Training und Seminare im digitalen Wandel - Sabine Prohaska - E-Book

Training und Seminare im digitalen Wandel E-Book

Sabine Prohaska

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Beschreibung

Eine Kombination aus Online- und Präsenzlernen als neue Normalität Dem Bildungs- und Weiterbildungssektor steht ein radikaler Wandel bevor. Digitale Konzepte werden immer wichtiger und Zukunftsforscher prognostizieren, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Dies erfordert einen neuen, flexiblen Zugang aller Beteiligten und ein Überdenken der bisher bekannten Prozesse. Es geht um neu gedachte und innovativ konzipierte Seminarkonzepte, eine völlige Neuausrichtung der Rolle der Trainer*innen, eine offene Unternehmenskultur zur Unterstützung dieser Konzepte und um die erforderlichen technischen Voraussetzungen. Bei der Fülle an Möglichkeiten gilt es in erster Linie, für die jeweilige Zielgruppe und die verfügbaren Ressourcen passende Lernarrangements zu entwerfen. Und diese Frage gilt es nun bei jedem Lernprojekt neu zu bewerten. - Das Buch führ diejenigen, die digitale Lernkonzepte entwickeln und umsetzen, durch die wichtigsten Bereiche. - Es liefert eine verlässliche Schritt-für-Schritt-Anleitung für die professionelle Umsetzung aller Lernprojekte. - Es leitet Trainer*innen dazu an, selbst zukunftsweisende Lernarrangements zu entwickeln.

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Sabine ProhaskaTraining und Seminare im digitalen WandelDer E-Learning-Kompass für erfolgreiche Schulungskonzepte

Über dieses Buch

Eine Kombination aus Online- und Präsenzlernen als neue Normalität 

Dem Bildungs- und Weiterbildungssektor steht ein radikaler Wandel bevor. Digitale Konzepte werden immer wichtiger und Zukunftsforscher prognostizieren, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Dies erfordert einen neuen, flexiblen Zugang aller Beteiligten und ein Überdenken der bisher bekannten Prozesse. 

Es geht um neu gedachte und innovativ konzipierte Seminarkonzepte, eine völlige Neuausrichtung der Rolle der Trainer*innen, eine offene Unternehmenskultur zur Unterstützung dieser Konzepte und um die erforderlichen technischen Voraussetzungen. Bei der Fülle an Möglichkeiten gilt es in erster Linie, für die jeweilige Zielgruppe und die verfügbaren Ressourcen passende Lernarrangements zu entwerfen. 

Das Buch führt diejenigen, die digitale Lernkonzepte entwickeln und umsetzen, durch die wichtigsten Bereiche. Es liefert eine verlässliche Schritt-für-Schritt-Anleitung für die professionelle Umsetzung aller Lernprojekte. Es leitet Trainer*innen dazu an, selbst zukunftsweisende Lernarrangements zu entwickeln.

Sabine Prohaska, Wirtschaftspsychologin, Trainerin und Coach. Mit ihrer Firma seminar consult veranstaltet sie Coaching- und Trainerausbildungen. http://www.seminarconsult.at

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Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2021

Coverabbildung: © Yayasya – iStockphoto.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2021

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0188-5

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0235-6 (EPUB), 978-3-7495-0235-6 (PDF), 978-3-7495-0236-3 (EPUB für Kindle).

Vorwort – persönliche Einleitung

Als ich im Herbst 2019 begann, dieses Buch zu schreiben, war mir bewusst: Wir befinden uns in einer massiven Veränderung, die alle Lernprozesse betreffen wird. Ein Umstand, den ich sehr begrüße, denn schon seit Jahrzehnten zeige ich in meinen Seminaren und Vorträgen zum Thema Lernen auf, wie notwendig hier eine Veränderung ist. Und natürlich muss digitales Lernen daran einen wichtigen Anteil haben.

In meinen offenen Lehrgängen (Trainer- und Coachingausbildungen) arbeite ich seit 2014 erfolgreich mit einem Blended-Learning-Konzept. Dieser Mix aus Präsenz- und Online-Lernen verbindet für mich das Beste aus beiden Welten. Deshalb war es ursprünglich mein Ansatz, auch in diesem Buch die Thematik Blended Learning in den Fokus zu stellen. Doch je mehr ich schrieb, desto mehr haderte ich mit diesem Begriff. Er erschien mir plötzlich viel zu eng gedacht. Die Begrifflichkeit Blended Learning stammt aus einer Zeit, in der wir stark zwischen Präsenzseminaren und Online-Lernen differenziert haben. Lernen heute hat jedoch so viele unterschiedliche Facetten und Möglichkeiten. Wir lernen durch die Diskussion und den Austausch mit anderen, durch Selbststudium (Internetsuche, Betrachten von YouTube-Videos), durch Erfahrungen am Arbeitsplatz und die Rückmeldung von Kollegen, Kunden oder Vorgesetzten, und wir lernen in Schulungen.

Wir können also formales und informelles Lernen unterscheiden; hier geht es um die Verantwortung für Lernziele und Inhalte. Wir können außerdem zwischen selbstgesteuertem und geleitetem Lernen unterscheiden. Dabei geht es zum Beispiel darum, ob der Lernende in seinem eigenen Rhythmus vorgehen kann oder ob Ort, Zeitpunkt und Tempo vorgegeben werden, zum Beispiel von einem Trainer. Und durch die Digitalisierung sind zum klassischen Präsenztraining (ein formales, geleitetes Format) zahlreiche Online-Lernformate hinzugekommen. Diese lassen sich anhand ihrer Kommunikationsform in synchrone (zeitgleich) und asynchrone Formate (zeitversetzt) einteilen.

Gerade die Corona-Krise mit dem breitflächigen, temporären Veranstaltungsverbot und somit der Absage sämtlicher klassischer Präsenzseminare hat uns gezeigt, wie gut Online-Seminare funktionieren und vor allem, wie bedeutsam sie sind.

Das Fazit aus meinen Erfahrungen und Überlegungen lautet: Blended Learning ist für mich eine zu restriktive Definition der diversen Möglichkeiten von Lernen. Die Differenzierung zwischen Online- und Präsenzlernen – so viel ist klar – kann in Zukunft kein Thema mehr sein. Die Kombination aus beidem wird vielmehr die neue Normalität darstellen. Bei all der Fülle an Möglichkeiten, die uns für Lernen heute zur Verfügung stehen, geht es vorrangig darum, für die jeweilige Zielgruppe und deren Bedürfnisse, angepasst an die vorhandenen Ressourcen, passende Lernarrangements zu entwerfen. Und diese Frage gilt es nun bei jedem Lernprojekt neu zu bewerten!

Wir dürfen heute als Lernarchitekten intelligente Lernprozesse konzipieren, die den geänderten Rahmenbedingungen im (Arbeits-)Leben Rechnung tragen, und haben dazu eine Vielzahl an Bausteinen zur Verfügung. Welche Bausteine das sind, was es bei der Konzeption und Durchführung von Lernprojekten in Zukunft alles zu beachten gibt, habe ich auf den folgenden Seiten für Sie zusammengefasst. Der Hauptfokus dieses Buches wird auf den neuen, digitalen Möglichkeiten liegen. Allgemeine didaktische Grundlagen und Tipps für die Arbeit als Trainerin oder Trainer habe ich bereits in meinem Buch „Training in der Praxis“ (Prohaska 2017) beschrieben.

Mit diesem Buch halten Sie meinen E-Learning-Kompass in Händen. Er wird Sie Schritt für Schritt anleiten, dieses neue, spannende Lernen in Ihren Arbeitsbereich zu integrieren und ab jetzt selbst zukunftsweisende Lernarrangements zu entwickeln.

Den Begriff E-Learning verwende ich in diesem Buch in Anlehnung an die Definition von Michael Kerres (2016), als Überbegriff für alle Formen von Lernen und Lehren mit digitalen Medien. Synonym verwende ich auch Begriffe wie Online-Lernen oder digitales Lernen.

Kommen Sie mit auf die Reise in die Welt des E-Learning und vertrauen Sie sich meinem Kompass an!

Ihre

Sabine Prohaska

1. Lernen im digitalen Wandel – anderes Denken und Handeln

Kapitelübersicht:

1.1 Geänderte Rahmenbedingungen für das Lernen

1.2 Lernen am Arbeitsplatz der Zukunft

1.3 Potenziale virtueller Bildungsangebote

Das allumfassende Thema Digitalisierung wird speziell den Bildungssektor in den nächsten Jahren noch weiter revolutionieren. Zukunftsforscher sagen schon seit Jahren in diesem Zusammenhang eine Disruption höchsten Ausmaßes voraus und prognostizieren, dass gerade im Bereich Bildung und Weiterbildung kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Der Umfang des E-Learning-Marktes wird laut Global Insights von 190 Mrd. USD im Jahr 2018 auf 300 Mrd. USD im Jahr 2025 ansteigen. Deshalb ist für Unternehmen genau jetzt der Moment gekommen, an dem sie die Zukunft ihrer Schulungskonzepte überdenken und sich radikal neu ausrichten müssen.

Radikal deswegen, da erfolgreich implementiertes E-Learning von allen Beteiligten ein völlig neues Denken und Handeln erfordert. Wie auch eine vollkommen neu konzipierte Vorgangsweise im Sinne einer gelungenen, wirksamen und zielorientierten Content-Entwicklung, bei der der Gedanke des kollaborativen Arbeitens im Mittelpunkt steht. Learning- und Development-Verantwortliche wie auch die Schulungsteilnehmer der Zukunft müssen erkennen und verstehen, dass es von jetzt an um das Bilden von „Learning Communities“ geht und auch um das Prinzip des „On-Demand-Learning“, und das in einem völlig anderen Setting als bisher.

Dies erfordert einen neuen, flexiblen Zugang aller Beteiligten und ein Überdenken der bisher bekannten Prozesse. Es geht um neu gedachte und innovativ konzipierte Seminarkonzepte, um eine völlige Neuausrichtung der Rolle der Trainer*innen, um eine andere, offene Unternehmenskultur, die dieses Lernen der neuen und anderen Art unterstützt, und schlussendlich um das Zur-Verfügung-Stellen der für die digitalen Konzepte erforderlichen Technik.

Diese Umstellung ist äußerst komplex und kann nicht von heute auf morgen und ohne weitere Vorbereitung bewerkstelligt werden.

 TIPP!

Lassen Sie sich von dieser Komplexität nicht abschrecken. Zögern wäre jetzt ein Fehler. Sie könnten zum Beispiel mit einem Pilotprojekt starten, auf diese Weise erste Erfahrungen sammeln und später entsprechend nachjustieren.

Agil sein lautet auch hier die Devise! Mithilfe des E-Learning-Kompasses können Sie wichtige Weichen stellen.

Ein verlässlicher Kompass, der alle in dem Prozess beteiligten Verantwortlichen auf diesem Weg des digitalen Wandels begleitet und leitet und sie sicher durch alle Hürden navigieren lässt, ist dabei von höchster Bedeutung.

E-Learning in Unternehmen einzuführen stellt eine herausfordernde Change-Situation dar, an die es gilt, mit viel Expertise und Fingerspitzengefühl heranzugehen. Damit dieser Wandel gelingt, führt mein E-Learning-Kompass Unternehmen und ihre Bildungsverantwortlichen, aber auch alle Trainer*innen, die neue digitale Konzepte entwickeln und durchführen, trittsicher durch vier wichtige Bereiche: Lernarchitektur, Trainerrolle, Unternehmenskultur und Technik. Werfen wir dazu im ersten Schritt einen Blick in die Zukunft, um alle anstehenden Anforderungen zu erkennen, zu verstehen und darauf mit geeigneten Konzepten reagieren zu können.

1.1 Geänderte Rahmenbedingungen für das Lernen

Fakt ist, dass wir alle ständig lernen müssen, um in unseren beruflichen wie auch privaten Lebensbereichen anschlussfähig zu sein. Das Prinzip des „lebenslangen Lernens“ ist zwar definitiv nicht neu, hat aber durch die Digitalisierung eine völlig neue – und teilweise noch unbekannte – Dimension bekommen. Lernaufgaben wie Methoden verändern sich noch viel schneller, als wir das bisher je für möglich hielten. Im Detail geht es um eine Veränderung in den folgenden Bereichen:

1. Fähigkeiten werden wichtiger als reines Wissen

Es kommt hinzu: Die Halbwertszeit von Wissen nimmt dramatisch ab. Vor einem Jahrhundert noch dauerte es rund 35 Jahre, bis die Hälfte des Wissens eines Ingenieurs an der Hochschule „ersetzt“ wurde. Bereits in den 1960er-Jahren betrug diese Zeitspanne nur mehr ein Jahrzehnt. Nach neuesten Schätzungen liegt sie heute zwischen zweieinhalb und fünf Jahren (siehe Hart 2020a)! Es wird also zukünftig nicht mehr darum gehen, sich so viele Fakten wie möglich zu merken, sondern vielmehr darum, Fähigkeiten auszubauen – etwa genau zu wissen, wo man die digitalen Updates dieser Fakten findet, um Rechercheergebnisse jederzeit neu und flexibel validieren zu können. Die Speicherkapazitäten digitaler Medien schlagen unser Gedächtnis nun einmal bei Weitem!

2. Berufslaufbahnen werden vielfältiger

Bisher kennen wir relativ starre und geplante Berufslaufbahnen, mit in etwa folgenden Schritten: Ausbildung, Arbeit, Ruhestand. In Zukunft werden Menschen in ihrer Berufslaufbahn flexibel mehrfach ihren Karriereweg ändern (müssen). Es geht um ein agiles Karriere- und Weiterbildungsverhalten und ein Voranschreiten im Sinne ständiger persönlicher wie beruflicher Entwicklung.

3. Methodische Möglichkeiten erweitern sich

Unsere methodischen Möglichkeiten im Bildungsbereich haben sich durch die Digitalisierung rapide erhöht. E-Learning fördert die Individualisierung des Lernens, denn die Lernenden können ihre jeweiligen Lernphasen vollkommen frei einteilen. Sie können entscheiden, wie lange sie jeweils lernen oder wie oft sie etwas wiederholen. Zudem bietet digitales Lern-Tracking viele Möglichkeiten, den Lernerfolg zu steigern. Auf Basis von Trackingdaten können Anwendungen neue Materialien oder Lernstrategien vorschlagen.

Persönliche Betrachtung

Die Themen Lernen und Entwicklung sind meine absolute Passion. Schon seit meinem Studium erlebe ich die neuesten Erkenntnisse zum Thema Lernen und die Entwicklung von Lerntechnologien als sehr aufregend, vergleichbar mit einem Krimi.

Es ist unglaublich spannend, zu verfolgen, welche Lernszenarien derzeit in Entwicklung sind, und sich zu überlegen, wie ein Smart Learning Environment tatsächlich aussehen könnte: Stellen Sie sich vor, Sie nehmen an einer Konferenz in den USA teil und lauschen dort spannenden Vorträgen. Die gehörten Inhalte halten Sie auf einem digitalen Notizblock, einem sogenannten Smart Writing System, fest. Dadurch werden Ihre Notizen sofort in Ihrer persönlichen Lernumgebung hinterlegt. Diese Lernumgebung nutzt künstliche Intelligenz und durch alle hier zusammengeführten Daten lernt sie Sie immer besser kennen. Also auch anhand Ihrer Notizen von der Konferenz in den USA weiß die Umgebung, wofür Sie sich interessieren.

Diesen Mechanismus kennen wir schon von Streaming-Diensten wie Netflix und schätzen ihn. Doch jetzt wird es wirklich krass: Durch Ihren digitalen Terminkalender, der mit Ihrer persönlichen Lernumgebung verbunden ist, weiß diese, dass Sie in der kommenden Woche einen Vortrag über ein bestimmtes Thema halten müssen. Ihre Lernumgebung, die Sie nun in- und auswendig kennt, schlägt Ihnen sofort eine passende Schulungsmaßnahme zur perfekten Vorbereitung Ihres Vortrags vor. Außerdem hat Ihre Lernumgebung interessanten Content im Internet entdeckt, nämlich eine aktuelle Studie zu Ihrem Vortragsthema. Und weil die Lernumgebung durch Ihr Smartphone die Info erhalten hat, dass Sie gerade im Auto unterwegs sind und der passende Content sowohl als PDF als auch als Podcast zur Verfügung steht, schlägt sie Ihnen für Ihre Fahrt prompt diesen Podcast vor.

Ich bin zutiefst dankbar, in einer Zeit zu leben, in der sich uns in Bezug auf Lernen derartig gigantische und innovative Möglichkeiten eröffnen!

4. Lebensbereiche vermischen sich

Das Modell „Homeoffice“ wird sich – noch verstärkt durch die Corona-Krise – immer mehr verbreiten. Dadurch vermengen sich zunehmend die Bereiche Arbeit und Freizeit. Arbeiten wird flexibler werden und damit auch das Lernen. Lernende können sich heute praktisch überall und jederzeit mit ihren Lerninhalten beschäftigen.

1.2 Lernen am Arbeitsplatz der Zukunft

Berufliches Lernen wurde bisher meist als Einmal-Event, als Schulung (z. B. in Form eines ein- oder zweitägigen Seminars) oder als E-Learning-Kurs verstanden. In der heutigen Zeit, in der Wandel das einzig beständige Element zu sein scheint, muss Lernen als kontinuierlicher Prozess verstanden werden, der völlig neue Ideen und Denkweisen hervorbringt. Und dieser Prozess sollte sehr, sehr weit und breit gedacht werden. Denn es gibt inzwischen viele Wege, wie wir innerhalb und außerhalb einer Organisation lernen: durch das Ansehen von Videos oder den Austausch in Online-Netzwerken und Communities, in manchen Bereichen auch schon mittels Virtual Reality.

1. Traditionelle Trainingstools haben ausgedient

Laut einer Umfrage von Jane Hart (2020 b) war im Jahr 2019 das meistgenutzte Tool für Weiterbildung YouTube, gefolgt von Google Search. Das ist verständlich, denn um ein aktuelles Problem zu lösen, ist es weitaus flexibler und kostengünstiger, ein Video anzusehen, als eine Schulung zu organisieren.

Eine Untersuchung von Jane Hart (2020 c) zeigt, dass Menschen wesentlich mehr aus dem Selbststudium lernen: 39 % durch Internetsuche, Videos, Podcasts oder Blogs) und nur 12 % aus formalen Kursen (E-Learning, Präsenzseminare). Für weitere Lernformen ergaben sich folgende Werte: 29 % durch Anwenden (direkt bei der Arbeit, durch einen Mentor oder Coach) und 20 % aus Diskussionen mit anderen (sozialer Austausch, Netzwerken, Konferenzen, Events). Der Lernprozess muss also weitaus vielschichtiger werden als bisher und idealerweise als Kombination aus verschiedensten Bausteinen des Lernens zusammengestellt sein.

Abbildung 1: Das Vier-D-Modell des Lernens (Hart 2020 c)

2. Lernen wird autonomer und selbstorganisierter

Wir waren es bisher gewohnt, dass Unternehmen, und damit auch die berufliche Weiterbildung, sehr hierarchisch, also top-down organisiert war. Der neue Weg des Lernens verläuft in die entgegengesetzte Richtung: sehr autonom, selbstorganisiert, individuell und bottom-up. Jeder Mensch hat nun einmal unterschiedliche Lernvorlieben. Es wird in Zukunft vermehrt beim Lernenden liegen, zu erkennen, wie er am besten lernt und wie er sich innerhalb des Lernprozesses organisieren möchte. Daraus resultiert: Didaktische Konzepte und das Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden sind in einem absoluten Wandel begriffen. Unternehmen müssen flexibler werden und Ressourcen zur Verfügung stellen, die das neue Lernen unterstützen.

3. Lernen on Demand

Der sich ständig wandelnde Markt braucht zukünftig ein bedarfsorientiertes Lernen. Es macht schließlich wenig Sinn, vorab Wissen und Kompetenzen „auf Vorrat“ zu vermitteln. Sehr viel effektiver ist es, Wissen und Informationen punktgenau dann bereitzustellen, wenn sie gebraucht werden.

Persönliche Betrachtung

Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Seit Jahrzehnten halte ich ein- bis zweitägige Konfliktmanagementseminare und bezweifle seit jeher deren Sinnhaftigkeit. Warum? Weil das Szenario des Ablaufs sehr häufig folgendermaßen aussieht: Einmal pro Jahr erstellt die Personalentwicklung für das Folgejahr einen Schulungskatalog mit Seminarthemen, inklusive Beschreibungen und Terminen. Bis zu einem bestimmten Datum, zum Beispiel bis Jahresende, sollen sich die Mitarbeitenden in Absprache mit ihren Vorgesetzten für ein bis zwei dieser Seminare anmelden. Vielleicht hat nun ein Mitarbeiter wegen eines getrübten Klimas mit einem Kollegen gerade Bedarf an Wissen zum Konfliktmanagement. Das Seminar findet allerdings erst viele Monate später statt.

Aufgrund dieser Herangehensweise haben zwei Drittel der Teilnehmenden im Seminar keinen aktuellen Bedarf (mehr) für ein Thema, wenn es dann endlich auf dem Programm steht. Im Idealfall sind es motivierte Lerner*innen. Auf die Frage nach der persönlichen Seminarzielsetzung meinen sie: „Das Thema ist im Moment nicht mehr so ganz aktuell für mich, aber man kann ja immer was Neues dazulernen!“ Prinzipiell gebe ich ihnen recht. Aber wie effizient ist Lernen auf Vorrat? Würden Sie es für sinnvoll erachten, im Sommer in einem Seminar ein paar Gitarrenakkorde zu lernen, sozusagen auf Verdacht, weil Sie vielleicht zu Weihnachten Ihr Kind beim Weihnachtsliedersingen begleiten wollen? Und wie viel von dem Gelernten wäre Weihnachten noch präsent, wenn Sie nicht regelmäßig üben?

Als ebenso fragwürdig empfinde ich Grundausbildungen für neue Mitarbeiter*innen, an denen ausnahmslos alle – egal, welche Vorerfahrungen sie zu den vermittelten Themen mitbringen – teilnehmen müssen. So kann es zu der skurrilen Situation kommen, dass eine studierte Betriebswirtin an einem Basisseminar für Betriebswirtschaft teilnehmen muss, weil dieses eben Bestandteil einer fix vorgegebenen und starren Grundausbildung ist. Dieses Beispiel ist übrigens nicht fiktiv, sondern es beschreibt die gelebte Praxis eines Handelsunternehmens! Leider werden in immer noch viel zu vielen Unternehmen zu oft Ressourcen verschwendet und es wird dadurch Frust erzeugt.

1.3 Potenziale virtueller Bildungsangebote

Digitales Lehren und Lernen bieten eine Reihe von Vorteilen:

1. Kostenersparnis

… ist der erste Punkt, der in diesem Zusammenhang angeführt wird. Die höchste Kostenreduktion ergibt sich vor allem durch den massiven Wegfall von Schulungs- und Reisekosten der Teilnehmer*innen sowie durch die stark verminderten Kosten für die jeweils entgangene Arbeitszeit. Reines E-Learning kann außerdem zahlenmäßig skaliert werden. Es handelt sich schließlich um eine Einmalinvestition, die beliebig vielen Personen im Unternehmen zugutekommen kann.

Auch für selbstständige Trainer*innen bietet diese Skalierbarkeit einige Vorteile. So können viel mehr Teilnehmende zur gleichen Zeit die Tipps des Trainers oder der Trainerin nutzen.

2. Zeitersparnis

Es fallen keine – teilweise langen – An- und Abreisezeiten zum und vom Studienort an, die zulasten der regulären Arbeitszeit gehen. Diesen immens positiven Zeitfaktor wissen Unternehmen sehr zu schätzen. Aber auch Einzeltrainer*innen profitieren davon, dass Reisezeiten meist völlig wegfallen und Reisekosten daher sinken.

3. Flexibilitätsgewinn

Virtuelle Bildungsangebote sorgen für deutlich größere zeitliche und räumliche Flexibilität. Lernende sind bei reinen E-Learning-Kursen nicht von fixen Seminarzeiten abhängig und können sich somit die Lernphasen selbstständig einteilen. Sie können während der Arbeitszeit lernen oder in kleinen Pausen, aber auch am Wochenende oder in der Nacht. Die Lernzeit kann also flexibel dem persönlichen Tagesablauf angepasst werden.

Die räumliche Flexibilität ergibt sich durch die Absenz eines gemeinsamen Lernortes. Der Lernende kann praktisch überall lernen. Durch mobiles Internet, Smartphones und Tablets sind ihm fast keine räumlichen Grenzen mehr gesetzt. Diese Tatsache ermöglicht es speziell selbstständigen Trainer*innen, ihren Kundenkreis zu erweitern, was einen gigantischen Wettbewerbsvorteil darstellt. Wer sein Lernangebot z. B. auf Englisch im Portfolio hat, kann Kunden auf der ganzen Welt ansprechen.

Persönliche Betrachtung

Während des Shutdowns aufgrund der Corona-Krise hat mir diese Flexibilität nicht nur finanziell, sondern auch sozial geholfen. Ab Mitte März 2020 waren mit einem Schlag all meine Präsenzseminare storniert bzw. verschoben. Zudem wurden wir in Österreich von der Regierung angehalten, das Haus nur in Ausnahmefällen, z. B. zum Einkaufen, zu verlassen. Für mich als Mensch, der seinen Beruf aufgrund des Kontakts mit Menschen so sehr liebt, eine extrem schwierige Zeit.

In meinen offenen Lehrgängen hatte ich schon seit einigen Jahren Blended Learning eingesetzt. Deshalb fiel mir die Umstellung auf einen kompletten Online-Betrieb relativ leicht. Der Bedarf an Themen wie „Live-Online-Seminare professionell gestalten“ oder „Wie bringe ich mein Seminar schnell online?“ lag auf der Hand, und innerhalb kürzester Zeit hatte ich ein Programm von neun kompakten Online-Seminar-Themen auf die Beine gestellt.

Bei jedem Online-Termin freute ich mich, Menschen aus dem In- und Ausland begrüßen zu dürfen – Menschen, die ich ohne dieses verstärkte Online-Angebot wohl nie erreicht hätte. Auch meine wöchentlichen Corona-Talks erfreuten sich über die Grenzen Österreichs hinaus größter Beliebtheit. Das waren Formate, die ich aufgrund fehlender Zeitressourcen vor der Krise zwar angedacht, aber nie konzipiert hatte. Mit einem Schlag wurde all das, was ich in den letzten Jahren meinen Teilnehmer*innen über die immensen Vorzüge der Digitalisierung und des digitalen Lernens erzählt hatte, gelebter und vor allem nützlicher Alltag.

4. Individuelles Lerntempo – individuelle Lernmethode

Jeder Mensch hat seine individuell bevorzugte Art zu lernen – und eine Individualisierung des Lernens ist möglich. Die Länge der einzelnen Lernphasen kann an die Wünsche der Lernenden angepasst werden und auch die Anzahl der Wiederholungen ist vollkommen frei wählbar. Es ist möglich, sich viele Stunden durchgehend einer Materie zu widmen oder dieselbe Materie in mehreren kleineren zeitlichen Einheiten zu konsumieren.

5. Stärkung der Eigenverantwortung

Das E-Learning bringt noch weitere positive Nebeneffekte mit sich, die man auch als Zusatznutzen bezeichnen kann. Durch die zeitliche und räumliche Flexibilität fällt die ständige Kontrolle durch den Lehrenden zum Großteil weg. Der Lernende muss daher eigenverantwortlich den Lernfortschritt planen und kontrollieren, das notwendige Lernmaterial besorgen und gestellte Aufgaben erfüllen, um am Ende das angepeilte Lernziel zu erreichen. Der Lehrer oder die Trainerin steht ihm dabei als Coach begleitend zur Seite.

6. Multimediale Präsentation

Der Lernstoff wird in Schrift, Bild und Grafik dargeboten, aber auch in Ton- und Videoformaten. Durch diese Vielfalt an einsetzbaren Medien und technischen Tools kann das Lernprogramm abwechslungsreich gestaltet werden, und das wiederum beugt der Monotonie im Lernprozess vor.

 TIPP!

Um sich einen Überblick über die vielen Möglichkeiten und Tools zu verschaffen und auch um immer up to date zu bleiben, können Sie in Ihren Meetings regelmäßig zehn Minuten reservieren, in denen rotierend jemand aus dem Team ein neues Tool vorstellt.

7. Verwertbarkeit

Lernen kann mittels digitaler Medien anders verarbeitet, systematisiert, evaluiert und verwertet werden. Gerade das Thema des Nutzens, der Transferwirksamkeit lässt sich online leichter abbilden und noch dazu in einer Qualität, die Trainer*innen im bisherigen Präsenzsetting nicht leisten konnten. Moderne Lernmanagementsysteme verfügen über ausgeklügelte Algorithmen und arbeiten mittels künstlicher Intelligenz. Lernen wird dadurch „sichtbar“, und alle gesammelten Daten können im Sinne eines laufenden Qualitätsmanagements konstruktiv umgesetzt werden.

 KURZ UND KNAPP:

Der Trend zur digitalen Weiterbildung macht völlig neu gedachte und konzipierte Designs möglich und auch notwendig.

Alle am Bildungsprozess Beteiligten brauchen einen neuen, flexiblen Zugang und müssen bisher Bekanntes überdenken.

Lernen wird stärker selbstorganisiert. Dafür benötigen Lernende entsprechende Skills.

Die Revolution des Lernens steht erst am Anfang. Weiterbildner*innen werden ihre eigene Agilität in den nächsten Jahren unter Beweis stellen können.

Die Vorteile digitalen Lernens und Lehrens sollten wir bewusst nutzen.

Neue Themen, wie der sensible Umgang mit Lerndaten, werden in den Weiterbildungsdiskurs Einzug halten.

2. Blickrichtung Lernarchitektur

Kapitelübersicht:

2.1 Lerntransfer als Grundlage für den Erfolg

2.2 Komponenten von Lernarrangements

2.3 Anforderungen an moderne Lernarrangements

2.4 Didaktisches Konzept – auf die kluge Mischung kommt es an

2.5 Schritt für Schritt in die Praxis

Nehmen wir nun den E-Learning-Kompass zur Hand und starten wir mit der Blickrichtung auf die Lernarchitektur. Ich empfehle dazu die folgende prinzipielle Vorgangsweise:

Gehen Sie bei jedem neuen Lernprojekt, das Sie sich ab jetzt vornehmen, sofort auf die in der heutigen Zeit notwendigen Veränderungen beim Lernen und Lehren ein. Dies betrifft die Konzepte, die Lehrformen sowie die Lernszenarien und deren zeitlichen und organisatorischen Ablauf. Dazu ist es erforderlich, die Struktur und die Aufbereitung der Lernmaterialien, die Formulierung von Aufgabenstellungen und die Kommunikation sowie die Betreuung der Lernenden komplett zu verändern und nachhaltiger zu gestalten.

 TIPP!

Gehen Sie bei der Umstellung auf neue Formate niemals von Ihren bisherigen Konzepten aus. Vergessen Sie Ansätze wie: „Wie kann ich mein bisheriges zweitägiges Präsenzseminar online abbilden?“ Das wird nicht funktionieren. Nutzen Sie die Gunst der Stunde und denken Sie Ihr Konzept völlig neu und innovativ. Denken Sie dabei so, als hätte es die Präsenz-Variante Ihres Seminars nie gegeben.

Gerade zu Beginn der Umstellung wird im Zusammenhang mit den vielen neuen Möglichkeiten mit Sicherheit eine Euphorie aufkommen. Lassen Sie sich davon nicht überwältigen, sondern handeln Sie nach dem Prinzip der kleinen Schritte. Ihr neues E-Learning-Angebot darf und soll sich langsam und bewusst entwickeln und muss auch immer den in Ihrem Unternehmen gerade geltenden Rahmenbedingungen entsprechen. Mehr zu diesem wichtigen Aspekt sehen wir uns in Kapitel 4, „Blickrichtung Unternehmenskultur“, an.

2.1 Lerntransfer als Grundlage für den Erfolg

Beim Planen und Durchführen von Qualifizierungsmaßnahmen, egal ob online oder in Präsenz, wird meines Erachtens in der Regel immer noch zu wenig auf den Lerntransfer in die Praxis geachtet. Doch genau dieser entscheidet über den Erfolg einer Maßnahme und ist somit der Grund, warum ein Lernprojekt überhaupt die angepeilten Lernziele erreichen kann.

Inwieweit ist der Lerntransfer in den Arbeitsalltag gelungen? Das ist überhaupt die entscheidende Frage, wenn es darum geht, die Qualität und Effektivität von Weiterbildungsangeboten im Business-Bereich zu beurteilen. Die alleinige Bearbeitung eines Lernprogramms sollte daher niemals mit einem tatsächlichen Lernerfolg gleichgesetzt werden. Trotzdem wird diese Kennzahl in manchen Unternehmen nach wie vor als nachweislicher Erfolg gewertet! Es wird dokumentiert, wer aus der Belegschaft mit welchem Testergebnis ein bestimmtes Thema bearbeitet hat. Bei rechtlichen Themen wie Compliance und Datenschutz ist das eine weitverbreitete Strategie. Eigentlich sollten Weiterbildungsangebote aber ganz andere Ziele haben. Die Teilnehmer sollten anschließend

ihre aktuellen Aufgaben besser, schneller oder einfacher verrichten können oder

für künftige bzw. neue Aufgaben und Herausforderungen gewappnet sein.

Ein Seminar, egal, ob online oder in Präsenz durchgeführt, kann somit im Business-Kontext nie ein Selbstzweck sein.

Transferforschern (z. B. Baldwin & Ford 2010) zufolge setzen nur 10 bis 30 % der Teilnehmer*innen das Gelernte tatsächlich um. Das ist angesichts der Kosten vieler Weiterbildungsmaßnahmen ein äußerst niedriger Prozentsatz. Faktisch dürfte er in vielen Fällen jedoch noch um einiges niedriger sein, wenn man sich zudem fragt:

Welchen Anteil des Gelernten setzen die Teilnehmer*innen um?

Und: Wie nachhaltig und konsequent wenden sie das Gelernte an?

Es zeigt sich also: Wenn es darum geht, die Kosten-Nutzen- bzw. Input-Output-Relation von Weiterbildungsmaßnahmen zu steigern, gibt es beim Lerntransfer noch äußerst hohe Optimierungspotenziale. Und will man vor allem diese Relation verbessern, lohnt es sich, die Lernarrangements entsprechend wirksam zu gestalten.

Haben Sie sich als Trainer*in und / oder als Personalverantwortliche*r in einem Unternehmen schon einmal gefragt, wer oder was eigentlich dafür verantwortlich ist, dass ein Lerntransfer tatsächlich erfolgt? Wenn ja, haben Sie vermutlich rasch feststellen können, dass es viele Faktoren sind, die sich hier auswirken. Neben dem großen Thema des Lerndesigns sind es im Wesentlichen zwei weitere Bereiche, die sich maßgeblich auf den Transfer auswirken und die im Umkehrschluss die Wirksamkeit von Seminaren erhöhen.

Das sind zum einen das Umfeld und die Rahmenbedingungen in einer Organisation: Haben die Teilnehmenden geeignete Bedingungen zum Lernen und auch die Zeit und den Freiraum, um das Gelernte umzusetzen? Wird die Umsetzung des Gelernten von den Führungskräften überhaupt gewollt? (Auf den Bereich der Unternehmenskultur komme ich im Kapitel 4 noch ausführlicher zu sprechen.)

Zum anderen geht es um die Teilnehmenden selbst: Wie sieht es mit ihrer Motivation aus? Ist ihnen klar, welchen Nutzen die Weiterbildung für sie hat? Glauben die Teilnehmenden daran, dass sie die gelernten Fähigkeiten praktisch umsetzen können, und haben sie die Bereitschaft und Fähigkeit, das Gelernte trotz eventueller Schwierigkeiten anzuwenden?

 TIPP!