Torgo - Prinz von Atlantis 12: Auf Leben und Tod - Charles de Clermont - E-Book

Torgo - Prinz von Atlantis 12: Auf Leben und Tod E-Book

Charles de Clermont

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Beschreibung

Torgo versucht, Bethseba zurückzugewinnen. Doch als der alte Pharao stirbt und Ramses den Thron besteigt, ändert sich alles. Nif-Iritt sorgt dafür, dass Bethseba zum Todesgefolge des verstorbenen Pharao gehört und mit in seinem Grabmal eingemauert werden soll.

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TORGOPrinz von Atlantis

In dieser Reihe bisher erschienen

3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten

3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter

3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao

3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis

3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis

3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes

3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi

3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas

3709 Charles de Clermont Bei den Säulen des Herkules

3710 Charles de Clermont Die Rache der Königin

3711 Charles de Clermont Im Land der Pyramiden

3712 Charles de Clermont Auf Leben und Tod

Charles de Clermont

TORGOPrinz von Atlantis

Auf Leben und Tod

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Rupert BauerTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-627-9Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1

Als Reres, der Herr der Ziegelei, den Gefangenen sah, schüttelte er verwundert den Kopf. Für so töricht hatte er den Mann nicht gehalten.

„Moses“, rief er erstaunt. „Du hier und zu dieser Stunde? Was willst du? Man sagt mir, du habest dich zwischen den Wachen hindurch geschlichen! Was soll das? Was hast du vorgehabt? Gib Antwort!“

Moses senkte den Kopf und schwieg hartnäckig.

Reres fuhr sich mit den Händen durch die Haare. „Was soll das?!“, wiederholte er nervös. „Durch dein Schweigen machst du es nur noch schlimmer! Rede, gib Antwort, erfinde meinetwegen irgendetwas, aber sprich!“

„Kannst du dir nicht selbst denken, weshalb ich gekommen bin?“, fragte Moses. „Du weißt, dass der Gefangene in deinem Gewahrsam unschuldig ist und dass er für eine Tat sterben soll, die nicht er begangen hat!“

Reres sprang auf. „Schweig, um der Götter Willen!“, fuhr er Moses an und begann unruhig in dem kleinen, vom zuckenden Lichtschein der Öllämpchen erhellten Raum auf- und abzuwandern. „Es ist vielleicht doch besser, wenn du nicht sprichst“, redete er weiter. „Dieser Unsinn ist für dich noch viel gefährlicher als selbst dein Schweigen! Bei Osiris, du machst es mir nicht leicht! Was soll ich nun nach Memphis berichten? Dass ein Sohn des Pharao nachts gefangene Juden befreien will? Was soll ich deinem Bruder Ramses sagen, wenn dieser Vorfall bekannt wird?! Die Männer, welche auf Wache standen, sind zum Glück zuverlässig. Sie ­werden schweigen, ja, sie müssen es! Aber du, vor dir bin ich nicht sicher!“

Er blieb vor Moses stehen und betrachtete ihn prüfend.

Moses erwiderte fest seinen Blick. „Du hast Recht“, gab er zu. „Ich werde nicht schweigen, ich werde es hinausschreien, dass dieser Mann unschuldig ist!“

Reres trat an ihn heran. „Und wer der wahre Mörder ist, das willst du wohl auch verkünden?!“

Da senkte Moses den Kopf und Blässe breitete sich über sein Antlitz. Er wusste sehr wohl, worauf der Herr der Ziegelei anspielte. Aber das Bewusstsein der eigenen Schuld war es ja gerade, welches ihn zu dem waghalsigen Versuch getrieben hatte, den Unschuldigen zu befreien.

Reres Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt. „Du bist ein Narr“, knurrte er. „Ein ausgemachter Narr! Du verlässt dich wohl auf deinen Stand? Nun, dann müsstest du auch wissen, dass selbst dem Grenzen gesetzt sind! Und hast du nicht gerade deines Standes halber Rücksichten zu üben? Aber nicht ich bin es, der dir das zu predigen hat. Wenn dein Vater, den die Götter zu sich berufen haben und dein Bruder Ramses nicht dazu imstande waren, dich dazu zu erziehen, wer soll es dann wohltun!“

Moses biss sich beschämt auf die Lippen. Er fühlte gar wohl, dass der Herr der Ziegelei Recht hatte und dass dessen Handlungen von dem Gefühl der Rücksichtnahme auf das Königshaus bestimmt waren. Nein, Reres war nicht übelwollend, im Gegenteil. Er hatte zwar kaum für Moses persönlich viel übrig, aber er war ein treuer Untertan und Sethos hatte recht getan, diesen Mann auf den verantwortungsvollen Posten, der die Aufsicht über Ziegelei und Arbeiterlager nun einmal war, zu setzen. Er, Moses, hatte ihn in eine schlimme Situation gebracht. Es war deshalb nur zu verständlich, dass ihm Reres gram war, weil er sich jetzt vor eine höchst delikate und schwierige Entscheidung gestellt sah.

„Was soll ich nur mit dir tun?“, fragte er halblaut und strich verlegen seinen Bart. „Wahrhaft, du machst es mir und dir schwer! Jeden anderen würde ich auf der Stelle töten lassen. Dass ich dies nicht auch bei dir tun kann, ist selbstverständlich. Aber wenn ich dich freilasse, bist du imstande, dein unsinniges Vorhaben noch einmal zu beginnen! Ich kann dich also nicht freilassen, das wirst du wohl einsehen.“

„Tu, was dir beliebt“, erklärte Moses.

„Ich werde dich gefangen setzen und die Entscheidung darüber, was mit dir zu geschehen hat, deinem Bruder, unserem künftigen Herrscher, überlassen.“

Moses erschrak. „Du willst mich vor Ramses bringen lassen?!“

„Ja! Was soll deine Furcht? Er ist dein Bruder!“

Das dachte Reres. Das hatten selbst Ramses und Moses bis vor kurzem noch geglaubt. Bis Sethos auf seinem Sterbebett das Geheimnis um Moses Herkunft gelüftet hatte. Er war ein Findelkind, aus dem Wasser gezogen von den Sklavinnen seiner lieben Ziehschwester Nefritiri und das Blut der Verachteten rollte in seinen Adern. Aber Reres wusste das alles nicht und er sollte es auch nicht erfahren. Jetzt zumindest noch nicht! Moses war in dieser Hinsicht klug genug, um darüber zu schweigen.

Reres rief nach den Wachen.

„Sperrt ihn in die hintere Kammer!“, rief er. „Und bewacht ihn gut! Ihr bürgt mit eurem Leben dafür, dass er nicht flieht. Noch etwas, Moses. Du bist doch allein gekommen?“

„Ja, allein.“

„Ohne Waffen und Pferd? Oder kamst du im Boot?“

„Ich kam zu Pferde. Ihr findet das Tier unweit der Stelle, wo die Wachen mich aufgegriffen haben, im Gebüsch.“

„So führt ihn ab und seht hernach, dass ihr sein Eigentum findet“, wandte sich Reres nach diesem kurzen Frage- und Antwortspiel wieder an die Wachen. „Es darf nichts liegen bleiben, versteht ihr? Und niemand darf von dem Gefangenen erfahren, hört ihr? Wer schwatzt, bringt seinen Kopf in Gefahr!“

Moses wurde abgeführt.

„Morgen früh“, murmelte Reres zu sich selbst, „lasse ich ihn zusammen mit dem anderen nach Memphis schaffen. Dann bin ich die ganze Angelegenheit los. Mag der künftige Pharao selbst entscheiden, was zu geschehen hat. Es mag eine seiner ersten Entscheidungen in seinem Amte sein.“

Und zufrieden über diesen Entschluss, begab er sich zur Ruhe und suchte seinen unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.

Kapitel 2

Vor den Toren der Stadt Memphis, abseits der Ufer des Nil, bereitete sich ein großes, freies Feld. Es war unbebaut und unbewachsen. Und die Pharaonen hatten verboten, dass dieses Feld verbaut oder zu Äckern gemacht werde. Sie hatten bisher selbst dieses Feld einer gewissen Nutzung zugeführt. Diese bestand darin, dass man hier von Zeit zu Zeit Heerschauen, Volksfeste, Kampfspiele, aber auch religiöse Feierlichkeiten abhielt. Das Feld bot Platz für viele Tausende von Menschen und es sollte auch jetzt wieder in Kürze ein ganz großes Schaufest erleben, die Kampfspiele anlässlich der Thronbesteigung des neuen Pharao. An einem strahlendhellen Morgen, an dem aber von den Zinnen der Stadtmauer und von dem Dache des Palastes und des großen Tempels herab der traurige Schall der Posaune noch immer den Tod des Pharao verkündete, und das würde vierzig Tage lang so sein, an jenem Morgen also lagerten Wolken von Staub über dem Feld, aufgewirbelt durch die Hufe der Pferde und die Räder der Streitwagen, welche hier für das große Wagenrennen erprobt wurden. Man hatte eine große, ellipsenförmige Bahn abgesteckt, auf welcher das Rennen vor sich gehen sollte. Es galt zehn Runden zu fahren, zehn Runden, welche über Tod oder Begnadigung eines Verurteilten entscheiden sollten.

Eben lenkten Torgo und Ramses ihre Gespanne aus der Zielgeraden abseits, um ihre Tiere verschnaufen zu lassen und auch sich selbst ein wenig Ruhe zu gönnen. Jargo stand da, den Prinzen erwartend. Er hatte die Probefahrt der ­beiden Streitwagen mit höchster Spannung verfolgt. Torgo und Ramses waren offenbar zwei gleichstarke Kämpfer. Hierzu kam allerdings, dass der Prinz lange Zeit auf das Vergnügen, ein Wagengespann zu lenken, hatte verzichten müssen. Er hatte nicht mehr genügend Fertiggespann und die Pferde waren ihm ebenso fremd wie die Bauart des ägyptischen Streitwagens, der sich von den wesentlich breiteren, wie sie in Atlantis üblich gewesen waren, durch größere Leichtigkeit und Wendigkeit unterschied. Dadurch wäre es heute bereits beinahe zu einem üblen Sturz des Prinzen gekommen. Zufrieden lachend lenkte Ramses seinen Wagen neben den von Torgo.

„Nun, Prinz“, fragte er gespannt. „Was sagst du zu deinen Rennern? Sie sind edles arabisches Blut. Sie haben Feuer in sich und sind schnell wie der Blitz.“

„Ich merke es“, antwortete Torgo und seine Stirne glänzte vor Schweiß, während er seine Muskeln anspannte und sich gegen die Zügel stemmte. „Hooo, stehenbleiben! Bleibt stehen, sage ich!“

Wieder lachte Ramses. „Das laute Rufen nützt bei diesen Tieren nicht viel“, erklärte er. „Ein leichtes Auseinander­ziehen der Zügel genügt. Sie wissen dann schon, was du meinst. Das sind edle Tiere, die eine kräftige Führung nicht nötig haben. Sie besitzen fast so viel Verstand wie ein Mensch, sagte mein Vater immer und ich glaube, dass das stimmt. Jedenfalls merken sie nur zu bald, was sie von einem Fahrer zu halten haben.“

„Dann kann ich ja nur hoffen, dass ihr Urteil über mich nicht allzu ungünstig ausgefallen ist“, lachte Torgo, der sein Gespann zum Stehen gebracht hatte und nun Jargo die Zügel zuwarf.

Er selbst stieg vom Wagen und tätschelte den Pferden den Hals. Sie schnaubten vergnügt. Offenbar hatte ihnen das Rennen Spaß gemacht und es sah auch aus, als hätten sie sich mit Torgo rasch angefreundet.

„Du bist ein talentierter Fahrer“, lobte Ramses. „Du solltest, wenn du an meinem Hofe bleibst, die Gelegenheit nützen. Du würdest einer unserer besten Fahrer werden und könntest bei manch einem Rennen Triumphe feiern.“

„Es ist mir nicht um Triumphe zu tun, sondern um das Leben des Unschuldigen, der für einen Mord büßen soll, den er nicht begangen hat“, entgegnete Torgo. „Und darum will ich vor dir, der du das Leben dieses Mannes als Preis in die Waagschale geworfen hast, bei diesem Rennen bestehen. Aber fast fürchte ich für den Mann, ich bin sehr aus der Übung gelangt. Die Kunst des Fahrens aber will gekonnt sein.“

„Wenn du unterliegst, dann vergiss nicht, gegen wen du unterliegst“, antwortete Ramses stolz. „Es ist keine Schande, gegen den Pharao zu verlieren. Fast stets noch blieb der neue Pharao bei allen Wettkämpfen, an denen er teilnahm, Sieger.“ Auch er sprang vom Wagen und überließ sein Gespann einem Sklaven. Die beiden Männer waren von Staub bedeckt, wie die schweißglänzenden Rücken ihrer Pferde und die goldschimmernden, reich verzierten Wagen. Vor jedem der Wagen waren fünf Pferde gespannt, eine Koppel zu drei und davor eine Koppel zu zwei Tieren. Die Führung der Zügel eines solchen Gespannes erforderte tatsächlich eine wahre Meisterschaft.

Torgos Züge spannten sich.

„Vielleicht wird es doch diesmal anders“, meinte er und aus seiner Stimme klang seine Entschlossenheit, aus diesem Wettkampf unter allen Umständen als Sieger hervorzugehen.

Ramses schüttelte den Kopf.

„Ich begreife dich nicht“, meinte er. „Ich fahre, weil das Rennen mir Spaß macht und weil der Preis die Würze des Siegers ist, du aber riskierst fast dein Leben für einen dir gänzlich unbekannten Mann. Du hast ihn nie gesehen, nie gesprochen. Weshalb setzest du dich so für ihn ein?“

„Weil er ein Mensch ist wie du und ich.“

Ramses hob beleidigt die Hand.

„Wie du und ich, sagst du? Stellst du dich etwa auf die gleiche Stufe mit den verachteten Hebräern? Nun, du kannst tun und lassen, was dir beliebt, aber ich möchte dich doch bitten, es auf deine Person allein zu beschränken.“

„Ich wollte dich nicht verletzen, verzeih“, meinte Torgo. „Ich dachte nur, auch dieser Mann hat Familie, hat Freunde, die ihn lieben und die um ihn trauern werden und gewiss liebt er deshalb, weil er Hebräer ist, das Leben nicht weniger. Die Sonne, die für uns alle leuchtet, teilt ihm ihr Licht in gleichem Maße zu, wie uns. Sie macht keinen Unterschied. Weshalb also tun wir es?“

„Die Sonne steht hoch über allem, sie ist göttlich und so erhaben, dass sie die Existenz dieses verachteten Volkes gar nicht wahrnimmt. Ich weiß dein edles Denken wohl zu schätzen, Prinz, aber ich fürchte, du verschwendest deinen Edelmut an Unwürdige.“

Sklaven reichten den beiden Männern kühlenden Trunk. Sie leerten die Tonkrüge, welche dafür sorgten, dass das Getränk trotz der Hitze des Tages kühl blieb, bis auf den Grund.

„Ah“, lobte Ramses, seinen Krug absetzend. „Das war eine Wohltat! Fahren wir noch ein paar Runden?“

„Ich habe nichts dagegen einzuwenden“, erklärte Torgo.

Die Gespanne waren indessen in mäßigem Schritt auf- und abgefahren worden, um die Pferde warm zu halten. Nun sprangen Torgo und Ramses, von neuem Kampfesmut erfüllt, wieder auf die Plattform ihrer Wagen und ergriffen die Zügel selbst, während die übrigen Leute beiseitetraten. Schon im nächsten Augenblick donnerten die Hufe der Gespanne wieder über das hoch aufspritzende Erdreich. Jargo verfolgte mit anerkennenden Blicken die beiden Streitwagen, die in weitem Bogen in die erste Gerade der Ellipse einfuhren. Noch waren sie Seite an Seite.

Der künftige Pharao fuhr wie der Blitz. Er stand, ein Bild junger, ungebändigter Kraft, in der Kanzel und die Muskeln seiner Arme glänzten in der Sonne. Prinz Torgo wieder schien immer mehr mit dem Wagen und dem Gespann zu verwachsen. Er wurde völlig eins mit dem Gefährt und man sah, dass er dessen Geheimnisse und Möglichkeiten voll und ganz zu ergründen suchte. In der zweiten Geraden hatte Ramses bereits eine Wagenlänge Vorsprung. Da Torgo innen fuhr, holte er diesen Vorsprung in der Kurve wiederum auf. Jargo hatte vor Spannung die Fäuste geballt und merkte nicht, dass sich seine Fingernägel schmerzhaft in das Fleisch seiner Hände bohrten. Er wünschte nichts sehnlicher als ­Torgos Sieg. Freilich trübte der Gedanke an Bethseba seine Beziehungen zu dem Prinzen noch immer. Der völligen Wiederherstellung ihrer Freundschaft und ihres gegenseitigen Vertrauens stand sie im Wege. Der Prinz wusste nicht, was es war, dass diese Scheidewand zwischen ihm und Jargo aufrichtete; er schob es auf die Verleugnung, welche Jargo ihm angetan und auf die ihr folgenden Gewissensbisse. Tatsächlich plagte auch die Erinnerung daran Jargo sehr. Aber Torgo wusste nicht, dass auch hierfür Bethseba die ungewollte Ursache für Jargos Handeln gewesen war. Doch der bevorstehende Wettkampf erweckte in ihnen beiden die Erinnerungen an so manche gemeinsam durchgestandene Gefahr und verdrängte die trüben Bilder zeitweilig ganz aus Jargos Innerem. Wie konnte man auch Gedanken für etwas anderes haben, wenn man die beiden prächtigen Gespanne mit dem Winde um die Wette jagen sah?!

Ihre Räder drehten sich in rasender Eile; den Pferden stand der Schaum vorm Maul. Es ging in die letzte Zielgerade ein und Ramses hatte drei Wagenlängen Vorsprung und holte aus seinen Tieren noch das Letzte ­heraus. Es war eine Lust, ihn so fahren zu sehen! Verbissen feuerte Torgo seine Tiere an. Er hatte nur Augen für das vor ihm dahinsausende Gefährt. Jargo merkte es. Er sah, dass die beiden Männer nichts als das Ziel sahen. Und er erkannte, dass der Pharao am Tage des Kampfes an nichts anderes denken würde als an seinen Sieg. Nein, er würde kein großmütiger Verlierer sein, der das Leben eines Menschen billig aus den Klauen des Henkers gab.

Und Torgo?

Ramses stieß den Jubelruf des Siegers aus. Hoch aufatmend bremste auch Torgo seinen Wagen. Er hatte nichts mehr aufgeholt. Diesmal war Ramses Sieger geblieben.

Kapitel 3

Als man Moses auf die Barke brachte, schleppte man mit ihm einen schmalen, hageren Hebräer auf das Schiff, dessen Hände und Füße in Ketten geschmiedet waren, als handle es sich um einen Schwerverbrecher. Dieser Mann war Baruch, um dessentwillen er das fehlgeschlagene Wagnis auf sich genommen hatte. Die Barke glitt schnell stromab, der Hauptstadt zu. In einigen Stunden würde man sie erreichen. Moses saß vorn am Bug. Aber er wendete seine Blicke immer wieder von der Fahrtrichtung ab und heftete sie auf den Gefangenen, der völlig apathisch auf einer Bank hockte und für die Schönheit und Farbenpracht der vorüber gleitenden Landschaft kein Auge zu haben schien. Moses hatte Muße, den Mann zu betrachten. Er kannte dessen Geschichte nur zu gut. Baruch hatte Lebensmittel aus dem Depot für seine Familie gestohlen. Dabei von einem Wächter ertappt, hatte dieser den Hebräer mit seiner Lanze niederzustechen versucht. Aber Moses hatte sich dazwischengeworfen und der Wächter blieb tot auf dem Kampfplatz. Man scheute sich, dem vermeintlichen Pharaonensohn den Tod des Wächters zur Last zu legen. Der Hebräer sollte für alles büßen. Niemand im Volk ahnte, dass auch Moses in Wirklichkeit einer war. Aber seit er selbst um seine Herkunft wusste, hatte sich manches in seinem Denken und Fühlen gewandelt. Und seit sein Ziehbruder Ramses davon Kenntnis hatte, war auch manches in dessen Beziehungen zu Moses ganz anders geworden. Wie würde er sich nun verhalten?