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1731, in den Wäldern Serbiens: Für eine Handvoll Gold wird das Mädchen Jasna von ihrem Vater an einen reichen Edelmann verkauft. Der rätselhafte Fremde nimmt das Mädchen mit auf seinen Gutshof an der Grenze zum Osmanischen Reich. Dort wird Jasna mit seinem Sohn Danilo verheiratet. Schnell stellt die junge Braut fest, dass ein schrecklicher Fluch auf der Familie lastet. Ist Danilo wirklich ein Vampir, wie im Dorf gemunkelt wird? Während sich die mysteriösen Vorkommnisse häufen, gerät Jasna in den Bann des faszinierenden Duschan. Aber auch er hat ein dunkles Geheimnis ... Gewohnt meisterhaft verbindet Nina Blazon in ihrem historischen Romantic Thriller TOTENBRAUT authentischen Hintergrund mit einer der wohl außergewöhnlichsten, düstersten und gleichzeitig einfühlsamsten Vampirgeschichten unserer Zeit.Fasziniert von Nina Blazons historischen Settings und wundervollen Geschichten? Dann könnten dich auch folgende Titel aus ihrer Feder interessieren:-FEUERROTSpätsommer 1884. In Ravensburg bricht die Zeit der Hexenverfolgung an, in der die junge Magd Magdalena ihre große Liebe sucht und dabei ins Visier der Inquisition gerät. Der Schmiedegeselle Martin ist ihre letzte Hoffnung. Kann er sie vor Folter und Hinrichtung retten?-WOLFSZEITAuf ihrer Liebe lasten dunkle Schatten: Thomas und Isabelle sind einem Mörder auf der Spur, der die Wälder Frankreichs durchstreicht. Es heißt, eine Bestie in Wolfsgestalt treibe in der Gegend ihr Unwesen. Die Wahrheit übersteigt jedoch jede Vorstellung.-DIE KÖNIGSMALERINDie junge Malerin Sofonisba Anguissola kommt an den spanischen Hof, um die 15-jährige Königin zu unterrichten. Schon bald hat sie eine weitere Schu lerin: die talentierte Lien. Die Leidenschaft, mit der Lien ihre Gefu hle auf die Leinwand bannt, weckt den Argwohn der strengen Zensur der katholischen Kirche. Und Lien hat ein dunkles Geheimnis …
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Seitenzahl: 499
Nina Blazon
Totenbraut
Als Ravensburger E-Book erschienen 2014
Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH
© 2009 Ravensburger Verlag GmbH
Lektorat: Petra Deistler-Kaufmann
Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.
ISBN 978-3-473-38387-0
www.ravensburger.de
Inhalt
Schwarze Rösser 9
Die drei Türme 44
Honigmilch 57
Blut und Weißdorn 70
Der Palast der Glückseligkeit 80
Totenhochzeit 104
Spiegel und Kreuz 134
Nevenas Wahrheit 168
Tanz am Türkenfeuer 189
Der Schlaf der Toten 204
Asche zu Asche 220
Sturmnacht 234
Mohnsamen 257
Saniyes Wahl 266
Die Tochter des Padischah 286
Zehn Gräber 315
Entscheidungen 345
Die Prüfung 357
Saadabad 383
Die Morava 396
Das Dunkle und das Helle 415
Draculas Ahnen – ein Nachwort 427
Die Aussprache der slawischen Laute und Namen:
V und v: wie w, die Vila ist also eine „Wila“
J und j: wie das J im Deutschen
G und g: wie im Deutschen
C und c: „ts“, Ljubica heißt also „Ljubitza“
Č und č: „tsch“, die Pestfrau Čuma spricht sich demnach „Tschuma“
Ć und ć: ähnlich wie „tsch“, nur weicher, die Stadt Paraćin heißt also „Paratschin“
Đ und đ: ähnlich wie „dsch“, Medveđa spricht sich wie „Medvedscha“
Š und š: „sch“, Dušan ist also „Duschan“, und Šišmiš (Fledermaus) „Schischmisch“
S und s: wie in „Biss“, Jasna heißt also „Tjassna“
Ž und ž: wie das „g“ in „Rouge“, Ružica würde man also wie „Rougitza“ sprechen
Z und z: wie das stimmhafte „s“ in Rose, Lazar wäre also „Lasar“
Für Petra und den kleinen „Vapia“!
Der Fremde klopfte mitten in der Nacht an unsere Tür. Ich fuhr aus dem Schlaf hoch und lauschte, während mein Herzschlag gegen meine Kehle hämmerte. Lazar Kosac!, schoss es mir durch den Kopf. Im Halbdunkel der Kammer konnte ich erkennen, dass Bela ebenfalls aufrecht im Bett saß. Draußen tobte eines der vielen Frühjahrsgewitter.
„Tote Frau“, murmelte meine Schwester. „Mohn und Taubenfedern.“
„Schlaf weiter, Bela“, flüsterte ich und schlüpfte aus dem Bett. Vater war bereits aufgestanden, ich hörte seinen schleppenden, unregelmäßigen Gang. Eine Tür knarrte. Dann, leise wie Mäusegetrappel, die schnellen Schritte meiner kleinen Schwestern. Als ich die Stiege hinunterkletterte, sah ich ihre Gesichter im Türschatten. Majda, die Jüngste, blinzelte noch mit Schlafaugen und hatte ihre Finger um den Zipfel ihres Hemdes geschlossen, als könnte sie ihren letzten Traum fest halten. Hinter Majda stand meine älteste Schwester, Jelka. Sie hatte bereits die Axt in der Hand, die sie zu gebrauchen wusste wie kaum jemand hier oben oder unten im Taldorf.
„Nimm den Knüppel!“, befahl sie. Das brauchte sie mir nicht zweimal zu sagen. Ich eilte bereits zu dem großen Haken an der Wand, an dem das knotige Holz hing. Es lag schwer und vertraut in meiner Hand, meine Finger kannten jede Scharte, jede Mulde.
Wieder hämmerte eine ungeduldige Faust gegen die Tür. „Macht auf !“, ertönte eine Männerstimme. „In Gottes Namen, lasst mich ein!“
Jelka runzelte irritiert die Stirn und auch ich wunderte mich. Der Mann da draußen sprach zwar unsere Sprache, aber mit einem fremden Akzent. Vor zwei Jahren hätte uns das nicht weiter überrascht. Damals kamen viele Reisende in unsere Berge, aus Novi Sad, Temesvár und Agram, manchmal auch aus Wien oder Ragusa. Einmal war sogar ein reicher Lateiner mit vielen Dienern durchgereist – aus Venedig kam er und war Kaufmann. Sie alle sahen unser Haus – den Quellbrunnen, den geräumigen Pferdestall – und waren dankbar, ein Rasthaus gefunden zu haben.
Aber inzwischen schreckten wir nur noch selten bei unserem kargen Abendessen hoch, weil wir donnernde Hufe vorbeipreschen hörten. Seit der Räuber Lazar Kosac mit seiner Bande unsere Gegend unsicher machte, mieden die meisten Reisenden den Weg über die Fruška Gora. Oder sie legten die Strecke nur noch im Galopp zurück, geschützt von bewaffneten Eskorten. Nicht nur ein Reisender war den Räubern trotzdem in die Hände gefallen und hatte sich tödlich verwundet noch bis zum Rand unseres Ackers geschleppt. Dort fand mein Vater ihn dann morgens und holte unser Pferd, um den Leichnam zu den anderen Gräbern am Hang zu bringen, weit weg von unserem eigenen Friedhof. Unsere Toten – meine Mutter und meine Schwester Nevena, die vor einem Jahr in die Talschlucht gestürzt war – ruhten in einem kleinen Rund von Linden, weit entfernt von den letzten Stätten der namenlosen Reisenden, auf deren Gräbern wir wilde Rosen und Weißdorn pflanzten, um ihnen Frieden zu geben. Und wie es Brauch war, stieß mein Vater den Toten ein Messer ins Herz und band ihre Körper in Fischernetze, mit denen wir sie begruben. Das sollte sie daran hindern, in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Dennoch fürchtete ich mich oft und verrieb Knoblauch an unseren Türen.
Der Gast der heutigen Nacht hörte sich allerdings ganz und gar nicht so an, als läge er im Sterben. Wie ein Echo seiner Faustschläge trommelte der Sturmregen gegen die Holzwände. Jelka stand aufrecht mit ihrer Waffe. Das geölte Axtblatt wartete nur darauf, Räuberblut zu schmecken. Ich stellte mich neben die Tür und hob den Knüppel. Mein Vater packte seinen alten, schartigen Säbel fester.
„Wer da?“ Seine donnernde Stimme ließ nicht vermuten, dass sie einem schmächtigen, gebeugten Mann gehörte. Von Jahr zu Jahr schien Vater kleiner zu werden.
„Ein Reisender“, antwortete der Fremde. „Ich komme aus Ungarn und bin seit vielen Tagen unterwegs. Im Sturm habe ich meine Männer aus den Augen verloren. Ich gebe euch gutes Geld für eine Unterkunft, wenn ihr mich einlasst – wenigstens, bis das Gewitter aufhört.“
Jelka und mein Vater wechselten einen ratlosen Blick. Im Licht der glimmenden Kienspäne, die in einem eisernen Halter auf dem Tisch staken, ähnelte Jelka meiner Mutter plötzlich so sehr, dass es wehtat, sie anzusehen.
„Eine Falle?“, flüsterte sie besorgt.
Mein Herz schlug schneller, ich hob den Knüppel ein Stück höher und machte mich bereit.
„Was für einer bist du, hä?“, wollte mein Vater wissen. „Hast du auch einen Namen?“
„Jovan Vuković, so heiße ich“, erwiderte der Fremde. „Der Handel hat mich von der Heimat weggeführt. Ich habe Wiener Geld, ich bezahle für die Unterkunft.“
„Zum Fenster!“, zischte mein Vater und nickte uns zu. Meine Schwester eilte zum Tisch und stellte die Kienspäne weg, damit der Fremde vor der Tür unsere Stube nicht sehen würde. Ich spürte einen Luftzug, als mein Vater an mir vorüberging, roch die vertraute Mischung aus Branntwein und Kautabak. Gleich darauf hörte ich das Schaben des Fensterriegels. Die Öffnung war nur zwei Handbreit groß und ich fragte mich, wie Vater das Gesicht des Reisenden in der Dunkelheit erkennen wollte, aber in diesem Augenblick erhellte ein Blitz den Himmel und sandte einen gleißenden Schein durch die Luke. Ich starrte auf das angespannte Gesicht meines Vaters, seltsam schwebend mitten im Raum. Meine Arme begannen unter dem Gewicht des Eichenknüppels zu zittern, aber ich biss die Zähne zusammen. Ein helles Klimpern drang an mein Ohr.
„Taler!“, sagte der Fremde. „Für ein Bett.“
„Es ist tatsächlich nur ein Reisender“, hörte ich Vater murmeln. „Er ist allein und unbewaffnet.“
Jelka senkte die Axt und stellte sie neben sich auf dem Boden ab. Dann rief sie nach Mirjeta, die sogleich herbeigesprungen kam und das Licht wieder hervorholte. Vater legte den Säbel nicht ab, während er die Tür entriegelte. Er ächzte, als er den schweren Querbalken anhob.
Jovan Vuković trat in unser Haus, als hätte die Donau ihn hineingetragen, Bäche von Wasser strömten aus seinem langen Mantel. Er trug glänzende Stiefel wie ein Soldat des Kaisers. Er ging sehr dicht an mir vorbei, und einen Herzschlag lang sahen wir uns an, während ein weiterer Blitz die Kammer erleuchtete. Ich blickte in umschattete Augen unter dunklen Brauen, sah ein scharf geschnittenes Gesicht, das trotz der tiefen Falten um den Mund ebenmäßig wirkte. Alle älteren Männer, die ich kannte, trugen zumindest Schnurrbärte, Jovan dagegen war glatt rasiert. Am meisten verblüffte mich jedoch das zweierlei Haar: Eine helle Strähne zog sich durch sein dichtes, schwarzes Stirnhaar.
„Du wirst doch einen harmlosen Reisenden nicht erschlagen, Mädchen?“, sagte er freundlich. Erst da wurde mir bewusst, dass ich immer noch den Knüppel in der Luft hielt. Verlegen trat ich einen Schritt zurück und senkte die Waffe.
„Nein, Herr“, murmelte ich. „Verzeiht.“
„Willkommen im Haus von Hristivoje Alazović!“, sagte Vater. „Ihr habt Eure Leute verloren?“ Wie immer lehrte der Anblick von Geld ihn sehr schnell Höflichkeit.
Unser Gast nickte. „Kurz hinter dem Lindenwald. Wir hatten gehofft, noch heute zu einem Kloster zu kommen, das – so hatten wir gehört – hier ganz in der Nähe sei. Aber dann überraschte uns die Nacht und wir kamen vom richtigen Weg ab. Wölfe haben die Pferde scheu gemacht. Ich habe meine Männer gesucht und nach ihnen gerufen, und ich glaube, dass sie schon vorausgeritten sind.“
„Ihr ruft in dieser Gegend lauthals nach Euren Männern?“, fragte Vater und zeigte die mürrische Grimasse, die niemand für ein Lächeln hielt. „Seid froh, dass Ihr noch lebt!“
Der Fremde lachte. Es war ein dunkles, angenehmes Lachen, ich erinnere mich heute daran, dass ich es auf Anhieb mochte.
„Wegen dieses Räubers? Ich habe die Schauergeschichten gehört.“
„Es sind keine Geschichten“, entgegnete Vater. „Kosac wird von Soldaten gesucht.“
„So?“, erwiderte der Mann. „Nun, bei einem solchen Wetter verkriechen sich sogar die Räuber in ihre Schlupfwinkel, würde ich meinen.“
Jelka hatte inzwischen die Lampe entzündet, und ich stellte fest, dass Jovan Vuković sicher nicht älter als vierzig Jahre war. Seine Augen waren grün und schienen zu glühen und für einen Augenblick wusste ich nicht, ob ich ihn fürchten oder willkommen heißen sollte.
„Was für ein Landsmann seid Ihr?“, wollte Vater nun wissen. „Wo kommt Ihr her? Reitet Ihr heim?“
Herr Jovan nickte. „Mein Hof beim Dorf Medveđa liegt nur ein paar Tagesreisen von Belgrad entfernt. In der Nähe der Morava und nicht weit von Paraćin und Jagodina. Da komme ich her und da reite ich nun wieder hin.“
Vater spuckte mitten in der Kammer aus. „Also direkt bei den Türken.“ Seine Miene verdüsterte sich schlagartig und auch mir lief ein Schauer über den Rücken. Türken. In diesem einen Wort schwangen tausend Geschichten mit. Geschichten, die unser Vater erzählte, wenn der Branntweinrausch ihn wieder viele Jahre in die Vergangenheit trug. Geschichten von Krieg und Blut, von Schändung und Leid.
Jovan winkte ab. „Schon seit dreizehn Jahren kein Türkenland mehr“, sagte er mit einem schmalen Lächeln. „Der Friede von Passarowitz hält gut.“
„Passarowitz!“ Aus meines Vaters Mund klang der Name der Stadt wie ein Fluch. „So sagen die Österreicher, ja? Bei uns heißt die Stadt immer noch Požarevac! Und redet nicht zu laut von einem Frieden. Mit den Türken wird es niemals Frieden geben!“
Jelka und ich sahen uns an. Hat er getrunken?, fragte mein Blick.
„Mag sein“, entgegnete Herr Jovan sehr ruhig. „Wer weiß, was die Zukunft bringt. Aber bis jetzt hält dieser Friede gut, sonst stünde ich wohl kaum hier. Zwar leben wir im Grenzland, aber wir sind alle Untertanen des Kaisers, so wie Ihr auch. Unser Land ist Militärgebiet und steht direkt unter Wiener Verwaltung.“
„Im Grenzland“, knurrte Vater voller Verachtung. Er war blass geworden, sein Schnurrbart zitterte. „In Spuckweite der türkischen Hunde lebt Ihr. Eher würde ich mich aufhängen, als auch nur einen Fuß auf den verfluchten Boden zu setzen.“
Herr Jovans Lächeln verschwand. Aber er blieb weiter höflich. „Als wir noch zum türkischen Reich gehörten, bin ich einer Menge Leute begegnet“, meinte er nur. „Osmanen, Beamten und Soldaten. Händlern und Steuereintreibern natürlich, die von jedem, der kein Muslim war, eine hohe Kopf steuer einforderten. Nur sprechende Hunde habe ich keine gesehen.“
„Sieh an, Ihr seid doch nicht etwa ein Türkenfreund, Majstor?“ Vater spuckte noch einmal auf den Boden, den Jelka am Morgen sorgfältig gefegt und gescheuert hatte. „Und wie nennt Ihr die Türken? Schlächter vielleicht? Erzählt mir nichts, ich habe gegen dieses Pack gekämpft! Mit dem Säbel und meinem nackten Leben. Viele Jahre lang für das Heer des Kaisers in Wien. Und Gott weiß, dass sie mir beinahe die Seele aus dem Leib gerissen hätten. Sie pfählen Leute, die nicht ihres Glaubens sind! Kinder sogar! Ich habe alles gesehen. Sie hängen Christenmenschen am Kinn an Fleischerhaken auf und ...“
Er verschluckte sich und hustete, rang nach Luft und bekreuzigte sich hastig. Majda, Mirjeta und Danica drängten sich hinter der Stiege und tuschelten. Ich gebot ihnen mit einem strengen Wink, ruhig zu sein, und sie verstummten auf der Stelle.
„Braucht Ihr auch einen trockenen Platz für Euer Pferd, Herr?“, beeilte sich Jelka zu sagen, bevor unser Vater wieder zu Atem kam. „Meine Schwester wird es gerne in den Stall bringen.“
Vater holte so schnell aus, dass Jelka gerade noch die Arme hochreißen konnte. Der Schlag war ungelenk und traf ins Leere. Trotzdem zuckte ich zusammen.
„Halt dein Maul!“, herrschte er sie an. „Du gibst hier keine Befehle!“
Jelka senkte den Kopf und schwieg, nur ich sah, wie sie ihre Lippen zusammenkniff.
„Schwing den Stock gegen den Hund, die Tochter aber hau, damit sie den Mund hält“, wandte sich Vater wieder an unseren Gast. Wie oft hatte ich dieses Sprichwort schon gehört, doch jedes Mal wallte der Zorn wieder in mir hoch, sobald unser Vater es zum Besten gab. Herr Jovan deutete nur ein halbherziges Nicken an, erwiderte jedoch nichts.
„Jelka!“ Das war ein Befehl. „Das Pferd!“
Meine Schwester zögerte. Draußen regnete es inzwischen in Strömen, und die Pferde zu versorgen war die Aufgabe von mir, der Jüngeren. Ohne ein weiteres Wort nahm sie schließlich ihr Wolltuch, legte es sich über die Haare und ging hinaus.
„Setzt Euch, Herr, setzt Euch, bitte!“, sagte Vater. „Es soll keiner sagen, im Haus von Hristivoje müssten die Gäste stehen!“ Wie so oft war sein Zorn auch heute ebenso schnell verraucht, wie er gekommen war.
Nach kurzer Zeit dampfte Jovans Mantel neben dem Herd in der Wärme, es roch nach nasser Wolle. Unser Gast saß nur in Hemd und Hosen am Tisch und trank eine Schüssel Suppe aus, während seine ruhelosen Wolfsaugen jeden Winkel der Stube erforschten. Eine Borte mit grünen Stickereien glänzte auf, als er den Arm bewegte, und mir erschien unser Haus plötzlich noch viel erbärmlicher als sonst. Ich schämte mich mehr denn je für meinen Vater, dessen weite, weiße Lodenhosen wie immer verdreckt waren, weil er sich stets achtlos die Hände daran abwischte.
Mit Jovans Augen sah ich die hellen Stellen an den Wänden, an denen Stickereien gehangen hatten, bevor Vater sie verkaufte. In dem Winkel, in dem meine Mutter früher drei Ikonen aufgestellt hatte, stand nur noch das Bild der Heiligen Jungfrau. Ich sah den ausgetretenen Boden und die schiefen, vergilbten Fensterläden. Und ich hasste diese verlassene Stätte der Erinnerungen mehr als je zuvor.
„Ein einsam gelegenes Haus“, bemerkte Jovan. „Weit weg vom Taldorf. Aber Ihr habt ja Gesellschaft von vielen Töchtern.“ Vater nickte düster und schenkte ihm Rakija ein. Es war die Fastenzeit vor Ostern, was für unseren Vater allerdings nie ein Grund war, sich beim Trinken zu mäßigen. Der Branntwein war billig und viel zu scharf, aber Herr Jovan verzog nicht einmal den Mund, während er einen Schluck nahm.
„Sieben Töchter waren es“, murmelte Vater. „Eine Unglückszahl. Die zweitälteste stürzte vor einiger Zeit zu Tode. Nun sind es noch sechs hier im Haus. Jelka, die älteste, ist schon siebzehn. Die drei da hinter der Stiege sind die jüngsten.“
„Und das Mädchen, das bereit war, mich mit dem Knüppel zu erschlagen?“, fragte Jovan.
„Jasna“, sagte mein Vater, ohne mich anzusehen. „Die mittlere, vierzehn Jahre ist sie alt, bald fünfzehn. Sie sollte diejenige sein, die wie die Mitte der Waage ist, doch statt auszugleichen, bringt sie Unruhe in die Familie, wo sie kann. Zankt sich ständig mit der ältesten, sie sind wie zwei Hennen, die sich die Augen auspicken wollen.“
Jelka, die das Pferd versorgt hatte und nun mit nassen Haaren neben mir saß, stieß mir mit dem Fuß warnend gegen den Knöchel. Dabei hatte ich gar nicht vorgehabt, Vater zu widersprechen.
Jovan lachte. „Tüchtig scheinen Eure Töchter jedenfalls alle zu sein. Fünf habe ich nun gesehen, aber wo ist die sechste? Sag du es mir, Jasna!“
Mein Herz machte einen Satz. Unwillkürlich verbarg ich meine Hände, die von der Arbeit rau und schwielig waren. „Bela schläft, Herr.“
„Obwohl die Räuberbande in der Nähe ist?“, bemerkte Jovan mit einem Schmunzeln. „Nun, zumindest hat sie einen gesegneten Schlaf. Wie kommt es nur, dass Ihr und Eure Töchter verschont worden seid, Hristivoje?“
„Kosac ist grausam, aber nicht dumm. Er sieht, wo es was zu holen gibt“, knurrte Vater. „Er stahl uns die letzten Ziegen von der Weide und seitdem haben wir Ruhe. Den nutzlosen alten Ackergaul hat er uns gelassen.“
„Es wundert mich, dass er Euch in Ruhe lässt. Frauen dürften wertvoller sein als Ziegen, könnte man meinen.“
Auf Vaters Stirn erschien wieder die steile Zornesfalte. „Soll er es wagen“, murmelte er. „Das Kämpfen habe ich nicht verlernt!“
Das Trinken auch nicht, setzte ich in Gedanken hinzu.
Jelka stand auf, um das Feuer zu schüren. Dabei scheuchte sie unsere Schwestern mit einem gezischten Befehl nach oben. Nackte Füße patschten auf den Holzstiegen. Majda stolperte, fiel hin und begann zu weinen und Danica und Mirjeta nahmen sie in ihre Mitte.
„Wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich mich nicht auf einen Säbel und alten Siegesruhm verlassen“, meinte Jovan. „Warum zieht Ihr nicht ins Taldorf ?“
Weil die Leute vom Dorf mit uns nichts zu tun haben wollen,hätte ich am liebsten gesagt. Weil unser Vater mit jedem Streit anfängt und sich lieber hier oben verkriecht und seinen Erinnerungen nachhängt.
„Weil wir nichts besitzen außer diesem Haus“, klagte mein Vater und stürzte noch einen Becher Rakija hinunter. „Sollen wir es zurücklassen? Ich habe es teuer erkauft mit meinem Blut, meinem Sold aus dem Militärdienst. Zum Krüppel bin ich dafür geworden, lahm und taub auf einem Ohr. Und außerdem: Niemand kauft uns jetzt das Haus ab. Nein, Lazar Kosac wird bereits gejagt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er am nächsten Baum aufgehängt wird. Und dann werden die Reisenden wieder die Straße durch die Berge nutzen und bei uns Rast machen. Wir müssen nur durchhalten.“ Und er setzte leiser hinzu: „Seht Euch das Elend mit diesen vielen Töchtern doch nur an! Volle Augen, aber leere Hände! Gott weiß, dass es einfacher wäre, wenn ich Söhne anstelle von Töchtern hätte.“
Jovan musterte Jelka über den Rand seines Bechers hinweg. Es war ein Blick, der mir gar nicht gefiel. Meine älteste Schwester war ernst, aber hübsch, mit Lippen wie Schwalbenflügeln und stets geröteten Wangen. Bei unseren seltenen Besuchen im Taldorf konnten die Männer die Augen nicht von ihr lassen.
„Warum seid Ihr auf Reisen, Herr? Seid Ihr Händler?“, fragte ich, obwohl mich niemand aufgefordert hatte zu sprechen.
Jovan runzelte die Stirn. Und an Vaters Blick sah ich, dass die nächste Ohrfeige nur noch wenige Atemzüge entfernt war. Doch das war es mir wert.
Und zu meiner eigenen Überraschung antwortete Jovan mir sogar.
„Nicht im eigentlichen Sinne“, sagte er. „Ich besitze ein Gut, aber von Zeit zu Zeit unternehme ich Reisen, um ... zu sehen, ob ich in anderen Teilen des Landes bessere Pferde für meine Zucht bekomme. Ungarische Rösser, die feurig sind und flink und ohne Angst. Ich habe die schnellsten Pferde weit und breit. Manche verkaufe ich ans Militär.“
Ich glaubte sie schon zu sehen – wendige, schlanke Tiere, die mit jedem Schnauben den Hauch der Ferne mit sich trugen.
„Wie viele Rösser habt Ihr?“, fragte Vater und leckte sich über die Lippen.
„Zwölf Stuten“, antwortete Jovan stolz. „Und drei habe ich jetzt dazugekauft. Dazu fünf Wallache und einen Hengst, so prächtig, dass schon Lieder über seine Schönheit geschrieben wurden. Bis auf die drei neuen haben alle meine Pferde das Blut arabischer Rösser in den Adern und tragen den Kopf so hoch erhoben, als würden sie Luft trinken wie Könige edlen Wein.“
Damals bekam ich einen ersten Eindruck davon, wie gut Jovan reden konnte. Er hatte die Gabe, aus Worten Farben und Formen entstehen zu lassen und die Menschen damit zu betören. Auch mich faszinierten in dieser Nacht die Bilder, die er in meinem Kopf entzündete.
„Dann seid Ihr ja ein richtiger Edelmann, ein Plemić!“ Ein hoffnungsvolles Funkeln war in die Augen meines Vaters getreten.
Wie ein magerer Hofhund, der vor einem Wolf winselt,dachte ich bei mir. Die Leute aus dem Dorf sagten, die harten Zeiten und der Tod meiner Mutter hätten unseren Vater zu einem bitteren, gierigen Mann gemacht, aber ich wusste es besser: Er war schon immer so gewesen. Der Kern seiner Seele war schwarz und vertrocknet wie der schimmelige Kern, der einen reifen Pfirsich verdirbt.
„Ja, mein Besitz kann sich sehen lassen“, sagte Jovan nachdenklich. „Mein Gut mit den drei Türmen ist weithin bekannt. Und auch die Quelle der weinenden Jelena, die auf meinem Grund und Boden entspringt.“ Er nahm einen tiefen Schluck vom Branntwein und genoss offenbar die gespannte Stille, bevor er weitererzählte. „Einst ist die Heilige dort vorbeigekommen und fand neben dem Felsen ein zerbrochenes Kreuz. Türkische Heiden hatten es zu Boden geworfen. Vor Trauer vergoss Jelena eine Träne – und als die Träne den Fels berührte, entsprang dort eine heilende Quelle. Dieses geheiligte Wasser fließt seitdem neben den Türmen auf meinem Gut.“
„Dann ist Euer Haus wirklich gesegnet!“, murmelte Vater beeindruckt.
Jovan hob die Schultern. „Ja und nein. Die Geschichte der Türme hat auch ihre dunkle Seite: Streit in der Hausgemeinschaft. Mein Vater hatte zwei Brüder und jeder wollte den besseren Turm haben. Am Ende haben sie sich zerstritten, das Gut wurde vor Zeugen von einem Vermittler geteilt. Jeder der drei lebte in seinem Turm, bis zwei der Brüder starben und nur noch mein Vater übrig war. Deshalb gehört der Hof nun mir allein.“
„Dann besitzt Ihr bestimmt auch gute Äcker“, sagte mein Vater eifrig. „Man hört oft, die Gegend von Pomoravlje sei ein reiches Land.“
„Reich an Steinen in den Äckern und knorrigen Bäumen, ja“, entgegnete Jovan bescheiden. „Aber die Erde in der Morava-Flussebene ist gut, die Bauern können Mais anbauen. Und auch Räuber hat man schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Nur gute Pferde und schöne Mädchen bekommt man dort nicht.“
Es klang sanft, wie er das sagte, und er warf Jelka bei diesen Worten einen Blick zu, der sie sichtlich verwirrte. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, alle Töne doppelt so scharf wahrzunehmen, so hellhörig wurde ich. Dieser Jovan Vu ković, dachte ich bei mir, sucht nicht nur nach Pferden.
„Bleibt, solange Ihr wollt, Majstor“, sagte unser Vater und schenkte unserem Gast und sich noch einmal Branntwein nach. „Morgen werde ich Euch helfen, Eure Männer zu suchen. Aber wer weiß, vielleicht brauchen sie nach der Nacht im Sturm noch einen Tag Rast?“
Jovan nickte und lauschte dem prasselnden Regen. „Sicher haben sie sich längst einen Unterschlupf im Wald gesucht. Aber erzählt mir noch etwas über Euch. Die Mädchen arbeiten gut?“
„Die großen, ja. Jasna ist eine, die gerne zupackt. Sie kümmert sich um das Pferd und das kleine Feld hinter dem Haus. Jelka würde auch aus Steinen und Zweigen die besten Gerichte kochen. Bela ... stickt viel. Und die drei Kleinen, nun, Ihr könnt Euch ja denken, dass sie mehr essen, als sich nützlich zu machen. Ach, was habe ich nach dem Tod meiner Frau nicht alles versucht, um eine neue Mutter für sie zu finden! Aber die Weiber aus dem Dorf sind allesamt feige und faul. Allein beim Namen des Räubers fangen sie an zu heulen – nein, da haben meine Töchter mehr Stolz und mehr Schneid.“
Jovan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte die langen Beine näher zum Feuer.
„Es muss schwer für Euch sein, als Witwer zu leben, Hristivoje.“
Jetzt musste ich schlucken. Einer der Reisenden wurde getötet und ausgeraubt, als meine jüngste Schwester gerade geboren worden war. Meine Mutter lag noch mit Fieber im Wochenbett, als die verzweifelten Reisegefährten des ungarischen Kaufmanns an die Tür klopften und von Raub und Mord stammelten. Meine Mutter warf nur einen Blick auf den Fremden, der sich blutend in der hastig aus einem Mantel gefertigten Trage wand. Und ängstlich, wie sie war, erschrak sie so sehr, dass sie bald darauf selbst starb. Ich sehnte mich viele Nächte lang nach ihren sanften Fingern, die meine störrischen Locken ordneten. Manchmal hatte ihre Hand gezittert, während sie mir über das Haar strich, und selbst im Halbdunkel konnte ich die blauen Flecken in ihrem Gesicht sehen. Dann wusste ich, dass Vater wieder getrunken und von ihr einen Sohn verlangt hatte. Aber auch wenn er sie in unserer Gegenwart zurechtwies und schlug, habe ich nie erlebt, dass sie sich mit Worten wehrte oder auch nur die Arme hob, um sich zu schützen.
„Es sind nun mal karge Zeiten“, sagte mein Vater heiser.
„Haben Eure Ältesten denn noch keine Verlobten im Dorf?“, wollte Jovan wissen. „Immerhin habt Ihr ein schönes Stück Land hinter dem Haus, die Bergwiese trägt gute Erde. Vielleicht wäre ein Schwiegersohn sogar bereit, hier bei Euch zu leben. Ich könnte mir vorstellen, dass jeder junge Mann froh wäre, eine Frau wie Jelka zu bekommen – auch wenn sie schon siebzehn ist. Ich jedenfalls wünschte, mein Sohn Danilo würde eine so tüchtige und dazu noch schöne Braut finden.“
Ich hielt die Luft an und ballte die Hände zu Fäusten. Also hatte ich richtig vermutet! Jelka wandte sich brüsk dem Topf am Feuer zu. Ich sah, wie die Linie ihrer Schultern sich verhärtete.
Sag es!, befahl ich meinem Vater in Gedanken und durchbohrte ihn mit meinem Blick, aber er sah mich nicht an.
„Jelka ... habe ich jemandem versprochen“, meinte Vater endlich, aber so zögernd, als bedauerte er diese Tatsache. Er stürzte den restlichen Branntwein in einem Zug hinunter. „Wenn wir auch nicht wissen, wann ihr Bräutigam aus dem Militärdienst zurückkehrt.“
Jelka drehte sich nicht um, nur der Löffel, mit dem sie die dünne Suppe rührte, schlug härter gegen die Topfwand. Ich war mir sicher, dass sie die Blicke der beiden Männer wie heiße Nadeln im Rücken spürte.
Meine Schwester und ich waren wie Feuer und Wasser. Nicht selten stritten wir uns so schlimm, dass sogar die Holzlöffel über den Tisch flogen. Sie nannte mich Dolchzunge und Giftnatter und ich sie hölzerne Jungfrau und Eisenhand. Doch in diesem Augenblick hätte ich sie sogar gegen Kosac persönlich verteidigt.
„Mile kommt bald zurück, Vater“, sagte ich mit fester Stimme. „Das Jahr ist noch längst nicht um. Ihr habt seiner Familie Euer Wort gegeben, dass Jelka bis zum Herbst auf ihn wartet.“
Mein Vater funkelte mich wütend an und sprang auf. Ich hätte seiner Ohrfeige leicht ausweichen können, denn seine Hand war bereits unsicher von der Flasche Branntwein, die er fast alleine getrunken hatte, doch aus irgendeinem Grund dachte ich nicht daran, mich feige in die Ecke zu flüchten. Seine Schwielen kratzten über meine Wange, der Schlag brachte mein Ohr zum Klingen.
„Hältst du jetzt endlich dein freches Maul!“, brüllte er. „Niemand will dein Geschwätz hören! Verschwinde nach oben!“
Jelka fuhr herum und sah Vater so durchdringend an, dass ich bei allen Heiligen geschworen hätte, sie würde nach der Axt greifen. Und ich ertappte mich bei dem Wunsch, dass sie es tun sollte.
Jovan schaute verlegen in seinen Becher und gab vor, die Grobheit meines Vaters nicht zu bemerken.
„Schlimme Zeiten bringen auch in den besten Männern Schlimmes hervor“, sagte er. „Straft nicht Eure Töchter für die Ungerechtigkeit des Schicksals.“
Mein Vater hielt noch einen Moment den Arm zum zweiten Schlag erhoben, dann senkte er ihn und schniefte durch die Nase. Seine Augen waren gerötet und glasig. Langsam ließ er sich auf den Stuhl zurücksinken und griff zum Becher.
„Wie wahr“, murmelte er. „Sie sind eine Last, alle sechs.“ Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass ohne uns das Feld verlassen wäre, das Essen nicht gekocht und das Pferd nicht versorgt. Doch Jelka legte mir die Finger auf die Lippen und schob mich zur Leiterstiege. „Geh“, sagte sie so sanft, dass ich ihr ausnahmsweise gehorchte.
Das Gewitter war vorübergezogen. Durch das schmale Fenster unter dem Dach fiel ein Mondstrahl auf unser Strohbett. Bela schlief so tief, dass ich nicht einmal ihr Atmen hörte. Im Mondlicht sah sie mehr denn je aus wie eine schlafende Bergfee. Ihr Haar glich weder meinen kastanienbraunen Locken noch Jelkas honigschimmernden Wellen.
„Jelka ist mit ihren rosigen Wangen und den sanften Farben eine Frühlingsrose“, hatte unsere Mutter immer gesagt. „Und du, Jasna, bist mit deinem rötlichen Glanz im Haar und den braunen Augen ein leuchtendes Herbstblatt. Unsere Bela aber ist eine Wasserlilie aus einem fremden Land. Sie ist ein Geschenk aus der anderen Welt. Vielleicht haben die Vilen sie uns in die Wiege gelegt.“
Seit ich denken konnte, hatte Mutter uns Geschichten über die Feen erzählt, die in den Bergen und manchmal auch im Wasser lebten. So wie ich Bela in jener Gewitternacht sah, habe ich sie bis heute in Erinnerung – mit ihrem erstaunlich hellen Haar, das in einem geisterhaften Schein leuchtete. Sie muss eine Vila sein, die uns beschützt, dachte ich oft. Wie könnten sonst so viele Mädchen in einem einsamen Haus mitten im Gebiet des Räubers Lazar Kosac unbehelligt bleiben?
Der seltsame Feenschein um Belas Gesicht verschwand erst, als ich mir die Augen rieb. Die Wut brannte immer noch in meinen Adern, und ich fragte mich, was in Vaters Kopf vorging. Von Jahr zu Jahr wurde er mehr zu einem Fremden. Am ehesten verstand er sich noch mit Jelka, die ähnlich hart sein konnte wie er. Und Jelka erinnerte sich als Einzige von uns Schwestern noch daran, dass unsere Eltern miteinander gelacht hatten, als sie ein kleines Mädchen war. Doch mit jeder weiteren Tochter schwand die Liebe und machte einem wachsenden Jähzorn Platz. Seit Mutters Tod war Vater so unbeherrscht geworden, dass nicht einmal die ältliche Witwe Lidija aus dem Dorf in unser Haus ziehen wollte, um an seiner Seite zu leben. Und auch in dieser Nacht war ich sicher, dass er uns verfluchte. Ich verfluchte ihn ebenfalls.
Fröstelnd trat ich zum Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Von unserem Giebelfenster aus konnte ich das morsche Dach des Stalls erkennen. Jovans Pferd war dort. Das Pferd aus dem Türkenland.
Ich warf noch einen Blick auf die schlafende Bela, dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und zog hinter dem Dachbalken meine zusammengerollte Seilleiter hervor. Feiner Nieselregen benetzte mein Gesicht, während ich mich aus dem Fenster schwang und an der hölzernen Wand entlang langsam nach unten hangelte. Aus dem Haus drang nur schwacher Lichtschein durch die Fensterritzen nach außen. Ich duckte mich dennoch unter dem Fenster und huschte durch das nasse Gras zum Stall. Das Geräusch von aufstampfenden Hufen begleitete meine lautlosen Schritte. Als ich eintrat, sah ich den plumpen Umriss unseres Pferdes. Und ganz in der Nähe erahnte ich einen nervösen Schatten, ein zweites, weitaus lebhafteres Pferd. Jetzt war alle Wut verraucht und ich konnte es kaum erwarten, eine Kerze zu entzünden. Vater hätte mich auf der Stelle verprügelt, wenn er gewusst hätte, dass ich unter einem zerbrochenen Eimer ein Feuerzeug und einen Kerzenstumpen versteckt hatte. Ich ertastete den Flintstein und die anderen Gegenstände und setzte mich zum Feuermachen in die gemauerte Nische. Meine Hände zitterten vor Aufregung, und als der Docht endlich die Flamme angenommen hatte, wäre mir die Kerze beinahe aus den Händen gefallen.
Schwarz, unser altes Pferd, wandte den Kopf und spitzte erwartungsvoll die Ohren. Sein Fell war gelbfleckig vom Schlamm des Ackers und an den Schultern so abgeschabt vom Kummet, dass seine dunkle Haut durchschimmerte. Einst war der Gaul kohlschwarz gewesen, aber in bald sechzehn Jahren war er ausgeblichen wie ein Stück alter Stoff, das zu lange dem Regen und dem Sonnenlicht ausgesetzt war. Ich liebte Schwarz, obwohl er auf dem Feld kaum mehr zu gebrauchen war. Doch sobald ich die Geduld mit ihm verlieren wollte, erinnerte ich mich an den jüngeren Schwarz. Ich hatte auf seinem Rücken gesessen, kaum, dass ich auf eine Leiter steigen konnte. An seinen Beinen hatte ich mein eigenes Wachstum gemessen.
Mit der hohlen Hand schützte ich nun die Kerzenflamme und schlich um den Verschlag von Schwarz herum. Dann nahm ich die Hand weg.
Vor mir stand das schönste Pferd, das ich je gesehen hatte!
Ein Rappe, der aus Gewitterwolken gemacht schien. Seine Mähne war noch feucht vom Sturm und seine Augen lebhaft. Neben unserem plumpen Schwarz sah er zerbrechlich und flink aus, ein Pferd der Feen, das auf dem Sturmwind laufen konnte. Ehrfurchtsvoll trat ich näher und bewunderte das schnelle Spiel der Ohren, die Art, wie der Hengst die schmale Nase hob, um mich überheblich von oben herab zu mustern, um dann doch neugierig an meiner Hand zu schnuppern. Ich umschloss seinen warmen Atem, als könnte ich damit ein Stück der Fremde als Geschenk erhalten, und wünschte mir nichts so sehr, als einmal auf dem Rücken eines solchen Tieres über eine gerade Straße dahinzufliegen.
„Jasna!“
Die Kerze fiel zu Boden, zischend verlosch die Flamme auf dem feuchten Boden. Das Pferd trappelte und quiekte und trat gegen die Wand des Verschlags. Ich fuhr herum, eher verärgert als überrascht, dass Jelka mich hier ertappt hatte.
„Was ist denn?“
Ich war darauf gefasst, einen ihrer Wutanfälle zu erleben, doch meine Schwester stand nur mit hängenden Armen in der Tür.
„Er will Bela sehen“, sagte sie leise.
„Herr Jovan?“
Ein schattiges Nicken. „Für seinen Sohn. Er wollte eigentlich mich, aber ich konnte es Vater ausreden, sein Versprechen zu brechen, und auch unser Gast hat schließlich eingewilligt, sich die zweitälteste Schwester anzusehen. Vater hat ihm erzählt, wie schön sie ist, und hat Jovan ihre Stickereien gezeigt.“
Das sah Vater ähnlich! Überall gilt es als Schande für die Familie, wenn die zweite Tochter vor der ältesten verheiratet wird, aber für unseren Vater war es wohl wichtiger, Bela loszuwerden. Schon mehrmals hatte er es versucht. Einmal gab er sie im Dorf einer Witwe, bei der sie sticken sollte, ein anderes Mal brachte er sie zu einem Bauern. Aber Bela lief jedes Mal weg und stand mitten in der Nacht mit aufgelöstem Haar und wunden Füßen wieder vor unserer Tür.
„Hat er ihm auch gesagt, dass sie nichts anderes kann als sticken?“, zischte ich. „Hat er Herrn Jovan gesagt, dass sie ...“
„Nein“, unterbrach mich Jelka barsch. „Aber es wird ihn nicht stören. Sie soll Söhne bekommen, nicht reden.“
„Das lasse ich nicht zu! Gibt es keine Mädchen in Medveđa? Ist sein Sohn so ein Ungeheuer, dass er zu Hause keine Braut findet?“
„Scht! Sei doch leise, du Dummkopf ! Der Herr sagt, er will für seinen Sohn nicht irgendeine aus dem Dorf.“
„Aber warum dann ausgerechnet Bela?“
„Sie ist nach mir nun mal die Nächste in der Reihe. Und längst alt genug, Kinder zu bekommen.“
„Sie ist zart wie eine Zwölfjährige!“
„Na und? Mutter war noch jünger als du, als sie verheiratet wurde. Als sie mich zur Welt brachte, war sie vierzehn, Jasna.“
„Ja, und genau deshalb hat sie unserem Vater das Versprechen abgenommen, keine von uns vor dem sechzehnten Jahr zu verheiraten! Er hat es ihr am Totenbett geschworen.“
Jelka schnaubte. „Bela ist seit zwei Wochen sechzehn.“
Ich hatte den Mund schon aufgemacht, um ihr zu widersprechen, doch nun schloss ich ihn wieder. Jelka hatte Recht. Doch seltsamerweise überraschte es mich. In meiner Wahrnehmung war Bela von jeher jünger als ich. „Wir können es trotzdem nicht zulassen“, flüsterte ich entsetzt.
„Warum nicht?“, sagte Jelka mit ihrer unbarmherzigen, viel zu vernünftigen Stimme. „Sie trifft es nicht schlecht mit dem Sohn eines Gutsherren.“
Ich hätte mir denken können, dass Jelka letztendlich doch zu Vater hielt!
„Unser Vater würde keinen Fuß ins Türkenland setzen, aber seine Tochter schickt er dorthin?“, fauchte ich sie an. „Nun, wenn es dir so erstrebenswert scheint, wieso gehst du dann nicht an ihrer Stelle? Du bist doch schon fast eine alte Jungfer! Und Herr Jovan besitzt sicher mehr, als dein Mile je haben wird.“
Jelka tauchte in die Dunkelheit des Stalls, dann spürte ich plötzlich zwei eisenharte Hände, die meine Handgelenke packten, dass es wehtat.
„Jetzt hör mir gut zu, Dolchzunge“, flüsterte sie gefährlich leise. „Ich habe viel Geduld mit dir, aber diese Geduld hat auch einmal ein Ende.“
„Hör auf, mit mir zu sprechen, als wärst du meine Mutter.“
Der Griff wurde härter. „Solange du in unseres Vaters Haus lebst, bin ich deine Mutter. Ich beschütze dich, wo ich kann, ich sorge für euch und ich trage die Last. Meinst du, es ist leicht für mich, die Stelle der Hausherrin einzunehmen?
Glaubst du, es ist leicht, Entscheidungen zu treffen und als Schutzschild zwischen Vater und den Kleinen zu stehen, wenn du mit Schwarz auf dem Feld bist und Vater sich wieder betrinkt? Glaube nur nicht, dass du die Einzige bist, die davon träumt, das Haus zu verlassen, Jasna! Und wer weiß, vielleicht hat Nevena das ähnlich empfunden. Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, weil ich darüber nachdenke, ob sie wirklich aus einem unglücklichen Zufall heraus vom Felsen stürzte oder ob sie nicht einfach gesprungen ist.“ Die Erwähnung unserer toten Schwester versetzte mir einen Stich. „Hätte ich Mile nicht, würde ich noch heute meine Sachen packen und mich hinter Jovan aufs Pferd setzen“, fuhr Jelka flüsternd fort. „Türkenland hin oder her. Es ist sicher nicht das schlechteste Los. Im Gegensatz zu unserem Vater scheint Jovan Anstand im Leib zu haben. Er achtet meine Verlobung und er billigt keine Gewalt. Jeder andere hätte Vater vorhin dazu aufgefordert, dir doch gleich eine ordentliche Tracht Prügel zu verpassen, nicht wahr?“
„Wenn du so redest, fällt es schwer zu glauben, dass du wirklich auf Mile warten willst“, erwiderte ich ebenso hart. Der Griff lockerte sich und löste sich dann ganz. Jovans Pferd schnaubte mir seinen warmen Atem in den Nacken und ohne nachzudenken trat ich einen Schritt zurück und legte meine Hand auf die Mähne, wie ich es immer bei Schwarz tat. Das war dumm, denn ich kannte das fremde Tier nicht, es hätte mich beißen können, aber der Rappe verharrte neben mir, ein gespanntes Bündel Kraft. Seine Mähne war nicht dick und borstig wie die von Schwarz, sondern weich und glatt, fast wie Frauenhaar.
„Ich werde auf Mile warten, selbst wenn es noch Jahre dauert“, sagte Jelka. Eine seltsam dünne, verletzliche Stimme im Nichts. „Er wird zurückkommen, mit genug Geld für ein Haus im Dorf. Und dann wird er sein Versprechen einlösen.“
„Welches Versprechen?“
Jelka zögerte mit der Antwort. Ich konnte ihren Duft wahrnehmen. Sie roch nach getrocknetem Rosmarin und den Kamilleblüten, die sie heute gekocht hatte, weil Majda Bauchweh hatte.
„Wenn ich Mile heirate und das Haus hier verlasse, nehme ich die Kleine und Mirjeta mit“, sagte sie leise. „Und vielleicht hole ich auch Danica noch nach.“
Ich wickelte mir das Mähnenhaar um die Finger. Plötzlich hatte ich das Gefühl, den Halt zu verlieren.
„Und Bela?“, flüsterte ich. „Und ich?“
„Glaube mir, ich würde auch euch mitnehmen, aber ich muss froh sein, wenn ich wenigstens die Kleinen ins Dorf bringen kann. Auch deshalb warte ich auf Mile: Nicht jeder Mann würde mit seiner Braut gleich auch noch drei ihrer Schwestern aufnehmen.“
Ich verstand Jelkas Entscheidung, auch wenn ich es nie zugegeben hätte. Und trotz meiner Enttäuschung wuchs die Achtung vor meiner Schwester ein ganzes Stück.
„Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Ziegen den Räubern nicht mehr genügen. Du bist schnell, Jasna, und kannst auf der Hut sein, aber Bela wird ihnen wie ein Milchlamm in die Hände fallen. Was ist besser – von einem Räuber geschändet zu werden oder mit einem Gutssohn im Bett zu liegen und dafür Ehrerbietung, ein Haus, genug zu essen und Sicherheit zu haben?“
Ich schluckte. Ich konnte mir Bela – meine Bela – nicht in den Armen eines Mannes vorstellen. „Sie wird unglücklich sein.“
Jelka lachte trocken. „Sie wird im Haus sitzen, ihre Lieder singen und Söhne bekommen, und sie wird ebenso glücklich oder unglücklich sein wie jetzt auch, Jasna. Sie weiß es nicht besser.“
Heftig schüttelte ich den Kopf. „Sie würde sich vor Fremden noch mehr fürchten als vor Vater. Wäre sie sonst schon so oft weggelaufen? Und sie ist kein Stück Vieh, das man wie Handelsware mitnimmt.“
„Träumerin“, sagte Jelka bitter und seufzte tief. „Hör mir gut zu: Nur eine Hochzeit gibt uns die Möglichkeit, Bedingungen zu stellen, und auch nur solange die Männer uns noch begehren. Diese Zeit müssen wir nützen, vergiss das nicht! Niemals!“
„Weinst du etwa, Jelka?“
„Nein“, murmelte sie und schniefte. „Aber du wirst gleich weinen, wenn du nicht machst, dass du wieder ins Haus kommst. Jovan wird im Morgengrauen aufbrechen, um seine Männer zu suchen. Also geh zurück ins Haus, du Wilde. Ich komme morgen Früh und kämme Belas Haar.“
Jovan brauchte nicht nach seinen Männern zu suchen. Noch bevor die Sonne hinter dem größten Berg hervorgekrochen war, als würde sie eine mit Linden bestickte Bettdecke von sich schieben, hörten wir Hufschlag. Es waren drei Reiter auf schwarzen Rössern. Sie führten ein Packpferd und drei ungesattelte Rappstuten mit. Ich beobachtete sie durch das Fenster und konnte nicht umhin, die Tiere zu bewundern. Ihre Sprünge waren groß und die Mähnen flogen bei jedem Schritt. Die Männer waren bewaffnet wie Hajduken. Sie trugen jeder einen Pojas – die breite Gürtelschärpe aus Wolle –, dunkle Hosen und Mäntel, dazu schwarze Mützen mit einem kantigen Rand. Sie hatten breite, grimmige Gesichter. In ihren Haaren hing noch das eine oder andere Blatt, das sich beim Ritt durch die Nacht darin verfangen hatte. Der älteste der drei Begleiter wirkte freundlicher als die anderen. Sein Gesicht war gerötet und er hatte einen grauen Bart. Jovan trat aus dem Haus und die beiden begrüßten sich wie Brüder, klopften sich auf die Schultern und lachten.
„Jelka!“, dröhnte die Stimme unseres Vaters von unten. „Gäste!“
Meine Schwester steckte hastig die letzte Strähne an Belas Kopf fest, nickte mir auffordernd zu und lief die Holzstiege hinunter.
„Klapperfüße und Holzgrimassen“, sagte Bela ärgerlich. „Wenn die Wölfe durch die Stube streifen, bleibt kein Platz zum Tanzen.“
Jelka hatte Belas lange, glatte Strähnen gekämmt und zu Zöpfen geflochten. Doch so schön Bela war, das Allerschönste an ihr waren die Hände. Weiß und feingliedrig, schienen sie ein Eigenleben zu haben. Sie nähten und stickten von ganz allein mit dem roten Garn, während Belas selbstvergessener Blick in die Ferne schweifte. Sie sah niemanden direkt an, auch mich nicht, aber sobald ich vor ihr stand, lächelte sie und ihre Hände umschlossen zart wie Lilienblätter mein Gesicht, strichen sanft über Wangenbögen und Brauen.
Nun nahm ich sie in die Arme und begann leise zu singen. Dabei stellte ich mir vor, wie ich sie aus dem Fenster trug, über die Berge an einen sicheren Ort.
Belas Hand flatterte an meiner Brust hinauf bis zu meiner Wange, fand meinen Mund und versuchte, meine zusammengekniffenen Lippen zu einem Lächeln zu formen. Es war dieser Moment, in dem ich beschloss, dass Jovans Sohn sie nicht bekommen sollte. Ich würde sie beschützen; wenn es sein musste, sogar vor Lazar Kosac!
„Halt still, Bela“, sagte ich entschlossen und löste die Bänder, die ihre Zöpfe hielten. „Wir wollen doch nicht, dass du wie eine Braut aussiehst.“
Meine Finger harkten durch ihr Haar, zogen und zerrten, und Bela lachte und wand sich, als sei das ein Spiel. „Ein Lied ist ein Vogel, der nur bis zum Winter lebt“, sang sie und schüttelte den Kopf, bis die Zöpfe sich lösten. „Dann töten ihn die Raben und trinken sein Blut.“
Wenn Bela sprach, ergab es keinen Sinn, doch manche Leute aus dem Dorf glaubten, dass sie Dinge sah, die allen anderen verborgen waren, und sie bekreuzigten sich ängstlich. Damals lachte ich noch über solchen Aberglauben.
In der Stube roch es nach Sattelfett und Leder. Jovan begrüßte mich mit einem Lächeln, das mich verlegen machte. Ich grüßte höflich und scheuchte meine kleinen Schwestern neben den Herd, wo Jelka schon eine Holzschüssel mit wässrigem Hirsebrei auf einen Schemel gestellt hatte. Majda streckte ihre Ärmchen nach mir aus und ich hob sie hoch und setzte sie auf meinen Schoß. Natürlich spürte ich, dass mich auch die neuen Gäste aufmerksam musterten, während ich das Kind fütterte, aber ich ließ mir nichts anmerken. Majda war so fasziniert von den fremden Männern, dass sie vergaß, den Brei zu schlucken, und ich knuffte sie leicht in die Wange, damit sie weiteraß.
Vater polterte in die Stube, unter dem Arm einen neuen Krug Branntwein, an dem noch feuchte Erde hing. Mochte der Himmel wissen, wo er ihn versteckt und wieder ausgegraben hatte.
„Wo ist Bela?“, fragte er. Seine Augen waren gerötet, das Haar strähnig und wirr.
„Oben“, antwortete ich. „Sie kommt gleich herunter.“
„Bela!“, brüllte er. „Na los! Und du, Jasna, kümmere dich um die Pferde. Bring ihnen frisches Wasser, aber hol sie nicht aus dem Stall.“
Jelka nahm mir Majda ab, während Danica und Mirjeta aufgeregt tuschelten und auf den Mann mit Bart deuteten. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er ihnen irgendwelche Zeichen gab, und hörte am Glucksen, dass sie sich vor unterdrücktem Lachen kaum mehr halten konnten. Mir war nicht nach Lachen zumute. Ich schoss vom Tisch hoch und eilte aus der Stube. Die Morgensonne blendete mich, ich fegte um das Haus herum zu dem aus Stein gehauenen Quellbrunnen. Dort nahm ich den Holzeimer und lief damit zurück. Hastig streifte ich meine Opanken von den Füßen, stellte mich nur in Strümpfen auf den umgedrehten Eimer und spähte durch das offene Fenster.
„Bela!“, brüllte mein Vater wieder. Im selben Moment erschien der Fuß meiner Schwester auf der obersten Stiege.
Besucher, die in unser Haus kamen, vergaßen stets, den Löffel zum Mund zu führen, wenn meine Schwester durch den Raum ging. Uns dagegen fiel es längst nicht mehr auf, dass es so aussah, als würden ihre Hände ihren Körper einfach hinter sich herziehen. Und auch an diesem Tag tastete sie sich an den Wänden entlang, mal schneller, mal ruckartig und langsam, packte beherzt zu, wenn sie etwas unter ihren Fingern spürte, und sang dabei vor sich hin. Ihr Blick war von mir abgewandt, aber ich wusste ja, wie sie aussah: Ihr Haar hing ihr wirr und zerzaust ins Gesicht wie bei einer Wahnsinnigen, fettig von den ranzigen Resten des Lampenöls, das ich hineingerieben hatte. Mit Ruß hatte ich ihr Schatten unter die Augen gemalt, außerdem trug sie einen groben Kittel ohne Schürze anstelle der weißen Mädchentracht mit der bestickten dunklen Weste. Ohne die geringste Ahnung von ihrer Hässlichkeit folgte sie dem Weg ihrer Hände.
Ich musste mir ein triumphierendes Lachen verkneifen, als ich Jovans bestürztes Gesicht sah.
„Sie ist nicht schwachsinnig“, beeilte sich mein Vater zu sagen. „Nur still und in sich gekehrt. Sie wäre jedem Mann eine gute und genügsame Frau ...“
„Rabenblut und Wolfsgewitter“, knurrte Bela.
„Grundgütiger!“, murmelte Jovans älterer Begleiter voller Entsetzen.
Ich sprang vom Eimer. Oben hörte ich die nutzlosen Beteuerungen meines Vaters und endlich auch Jovans Ausruf: „Niemals nehme ich sie mit zu den drei Türmen!“
Rasch schlüpfte ich wieder in die Schuhe und stürmte zum Stall. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Vater und Jelka mich für Belas Verschandelung büßen lassen würden, aber im Augenblick war ich nur glücklich. Bela würde bei mir bleiben!
Im Tageslicht sah Jovans Hengst noch viel edler aus, über dem dunklen Haarkleid lag ein rötlicher Schimmer. Schwarz schnaubte gekränkt, als er sah, wie ich Laub und Ästchen aus den zerzausten Mähnen der fremden Pferde zupfte. Ich versorgte die Tiere und machte mich dann an das Sattelzeug. Sorgfältig wusch ich sogar den eingetrockneten Schaum von den eisernen Gebissen und Trensen, damit die Pferde sich die Mäuler nicht an den trockenen Krusten wund reiben würden. Niemand rief mich ins Haus, niemand kam zum Stall. Die Sonne stand längst hoch über dem Lindenwald, als ich wieder in die Stube trat.
Der Branntweingestank war erstickend dicht. Es wunderte mich, dass nur noch die Männer im Raum waren. Sie standen um Vater herum. Auf dem Tisch glänzten so viele blanke Geldstücke, wie ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Sie waren hübsch in Stapel von je fünf Münzen aufgeteilt. Auf Anhieb zählte ich sieben oder acht, aber es waren sicher mehr. Eben malte mein Vater mit einer in Tinte getunkten Feder ein zitterndes Kreuz auf ein Schriftstück: Ich hatte das Gefühl, als würde mein Blut kälter und kälter werden. Doch erst als sich alle Gesichter mir zuwandten, begriff ich endgültig. Der Bärtige senkte den Blick.
„Pack deine Sachen, Tochter“, befahl Vater. „Herr Jovan will noch vor Mittag aufbrechen.“
Wenn ich mich heute an die letzte Stunde in meinem Vaterhaus erinnere, sehe ich nur eine Abfolge von lautlosen Bildern, in Blitzleuchten gehüllte Momente, die mich kaum berühren. Ich sehe mich selbst schreien, aber ich kann mich nicht an alle Flüche und Beschimpfungen erinnern. „Ihr habt es meiner Mutter beim Leben Jesu an ihrem Totenbett geschworen!“ Das habe ich meinem Vater tränenblind entgegengeschleudert. „Nicht vor dem sechzehnten Jahr! In die Hölle sollt Ihr kommen, weil Ihr den Schwur brecht! Die Türken sollen Euch finden und pfählen!“ Ich sehe, wie mein Vater totenblass wird ob dieser Verfluchung. Wie er ausholt. Aber ich fühle nicht den Schlag in meinem Gesicht. Jelka ist erschrocken, doch ihr Mund bewegt sich unaufhörlich, sie redet und redet auf mich ein und ihre Eisenhand umklammert meinen Arm. Meine kleinen Schwestern heulen lauthals. Nur Bela – Bela blickt starr aus dem Fenster, als würde nicht in ihrem Haus gerade die Welt zusammenbrechen, als hätte sich Jovan nicht gerade von einem Menschen in einen Wolf verwandelt und ich mich nicht von einem Mädchen in ein Stück Vieh, das verschachert worden war.
Es gab keine Blumen und kein Seidentuch, das der Vater zum Zeichen des Einverständnisses dem Hochzeitswerber hätte geben müssen. Ich bekam keine rot bestickten Strümpfe und keine Gürtelspangen, keine Handtücher und keine Wäsche. Und natürlich auch kein mit Münzen behangenes Halsband, wie es jeder ehrbaren Braut gebührt. Mein jämmerliches Bündel enthielt nur eine zerschlissene Tracht für verheiratete Frauen, die unsere Mutter getragen hatte, und das hölzerne Kreuz, das, seit ich mich erinnern konnte, über der Ikone der Gottesmutter gehangen hatte.
„Sie schicken mich weg, Bela“, flüsterte ich, als ich wieder Worte finden konnte. „Aber Jelka hat mir bei ihrem Leben geschworen, auf dich achtzugeben. Und ich verspreche dir: Ich komme wieder und bringe dich von hier fort!“
Doch meine Schwester sah nur aus dem Fenster und summte ein Lied. Nur kurz flatterte eine ihrer schönen, weißen Hände über meine Kehle und legte sich auf meinen Mund.
„Teufelslippen und Weißdorn sollst du nicht küssen“, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Stickerei zu. Rote Kreuz stiche erblühten auf dem Stoff einer alten Schürze.
Mein Vater schaffte es nicht, mir zum Abschied in die Augen zu sehen, er starrte grimmig in die Ferne und seine feigen Finger umklammerten den Rakija-Becher. Doch er konnte nicht verbergen, wie sein Herz beim Gedanken an die vielen Geldstücke schneller schlug. Ich hoffte, mein hasserfüllter Blick würde seine Haut versengen.
Und während ich zum Stall ging, wünschte ich mir aus vollem Herzen, Lazar Kosac möge in diesem Augenblick aus dem Wald hervorpreschen und Herrn Jovan die Kehle durchschneiden.
Schwarz wandte den Kopf und spitzte die Ohren, als er mich eintreten sah. Ich hatte nicht geweint, als ich mich von Bela und meinen anderen Schwestern verabschiedet hatte.
Aber nun, beim Anblick des alten Pferdes, rannen mir plötzlich die Tränen über die Wangen. Ich umarmte den Hals des Wallachs und vergrub mein Gesicht in der störrischen Mähne. Erst als ich den bärtigen Reiter zu mir treten sah, schluckte ich so krampfhaft, dass meine Kehle schmerzte.
„Du bekommst den Wallach, der das Gepäck getragen hat“, sagte er. „Ein gutes Pferd. Schnell und doch sanftmütig. Du heißt Jasna, nicht wahr?“
„Ja, Herr.“
„Ich bin Simeon. Und ich sehe gern, wenn jemand unsere Rösser gut behandelt. Hast du denn schon einmal auf einem Pferd gesessen?“
Ich räusperte mich. „Auf ihm.“ Ich deutete auf Schwarz. „Früher konnte er schnell laufen.“
Simeon runzelte die Stirn, und es beunruhigte mich, dass er plötzlich besorgt wirkte. „Mit dem Sattel wird es schon gehen“, murmelte er. Er musterte mein verweintes Gesicht. „Es ist immer hart, Abschied zu nehmen“, sagte er dann sanft. „Aber du wirst sehen, Jovan wird es dir an nichts mangeln lassen. Betrachte seine Tiere – kein einziges davon trägt eine Peitschennarbe auf dem Fell. Und der junge Herr, Danilo, ist ein ... ein guter junger Mann.“
Ich sah mich nicht um, als wir wenig später davonritten. Doch noch lange spürte ich Jelkas Blick in meinem Rücken. Ich wusste, sie würde mir so lange hinterherschauen, bis ich aus ihrem Blickfeld verschwunden wäre. Denn schließlich – und das erfüllt mich in meinem Elend mit einem grausamen Triumph – auch sie hatte etwas verloren: Sobald ich fort war, war alles, was in diesem Haus von mir zurückblieb, ein ausgebleichter Fleck in Form eines Kreuzes an der Wand.
Simeon ritt dicht neben mir, ich spürte seine Besorgnis, doch ich hob stolz das Kinn und konzentrierte mich darauf, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Fluchtpläne wirbelten durch meinen Kopf, auch wenn ich wusste, dass solche Gedanken nur die Gespenster toter Wünsche waren. Ich war ein Mädchen, das durch Lazars Reich ritt, um am Ende der Reise mit einem fremden Mann das Bett zu teilen, so wie es vielen Frauen geschah. Wenn ich floh, würde ich dieses Schicksal lediglich gegen ein anderes tauschen – das, von Räubern aufgegriffen zu werden.
Die Männer ritten schweigend und verbissen, nur das Schnauben der Pferde und das Hufgetrappel erfüllte die Luft. Mir schien es, als hätten sogar die Linden aufgehört, im Wind zu rauschen. Noch nie war ich so weit von zu Hause fort gewesen, schon jetzt wurde mir das gebirgige Land fremd. Und da war noch etwas: entfernter Hufschlag? Ein Ruf ?
Die Männer schauten zurück und trieben die Pferde an.
Jovan vergewisserte sich mit einem raschen Blick, dass ich sicher in den Steigbügeln stand, dann nickte er knapp. Auch die beiden anderen Männer rückten zu mir und Simeon auf. Ein fremder Steigbügel stieß mit einem metallischen Klang gegen meinen.
„Beuge dich vor und halte dich gut an der Mähne fest“, raunte Simeon mir zu und nahm mir einfach die Zügel aus der Hand.
Dann geschah alles auf einmal: das Geräusch von Steinschlag, das erschrockene Schnauben der Rappen – und der ungeheure Ruck, als mein Pferd losschnellte. Ich schrie vor Schreck auf, dann klammerte ich mich schon mit aller Kraft an der Mähne fest und beugte mich nach vorne. Die Steigbügel drückten sich schmerzhaft in meine Sohlen. Mir wurde schwindelig, so rasend flog der steinige Boden unter mir dahin. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mich so schnell bewegt. Hinter mir hörte ich Rufe und Hufgetrappel, doch eher wäre ich durch die Hölle gegangen als mich umzusehen. Jovan ritt links von mir – und lachte! Seine Augen funkelten und er lenkte sein Pferd mit nur einer Hand.
„Weiter!“, befahl er seinen Männern. „Schneller!“
Die Jagd stürmte voran. Und zwischen zwei Sprüngen, als mein Pferd über das Gelände flog, für einen Herzschlag lang nicht mehr mit dem Boden verbunden, geschah etwas Seltsames: Ich fürchtete mich nicht länger. Ich schmeckte den Wind und war nur noch besessen von dem Wunsch, Lazar Kosac zu entkommen. Ganz von allein suchte mein Körper das Gleichgewicht.
Ich weiß nicht mehr, wann die Pferde langsamer wurden und wann ich ganz sicher war, dass wir den Räubern einfach davongelaufen waren wie ein Hase dem Fuchs. Und obwohl meine Knie schmerzten und die Mähne meine Finger blutig geschnitten hatte, war ich noch wie benommen von der Geschwindigkeit und unendlich erleichtert.
Jovan sah über die Schulter zurück. „Teufel, was für ein Ritt!“, schrie er triumphierend. „Meine Pferde sind doch die besten der Welt!“ Die zwei Männer fielen in sein raues Lachen mit ein, nur Simeon und ich blieben stumm.
„Was denn, so ernst?“, rief Jovan mir zu. „Mädchen, die Feuerprobe hast du bestanden. Die drei Türme erwarten dich, und auch das Pferd, das dich dorthin bringt, wird dir gehören. Ein Hochzeitsgeschenk von deinem Schwiegervater. Was sagst du nun?“
„Es wird sich zeigen, ob wir überhaupt bei den drei Türmen ankommen“, entgegnete ich kühl. „Wir haben Glück gehabt, aber Kosac wird uns sicher kein zweites Mal entkommen lassen.“
Jovan lachte. „Kosac? Der Lump wird sich hüten, mir in die Quere zu kommen.“
„Warum lauft Ihr dann vor ihm davon?“
Für diesen Satz hätte mein Vater mich auf der Stelle verprügelt. Jovans Lachen verschwand und einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass seine Männer den Atem anhielten. Ich hätte Angst bekommen sollen, aber seltsamerweise wartete ich nur ruhig auf Antwort.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, sagte Jovan frostig. „Hinter uns brach Rotwild durch den Wald. Oder bildest du dir etwa ein, etwas anderes gehört zu haben? Du wirst doch nicht ebenso schwachsinnig sein wie deine Schwester?“
Jovan mied die vielen Klöster der Fruška Gora und trieb uns auf unbegangenen Wegen vorwärts. Wir ritten durch Wald. Adlerschreie hallten in den Tälern. In der Nacht lagerten wir im Freien, ohne ein Feuer zu machen, verdreckt und stinkend nach Pferdeschweiß. Simeon breitete für mich seinen Mantel unter einer Kiefer aus und ich lehnte mich an den knorrigen Stamm. Jeder Knochen tat mir weh. Meine Knie und Schenkel waren wund gerieben und meine Zähne klapperten vor Erschöpfung. Es gab nur zähes, getrocknetes Schafsfleisch zu essen, und obwohl die Fastenzeit vor Ostern noch nicht vorbei war, aß ich davon, da ich schrecklich Hunger hatte. Und ich trank das nach Leder schmeckende Wasser aus einem brüchigen Schlauch. Noch nie hatte ich die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Ameisen erkundeten meine Wunden. Fledermäuse schwirrten über den Baumkronen dahin und Wölfe heulten so nahe, dass ich mich entsetzt an den Baum drückte. Hilfe suchend griff ich nach dem Holzkreuz in meinem Bündel und presste es als Schutz vor dem Bösen an die Brust. Stumm betete ich, dass mich keine Geister und Dämonen heimsuchen sollten, von denen es in den Wäldern so viele gab. Zwei der Männer hielten Wache und gaben sich Mühe, mich nicht anzustarren. Ich schloss die Augen und kauerte mich zwischen Wurzeln und feuchtem Laub zusammen. In jener Nacht träumte ich, Jovans Sohn wäre ein hässliches Untier mit schiefen Zähnen, Haar wie Wolfsfell und Händen wie Klauen. Warum sonst sollte sein Vater eine Braut von so weit her holen und so teuer bezahlen müssen?
Viele Tage lang hetzten wir weiter, als seien wir auf der Flucht. Zweimal versuchte ich zu fliehen, zweimal holten mich Jovans Männer mühelos wieder ein und brachten mich zurück.
Eulenschreie folgten uns, und die Erschöpfung gaukelte mir Trugbilder vor. Ich sah die gelb glühenden Augen von Luchsen, die ich für die Augen eines Werwolfs hielt. Und ich hörte Echos, die von überall und nirgendwoher kamen. Als hätte der Höllenritt uns zusammengeschmiedet, horchte mein Pferd nun auf meine Zeichen, ging langsamer, wenn die Müdigkeit mich im Sattel schwanken ließ, trabte an, sobald ich mich in den Steigbügeln aufstellte. Ich nannte den Wallach „Vetar“, Wind, und strich abends mit geschlossenen Augen über seinen Hals, während ich mir vorstellte, Schwarz zu berühren. Längst war meine Verzweiflung nur noch eine taube, leere Stelle in meiner Brust. Wenn ich auf dem Pferderücken einnickte, träumte ich von Belas kalten Händen, die mein Gesicht umfassten, und hörte ihr Klagen. Es klang wie der todbringende Schrei der Navi – der Kinder, die ungetauft gestorben waren und nun in der Gestalt von Vögeln die Lebenden ins Verderben rissen.
Die Männer sprachen nicht viel, nur Simeon beantwortete mir die eine oder andere Frage. So erfuhr ich, dass es auf Jovans Gut keine Hausherrin mehr gab. Jovans Frau war vor vielen Jahren gestorben, seither hatte er keine neue Frau heimgeführt. Danilo war sein einziger Sohn. „Er reitet fast besser als sein Vater“, erzählte Simeon mir. „An ihm ist ein Rittmeister verloren gegangen. Jovan kann stolz auf ihn sein.“ Es beunruhigte mich, dass er nur von Danilos Fähigkeiten sprach, niemals jedoch von seinem Äußeren oder von seinem Wesen.
Einige Male übernachteten wir auch in Klöstern und Herbergen, von den Städten und Dörfern aber hielt Jovan sich fern. Die Zeit des Osterfestes verbrachte ich unter freiem Himmel. Von Weitem nur sah ich Belgrad, die große, weiße Stadt, bevor das Land in das waldreiche Gebiet der Šumadija überging und schließlich wieder bergiger wurde.