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Der hethitische König will Babylon kampflos erobern und bietet König Hammurabi seine jüngste Tochter Erendira zur Frau an. Doch die wehrt sich heftig gegen die Pläne ihres Vaters.
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Seitenzahl: 153
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TORGOPrinz von Atlantis
In dieser Reihe bisher erschienen
3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten
3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter
3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao
3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis
3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis
3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes
3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi
3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas
3709 Charles de Clermont Bei den Säulen des Herkules
3710 Charles de Clermont Die Rache der Königin
3711 Charles de Clermont Im Land der Pyramiden
3712 Charles de Clermont Auf Leben und Tod
3713 Charles de Clermont Das Gespenstergrab
3714 Charles de Clermont Die sieben Plagen
3715 Charles de Clermont Das Geheimnis
3716 Charles de Clermont Die Verfolgten
3717 Charles de Clermont Die Stadt der Götter
3718 Charles de Clermont Erendira
3719 Charles de Clermont Turm zu Babel
Charles de Clermont
TORGOPrinz von Atlantis
Erendira
Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-378-0
Die Hand König Hammurabis tastete nach seiner Gefährtin. Farah schlief noch, während sich der Himmel über Babylon in den Farben der Morgenröte erhellte. Er aber hatte schon seit Stunden nicht mehr geschlafen. Am vergangenen Abend hatten ihm Kundschafter von den Plänen des Königs Šuppiluliuma berichtet. Und er erfuhr noch mehr: Die Delegation, welche der Hethiterkönig mit dem Bildnis seiner Tochter Erendira zu ihm gesandt hatte, war bereits zu ihm unterwegs.
Šuppiluliuma wollte ihn zwingen, dieses Mädchen zu ehelichen. Im Falle einer Ablehnung dieses Angebotes würde sich Šuppiluliuma in seiner Ehre gekränkt fühlen und Babylon angreifen. Hammurabi aber liebte die feine, zarte Farah, die ihm unlängst gestanden hatte, dass sie schwanger war. Sie würde ihm einen Sohn gebären – den Erben des Thrones von Babylon! Einen Prinzen für den Goldenen Thron im Palast der Hängenden Gärten.
Hammurabi wusste, dass er gegen die Heere des Hethiterkönigs keine Chancen hatte. Doch die Demütigung, sich klein beigebend zum Vasallen machen zu lassen, wollte er nicht hinnehmen. Er wollte sich auf keinen Fall den Hethitern in einer offenen Feldschlacht stellen. Warum auch, er wollte keinen Streit mit ihnen. Krampfhaft sann er nach einer List.
Irgendwie musste es möglich sein, dem ehrenden Angebot des Hethiters zu entgehen. Auf eine Weise, die für diesen keinen Gesichtsverlust bedeutete, sodass Šuppiluliuma keinen Grund vorbringen konnte, der einen Angriff auf Babylon gerechtfertigt hätte. Hammurabi verbrachte die Stunden der Nacht mit Sinnen, kam aber zu keinem Ergebnis.
Farah regte sich unruhig im Schlaf. Jedes Mal, wenn Hammurabi dies bemerkte, wuchs sein Wille zum Widerstand. Prinzessin Erendira mag so schön sein, wie man sagte; doch ich wünsche keine Frau neben Farah, sagte er sich, welche die Mutter meines Sohnes wird. Niemals könnte ich ihr eine solche Kränkung zufügen. Dazu ist meine Liebe zu ihr zu groß. Auch wenn die Möglichkeit, Kinder – vor allem einen Sohn – zu bekommen, mit jedem Tag geringer wird. Hammurabi merkte, wie seine Begehrlichkeit zu Farah wuchs, doch er beherrschte sich, er wollte seine Geliebte schlafen lassen. Für die Erfüllung ihrer Sehnsucht war später noch Zeit.
Durch die Vorhänge des Schlafgemachs wehte der Wind die Düfte der Hängenden Gärten. Tausende Blüten verströmten ihn. Und in das sanfte Rauschen eines künstlichen Wasserlaufes mischten sich die Stimmen der erwachenden Vögel.
Hammurabi war stolz auf seine Gärten. Sie waren eine Sehenswürdigkeit seiner Zeit und vor allem seiner Frau Farah, die die alten Gärten der Semiramis, die schon etwas verfallen waren, erneuert und zu noch schönerer Blütenpracht, zu einem wahren Augenschmaus erweitert hatte. Und ostwärts, gegen Sonnenaufgang, spiegelten sich schon die Strahlen der Morgensonne brechend, deren Licht auf den ungezählten himmelblauen Kacheln, mit denen der Etemenanki, zu den Wolken emporstrebend, verkleidet war. Noch immer wurde an dem gewaltigen Turm gebaut, denn Hammurabi wünschte zu sehen, was über den Wolken war. Er wünschte, einen Blick auf den Wohnsitz der Götter zu werfen.
Der König war ein hochintelligenter Mann, der Schönheitssinn besaß und Sinn für die Künste hatte. Er war stolz auf das, was er bisher geschaffen hatte. Der Ruhm seiner Residenzstadt reichte weit – vielleicht zu weit sogar; jedenfalls hatte er Kadesch erreicht. Und König Šuppiluliumas Eroberungslust geweckt. Nun wollte er ernten, wo er nicht gesät hatte. Er gierte nach den Schätzen Babylons und drohte, seine Schönheit nach Barbarenart zu zerstören. Das aber durfte nie und nimmer sein!
Hammurabi fuhr von seinem Lager empor. Fast hätte er durch seine ungestüme Bewegung Farah geweckt. Ihre Hand tastete suchend nach ihm. Sachte glitt er von seiner Lagerstatt und schritt leise zu dem hohen Fenster, das diesem am nächsten lag. Er schob den Vorhang zur Seite und atmete tief die frische Morgenluft. Farah stöhnte, wie von einem schweren Traum befangen, auf.
Hammurabi hoffte, dass die Kühle des Morgens den Kopfschmerz vertreiben würde, der ihn nach der schlaflos vergangenen Nacht quälte. Seine Blicke umflogen das Grün und blieben auf einem Gärtner haften, der, die frühe Stunde nutzend, bereits an der Arbeit war. Auch andere waren bereits unterwegs. Sie schöpften Nass aus dem von Menschenhand geschaffenen Wasserlauf, der die Gärten durchfloss, und schleppten es in Krügen und Kannen zu Beeten und Sträuchern. Einer der Architekten dieser prachtvollen Anlage war sein Hofastrologe Mozafar, auf dessen Kenntnisse und Weisheit er große Stücke hielt. Und Hammurabi fragte sich, was dieser Mann wohl täte, wenn er sich an der Stelle seines Königs befände.
Mozafar hatte eben jetzt wohl sein Tages- oder besser Nachtwerk beendet und stieg wohl von der inzwischen fertiggestellten höchsten Etage des Stufenturms herab, um in seinem Wohngemach der Ruhe zu pflegen. Für Mozafar war jede Nacht ein Arbeitstag. Denn nur nachts vermochte er zusammen mit Naram Susim den Lauf der Gestirne zu beobachten und Berechnungen anzustellen, aus denen sich das Wohl und Wehe Babylons und seiner Bewohner erkennen ließ. Ich werde nach Mozafar senden, entschloss sich der König, wohl wissend, dass die Gefahr mit jeder Stunde, die er ungenutzt verstreichen ließ, wuchs. Es galt, Maßnahmen zu treffen!
Er verließ sein Schlafgemach. Draußen im Vorsaal begegnete er den Schildwachen, welche den Schlaf des königlichen Paares zu beschützen hatten.
„Hauptmann Korfar“, redete er den Diensthabenden an, „sende einen Boten zu dem Gelehrten Mozafar. Er möge sogleich zu mir kommen, ich bedarf seiner!“
Danach begab er sich hinaus auf die sonnenüberflutete Terrasse. Als er den König an einem der kunstvoll geschnitzten und vergoldeten Stühle Platz nehmen sah, eilte der Sklave Haifaz davon, um des Königs Frühstück kommen zu lassen. Doch Hammurabi verspürte keinen Hunger; er grübelte vielmehr unentwegt über die Lösung seines schwierigen Problems.
Zwei Sklaven erschienen mit Schüsseln kalten Wassers und Tüchern für des Königs morgendliche Reinigung. Er ließ ihre geübten Handgriffe über sich ergehen, ohne sich ablenken zu lassen. Denn ein verwegener Gedanke war ihm gekommen; doch hierbei bedurfte er erst recht Mozafars klugen Rat.
Als sie ihre Arbeit beendet hatten, traf die kleine Gesellschaft von Leibsklaven den König in gedankenvollem Dahinwandeln auf den verschlungen Wegen des Gartens an. Sie begannen ratlos zu schnattern, wie sie nun den König weiter bedienen sollten. Dies schreckte Hammurabi von seinem Sinnen auf und er kehrte an seinen Sitzplatz zurück, fürchtete er doch, Farah könne geweckt werden.
Der Hauptmann Korfar hatte seinen Auftrag persönlich ausgeführt, denn er hatte es zum Etemenanki nicht weit. Doch die Etagen des Turmbaus zu erklimmen dauerte länger als der Weg dorthin. Der Turm war bereits bis zu einer Höhe von neunzig Metern gediehen und wuchs immer noch. Es schien, als wolle dies kein Ende nehmen. Doch je höher man mit den Bauarbeiten kam, umso ferner und unerreichbarer erschienen die Wolken über dem Zweistromland. Keuchend kam der Hauptmann endlich im Schlafraum des Astrologen an. Der stärkte sich gerade mit Wein und gebratenem Huhn, um sich danach schlafen zu legen. Die vergangene Nacht hatte nichts an Erkenntnissen gebracht. Am nächtlichen Himmel zeigte sich nichts Auffälliges, bis auf ein kleines Vorkommnis, das er nicht deuten konnte.
Hauptmann Korfar warf den schweren Teppich zur Seite, der Mozafars Raum von den übrigen trennte. Die Hand zum Gruß erhebend, trat er bei ihm ein. Sein Benehmen verriet wenig Respekt; in der Tat hielt er nichts von den Sternguckern.
„Mozafar“, sagte er denn auch rau, ohne dessen Gegengruß abzuwarten, „der König schickt mich – er möchte dich sogleich sprechen!“
„Das trifft sich gut“, fand der Astrologe und legte die angeknabberte Hühnerkeule auf den Teller zurück, den er vor sich stehen hatte. „Ich habe in der Nacht eine sonderbare Beobachtung gemacht, von der ich ihm berichten will. Obwohl ich nicht weiß, ob sie von Bedeutung ist.“
„Berichte ihm darüber“, brummte der Hauptmann, „das ist schließlich dein Geschäft. Und komm jetzt!“
„Ich muss mich erst noch säubern“, wandte der Sternenkundige ein. „So, wie ich bin, trete ich nicht vor den König!“
„Dann beeile dich!“, drängte der Hauptmann ungehalten, da es ihm um die prompte Erledigung seines Auftrags ging, vor der er sich eine Belobigung erhoffte.
„Ja, ja“, gab Mozafar ärgerlich zurück. „Ich folge dir bereits!“
Er tauchte noch schnell seine fettigen Hände in ein Waschbecken und warf einen Umhang über. Der Hauptmann aber schritt bereits eilig Stufe um Stufe abwärts und der Astronom, an Jahren älter als dieser, geriet ein wenig außer Atem. Ob es sich wohl um eine bisher unbekannt gewesene Vogelart gehandelt haben könne, überlegte er dabei, denn seine Beobachtung ging ihm nicht aus dem Kopf.
Tatsächlich tauchten in dem Land zwischen Euphrat und Tigris mitunter merkwürdige Lebewesen auf.
„Was sagtest du eben?“, erkundigte sich der Hauptmann und wandte sich fragend nach ihm um.
„Oh, nichts!“
Mozafar wurde gewahr, dass er unbewusst halblaut vor sich hingeredet hatte.
Der Hauptmann brummte Unverständliches. Er hielt den alten Mann für einen Spinner. Dieser war sich dessen bewusst, scherte sich aber nicht darum. Wenig später stand er vor dem König.
„Sei gegrüßt, o Hammurabi“, begrüßte er ihn mit einer ehrfürchtigen Verneigung. „Du hast nach mir gesandt. Vermutlich erwartest du, von mir über Neuigkeiten am nächtlichen Himmel unterrichtet zu werden. Tatsächlich erblickte ich ein seltsames Gebilde.“
Des Königs Miene verfinsterte sich. Auch der Himmel schien ihm also Unheil zu verkünden.
„O König“, beeilte sich Mozafar zu versichern, „es ist wohl nichts, was deine Gedanken betrüben könnte. Was vermag schon, deinen Glanz und Ruhm zu erschüttern?“
Hammurabi seufzte sorgenvoll. „Während du hoch oben im Turm die Gestirne belauschst, tun sich hier unten auf Erden böse Dinge, die dazu angetan sind, uns alle zu gefährden – auch dich!“
„O König, wovon sprichst du?“, rief Mozafar erschrocken.
„Vom Hethiterkönig Šuppiluliuma“, antwortete dieser finster. „Dir ist nicht bekannt, wovon ich weiß. Seit Tagen berichten mir meine Kundschafter von Bewegungen seiner Truppen, mit denen er Babylon bedrohen will. Und seit Tagen schon habe ich Kenntnis von einer Delegation, die zu mir unterwegs ist. Sie hat die Aufgabe, mir ein Bildnis seiner Tochter Erendira zu überbringen. Er trägt mir an, ich solle sie zur Frau nehmen. Zur Königin machen über Babylon! Du aber kennst mein Weib und weißt, dass ich dies nicht tun will!“
Der Astrologe begriff allmählich. Und je mehr ihm klar wurde, was seinem König Sorge bereitete, umso bleicher wurde er.
„Setz dich zu mir“, forderte ihn Hammurabi auf, „und lass uns nachdenken! Ich bedarf deiner Weisheit. Šuppiluliuma gewinnt immer neue Schwiegersöhne. Er gibt den Königen seines Umlandes seine Töchter zur Frau und macht sie sich damit zu Vasallen. Nun müssen diese für ihn gegen uns zu Felde ziehen! Denk nach, was wir tun können; ich zweifle nicht, dass er angreifen wird, wenn ich ihm einen abschlägigen Bescheid gebe!“
Mozafar vergaß über diesem Problem, dem er sich unvermittelt gegenübersah, worüber er dem König berichten wollte. Nach einer kurzen Weile nachdenklichen Schweigens ergriff Hammurabi von neuen das Wort.
„Ich hatte da so einen Einfall“, begann er. „wie wäre es, wenn Räuberbanden – etwa jene des gefürchteten Schwarzen Mugador – diese Delegation überfallen und töten würde? Dafür träfe mich keine Verantwortung, und der Antrag des Hethiterkönigs wäre damit nicht zu mir gelangt!“
Mozafar wiegte nachdenklich sein graues Haupt und ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen. Doch er befriedigte ihn nicht.
„Dies brächte dir bloß einen Aufschub“, meinte er kopfschüttelnd. „Šuppiluliuma würde wahrscheinlich ein neues Bildnis anfertigen lassen und eine neue Delegation unter stärkerer Bedeckung zu dir schicken. Du würdest zwar Zeit gewinnen, sonst aber nichts, und höchstwahrscheinlich entstünde in ihm auch der Verdacht, dass diese Räuber in deinem geheimen Auftrag gehandelt haben könnten.“
Stirnrunzelnd musste der König die Richtigkeit dieser Gedankengänge anerkennen. „Also ist es nichts damit!“, erkannte er seufzend. „Was aber könnte ich sonst tun?“
„Warte ein wenig!“, meinte jedoch Mozafar mit einer raschen Handbewegung. „An deiner Idee ist etwas dran! Sie ist nicht falsch; doch wie sie jetzt ist, würde der Aufwand den Effekt nicht rechtfertigen. Nein, du musst es anders machen, o König!“, rief er aus. „Schiebe dein Problem nicht vor dir her, sondern packe es direkt an!“
„Was meinst du damit?“, forschte Hammurabi aufhorchend. „Was willst du damit sagen?“
„Nichts anderes, als dass du nicht die Delegation mit dem Bildnis, sondern die Prinzessin direkt ausschalten sollst!“
„Wie – indem ich sie überfallen und töten lasse?“, schreckte Hammurabi vor dieser Wendung zurück.
„Du hast nichts dabei zu verlieren!“, redete Mozafar, von seiner Idee eingenommen, auf den König ein. „Ist sie tot, kannst du sie nicht mehr heiraten. Ein Vorwand für einen Angriff auf Babylon fällt weg. Sei schlau und empfange die Delegation und zeige dich sogar von dem Bildnis entzückt! Gehe auf den Vorschlag des Hethiters scheinbar ein. Dann aber – wenn er sie leibhaftig zu dir sendet – schlage zu!
Lasse sie auf dem Weg zu dir spurlos verschwinden! Es darf keine Überlebenden geben! Zeige dich ratlos und entsetzt, sende Suchtrupps aus, gib dich enttäuscht, ja sogar selbst beleidigt, indem du vorgibst, der Meinung zu sein, der Hethiter habe sich anders entschieden und die Prinzessin überhaupt nicht abgesandt. Du musst alles tun, um ihm jeden Wind aus den Segeln zu nehmen und ihm keinen Vorwand zu geben, womöglich Rache für den Tod seiner Tochter zu üben!“
Anerkennung erwartend blickte Mozafar zu Hammurabi auf. Der musste beinahe schmunzeln über Mozafars Weiterentwicklung seiner Idee; doch sogleich wurde er wieder ernst.
„Das Risiko ist sehr groß“, stellte er fest. „Du hast selbst erwähnt, dass Šuppiluliuma Rache nehmen könnte. Ich fürchte, es wird eine Rache sein, die sich keiner von uns ausdenken kann. Der Hethiter ist gefürchtet für seine Grausamkeit!“
„Wahrscheinlich würde er Babylon niederbrennen und keinen Stein auf dem anderen lassen. Denn nicht nur, dass sein Plan durchkreuzt ist, man hat ihm auch noch seine Tochter umgebracht!“
„Du sagst es. Er würde niemandes Leben schonen, das meine und das Farahs am wenigsten!“, erkannte Hammurabi düster.
„Aber was hätte er von einem zerstörten Babylon? Er wäre wohl kaum imstande, es wieder aufbauen zu lassen! Es käme alles darauf an, keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Alle Welt ringsum muss davon überzeugt sein, dass du ohne Schuld bist, König! Der allgemeinen Meinung wird er sich schwerlich widersetzen können, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen!“
In diesem Augenblick erschien die Königin auf der Terrasse, angetan mit ihrem Negligé, das ihr bezaubernd stand.
„Ich verstehe dich vollkommen und teile deine Sorgen, o König“, sagte er ernst.
Doch Hammurabi wollte seine Frau keineswegs beunruhigen. Deshalb verabschiedete er den Astrologen mit kurzen Worten.
„Was wollte er?“, erkundigte sich Farah interessiert.
„Mir von etwas berichten, was er am Himmel beobachtet hat“, antwortete der König ausweichend. „Doch dann sind wir ins Schwatzen gekommen, und jetzt weiß ich nicht, was er eigentlich sagen wollte!“
Farah lachte ahnungslos und unbeschwert. Dabei öffnete sich ihr Morgenmantel etwas und gab einen Blick frei, der nur für den König bestimmt war.
Und unbeschwert soll sie auch bleiben, sagte sich der König, während ihr Frühstück aufgetragen wurde. Während sie aß, begann er über Mozafars Vorschlag nachzudenken. Diesem jedoch fiel erst wieder ein, welche merkwürdige Beobachtung er am Nachthimmel gemacht hatte, als er den Königspalast wieder verlassen hatte.
„Ich weiß doch“, brummte er, „dass eine Scheibe nicht über den Himmel fliegen kann, eine Scheibe so groß wie ein Schiff auf dem Tigris. Und doch habe ich sie ganz deutlich erblickt, und es ist gewiss kein Traum gewesen!“
Kopfschüttelnd erreichte er wieder sein Gemach im Stufenturm und legte sich jetzt endgültig schlafen. Denn im Grunde genommen war des Königs Problem nicht das seine. Er hatte ihm jedoch den bestmöglichen Rat gegeben.
Nur ungern hatte Pitschalili dem zugestimmt, dass man ihm einen anderen Sklaven anstelle von Ulimagor zum Dienst im Teššub-Tempel gab. Ulimagor hatte sich – und das aus gutem Grund – stets als kooperativ erwiesen. Er kannte jetzt schon die Kulte und Gebräuche im Tempel des Wettergottes und alle Zeremonien, die der Hohepriester zu vollziehen hatte. Er wusste um die fixen Feste und was zu ihrem Gelingen getan werden musste.
Dazu galt es vielerlei zum Tempel herbeizuschaffen. Pitschalili hatte bereits eine Art von väterlicher Zuneigung zu Ulimagor gefasst und fürchtete, nicht so bald einen ebenso willigen und anstelligen Sklaven zu bekommen.
Darum hatte er es auch nicht Ulimagor gegenüber an Beweisen seiner Gunst fehlen lassen und dieser hatte sie dankbar angenommen.
Der Sklave hatte sich, gemessen an der Lage seiner Leidensgefährten, die bei dem assyrischen Feldzug in die Hände der Hethiter gefallen waren, als Glückspilz sehen müssen. Umso größer war des Hohepriesters Verwunderung, dass Ulimagor sofort und ohne Unwillen zu erkennen zu geben in das Frauenhaus hinüberwechselte, zu Prinzessin Erendira, der Lieblingstochter des Königs.
War es, dass er sich widerstandslos in sein Sklavenschicksal gefügt hatte, Furcht vor Strafe oder der verführerische Reiz dieses Mädchens, das ihn dazu bewog? Gewiss war sie weit anziehender als Teššub, was Pitschalili offen zugeben musste. Und – wenn er an Jahren jünger gewesen wäre – dann hätte er wohl selbst den Dienst an der Prinzessin jenem an der alten, verwitterten Götzenfigur aus Sandstein vorgezogen. Wie dem aber auch sein mochte, Pitschalili durfte sich die Gunst des Königs nicht verscherzen und stimmte missgestimmt zu, nicht ohne sich selbst zu sagen, dass auch er als Hohepriester des mächtigen Teššub Respektierung seiner eigenen Interessen verlangen könne. Immerhin gestand man ihm zu, sich den neuen Tempelsklaven selbst auswählen zu dürfen.