermont Die Rache der Königin
3711 Charles de Clermont Im Land der Pyramiden
3712 Charles de Clermont Auf Leben und Tod
Charles de Clermont
TORGOPrinz von Atlantis
Die Rache der Königin
Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Rupert BauerTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-625-5Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Mit verhängten Zügeln jagte ein Reiter durch die Nacht. Auf schwarzem Rosse ritt er dahin, Schaum stand dem Pferd vorm Maul, aber er schonte es nicht. Wild donnerten die Hufe des Tieres über die Landstraße, welche nach der Hauptstadt führte. An den Schenken, an den Gehöften, an denen der Reiter vorbeikam, machte er nicht halt. Wohl öffnete man aber hier und dort eine Türe oder Fensterspalt und lugte verstohlen und neugierig hinaus in die Dunkelheit.
„Das muss eine wichtige Meldung sein, welche der Krieger da bringt, sicher eine Botschaft für unsere Königin!“, flüsterte es dann leise und schon schlossen sich Türen und Fenster wieder, denn es waren unsichere Zeiten in Griechenland. Die so sprachen, die vermuteten recht. Längst schon wartete Nif-Iritt in ihrem Palast auf diese Nachricht. Und der Bote hoffte auf eine große Belohnung für die Schnelligkeit, mit der er sie brachte. Ja, noch bevor der Tag graute, würde Nif-Iritt es wissen und wenige Stunden später wohl auch bereits das Volk von Athen. Nif-Iritt, die Königin, schlief in dieser Nacht nicht, während sich der Reiter der Hauptstadt näherte. Sie hatte in ihrem Betraum die ägyptischen Opferschalen entzünden lassen und war in Andacht zu ihren Göttern versunken. Sil und Gül-Gül, ihre Dienerinnen und Vertrauten aus den Tagen der Heimat, leisteten ihr Gesellschaft. Das, was sie ersehnte, fürchtete sie zugleich, die Gefangennahme Torgos. Ihr Herz war in Hassliebe zu dem atlantischen Prinzen verstrickt. Sie verlangte nach ihm und glaubte sich zugleich zutiefst von ihm verletzt. Die Gerüchte, dass der Prinz ihren Gatten, den König und die Nichte Solons ermordet habe, gaben ihrem Hass eine willkommene Gelegenheit zur Rache, und diese Rache fürchtete zugleich ihr Herz. Der eintönige Singsang der drei Frauen erfüllte den Betraum, vor dessen fremdartigen, unheimlichen Götzenfiguren flackernd die Flammen in den Schalen zuckten. Dann und wann durchzitterte ein dumpfer Gongschlag das Gemach und Gül-Gül erhob ihre Stimme in seltsamen Rhythmus.
Telaus, der König war tot! Alle Last ruhte nun auf den Schultern der Königin. Der Königin, die dieses Volk, dieses Land nicht liebte, sondern sich verzehrte in Heimweh nach den Ufern des grünen Nils.
Weit fort wanderten die Gedanken Nif-Iritts, kehrten zurück in die Tage, die sie im marmornen Palast des Pharao, ihres Vaters, verbracht hatte. Streng waren dort Sitten und Gebräuche gewesen und verachtet das Volk der Juden, deren Tochter Bethseba gewesen war. Bethseba, Nif-Iritts niedrigste Dienerin. Oh, wie hasste sie dieses Mädchen, dass nun die Gesellschaft Torgos teilte. Oh, würde sie doch der Zorn der Götter zerschmettern! Bethseba, die sanfte, geduldige, die so ganz anders war als die wilde, temperamentvolle Nif-Iritt, welche nur durch den Zwang der Konvention sich Selbstbeherrschung auferlegte und in deren Inneren es kochte gleich einem Vulkan. Die Königin betete. Und der Bote sah bereits die Tore der Stadt aus dem Dunkel wuchten, er peitschte sein Pferd zu einer letzten Anstrengung auf und pochte dann wild an die verschlossene Pforte. Ein kleines Viereck öffnete sich.
„Wer ist da draußen?“
„Ein Bote aus den Bergen! Ich muss sofort zur Königin!“
Der Krieger wies auf das Zeichen seines Regimentes und wurde eingelassen.
„Was gibt es?“, fragte der Posten. „Sind Räuber eingefallen? Bedrohen uns unsere Nachbarn?“
Der Bote lachte und zeigte seine blanken Zähne.
„Unser Hauptmann hat Prinz Torgo gefangen!“, rief er und dann trabte er durch die finsteren Straßen auf das Königsschloss zu. Vor dem Schloss wiederholte sich das Spiel. Wenig später pochte ein Diener an Nif-Iritts Betraum.
„Wer wagt es, uns bei unserer Andacht zu stören!“, rief die Königin, aus ihren Träumereien aufgeschreckt.
„Sil, geh und sieh nach, was man will!“
Die Dienerin gehorchte.
„Ein Bote ist da, er begehrt dringend die Königin zu sprechen! Großes hat sich ereignet!“
Unwillig, aber voll innerer Spannung und erfüllt von den widerstreitenden Ahnungen und Empfindungen, erschien die Königin gleich darauf im Arbeitsraum des Königs, wo der Bote bereits ihrer harrte.
„Was gibt es?“, fragte Nif-Iritt und heftete ihre Blicke forschend auf ihn.
Der Krieger beugte sich tief.
„Herrin“, sagte er, „alle deine Wünsche sind erfüllt! Roduros Räuberbande wurde gefangen! Keiner ist entkommen und der Räuber selbst ist tot! Und Torgo, der Prinz von Atlantis fiel meinem Hauptmann gleichfalls in die Hände!“
„Wie?“, stieß die Königin hervor, „Ist es wahr, was du sagst?!“
„Gewiss doch, Königin! Sie sind bereits auf dem Wege nach der Stadt, sie werden in längstens zwei Tagen hier eintreffen. Ich ritt so schnell ich konnte, um es dich sogleich wissen zu lassen. Der Hauptmann hat mich vorausgesandt, mein Pferd ist fast tot, Königin!“
„Ja, ja“, antwortete Nif-Iritt anerkennend. „Du wirst eine Belohnung erhalten. Du hast sie dir verdient. Auch dein Hauptmann verdiente sich die versprochene, vom König ausgesetzte Belohnung. Er wird sie bekommen, obwohl der König nun nicht mehr am Leben ist. Ich halte alle seine Versprechen, da ich seine Witwe bin. Sprich, wo habt ihr Torgo ergriffen?“
„Bei den Säulen des Herkules, Königin.“
„Soweit?“
„Wundert dich das?“
„Doch, es wundert mich: man sagt, er habe die Nichte Solons ermordet, ja, mehr noch, man will sogar wissen, dass er beim Tode des Königs seine Hand im Spiele hatte.“
Der Krieger stürzte auf seine Knie.
„So ist es wirklich wahr, was Gerüchte wissen wollen, nämlich, dass unser Herr und König nicht mehr am Leben ist?“
„Ich sagte doch schon, dass ich Witwe bin. Siehst du nicht mein Trauergewand? Ich komme eben vom Gebet für den König. Der König ist tot. Feige wurde er ermordet und man sagt, dass der Prinz der Anstifter dieses Verbrechens sei.“
Der Krieger erhob sich wieder und schüttelte den Kopf.
„Herrin“, sagte er, „unsere Truppe war weit im Gebirge. Auf dem Wege hierher nahm ich keinen Aufenthalt: du wirst verstehen, dass ich von dem, was in der Hauptstadt geschah, schlechte Kenntnis habe. Was Torgo betrifft, ich halte ihn zu allerlei fähig. Ich weiß nicht, wo er sich aufhielt, als die Nichte Solons ihren Tod fand. Das ist eine Weile her und ich kenne den Aufruf, welchen der König deswegen erließ. Aber dass er am Tode des Königs unschuldig ist, das ist gewiss! Der Prinz ist seit Tagen und Wochen nicht aus den Bergen fortgekommen. Er kann sich unmöglich in der Umgebung der Hauptstadt aufgehalten haben.“
Nif-Iritt nickte blass.
„Wir werden ihn selbst verhören, sobald er hier ist“, sagte sie. „Nun geh, versorge dein Pferd und begib dich zur Ruhe. Du bedarfst ihrer, ich sehe es dir an. Morgen darfst du dich melden, um deine Belohnung in Empfang zu nehmen.“
Wieder verneigte sich der Krieger und entfernte sich dann mit stolzem Lächeln. Sein Gewaltritt trug nun seine Frucht. Übernächtigt suchte die Königin ihre Gemächer auf. Auch Sil und Gül-Gül begaben sich zur Ruhe. Doch vermochten sie ebenso wenig Schlaf zu finden wie Nif-Iritt. Prinz Torgo, gefangen.
Die Königin aber dachte auch noch andere Gedanken. Da war Kodron der Waffenschmied, welcher einen Spion der Hethiter in seinem unterirdischen Gewölbe gefangen hielt. Wenn Torgo der Mörder nicht war, dann. Vielleicht war es doch gut, auf des willfährigen Kodron Vorschlag einzugehen und den Gefangenen verhören zu lassen. Oder war es tatsächlich, wie Kodron meinte, besser ihn selber aufzusuchen?
Der Zug der Gefangenen bewegte sich währenddessen in langer Kolonne auf die Hauptstadt zu. Die Sonne war aufgegangen und von ferne sah man die gebückten Leiber der Gefangenen, welche über die staubige Straße dahinschwankten, ihrem sicheren Tod entgegen. Nur der Prinz ging aufrecht. Bethseba, Jargo und Nebussor erkannten ihn aus der vorsichtigen Entfernung, in welcher sie sich von dem Zug bewegten.
„Das ist der Prinz“, sagte eben Nebussor, seine Hand, mit welcher er seine Augen gegen die Sonnenstrahlen abgeschirmt hatte von der Stirn nehmend, der kleine Perser. „Ja, er ist es, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand! Wir sind nun nahe genug, dass ist gewiss.“
„Aber es hilft weder ihm noch uns, wenn wir uns immer in diesem Abstand halten“, meinte Bethseba sorgenvoll.
„Doch“, entgegnete Jargo. Näher dürfen wir uns bei Tage nicht wagen. Einer der Gefangenen könnte unvorsichtigerweise verraten, dass er uns kennt und dann wäre alles für Torgo verloren.“
„Nicht nur für Torgo, auch für uns setzte Nebussor hinzu. „Ein wenig später marschierten wir dann selbst mit, das ist gewiss. Du Bethseba, hast ja den Anfang dieses Marsches bereits mitgemacht.“
„Das ist freilich wahr“, musste Bethseba zugeben. „Ja, das habe ich. Und wäre nicht ein Wunder geschehen, so ginge ich jetzt an Torgos Seite. Oh, ich würde mich darüber nicht beklagen, an seiner Seite gehen und ihn trösten zu dürfen.“
„Noch besser aber ist es, hier zu stehen und die Mittel seiner Befreiung in Händen zu halten, die uns auf ebenso wunderbare Weise zuteilgeworden sind“, versicherte Nebussor verschmitzt. „Ich meine den Schatz der Räuber.“
Wenn Roduros aufgehäufte Schätze imstande sind, Torgo die Freiheit wiederzugeben, so sollen sie ohne Bedenken dafür geopfert werden“, erklärte Bethseba. „Und darum will ich auch nicht länger zögern um mit dem Anführer der Krieger Verbindung aufzunehmen.“
Wieder schüttelte Jargo den Kopf. „Das müssen wir schlau machen“, sagte er. „Wer hindert ihn, uns gleichfalls gefangen zu nehmen und solange zu martern, bis wir das Versteck der Schätze verraten?“
„Das ist freilich wahr“, musste Bethseba zugeben.
„Du und Nebussor, ihr beide dürft überhaupt nicht in Erscheinung treten“, fuhr Jargo fort. „Ich bin der einzige von uns dreien, den man wahrscheinlich nicht so leicht erkennt. Aber auch ich will es bei helllichtem Tage nicht wagen. Wir müssen die Dunkelheit abwarten, dann begebe ich mich in das Lager.“
„Mein lieber Freund“, kicherte Nebussor, „bei allen Göttern, da musst du dich aber beeilen! Morgen Abend haben die wohl schon die Hauptstadt erreicht und da ist es noch viel schwieriger. Der letzte Zeitpunkt, der in Frage kommt, ist der heutige Abend, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand und gelingt es uns da nicht, dann schaffen wir es nie, dass ist gewiss!“
„Es ist nicht meine Schuld, dass wir den Zug der Gefangenen erst heute einholten“, sagte Jargo ärgerlich. „Wir haben bei den Säulen des Herkules viel Zeit verloren. Wir fanden Bethseba, durchsuchten den Tempel und mussten den Verräter Menelos begraben. Der Hauptmann aber schlug mit seinen Leuten ein rasches Tempo ein, das ist begreiflich, er möchte die Bande und vor allem Torgo so schnell als möglich in die sichere Hauptstadt bringen und vor allem auch wohl so rasch es geht in den Besitz der ausgesetzten Belohnung kommen.“
„Ja, ja“, sagte Nebussor, „das wissen wir. Aber wir dürfen nun nicht länger zögern.“
„Ob Torgo wohl an uns denken wird?“, fragte Bethseba.
„Das ist gewiss“, meinte Nebussor, „und ebenso sicher ist es, dass er wohl damit rechnet, dass wir ihm helfen.“
„Er soll nicht vergebens auf diese Hilfe vertrauen“, erklärte Jargo. „Noch vor dem morgigen Tag soll er frei sein.“
In vorsichtigem Abstand folgten sie dem Zuge der Gefangenen, ihn nicht aus den Augen lassend.
Nur langsam schwanden die Stunden. Am frühen Nachmittag wurde an einem Brunnen Rast gemacht, welchen Theiresias mit der Kolonne zuvor zur Pause benutzt hat. Dann ging es wieder weiter.
Der Hauptmann hielt sich nicht immer an die Straße, sondern wählte manche Abkürzung, so dass man rascher vorwärtskam als es bei der Geschwindigkeit des Zuges eigentlich hätte der Fall seien müssen. Dies erfüllte unsere drei Freunde mit Besorgnis, denn die Hauptstadt kam immer mehr in bedenkliche Nähe.
Als in der Ferne schon die von Tempeln gekrönten Berge nahe der Küste sichtbar wurden, gelangte man zu einem Dorfe, auf dessen Brunnenplatz Theiresias zu übernachten beschloss.
Die Gefangenen fielen zu Boden, wo sie stehen blieben. Sie waren zu müde, noch einen Schritt weiterzugehen. Sie verzichteten auf Nahrung und hatten nur ein Bedürfnis: den Schlaf. Er war der einzige, welcher sie wenigstens für einige Stunden wieder aus den Fesseln der Gefangenschaft befreien und zurück entführen konnte im jene felsigen Höhen nahe den Wolken, welche ihr Reich gewesen war und auf denen sie ein Leben geführt hatten. Auch Torgo war nicht weniger müde als sie, nur sein Körper besaß mehr Widerstandskraft. Er trat an den Brunnen, um zu trinken. Ein kleiner Knabe stand dort, zu den Bewohnern des Dorfes gehörig und er füllte ihm eine Wasserschale.
Mit durstigen Zügen trank der Prinz und der Knabe beobachtete ihn.
„Bist du Torgo?“, fragte er dabei mitleidig.
Über Torgos Züge glitt ein Lächeln. „Ja, ich bin es“, antwortete er. „Woher kennst du mich?“
„Ich dachte es mir. Jeder hier im Lande kennt deine Taten und wünscht dir Gutes. Du hast aus Räubern Männer gemacht, welche hilfreiche Taten vollbrachten. Das soll dir nun mit Undank vergolten werden.“
„Heda, du Knabe, mach dass du verschwindest“, fuhr einer der Krieger den Knaben an. „Siehst du nicht, dass es sich um einen Gefangenen handelt? Das Sprechen mit Gefangenen ist verboten!“
„Geh nur“, ermunterte ihn Torgo, „es ist nicht nötig, dass du meinetwegen Unannehmlichkeiten hast.“
Er setzte sich zu den anderen, während der Knabe traurig verschwand. Theiresias kam, betrachtete ihn herausfordernd, meinte dann spöttisch: „Ein Prinz unter gefangenen Räubern!“
Torgo gab ihm keine Antwort. Da entfernte sich der Hauptmann wieder voll Grimm und machte sich über die Suppe her, die er sich inzwischen hatte zubereiten lassen. Unterdessen näherte sich Jargo dem Dorfplatz. Nebussor und Bethseba waren mit den Tieren außerhalb des Dorfes zurückgeblieben. Sie warteten voll Spannung und banger Hoffnung auf das was sich ereignen werde.
Würde es Jargo gelingen, den Prinzen zu befreien?
Jargo sah vor sich zwei Möglichkeiten: entweder es gelang die Befreiung durch einen kühnen Streich, oder aber sie ließ sich durch die von Bethseba vorgeschlagene Art des Kaufens oder der Bestechung verwirklichen. Jargo wusste nicht, welche Situation er antreffen werde.
Er kannte den Hauptmann nicht. Vielleicht war dieser so ehrgeizig, dass er für Bestechung nicht zugänglich war. Vielleicht fürchtete er auch Strafe, wenn er den einmal gefangen genommenen Torgo wieder entweichen ließ. Das alles war möglich. Und andererseits, weshalb unbedingt den Schatz des Räubers fortgeben? Vielleicht ließ sich Torgos Befreiung auch bewerkstelligen, ohne dass man dies unbedingt tun musste. Nein, Jargo war auf jeden Fall dafür, es erst einmal auf die andere Art zu versuchen, nämlich durch einen kühnen Handstreich. Wenn es sich herausstellte, dass sein Vorhaben keine Aussicht auf Erfolg hatte, war die andere Möglichkeit immer noch gegeben. Die Gassen des Dorfes waren belebt. Jargo hörte schon von weitem, dass man von nichts anderem als von der Verhaftung Torgos sprach. Aber dann tauchten Theiresias Krieger auf, welche die Leute in die Häuser trieben, und vor allem Lebensmittel zur Versorgung der Truppe forderten. Nun hätte Jargo Gelegenheit gehabt, auf den Brunnenplatz zu gelangen, aber eine innere Stimme hinderte ihn daran. Jargo stellte voll Verwunderung fest, dass ihn etwas hemmte, einen Vorsatz auszuführen. Was war das? Torgo war sein Herr und sein Freund. Sie hatten so manche Gefahr zusammen durchgestanden. Nie hatte einer den anderen im Stich gelassen. Und nun? War es eine innere Warnung vor Gefahr? Nein. Jargo kannte dieses Gefühl, ebenso wie Torgo es kannte. Es hatte ihnen beiden schon mehrmals das Leben gerettet. Nein, das war es nicht. Oder etwa Furcht? Jargo lächelte grimmig bei diesem Gedanken. Nein, Furcht war es gewiss auch nicht. Dieses Gefühl kannten sie beide nur vom Hörensagen. Was also war es wirklich? Mit einem Male wurde Jargo gewahr, dass der Gedanke an Bethseba seine Schritte hemmte. Der Gedanke an Bethseba, die selbst nichts Sehnlicheres wünschte, als dass Torgo seine Freiheit wiedererlangen möge. Ja, der Gedanke an Bethseba. Und jenes unausgesprochene Gefühl für sie, dass er sich selbst kaum eingestand. Alle ihre Gedanken weilten bei Torgo. Sie lebte in ihm, ging ganz auf in ihrem Gefühl für den Prinzen. Ihr Leben hätte sie für ihn hingegeben, Jargo wusste es.
Und Jargo? Nun, er war Torgos Freund und Diener. Sie betrachtete ihn als ein Etwas, das zu Torgo dazugehörte, so wie etwa sein Pferd oder seine Waffen, vielleicht war das zu viel gesagt, zu streng gesprochen. Nein, sie schätzte ihn natürlich als Freund. Aber sonst hatte sie keinen Blick für ihn, das gestand sich Jargo zähneknirschend ein. Erst in den letzten Tagen und Stunden, da Torgo zwangsläufig abwesend war, hatte sie ihm etwas mehr Beachtung schenken müssen. Nun erst hatte er sie für sich allein. Nebussor, der Kleine zählte ja nicht. Er war nicht mehr als ein possierlicher Spaßvogel. Pfui!
Auf welche Gedanken und Einbildungen war er gekommen? Stand es so um seine Freundschaft zu Torgo, dass sie an heimlicher Eifersucht zerbrach? Denn das war Eifersucht, nichts als Eifersucht. Jawohl, er liebte Bethseba, er hätte es hundert Mal laut hinausschreien mögen, dass er sie liebte, wenn es nur einen Sinn gehabt hätte. Aber Bethseba, sie gehörte Torgo allein. Nie hatte er zu Bethseba von seiner Liebe gesprochen. Nie hätte er es gewagt: sie war für ihn unantastbar. Aber nun, da Torgo nicht da war, war alles anders. Und wenn der Prinz hingerichtet würde, dann war sie allein in einem fremden Land und nur auf Jargo angewiesen! Jargo wagte nicht an die Möglichkeit zu denken, welche sich da ergaben. Es konnte noch alles gut werden, ja gewiss, das konnte es. Aber wenn er Torgo nun befreite, zurückbrachte in ihren Kreis, dann war alles wieder wie vorher.
„Jargo, was sinnst du?“, knurrte er zu sich selbst, „was für Unheil brütet dein Hirn?! Verrat an deinem besten Freunde, Verrat an dem, den alle verrieten?! Sollst du, der letzte, den er für treu hält nun auch noch an ihm zum Verräter werden?!“