Traumtheorie - Eberhard Blanke - E-Book

Traumtheorie E-Book

Eberhard Blanke

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Beschreibung

Beiträge zu einer systemtheoretisch basierten Traumtheorie.

Das E-Book Traumtheorie wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Träume, Traumtheorie, Niklas Luhmann, Sigmund Freud

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Seitenzahl: 59

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Inhalt

Vorwort

Träume(n) – Zehn Thesen

Eine phänomenologische Traumtheorie

Zur Traumdeutung von Sigmund Freud – I

Zur Traumdeutung von Sigmund Freud – II

Vorwort

Die im folgenden entworfene Traumtheorie versammelt vier Texte.

Zum einen handelt es sich um den bereits an anderer Stelle veröffentlichten Text „Träume(n) – Zehn Thesen“1, der hier in leicht überarbeiteter Fassung vorliegt.

Zum anderen ist ein Beitrag abgedruckt, der insbesondere auf den unüberbrückbaren Graben zwischen Wahrnehmung bzw. Bewusstsein und Kommunikation eingeht. Dabei wird deutlich, dass sich Traumbilder oder -sequenzen nicht eins-zu-eins in Traumtexte übersetzen lassen.

An dritter Stelle steht ein Aufsatz, der die Traumdeutung Sigmund Freuds in den Kontext einer allgemeinen Hermeneutik stellt, und der vierte Text wagt eine ergänzende Besprechung der Freudschen Traumdeutung unter Bezugnahme auf die Unterscheidung von latent/manifest.

Für den Träumenden stellt sich der Zusammenhang zwischen den geträumten und den notierten Träumen sowie zwischen diesen beiden und einer Theorie des Traums leichter her als für den unbeteiligten Leser. Folglich mag der Leser sowohl die theoretischen Erläuterungen als auch die empirischen Notizen an seinen eigenen Träumen erproben.

1 Blanke, Eberhard (2017): Träume(n) – Zehn Thesen. In: Blanke, Eberhard: Systemtheoretische Beobachtungen I. Norderstedt, S. 165-174.

Träume(n) – Zehn Thesen

1. Die folgenden Überlegungen gehen von der kommunikativ getroffenen Unterscheidung zwischen Kommunikation und Bewusstsein aus. Zugleich wird der Unterscheidung von Kommunikation und Bewusstsein die Unterscheidung von System und Umwelt orthogonal zugesellt. Dies bedeutet, dass sich beide Seiten beider Unterscheidungen aufeinander relationieren lassen. In diesem Falle heißt das: Kommunikation und Bewusstsein sind sich gegenseitig System und Umwelt, sodass man die Schematik erhält: Kommunikation operiert als ein autopoietisches System im Gegenüber zu ihrer Umwelt, in der sie Bewusstseinssysteme vorfindet, sowie: Bewusstseine operieren als autopoietisch geschlossene Systeme, die in ihrer Umwelt das System der Kommunikation vorfinden.2

Kommunikation und Bewusstsein sind zwar operativ getrennt, aber über strukturelle Kopplungen aufeinander angewiesen: Kein Bewusstsein ohne Kommunikation und keine Kommunikation ohne Bewusstsein. Beide scheinen sich „koevolutiv“3 entwickelt zu haben, was sich insbesondere am Kopplungsmedium Sprache zeigen lässt.4 Trotz aller koevolutiven bzw. koproduktiven Genese und aller strukturellen Kopplung von Kommunikation und Bewusstsein bleibt aber festzuhalten, dass beide Systeme operativ gesondert bzw. getrennt bleiben. Keine Kommunikation verfügt über Bewusstsein und kein Bewusstsein kann kommunizieren.

2. Träume gelten uns – um zunächst ungenau zu formulieren – als Operationen, Prozesse oder Ergebnisse von Bewusstsein. Träume finden demnach per definitionem ausschließlich bewusstseinsintern statt. Was das Bewusstsein von Träumen weiss, weiss es ausschließlich von sich selbst. Mit anderen Worten: Träume sind ein Ausdruck der Selbstreferenz des Bewusstseins.5 In Träumen ist das Bewusstsein einzig und allein mit sich selbst beschäftigt. Damit gilt zugleich, dass Träume als Bewusstsein im Bewusstsein stattfinden und – auch nach dem Ende des Traums bzw. nach dem Aufwachen – dort verbleiben. Wie Bewusstsein überhaupt, so sind auch Träume nicht kommunikabel, wie jedermann wissen kann, der schon einmal damit begonnen hat, einen Traum zu erzählen.

Träume finden im nicht von Kommunikation perturbierten Bewusstsein statt. Sie vollziehen das operativ geschlossene Bewusstsein ohne sich durch strukturelle Kopplungen mit Kommunikation zu irritieren: Wenn sich das operativ geschlossene und von der Kommunikation getrennte Bewusstsein auch strukturell von der Kommunikation abkoppelt, vermag es zu träumen. Mit anderen Worten: Das Leben ist ein Traum, wenn man sich auf sein Bewusstsein beschränkt. Wenn dann in der Umwelt des Bewusstseins wieder Kommunikation auftritt, wacht man – im besten Falle – auf und der Traum zerfällt. Dabei tritt Kommunikation über Wahrnehmung an das Bewusstsein heran.

3. Es hat sich eingebürgert, Bewusstseinszustände bzw. Bewusstseinsoperationen nach Wachen und Schlafen zu unterscheiden. Man kann diese Unterscheidung so verstehen, als ob bestimmte Sinneseindrücke nur beim Wachen aufgenommen werden, beim Schlafen aber ausgeblendet werden. Diese Vorstellung reduzierter Sinneseindrücke beim Schlafen scheint aber sowohl für das Sehen und das Hören als auch für das Tasten und das Riechen nur graduell zuzutreffen, denn auch im Traum sieht, hört, fühlt und riecht man. Zugleich lässt sich feststellen, dass es sowohl Tag- als auch Nachtträume bzw. sowohl Wachals auch Schlafträume gibt, wenn auch mit graduellen Unterschieden der Dauer, der Komplexität oder der Impression.

Wir ersetzen die Unterscheidung von Wachen und Schlafen daher durch die Unterscheidung von intern verbleibender und externalisierter Wahrnehmung des Bewusstseins. Mit anderen Worten: Das Bewusstsein träumt, wenn es seine intern berechneten Wahrnehmungen nicht externalisiert, und das Bewusstsein träumt nicht, wenn es seine intern berechneten Wahrnehmungen externalisiert. Wir unterscheiden also die beiden Formen bewusstseinsintern belassener und vom Bewusstsein externalisierter Wahrnehmungen.6

Diese Unterscheidung lässt sich auch mit der operativen Trennung sowie mit der strukturellen Kopplung von Bewusstsein und Kommunikation vereinbaren. Dann gilt: Wenn sich das Bewusstsein mit wahrgenommener Kommunikation koppelt und diese internen Berechnungen externalisiert, indem es etwa zuhört oder spricht, träumt es nicht. Im umgekehrten Falle träumt das Bewusstsein.

4. Träume mögen »Kommunikation« enthalten, aber das Bewusstsein kommuniziert, redet, schreit usw. im Traum »als ob«. Die Zuschreibung, dass im Traum kommuniziert werde, halten wir für eine äquivoke Bezeichnung, denn: Nur die Kommunikation kann kommunizieren7, und dies erfordert aus Sicht des Bewusstseins eine strukturelle Kopplung mit Kommunikation und aus Sicht der Kommunikation wahrnehmbare Laute, aber vor allem: kommunikative Anschlüsse. Kommunikation muss wenigstens eine bestimmte, wenn auch noch so kurz bemessene Episode zwischen zwei unterschiedenen Zurechnungsstellen resp. Personen (an)dauern. Ein nächtlicher, aus dem Traum heraus erklingender Ruf nach der Geliebten ist noch keine Kommunikation.

Was geschieht also, wenn im Traum »kommuniziert« bzw. gesprochen wird? Derlei Momente des Traums lassen sich vermutlich am besten als bewusste (und nicht kommunikative) Formen im Medium der Sprache begreifen.8

5. Wenn wir Träume einzig dem Bewusstsein zuordnen, dann können wir noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass Träume der »eigentliche« oder primäre Zustand des Bewusstseins sind. Diese Zuschreibung besagt: Wenn sich Bewusstsein nicht durch Kommunikation perturbieren bzw. irritieren lässt, verbleibt es bei sich selbst und träumt. Träume sind vollzogene Selbstreferenz von Bewusstsein und im Moment des Träumens wird diese Selbstreferenz durch keine Unterscheidung zerteilt. Erst, wenn der Träumer aufwacht (also interne Wahrnehmungen externalisiert), kommt Fremdreferenz als Außenseite zur Selbstreferenz hinzu. Träume selbst unterscheiden nur innerhalb der vollzogenen Selbstreferenz zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz. Mit anderen Worten: Wenn wir das Bewusstsein als operativ geschlossenes und daher autopoietisches System begreifen, dann kopiert es seine operative Differenz von System/Umwelt als Unterscheidung von Selbstreferenz/Fremdreferenz in sich hinein. Träumen wäre dann der Wiedereintritt der Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz auf der Seite der Selbstreferenz, wobei wir es als offene Frage dahin gestellt sein lassen, (ob und) welche Unterscheidung sich auf der Seite der Selbstreferenz ergibt. Träumen wäre dann entweder eine differenzlose oder aber eine in sich unterschiedene Selbstreferenz der Selbstreferenz des Bewusstseins. Die in sich unterschiedene Selbstreferenz könnte mit der Unterscheidung von bewusst/ unbewusst (oder: bewusst/unterbewusst) bezeichnet werden, sodass wir von bewusstem und unbewusstem Bewusstsein sprechen können. Träume(n) wäre dann der Vollzug der Unterscheidung bewusst/unbewusst auf der Seite der Selbstreferenz des Bewusstseins.

6. In diesem Kontext bewusstseinsinterner Unterscheidungen ist auf die Unterscheidung von bewusst/unbewusst einzugehen. Die kommunikativ vorliegende Unterscheidung von bewusst/unbewusst (oder: bewusst/unterbewusst) ist auf einfache Weise anhand der Form des Kalküls nach George Spencer-Brown zu beschreiben9: »bewusst« wäre demnach die Innenseite und »unbewusst« die Außenseite der Form. Die Einheit der Form