Unser Buch der seltsamen Dinge - Jennie Godfrey - E-Book

Unser Buch der seltsamen Dinge E-Book

Jennie Godfrey

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Beschreibung

»Wir nahmen einander bei der Hand. Zusammen waren wir stärker.« Miv und ihre beste Freundin Sharon sind unzertrennlich. Als Mivs Vater mit der Familie wegziehen möchte, bricht für sie eine Welt zusammen. Eine brutale Mordserie hält Yorkshire in Atem, doch ihr Zuhause und Sharon hinter sich zu lassen, kann Miv sich trotzdem nicht vorstellen. Egal, wie seltsam es dort auch geworden ist, seitdem ihre Mutter aufgehört hat zu sprechen und Tante Jean sich nun um alles kümmert.  »Was wäre, wenn der Mörder gefasst würde?, fragte ich mich, als ich allmählich eindöste. Was, wenn die Morde aufhörten? Und wir hierbleiben könnten? Dann müsste ich Sharon nicht zurücklassen, und wir könnten für immer beste Freundinnen bleiben.« Also beginnen die beiden Mädchen, auf eigene Faust die Menschen in ihrer Nachbarschaft zu beobachten – und setzen dabei Dinge in Gang, die alles verändern werden. Einfühlsam und klug erzählt Jennie Godfrey von Familie, Freundschaft und Zusammenhalt und eröffnet ein weites Gesellschaftspanorama, voll ergreifender Schicksale und liebenswerter Figuren. »Packend und bewegend.« The Guardian

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Seitenzahl: 551

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Über das Buch

Miv und ihre beste Freundin Sharon sind unzertrennlich. Als Mivs Vater mit der Familie wegziehen möchte, bricht für sie eine Welt zusammen. Eine brutale Mordserie hält Yorkshire in Atem, doch ihr Zuhause und Sharon hinter sich zu lassen, kann Miv sich trotzdem nicht vorstellen. Egal, wie seltsam es dort auch geworden ist, seitdem ihre Mutter aufgehört hat zu sprechen und Tante Jean sich nun um alles kümmert. Was wäre, wenn der Mörder gefasst würde? Könnte Miv dann bleiben? Also beginnen die beiden Mädchen, auf eigene Faust die Menschen in ihrer Nachbarschaft zu beobachten – und setzen dabei Dinge in Gang, die alles verändern werden. Einfühlsam und klug erzählt Jennie Godfrey von Familie, Freundschaft und Zusammenhalt und eröffnet ein weites Gesellschaftspanorama, voll ergreifender Schicksale und liebenswerter Figuren.

Jennie Godfrey

Unser Buch der seltsamen Dinge

Roman

Aus dem Englischen von Susanne Keller

In liebevoller Erinnerung an Rocco Godfrey.

 

 

 

Anmerkung der Autorin

 

In der Kindheit einer ganzen Generation im Norden Englands spukte ein Mörder herum, der als Yorkshire Ripper bekannt wurde. Eine meiner lebhaftesten, frühesten Erinnerungen ist der Tag, an dem Peter Sutcliffe gefasst wurde und wir erfuhren, dass mein Dad ihn kannte. Den Schock darüber, wie nah er meiner Familie gekommen war, kann ich bis heute noch fühlen.

 

Dieses Buch ist den Opfern, Überlebenden und den heute erwachsenen Kindern von damals gewidmet, zu denen auch ich gehöre. ›Unser Buch der seltsamen Dinge‹ ist ein Liebesbrief von mir an Yorkshire, God’s Own Country.

Der Wunsch

1Miv

Es wäre einfach zu behaupten, alles hätte mit den Morden begonnen, aber eigentlich fing alles damit an, dass Margaret Thatcher Premierministerin wurde.

»Dass eine Frau ein Land führt, ist einfach nicht richtig. Frauen sind nicht dafür gemacht«, verkündete Tante Jean an dem Tag, als die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden. »Als ob der Haufen davor nicht schon schlimm gewesen wäre. Sie ist der Anfang vom Ende für Yorkshire, und ich verrate dir auch, warum.«

Geschäftig fuhrwerkte sie in unserer kleinen Küche herum, wischte energisch über alle Oberflächen, die ich bereits abgewischt hatte. Ich saß in meiner braun-orangen Schuluniform am Tisch, pulte Erbsen aus ihren Schoten in ein Sieb, das vor mir auf der abgeplatzten gelben Resopalplatte stand, und steckte sie mir in den Mund, wenn sie gerade nicht hinsah. Ich wollte sie darauf hinweisen, dass sie auch eine Frau war, aber Tante Jean hasste es, unterbrochen zu werden, wenn sie gerade so schön in Schwung war, und außerdem waren wir allein, sodass es sowieso aussichtslos war, ihren Ansichten zu entkommen, und Ansichten hatte sie sehr viele. So viele, dass sie Listen darüber führte.

»Erstens«, hob sie an, und ihre grauen Locken wippten im Takt zu ihrem Kopfschütteln, »man muss sich dieses Gesicht doch nur ansehen, dann weiß man, was Macht mit einer Frau anstellt: Sie macht sie hart. Man erkennt doch auf den ersten Blick, dass sie kein Herz hat, oder etwa nicht?« Sie nahm einen Holzlöffel vom Abtropfbrett und fuchtelte damit in meine Richtung, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen.

»Hmm«, murmelte ich.

Einen kurzen Moment lang überlegte ich, einfach gelegentlich zu nicken und dabei heimlich in meinem Buch zu lesen, das ich aufgeschlagen und mit einer Ecke unter das Sieb geklemmt hatte, damit es nicht wieder zuklappte. Doch auch wenn es um Tante Jeans Gehör nicht zum Besten bestellt war, waren ihre übrigen Sinne rasiermesserscharf, und sie hätte meine mangelnde Aufmerksamkeit sofort wie ein Jagdhund gewittert.

»Zweitens. Sie hat jetzt schon den armen Kindern ihre Milch und der hart arbeitenden Bevölkerung ihre Jobs weggenommen.«

Ich wusste, dass zumindest ein Teil davon zutraf. Der Reim Thatcher, Thatcher, milk snatcher ertönte immer noch in unserer Schule, Jahre nachdem sie die kleinen Flaschen mit der ekeligen lauwarmen Milch abgeschafft hatte, die wir dort täglich hatten trinken müssen.

»Drittens. Diese grauenerregenden Morde, die alle fünf Minuten passieren. Dafür ist Yorkshire jetzt berühmt. Für tote Mädchen.«

Sie legte den Holzlöffel weg und öffnete unseren uralten Kühlschrank mit den angerosteten Ecken, der quietschend protestierte. Missbilligend nahm sie den kläglichen Inhalt zur Kenntnis und holte sogleich ihren abgenutzten, spiralgebundenen Notizblock hervor, den sie immer bei sich trug, zog den ebenso abgenutzten, oben eingeschobenen Bleistift heraus und leckte die Spitze an.

»Butter, Milch, Käse.«

Ich sah, wie ihre Lippen die Worte lautlos formten, während sie sie fein säuberlich in ihrer gestochenen Handschrift notierte, auf die sie so stolz war. Tante Jean mochte es, im Durcheinander des Lebens aufzuräumen, alles in Ordnung zu bringen. Manchmal fragte ich mich, ob sie das auch mit unserer Familie versuchte. Sie schrieb ihre Liste fertig, machte den Kühlschrank zu und sah mich an.

»Oh, und nicht nur für tote Mädchen. Für diese Sorte von Frauen.«

Es brannte mir auf der Zunge zu fragen, welche Sorte von Frauen sie meinte, und ob es sich dabei um die gleiche Sorte wie Margaret Thatcher handelte. Ich wurde immer hellhörig, wenn Tante Jean die Nase über Frauen rümpfte – was oft geschah –, wusste aber aus Erfahrung, dass Kommentare weder erwartet noch erwünscht waren, und machte es mir wieder auf meinem Stuhl bequem, während Tante Jean weiter ihre Ansichten kundtat. Zu fragen, welche Morde sie meinte, war hingegen überflüssig. Jedes Kind hier wusste Bescheid über das Monster von Yorkshire – den großen Unbekannten mit einem Hammer und Hass auf Frauen.

 

Von dem Yorkshire Ripper hatte ich zum ersten Mal vor zwei Jahren im Alter von fast zehn gehört. Ich, Mum, Dad und Tante Jean saßen zusammen im Wohnzimmer. Tante Jean war erst vor Kurzem zu uns gezogen, und ich war noch dabei, mich an die Anwesenheit einer zusätzlichen Person im Haus zu gewöhnen und in die neue Rolle zu schlüpfen, die von mir erwartet wurde. Ich versuchte ständig, noch kleiner und leiser zu werden, doch sosehr ich mich auch bemühte, meine Persönlichkeit machte sich immer wieder selbstständig und hüpfte wie ein Springteufel aus seiner Kiste.

Die Neun-Uhr-Nachrichten liefen gerade auf dem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher, der auf einem Regal kauerte. Mum, Dad und Tante Jean hockten nebeneinander auf der Sofakante und sahen zu ihm auf, als säßen sie in der Kirche und lauschten einer Predigt. Meine Haare waren noch feucht vom wöchentlichen Baden, deshalb durfte ich im Ohrensessel sitzen, der sonst immer für Mum reserviert war, wenn sie einmal nach unten kam. Er stand neben dem Gasofen, dessen Heizstäbe heimelig glühten und mein Gesicht wärmten, wenn ich es zu ihnen drehte. Der übrige Raum war so kalt, dass man seinen Atem sehen konnte. Meine Augen waren damit beschäftigt, den braunen, orangen und senffarbenen Wirbeln unseres Teppichs zu folgen – die mich an die Muster erinnerten, die wir mit dem Spirographen zeichneten, den ich letztes Jahr zu Weihnachten bekommen hatte –, als mir auffiel, dass etwas im Zimmer anders war, als wäre plötzlich sämtlicher Sauerstoff daraus verschwunden. Als ob alle einmal tief eingeatmet hätten und die Luft anhielten, wie wir es manchmal in der Schule taten, bis wir rot anliefen und schließlich keuchend und lachend aufgaben.

Ich blickte nach oben und sah einen Polizisten, der mit feierlichem Gesichtsausdruck und vielen Abzeichen auf der Uniform auf dem Bildschirm erschienen war. Ich bemerkte, wie Dad angespannt zu Mum hinübersah, als suchte er nach einem Lebenszeichen. Als er nichts fand, wandte er sich an Tante Jean und wackelte mit den Augenbrauen, was mich normalerweise immer zum Kichern brachte. Aber es hatte nichts Lustiges an sich. Ich verstand nicht, was auf einmal so anders war.

»Heute kann ich bestätigen, dass die einundzwanzigjährige Jean Jordan das sechste Opfer des Yorkshire Ripper ist. Sie starb eines brutalen Todes. Ihr wurde mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen, danach wurde mehrfach auf sie eingestochen. Auch bei diesem Opfer handelt es sich um eine Prostituierte …«

Ich richtete mich kerzengerade auf – das war ein Wort, das ich noch nie zuvor gehört hatte. Im selben Augenblick hustete Dad, um den Fernseher zu übertönen, und Tante Jean stand auf und wechselte das Programm, aber da hatte ich schon gefragt: »Was ist eine Prostituierte?«

Dad und Tante Jean warfen sich einen Blick zu. Dad rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her, Tante Jean erstarrte. Mum sah weiter unverwandt und mit leerem Blick auf den Bildschirm, ganz kurz nur glomm etwas auf, das verriet, dass sie zusah, ein kurzes Flackern in ihren Augen, das so schnell wieder verschwand, wie es gekommen war. Keiner von ihnen sah mich an.

Schließlich antwortete Dad zögernd: »Das ist jemand, ähm, der der Polizei hilft.«

»Möchtest du noch eine heiße Milch, bevor du ins Bett gehst?«, fragte Tante Jean mit einer Stimme hart wie Granit, verließ das Zimmer und bedeutete mir zu folgen. Als ich wieder zurückkam, lief etwas ganz anderes im Fernsehen, und es war, als hätte es unsere Unterhaltung nie gegeben.

Von jenem Tag an spukte mir der Ripper immer irgendwie im Kopf herum. In der Schule war Kussjagd von Fang-den-Ripper abgelöst worden, ein weitaus gruseligeres Spiel, bei dem die Jungen in meiner Klasse ihre glänzenden Parkas nur am Hals zuknöpften, sodass ihre Jacken beim Herumrennen wie die Schwingen von Raubvögeln aussahen. So stürzten sie sich auf dem Pausenhof auf die hübschesten Mädchen, unter anderem Sharon, meine beste Freundin, die dann kreischend auseinanderstoben. Seinen Opfern jedoch schenkte ich weiter keine Beachtung – bis einige Wochen vor den Parlamentswahlen Josephine Whitaker, eine neunzehnjährige Bausparkassenangestellte aus Halifax, getötet wurde.

Dad hatte die Zeitung auf dem Küchentisch liegen lassen, als er in den Pub ging, und ich wollte sie wegräumen. Tante Jean hasste Unordnung. Ich erinnere mich vor allem an die Bilder auf der Titelseite: Josephines lächelndes Gesicht mit den großen Augen, umrahmt von dicken braunen Haaren, zusammen mit Fotos von ihrem nur teilweise von einer Plane verdeckten Leichnam im örtlichen Park, wo sie mit einundzwanzig Stichen mit einem Schraubenzieher getötet worden war.

Ihr Tod hatte sich angefühlt, als wäre sie jemand, den ich kannte. Vielleicht lag es an ihrem Alter – sie war jung genug, um von den Männern im Fernsehen noch als Mädchen bezeichnet zu werden, und nicht so viele Jahre älter als ich. Vielleicht lag es an der Art, wie sie beschrieben wurde, mit Worten wie unschuldig und anständig. Sie gehörte nicht zu »dieser Sorte von Frauen«, wie Tante Jean sie nannte. Ich konnte nicht aufhören, die Bilder anzustarren, immer wieder, eins nach dem anderen, und mein Herz klopfte so laut, dass ich es in den Ohren pochen hörte.

 

Am Tag der Wahl kam mein Vater sehr spät nach Hause, und ich zappelte schon vor Hunger am Abendbrottisch herum und wartete darauf, dass er sich die Hände wusch und endlich zu uns setzte. Sein vertrauter Geruch nach Moschus, Schweiß und Swarfega-Handwaschpaste wehte in die Küche, als er sich zu mir an den Tisch gesellte und mir durchs Haar wuschelte, eines seiner seltenen Zeichen von Zuneigung.

»Fast fertig, Austin«, sagte Tante Jean mit einem Nicken und stellte eine dampfende Tasse Tee vor ihm ab, während ich ungeduldig auf meinem Stuhl hin und her rutschte. »Hör schon auf damit, Miv«, ermahnte sie mich. »Du bist schlimmer als ein Sack Flöhe.«

Augenblicklich saß ich still und senkte den Kopf. Ich biss mir auf die Lippen. Diesen Ausdruck hatte auch Mum ständig verwendet. Allerdings hatte Mum dabei immer gelächelt.

»Wenn du dich nützlich machen willst, kannst du das hier nach oben tragen«, sagte Tante Jean und drückte mir ein Tablett mit einem Teller Suppe darauf in die Hand. Der kräftige, köstliche Duft nach Tomaten vergrößerte das Loch in meinem Magen nur noch mehr. Ich drehte mich um, guckte in Richtung Wohnzimmer und sah, dass der abgewetzte Ohrensessel leer war. Heute war offenbar ein schlechter Tag.

Ich begann, die enge Treppe hinaufzusteigen, die Augen auf das Tablett und die Suppenschale gerichtet und mit übertriebener Vorsicht einen Fuß vor den anderen setzend, um ja nichts zu verschütten. Oben angekommen, stellte ich das Tablett vor die geschlossene Schlafzimmertür, klopfte sacht und lauschte angestrengt, ob eine Bewegung zu hören war, aber es herrschte vollkommene Stille. Auf Zehenspitzen ging ich wieder hinunter, und als ich auf der untersten Stufe angekommen war, öffnete sich die Tür mit einem beinahe geflüsterten Stöhnen, und ich atmete erleichtert auf. Immerhin aß sie heute. Der Tag war also nicht ganz schlimm.

In der Küche hatte Tante Jean inzwischen die Schürze abgelegt und trug wieder ihre gewohnte, an den Ellenbogen geflickte Strickjacke, die sie immer bis oben hin zuknöpfte. Mit Ausnahme ihrer Ansichten war Tante Jean in allem sehr zugeknöpft, von der eng anliegenden Dauerwelle, die sie sich einmal pro Woche unter der Trockenhaube im Friseursalon legen ließ, bis zu den dichten, fleischfarbenen Strumpfhosen, die nicht die kleinste Spur von Haut erkennen ließen. Sie schnitt gerade einen großen Pie auf und verteilte ihn auf die Teller. Dad hatte sich in die neuesten Cricket-Berichte des Yorkshire Chronicle vertieft und faltete die Zeitung zusammen, als das Essen vor ihn hingestellt wurde. Dann saßen wir drei fast Ellenbogen an Ellenbogen um den runden Tisch herum und aßen.

Bevor Tante Jean zu uns zog, hatten wir abends immer vor dem Fernseher gegessen, die Tabletts auf den Knien, mit jeder Menge Raum für Lärm und gelegentliche Lachanfälle. Selbst als vor einigen Jahren während der Streiks Strom und Heizung ausgefallen waren, hatte Mum daraus ein Spiel gemacht. Sie tat so, als wären wir beim Camping, und wir aßen bei Kerzenlicht mit Pudelmützen auf dem Kopf und sangen Lagerfeuerlieder. Obwohl wir im Dunkeln essen mussten, war unser Leben damals ganz leicht und hell, ganz anders als das triste Grau, das sich über uns gebreitet hatte, als Mum verstummt und Tante Jean eingesprungen war, um die Lücke zu füllen.

Sie räusperte sich, zwängte auf dem engen Küchentisch noch den Notizblock neben ihren Teller und schlug ihn auf. Sie hatte noch weitere, sorgfältig nummerierte Punkte zu dem Thema notiert, weshalb Margaret Thatcher schlecht für unser Land war, und insbesondere für Yorkshire. Die Gründe waren so akkurat auf der Seite gelistet, als wären sie laut ausgesprochen worden.

Dad aß stumm seinen Steak-and-Kidney-Pie, den Blick starr auf den Teller gerichtet. Er ließ sich nicht anmerken, ob er zuhörte, als sie die gleichen Argumente wiederholte, die sie schon bei mir vorgebracht hatte, und noch hinzufügte, dass »Frauen auf dumme Gedanken« kämen, wenn sie vergaßen, »wo ihr Platz« war, und etwas, das sie »Immigration« nannte, daran schuld sei, dass Yorkshire »vor die Hunde« ging.

Sie seufzte, und ihre gestärkten Locken erzitterten. »Also ich weiß nicht, Austin. Manchmal denke ich, wir sollten es einfach gut sein lassen und da unten im Süden neu anfangen.«

Ich erstarrte, die Gabel auf halbem Wege in meinen Mund. Meinte sie das ernst? In unserer Familie bedeutete »da unten im Süden« ein Schicksal, das schlimmer war als der Tod. »Wir sind Yorkshire durch und durch«, pflegte Tante Jean zu sagen. »Wir haben die Moore und die Textilfabriken im Blut, seit wir denken können.«

Ich legte das Stück Pastete, das an meiner Gabel herunterhing, wieder zurück auf den Teller. Mir war der Appetit vergangen. Dad blickte auf. Ehe ich nachdenken konnte, schossen die Worte auch schon aus meinem Mund:

»Wir können nicht wegziehen.«

Ich war selbst überrascht, wie laut das aus mir herausgeplatzt war. Die beiden wandten sich mir zu.

»Ach nein?«, meinte Dad mit belustigter Miene. Tante Jeans Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fand sie es alles andere als lustig.

»Hier wird getan, was wir sagen«, bemerkte sie und deutete dabei auf meinen Teller, als wollte sie sagen, und das heißt auch, dass jetzt gegessen wird.

»Aber ALLES ist doch hier«, sagte ich und dachte dabei an meine einzige und beste Freundin Sharon. Ich spürte, wie sich ein Kloß in meiner Kehle formte, und versuchte vergeblich, ihn herunterzuschlucken. Tränen gehörten zu den vielen Dingen, von denen Tante Jean überhaupt nichts hielt.

Dad legte Messer und Gabel beiseite und sah zum ersten Mal Tante Jean richtig an und nicht den Steak-and-Kidney-Pie. Er nahm sich ein dick mit Butter bestrichenes Brot von dem Stapel in der Mitte des Tisches und wischte damit die Sauce auf seinem Teller auf. »Aye, du könntest recht haben«, murmelte er nach einer Weile. »Ein Neuanfang könnte uns allen guttun. Wir sollten mal darüber nachdenken.« Sein Blick wanderte zur Zimmerdecke, wo langsame Schritte auf den Dielen zu hören waren. Ich folgte seinem Blick. Als ich wieder nach unten sah, bemerkte ich, dass Tante Jean uns beide beobachtete. In ihren Augen lag eine Gefühlsregung, die ich nicht deuten konnte, die sie aber kurzerhand zusammen mit dem Geschirr wegräumte.

In diesem Moment wurde mir klar, dass sie es ernst meinten.

 

In jener Nacht lag ich im Bett und fand keinen Schlaf. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen spähte der Mond hinein und beschien die stummen Schatten, die mein Schreibtisch, die Regale und der schwere alte Schrank aus Walnussholz warfen. Die Augen der verblichenen Wombles auf meiner Tapete, denen ich längst entwachsen war, schienen mich zu beobachten. Beim Anblick der vertrauten Silhouetten schnürte es mir erneut die Kehle zu.

Ich hielt mich an beiden Seiten des Betts fest, und meine Hände fuhren auf der steifen, kratzigen Bettdecke entlang, während in meinem Kopf und meinem Bauch ein Orkan tobte, ausgelöst von der Vorstellung, Yorkshire verlassen zu müssen. Ich musste an den letzten Jahrmarkt anlässlich der Guy-Fawkes-Nacht in unserer Stadt denken, den wir besucht hatten. Mum hatte beschlossen, dass ich alt genug war für die Berg- und Talbahn, und als wir dann darin herumgewirbelt wurden, hatte ich das Gefühl gehabt, ich würde an den Rand der Welt geschleudert. Das Einzige, was mich davon abgehalten hatte, vor Angst laut zu schreien, war Mums Hand gewesen, die meine ganz fest in ihrer hielt. Ich konnte immer noch den Duft von warmem Parkin-Lebkuchen heraufbeschwören, den wir gegessen hatten und den ich immer noch auf Mums Haut hatte riechen können. Ich wusste, dass ich das nicht noch einmal erleben würde. Die letzten zwei Jahre hatten mich gelehrt, wie sehr sich Menschen ändern konnten. Wenn ich mich schon nicht auf Menschen verlassen konnte, musste ich wenigstens auf Orte und Gegenstände bauen können. Wegziehen kam einfach nicht infrage.

Ich suchte dort Zuflucht, wo ich sie immer fand. Puppen oder Stofftiere hatten mir noch nie Trost spenden können, stattdessen griff ich nach dem zerlesenen Buch von Enid Blyton, das Mum mir mal auf dem Trödelmarkt gekauft hatte. Es lag ganz oben auf einem Stapel neben meinem Bett, der Deckel war vom Alter gewölbt, und die Seiten lösten sich teilweise vom Buchrücken. Es war ein Band der Fünf-Freunde-Reihe. Offiziell war ich inzwischen zu alt dafür, aber hier war ich in meinem eigenen Reich, und diese Bücher waren wie alte Freunde. Mir gefiel dabei besonders, dass ihre Abenteuer immer damit endeten, dass Tante Fanny sich schrecklich liebevoll um sie kümmerte und dafür sorgte, dass es bergeweise Sandwiches gab.

Die vertrauten Worte zu lesen, half mir auch, die Zeit bis zu meiner anderen täglichen Trostquelle zu überbrücken. Seit Mum verstummt war, kam Dad jeden Abend in mein Zimmer, um mir Gute Nacht zu sagen. Es war kein richtiger Ersatz, denn als Mum noch kam, sang sie mich in den Schlaf und strich mir dabei über das Haar. Sie sang nie irgendwelche albernen Kinderlieder, sondern melodische, traurige Songs von den Beatles oder den Carpenters, die sie mit ihrer schönen Stimme noch schöner machte. Aber da dies die einzige Zeit war, die ich Dad für mich allein hatte, war daraus ein kostbares Ritual geworden, bevor er anschließend nach unten ging, um mit Tante Jean fernzusehen oder auf ein schnelles Bier in den Pub zu gehen, was immer häufiger vorkam. Als er den Kopf durch die Tür steckte, ließ ich das Buch sinken, wild entschlossen, ihn nicht entkommen zu lassen.

»Ziehen wir wirklich um?«, fragte ich.

Er trat ins Zimmer und setzte sich ans Ende meines Bettes. Er spielte mit einem losen Faden an der gehäkelten Decke, mit der ich zugedeckt war.

»Wäre das denn so schrecklich?«, fragte er lächelnd zurück. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf das Fünf-Freunde-Buch, das geöffnet auf meinem Schoß lag. »Ich dachte, du hast was übrig für Abenteuer.«

Verblüfft sah ich ihn an. Bücher gegen mich zu verwenden, war ein gemeiner Schachzug.

»Was wird dann mit Cricket?«, warf ich ein. »Du kannst nicht zu den Spielen vom Yorkshire Cricket Club gehen, wenn du nicht in Yorkshire bist.«

Cricket war unsere gemeinsame Sprache. Die komplizierten Regeln und speziellen Ausdrücke des Spiels waren so unauslöschlich Teil von mir wie die Buchstaben, die sich durch die Zuckerstangen ziehen, die man in Urlaubsorten an der Küste kaufen kann. Was ich Dads Leidenschaft für diesen Sport verdankte. In unserer Familie erzählte man sich immer, dass Mum und Dad um ein Haar keine Kinder bekommen hätten, weil ihn das daran hätte hindern können, zu jedem Auswärtsspiel von Yorkshire zu fahren. Letztendlich war jedoch nicht ich es, die das vereitelt hatte. Ich war mir darüber im Klaren, dass ich mir die Regel, in Yorkshire geboren sein zu müssen, um Anhänger des Teams sein zu können, etwas zurechtbog, aber es klappte ohnehin nicht. Dad warf einen Blick auf seine Uhr, als ob ihn sein Pint zu einer bestimmten Zeit erwartete. »Yorkshire ist auch nicht mehr, was es mal war«, murmelte er und stand auf, um zu gehen.

Die Berg- und Talbahn in meinem Inneren begann sich wieder in Bewegung zu setzen.

»Wegen der Morde?«

»Ja, zum Teil auch deswegen«, erwiderte er, bereits an der Tür. »Aber darüber musst du dir keine Sorgen machen.« Er schenkte mir ein kleines Lächeln, knipste das Deckenlicht aus und schloss leise die Tür.

Ich angelte meine Taschenlampe unter dem Bett hervor, knipste sie an und las weiter. Schon nach einigen Seiten hatten sich meine Gedanken und mein Körper dank der hypnotischen Wirkung der Wörter wieder beruhigt. Ich wusste, dass meine Lieblingsfigur Georgina – wegen ihres jungenhaften Aussehens und etwas, das als Schneid bezeichnet wurde, auch George genannt – ganz sicher keine Angst vor einem Umzug hätte, und auch nicht vor dem Yorkshire Ripper. Sie würde wahrscheinlich den Rest der Bande zusammentrommeln und versuchen, ihn zu fangen.

Was, wenn ihn jemand erwischte?, fragte ich mich, während ich allmählich eindöste. Was, wenn die Morde aufhörten? Und wir hierbleiben könnten? Dann müsste ich Sharon nicht zurücklassen, und wir könnten für immer beste Freundinnen bleiben.

2Austin

Austin zog die Haustür hinter sich zu, hielt einen Moment inne und stieß einen Seufzer aus. Langsam zog er seine hängenden Schultern nach oben und richtete seinen nach vorn geneigten Oberkörper auf, wie ein Bergmann, der aus der Grube stieg. Sein Zuhause war zu einem Ort voller Bedürfnisse geworden, denen er ständig nachkommen musste: Fragen beantworten, die Familie versorgen, Sachen reparieren. Doch das Einzige, was er reparieren wollte, konnte er nicht wieder ganz machen. Nur außerhalb des Hauses hatte er das Gefühl, durchatmen zu können. Er ging die Straße hinunter und handelte im Rhythmus seiner Schritte auf den mit Rissen übersäten grauen Gehwegplatten zu Ene, mene, miste mit sich selbst aus, wohin er gehen sollte. An der Kreuzung entschied er sich für den Red Lion, der am nächsten lag und wo es wahrscheinlich noch vergleichsweise ruhig sein müsste, auch wenn es Freitagabend war. Es war noch früh, und die meisten gingen gleich nach der Arbeit in der Stadt in die Pubs und kamen erst zu späterer Stunde in diese Gegend. Hauptsache, es wurde nichts anderes von ihm erwartet, als dass er ein Pint kaufte.

Vor dem Pub angekommen, zog er die schwere schwarze Tür auf. Draußen war es noch hell, die Sonne ging gerade erst unter, doch innen vermittelten die tiefroten Teppiche und die burgunderfarbene, beflockte Tapete das Gefühl, es wäre bereits dunkle Nacht. Er hatte mit seiner Vermutung, dass es noch ruhig sein würde, richtig gelegen. Natürlich waren die Stammgäste bereits da und hockten unter dichten Rauchschwaden an der braunen Holztheke, die braun bekleidete Körper über braune Pints gebeugt.

Austin bestellte sein Bier und deutete auf einen Stapel Zeitungen neben einem von ihnen. »Aye, nimm ruhig«, brummte der Mann, ohne ihn anzusehen oder die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. Austin durchsuchte den Haufen nach einem lokalen Blatt und den Cricket-Nachrichten. In den Überregionalen stand immer nur dummes Zeug, und an diesem Tag noch mehr als sonst, da war er sich sicher. Wenigstens beschäftigten sich die Titelseiten ausnahmsweise mal nicht nur mit dem Ripper. Stattdessen beherrschte ein anderer Ton die Schlagzeilen, einer, aus dem Triumph und Optimismus sprach und den Austin nicht teilte. Rasch blätterte er von einer Zeitung zur nächsten, jede stimmte ein Liebeslied auf die neue Premierministerin an: Maggie hat es durchgezogen, Maggie hat’s geschafft, Sie können helfen, dass die PM Großbritannien wieder stark macht.

»Ertränkst du deine Sorgen, Austin?«

Es war die Stimme von Patrick, dem kleinen, untersetzten Barmann, der gerade sein Glas vor ihm abstellte. »Jetzt, wo ’ne Frau am Ruder ist, fangen die Probleme erst richtig an, was?«, fügte er hinzu, als fände er die Nachrichten eher amüsant als niederschmetternd. Wie seine Schwester hatte Austin nichts übrig für Margaret Thatcher. Angesichts der Bilanz, die sie bislang vorwies, fürchtete er, dass es den Menschen in Yorkshire unter ihrer Führung nur noch schlechter gehen würde. Er nahm einen Schluck von seinem Pint, um nicht antworten zu müssen, aber Patrick war bereits bei dem nächsten, noch viel heikleren Thema.

»Und wie läuft’s zu Hause?«, erkundigte er sich und senkte immerhin die Stimme, damit die an der Theke aufgereihten Stammkunden nicht mithören konnten.

»Aye, du weißt schon«, antwortete Austin so ausweichend, wie es von ihm erwartet wurde. Ehe Patrick nachhaken konnte, nahm Austin sein Bier und die Regionalzeitung und steuerte den kleinsten Tisch in der Kneipe an, einen klapprigen Kartentisch, vor dem nur ein einzelner Stuhl stand. Er versuchte, sich in den Seiten zu verlieren, doch er musste ständig darüber nachdenken, was Marian – die Marian, die sie früher gewesen war – wohl von dieser Thatcher als Premierministerin halten würde. Er konnte förmlich vor sich sehen, wie sie mit geröteten Wangen einen leidenschaftlichen Vortrag über die Rechte der Arbeiter halten würde, bis er nicht anders konnte, als sie zu küssen, und sie sich kichernd aus seiner Umarmung zu befreien versuchte. »Austin, nicht, das meine ich ernst.« Er seufzte tief und ließ die Luft langsam aus seinem Körper entweichen, als wäre er ein kaputter Reifen.

Es war sinnlos, sich diese Dinge vorzustellen, aber nach Patricks verschleierter Frage musste er zwangsläufig wieder an zu Hause denken. Was sollte er nur tun mit seiner stummen Frau, seiner eigensinnigen Schwester und – das Schlimmste von allem – seiner vernachlässigten Tochter, die ihn immer mit ihren großen Augen ansah? Tiefe Schuldgefühle stiegen in ihm auf, und er schluckte sie mit Bier hinunter.

Um sich abzulenken, schaute er sich im Pub um, bis sein Blick an der einzigen Person hängenblieb, die außer ihm nicht zu denen gehörte, die dauerhaft an der Bar klebten und mehr zum Mobiliar gehörten, als Gäste im eigentlichen Sinne zu sein. Der Mann saß über sein Pint gebeugt und hatte sich einen Platz in der entgegengesetzten Ecke von Austin gesucht, als wären sie beide Buchstützen. Er sah auf, vielleicht spürte er, dass Austins Augen auf ihn gerichtet waren. Austin wendete seinen Blick sofort ab, als er den gedrungenen Mann mit den eiskalten Augen erkannte. Kevin Carlton war einer, den man besser nicht anstarrte. Austin zog es vor, für sich zu bleiben, und neigte umgekehrt nicht dazu, sich mit dem Leben anderer zu beschäftigen, aber mit seiner Schwester unter einem Dach zu leben, bedeutete, kaum den Gerüchten ausweichen zu können, die in einer Kleinstadt dieser Größe ständig kursierten. Jean zufolge gab sich Kevin mit »zwielichtigen Gestalten« ab und hatte einen »ganzen Stall von Jungs«, mit denen es durch die Bank ein »schlechtes Ende nehmen« würde, und auch wenn in Jeans Augen alle möglichen Leute zwielichtig waren, hatte er Kevin schon einmal dabei erlebt, wie er mit einem Billardqueue auf einen anderen losgegangen war, der ihn zu lange angesehen hatte, und wusste, dass es nur darauf ankam, wie viel Bier er bereits intus hatte, ob er einen bloßen Augenkontakt als Angriff wertete oder nicht. Glücklicherweise war es wohl noch früh genug, und Austin schien trotz des einen Moments der Unbedachtheit noch auf der sicheren Seite.

»He, Austin!«

Er blickte auf und entdeckte Gary Andrews, der gerade zur Tür hereingekommen war. Austin machte sich daran, die Zeitung zusammenzufalten und sein Pint auszutrinken.

»He, Gary«, murmelte Austin. Ein kurzer Blickkontakt mit Pat, und beide verdrehten einmütig die Augen.

Lärm erfüllte den Pub, als Gary jeden mit Namen begrüßte und einem Stammgast nach dem anderen auf die Schulter klopfte. Hinter ihm war sein Gefolge eingetreten, das zu jedem seiner Worte lachte und nickte. Austin war es schleierhaft, weshalb Gary ständig so viele junge Männer im Schlepptau hatte. Er konnte nachvollziehen, dass er die Mädchen zum Kichern brachte – es war nicht zu leugnen, dass er ein gut aussehender Typ war –, aber Austins Gefühl nach war seine aufdringliche, kumpelhafte Art und wie er sich als »Mann des Volkes« aufspielte, nichts als Theater. Er vermutete, dass Pat genauso dachte.

»Kann ich dir noch eins bringen?« Pat deutete mit dem Kopf auf Austins inzwischen leeres Glas, ganz offensichtlich mit der Absicht, noch etwas Zeit zu gewinnen, ehe er Gary und seine Freunde bedienen musste. Austin sah auf die Uhr an der Wand. Seine Frau würde mittlerweile im Bett sein, seine Tochter steckte sicher gerade mit ihrer Nase in einem Buch, und Jean hantierte bestimmt in der Wohnstube herum, die er provisorisch für sie als Schlafzimmer eingerichtet hatte. Die Luft war also rein. Aber nach Hause wollte er trotzdem noch nicht.

3Miv

Am darauffolgenden Montag ging ich wie jeden Tag vor der Schule bei Sharon vorbei.

Der Weg zu Sharons Haus war mir so vertraut wie die Seiten meiner Fünf-Freunde-Bücher. Ich zog den Reißverschluss meines Anoraks gegen den bitterkalten Regen bis unter das Kinn zu und ging, so schnell ich konnte. Seit wir im letzten Schulhalbjahr den Ersten Weltkrieg durchgenommen hatten, war ich fasziniert von der Vorstellung, dass Männer in Schützengräben gelebt hatten. Die Reihenhäuser auf unserer Straße erinnerten mich an die vom Kampf kriegsmüden, grauen Soldaten aus meinen Schulbüchern, verwundet und notdürftig bandagiert nach Jahren voller Anstrengungen und Vernachlässigung. Hier sahen alle Straßen gleich aus, und ich durchquerte eine nach der anderen, bis ich in die Gegend kam, wo alles großzügiger und grüner wurde und wo Sharon wohnte.

Es ergab eigentlich keinen richtigen Sinn, Sharon abzuholen. Um zur Schule zu gelangen, mussten wir den ganzen Weg, den ich gekommen war, wieder zurückgehen, aber ich ging gern zu Sharon nach Hause. Ich mochte die ruhige, gepflegte Straße und all das, was mir in meinem eigenen Zuhause fehlte. Der Unterschied bestand nicht nur in der Größe der Häuser oder in den Abständen zwischen ihnen. Es waren die kleinen Dinge. Die üppig gefütterten Samtvorhänge im Vergleich zu unseren durchsichtigen aus kratzigem Stoff. Dass die Häuser eigene Namensschilder hatten und nicht nur eine Hausnummer. Doppelt verglaste, frisch gestrichene Fenster statt unserer einfachen in schäbigen alten Holzrahmen. Es war die behäbige Stille in Sharons Straße, die nur vom Geräusch des Regens, des Vogelgesangs und dem einen oder anderen Auto gestört wurde, während bei uns rund um die Uhr Kinder auf der Straße tobten, Hunde bellten und ständig irgendein Fußball in Endlosschleife gegen eine feuchte Hauswand gekickt wurde.

Sharon wartete schon am Ende ihrer Straße auf mich, die Kapuze über ihre blonden Locken gezogen, und im vertrauten Gleichschritt zogen wir los. Wenn ich die jungenhafte George bei den Fünf Freunden war, war Sharon die liebe, nette Anne. Ich bestand nur aus geraden Linien – wie die Strichmännchen, die ich früher in der Schule gezeichnet hatte: kurzes, glattes braunes Haar, gerade Nase und ein Körper, der überall flach war. An Sharon hingegen war alles rund und weich: blondes Haar in bunten Spangen, runde Stupsnase und rosa Kleider mit Punkten. Sogar ihre Handschrift sah aus wie Seifenblasen. Ich war mir immer bewusst, dass wir für Außenstehende ein eigenartiges Paar abgaben. Wir nahmen unsere Unterhaltung vom Vortag praktisch mitten im Satz wieder auf, als wäre sie nie unterbrochen worden.

 

Die Leute, die wir auf dem Weg zur Schule sahen, waren wie die Gebäude, an denen wir vorbeikamen: vorhersehbar und immer dieselben. Punkt acht Uhr fünfzehn riefen wir Mrs Pearson, die wie immer ihren bissigen Jack Russell ausführte, ein perfekt einstimmiges »Morgen!« zu. Darauf würde der Mann aus dem Gemischtwarenladen an der Ecke folgen, dem wir Hallo sagen und bei dem wir kurz stehen bleiben würden, um ein paar Worte zu wechseln, denn um diese Zeit war er gerade draußen und stellte den Zeitungsständer auf. Er würde uns dann die Schrecklichen Schwestern nennen, und wir würden lachen, als wäre es das erste Mal.

Kurz bevor wir dort ankamen, versetzte mir Sharon einen heftigen Stoß in die Rippen und raunte kaum hörbar: »Aufgepasst!« Ich folgte ihrem Blick und entdeckte eine weitere vertraute Gestalt, jemanden, den wir zwar nie grüßten, aber von dem wir aus irgendeinem Grund wussten, dass er Brian hieß, auch wenn wir den Namen nie sagten. Für uns war er einfach nur der Mann im Overall.

Er war jung, vielleicht Mitte zwanzig, und hatte noch nicht ein einziges Mal Blickkontakt mit uns aufgenommen. Er trug immer denselben dunkelblauen Einteiler, voller Ölflecken, die sich auch auf sein Gesicht ausdehnten, eine gelbe Pudelmütze – die viel zu munter für den Rest seiner Erscheinung war – und eine Plastiktüte, aus der oben eine Zeitung herausguckte.

Wir wussten nie, ob wir ihm begegnen würden oder nicht, aber wenn er auftauchte, wechselten wir sofort die Straßenseite. Anfangs, weil Sharon behauptete, dass er komisch roch, obwohl wir ihm nie nahe genug kamen, um festzustellen, ob das stimmte. Früher hatten wir ihn als harmlos eingestuft, aber in letzter Zeit hatte uns nicht mehr nur sein schmuddeliges Äußeres abgestoßen. Etwas Stärkeres, Verstörendes war hinzugekommen. Wir beschleunigten unsere Schritte und gingen rasch auf der gegenüberliegenden Straßenseite an ihm vorbei, wobei Sharon mich sogar am Arm gepackt hielt und mit sich zog, um schneller am Eckladen und damit in Sicherheit zu sein.

Es würde noch eine ganze Weile dauern, ehe die Erwachsenen in unserem Leben im Ripper eine Gefahr für uns Kinder sehen würden. Für den Moment galt: Ein Serienmörder tötete ständig junge Frauen, und wir liefen allein zur Schule. Zwei völlig unabhängig voneinander bestehende Tatsachen. Aber während die Erwachsenen sich keinerlei Sorgen um uns machten, schwebte der Ripper seit dem Mord an Josephine Whitaker beharrlich über uns wie eine bedrohliche Wolke. Wir hatten angefangen, die Männer, an denen wir vorbeigingen, genauer anzusehen. Wir waren dazu übergegangen, ihre Gesichter eingehend zu studieren, anstatt sie wie früher mit einem »Ey up« nach Yorkshire-Art zu grüßen. Ihr Lächeln, das wir bisher für freundlich gehalten hatten, erschien uns nun als anzügliches Grinsen, hinter dem zweifelhafte Absichten standen, von denen wir nur eine vage Ahnung hatten, die aber keinesfalls etwas Gutes bedeuten konnten.

Wenn wir den Laden hinter uns gelassen hatten, führte uns unser Weg über eine Reihe verschlungener Pfade, Abkürzungen durch dichtes Buschwerk und offene Felder, auf denen wir für kurze Zeit vergessen konnten, dass wir Kinder in einer trostlosen Industriestadt waren, und uns vorstellten, wir wären Abenteurer auf Entdeckungsreise in der freien Natur. Erst der Anblick einer großen, mit Stacheldraht umzäunten Fabrik mit hohen, uneinsehbaren Fenstern erinnerte uns daran, dass wir zurück in der Zivilisation waren. Mir wurde jedes Mal ganz mulmig zumute, wenn wir dort vorbeikamen, weil ich dann immer mit Schaudern an eines unserer ersten »Abenteuer« denken musste, in das ich uns hineingeritten hatte.

Dank einer Kombination aus der Detektivausrüstung für Kinder, die ich davor zu Weihnachten bekommen hatte, und meinem ersten James-Bond-Film – Goldfinger – war ich letztes Jahr zu der Überzeugung gelangt, dass die Fabrik in Wirklichkeit russischen Spionen als Tarnung diente. Ich hatte mit Sharon über diese Möglichkeit gesprochen, die uneingeschränkt meiner Meinung gewesen war, wie damals noch bei allen meinen Ideen, und eines Tages vorgeschlagen, über den Zaun zu klettern und zu versuchen hineinzukommen.

Sharon hatte nur mit den Augen gerollt und einfach an der Eingangstür geklopft. Dem Mann, der uns öffnete, erklärte sie kurzerhand, wir müssten mal, und zwar dringend. Zum ersten Mal bekam ich eine Ahnung davon, wie genial einfallsreich sie sein konnte, wenn es darauf ankam, und ich war ehrlich beeindruckt. Der Mann zeigte uns, wo es zu den Toiletten ging, und ermahnte uns, den direkten Weg dorthin zu nehmen und gleich wieder zurückzukommen, doch wir entschieden uns natürlich für einen kleinen Umweg, nur für den Fall, dass wir etwas Spannendes fänden, das meine Spionage-Theorie stützen würde. Schließlich lugten wir durch die Tür eines kleinen Büros, in dem ein Mann in hellbraunem Anzug rauchend an einem ramponierten braunen Schreibtisch saß, umgeben von Wänden, die der Tabak über die Jahre ebenfalls braun gefärbt hatte.

»Was wollt ihr denn hier?«, erkundigte er sich freundlich, als wäre es das Normalste der Welt, dass zwei Elfjährige bei ihm in der Tür standen.

»Ähm. Wir wollten zur Toilette, aber haben uns wohl verl…«, begann Sharon.

»Was geht hier vor?«, platzte ich heraus. Ich hatte noch nicht gelernt, meine Neugier zu kaschieren. Der Mann hinter dem Schreibtisch hatte mich angelächelt und seine Zigarette in einem mächtigen braunen Aschenbecher ausgedrückt, in dem sich bereits haufenweise orange-weiße Stummel türmten.

»Wir stellen Sachen her. Aus Metall. Walzblech.« Er deutete auf ein Schild über seinem Kopf. Schofields Walzblech stand dort. Daraufhin hatten wir schleunigst den Rückzug angetreten. Hier waren keine Russen zu finden, nur Kenneth Pearson, der in unserer Straße wohnte und »Ey up« sagte, wenn wir uns draußen begegneten. Dieses kleine Abenteuer hatte nicht zu dem erhofften Ergebnis geführt, und seit jenem Tag beeilte ich mich immer, an dem Gebäude vorbeizukommen, weil ich nicht mehr daran erinnert werden wollte.

Wenn wir schließlich um die letzte Ecke vor der Schule bogen, erwarteten uns dort an den Wänden der mit Brettern vernagelten Textilfabrik üblicherweise in riesigen Graffiti die Worte Wogs go home, doch an diesem Tag wurden sie von einem enormen weißen Plakat verdeckt. Wie angewurzelt blieb ich stehen und starrte es an. Es bedeckte fast die ganze obere Hälfte des Gebäudes, und in der ersten Zeile standen die Worte West Yorkshire Police. Unter der Überschrift war in fetten schwarzen Buchstaben zu lesen: HELFENSIEUNS, DENRIPPERZUSTOPPEN.

Damit war ich gemeint, da war ich ganz sicher.

Sharon ging plaudernd weiter, bis sie merkte, dass ich nicht mehr neben ihr war, und ebenfalls stehen blieb.

»Was ist los?«, fragte sie.

»Ob wir ihn kennen?«, überlegte ich laut. »Glaubst du, wir sehen ihn vielleicht jeden Tag und haben keine Ahnung, dass er es ist?«

Sharon starrte mich an und kräuselte dabei die Nase, als fände sie die Idee völlig abwegig. »Darüber will ich gar nicht nachdenken«, sagte sie. »Und jetzt beeil dich, sonst kommen wir noch zu spät.«

Aber der Gedanke ließ mich nicht mehr los, und die tägliche sirenenartige Wirkung des Plakats sorgte dafür, dass ich anfing, überall und in jedem Mann, den ich sah, nach ihm Ausschau zu halten.

 

Kurz darauf fand unser Schulausflug statt. Ziel war die Stadt Knaresborough im Norden von Yorkshire, unweit von Harrogate. Tante Jean nannte Knaresborough das »feudale Yorkshire«. Sie zischte diese Worte genauso verächtlich, wie sie normalerweise »da unten im Süden« sagte, aber als ich an jenem Morgen aufstand, hatte sie ein Lunchpaket für mich vorbereitet und mir eine detaillierte Liste der Dinge hinterlassen, die ich auf den Ausflug mitzunehmen hatte. Schon wieder eine Liste. Ich musste lächeln, als ich ihre verschnörkelte und doch akkurate Handschrift und das doppelt unterstrichene Nicht Vergessen am oberen Rand eines verblichenen gelben Blatts sah, das sie aus ihrem Notizbuch herausgerissen hatte.

Beim Einsteigen in den Bus, dessen fleckige orangefarbene Lackierung die Roststellen nur notdürftig überdeckte, ließen alle Neil Callaghan und Reece Carlton den Vortritt. Das waren die beiden Jungs, die mit dem Spiel Ripper-Jagd angefangen hatten und dafür bekannt waren, ständig in Prügeleien verwickelt zu sein. Sie waren sogar schon beim Rauchen gesehen worden. Alle gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass sie die Sitze in der letzten Reihe für sich beanspruchen würden. Als Reece, ein hoch aufgeschossener Junge mit langen Armen und Beinen und eiskalten blauen Augen, an uns vorbeiging, warf er Sharon einen Kuss zu. Sharon verzog das Gesicht und verdrehte die Augen, aber ich konnte sehen, wie sich unter ihren Sommersprossen ein zartes Rosa ausbreitete. Selbst wenn sie rot wurde, sah sie noch hübsch aus.

Ich konnte nicht genau sagen, wann es angefangen hatte – dass Jungen auf Sharon ganz anders reagierten als auf mich –, aber mittlerweile war mir klar, dass sie auf sie eine Anziehung ausübte, die mir völlig fehlte. Im Gegenzug tat ich so, als wären die Jungen, und manchmal auch Männer, die Sharon anstarrten oder um sie herumscharwenzelten, schlicht unter meiner Würde. Auch wenn mir das Wissen, unsichtbar für sie zu sein, mitunter die Kehle zuschnürte.

»Weg da«, raunzte Reece einen stillen Jungen namens Ishtiaq an, der gerade in den Bus klettern wollte. Wortlos trat Ishtiaq zur Seite. Als Nächstes stiegen Sharon und ich ein, und wir zuckten kurz zurück, als uns der Geruch von abgestandenem Zigarettenrauch und Bleichmittel entgegenschlug. Wie gewohnt nahmen wir unsere Plätze in der Mitte des Busses ein, während weiter vorn die stilleren Schüler saßen, unter ihnen Ishtiaq. Dort standen sie unter dem Schutz unserer Lehrer, Mr Ware und Miss Stacey.

Auf der Hinfahrt sagte ich kein Wort, sondern starrte nur aus dem Fenster und hoffte inständig, mich nicht übergeben zu müssen. Stephen Crowther, der ganz vorn saß, hatte sich bereits in einen Eimer erbrochen, zum großen Ekel der anderen in seiner Nähe, und sosehr ich es auch hasste, von den Jungen in meiner Klasse nicht zur Kenntnis genommen zu werden, konnte ich auf diese Art von Aufmerksamkeit gut verzichten.

Während Sharon die ganze Zeit aufgeregt mit den Mädchen hinter uns plauderte, nahm die Lautstärke im Bus langsam zu, als Neil und Reece anfingen, miteinander zu raufen, und andere den Reim sangen, der seit den Wahlen die Runde machte. Dabei malte man ein Strichmännchen auf eine Hand, hielt sie hoch und befolgte den Liedtext:

Mach aus Margaret Matsch

Wirf sie in die Luft und – patsch!

Quitsch Quatsch Quitsch Quatsch

Und schon ist Margaret Matsch.

Die Sache endete, indem man triumphierend die verwischten Spuren des Strichmännchens auf der anderen Hand präsentierte. Margaret Thatcher war bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht worden.

Als der Lärm zunahm und den vorderen Teil des Busses erreichte, tauchte Mr Wares Kopf über seinem Sitz auf, und Schweigen senkte sich über die Klasse. Er musterte uns, wobei sich seine dunklen Augen nacheinander in jeden einzelnen seiner Schüler zu bohren schienen, dann wartete er noch einige Augenblicke, für den Fall, dass irgendwelche Zweifel an seiner Allmacht bestünden. Schließlich blickte er auf einen Zettel in seiner Hand und sagte: »Also, Leute. Die gute alte Mother Shipton wurde im Jahr 1488 geboren und war später als Prophetin von Knaresborough bekannt. Weiß irgendjemand, was das Wort bedeutet?«

»Nein, Mr Ware«, antworteten wir alle gehorsam im Chor, außer Stephen Crowther, der mit seinem Kopf immer noch über dem Eimer hing.

»Es bedeutet, dass sie in die Zukunft sehen konnte. Sie lebte in der Höhle, die wir heute besuchen werden, und die ganze Stadt fand sie ziemlich sonderbar – ein bisschen so wie wir dich, Crowther«, fügte er hinzu und sah auf den armen Stephen hinunter. »Ihre Petrifying Well, die Quelle, die alles versteinert, ist angeblich verzaubert, und manche behaupten, dass Wünsche wahr werden, wenn man eine Kupfermünze hineinwirft.« Mit einem Augenrollen und Kopfschütteln machte er klar, was er von derlei volkstümlichen Überlieferungen hielt.

Mir gefiel die Sache mit Mother Shipton und ihrer Quelle.

Es war warm und sonnig, als wir in Knaresborough eintrafen, ein ziemlicher Kontrast zu der kalten und dunklen Höhle, in der es feucht und modrig roch. Das Echo der langsam und rhythmisch von der Decke fallenden Tropfen hallte durch das Höhleninnere, und die Spielsachen, Schuhe, Hüte und Wasserkessel, die im Eingang zur Höhle hingen, sahen aus, als wären sie geradewegs einem düsteren Märchen entsprungen. Die geheimnisvolle Macht des Wassers hatte sie versteinert.

»Okay, seid mal alle still und hört zu«, sagte Miss Stacey. »Haltet eure Münzen bereit und denkt darüber nach, was ihr euch wünschen wollt. Überlegt es euch gut. Achtet darauf, dass es etwas ist, von dem ihr auch wirklich wollt, dass es wahr wird. Und ganz wichtig ist, dass ihr niemandem euren Wunsch verratet, sonst klappt es nicht.«

Als ich an der Quelle stand, ließ ich mir die verschiedenen Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Ich sah zu Sharon hinüber, die wegen des moderigen Geruchs gerade leicht die Nase rümpfte. So lange blonde Locken wie sie zu haben, war mein Traum – mit meinen kurz geschnittenen braunen Haaren sah ich peinlicherweise wie ein Junge aus. Aber ich würde auch gern die Zeit zurückdrehen, zurück in die Zeit vor dem Tag, an dem Mum sich so verändert hatte. Allerdings war mir klar, dass die Wunschquelle nicht ganz so große Wunder vollbringen konnte. Ich spielte mit dem Gedanken, mir zu wünschen, dass wir nicht nach »da unten in den Süden ziehen« würden, um mich niemals von Sharon trennen zu müssen.

Zu guter Letzt entschied ich mich für einen Wunsch, der das Leben aller, die ich kannte, verändern sollte, einen Wunsch, den ich noch zutiefst bereuen sollte.

Als ich schließlich meinen Penny in die Quelle warf, wünschte ich mir, diejenige zu sein, die den Yorkshire Ripper zur Strecke bringen würde.

 

Wäre Ruby, Sharons Mum, nicht gewesen, wären Sharon und ich nie Freundinnen geworden. An einem Sonntag in der Kirche war sie zu mir und Dad herübergekommen. Es war noch nicht lange her, dass Mum anders geworden war, weswegen sie nicht mehr in die Kirche ging, aber Dad ging noch. Er hatte seinen Glauben noch nicht verloren. Jedenfalls kam er immer noch, um mich im Chor singen zu hören, wie jeden Sonntag. Das gehörte zu den Dingen, die ich am liebsten tat, weil es mich an Mum erinnerte. Wenn ich sang, fühlte ich mich ihr nahe. Tante Jean ging nie in die Kirche. »Wohltätigkeit fängt zu Hause an«, pflegte sie zu sagen.

Der Gottesdienst am Morgen war gerade vorbei, der Vikar hatte für die Seele von Jean Jordan gebetet, dem jüngsten Opfer des Rippers, über das gerade in den Nachrichten berichtet worden war. Niemand schien sich damals Sorgen zu machen. Der Ripper schien weit weg von unserer kleinen Stadt zu sein. Er war in den großen Städten unterwegs, und seine Opfer wurden leise flüsternd bemitleidet. Das waren nicht Leute wie wir. Wir waren rechtschaffene Menschen, und in unserer Kirche waren wir sicher.

Wir standen an der Pforte, und ich starrte gerade die rissigen, mit Moos überzogenen Grabsteine vor mir an. Ich fragte mich, ob die ermordeten Frauen hierhin kommen würden. Ob sie auf so einem Friedhof begraben werden durften, nach allem, was hinter vorgehaltener Hand über sie getuschelt wurde. Ich hob den Kopf und wollte Dad fragen, aber er unterhielt sich gerade leise mit Ruby, also wartete ich. Irgendwann wandten sie sich mir zu, und Ruby beugte sich zu mir hinunter und sah mir ins Gesicht. Ein Hauch von Charlie-Parfüm umwehte sie. Ich musste blinzeln, als sie mich anlächelte und sagte: »Hättest du Lust, einmal zu uns zum Abendessen zu kommen? Damit deine Mum und dein Dad mal eine kleine Pause haben?«

Mir war zwar nicht ganz klar, was genau an mir so anstrengend war, dass jemand eine Pause von mir brauchte, aber mit dem blonden Pagenkopf, der ihr freundliches Gesicht einrahmte, sah Ruby aus wie Purdey von The New Avengers, und ich fühlte mich unmittelbar zu ihr und ihrem himmlisch duftenden Lächeln hingezogen. Eigentlich fühlten sich alle zu ihr hingezogen, sogar mein Dad.

»Ja, sehr gern, Mrs Parker«, antwortete ich und versuchte gar nicht erst, die Begeisterung in meiner Stimme zu verbergen.

Als ich das erste Mal die Auffahrt zu den Parkers hinaufging, hatte ich ziemlich weiche Knie. In dem Moment hätte ich alles dafür gegeben, an der Hand meines Vaters zu gehen, aber ich war zehn und wusste, dass ich zu alt dafür war. Sharons Haus ragte stolz und freistehend vor uns auf, und mit seinen breiten Schiebefenstern und den makellos weißen Fensterrahmen strahlte es Ordnung und Gemütlichkeit aus. Ruby öffnete die Tür, und direkt hinter ihr entdeckte ich Sharon, von der wie in einem Cartoon nur eines ihrer großen blauen Augen und das lockige blonde Haar wie ein halber goldener Heiligenschein hervorlugten. Ich kannte Sharon natürlich bereits, schließlich besuchten wir dieselbe Schule. Aber sie war mir immer wie eine Märchengestalt – eine Prinzessin oder eine Fee – erschienen, und in solchen Geschichten hatte ich nichts verloren. Als sie hinter ihrer Mum hervorsprang und in voller Größe vor mir stand, streckte sie mir ihre Hand entgegen. Verwirrt starrte ich sie nur an, also packte sie mich kurz entschlossen bei der Hand und zog mich ins Haus und hinauf in ihr Zimmer, um mir ihre Holly-Hobbie-Tapete und die dazugehörige Puppe zu zeigen, während Dad und Ruby an der Haustür standen und sich unterhielten. Ich verabschiedete mich nicht einmal.

Sharon besaß mehr Teddys und Puppen, als ich je gehabt hatte. Wie eine Art regenbogenfarbener Schutztrupp waren sie vom Kopf- bis zum Fußende ihres Betts nebeneinander aufgereiht, während ich starr vor Ehrfurcht auf dem kleinen Hocker vor ihrer Frisierkommode hockte. Ich hatte schreckliche Angst, etwas zu tun, was ich nicht durfte oder was dazu geführt hätte, wieder gehen zu müssen. Und obwohl ich mich im ersten Moment so unwohl fühlte, wollte ich so wahnsinnig gern dort bleiben, dass es beinahe körperlich wehtat. Ich spürte, wie meine Wangen glühten, nicht nur wegen der starren Blicke der leblosen Gestalten auf dem Bett, sondern auch wegen der ungewohnten Wärme, die der Heizkörper verbreitete.

Mucksmäuschenstill saß ich da. Und wartete ab. Damals hatte ich bereits die Entdeckung gemacht, wie viel die Leute von sich preisgaben, wenn man selbst stumm blieb. In kürzester Zeit erfuhr ich also, dass Sharon Meerschweinchen mochte und am liebsten mit ihrer Holly-Hobbie-Puppe spielte, die sie – meiner Meinung nach wenig einfallsreich – Holly genannt hatte. »Du redest nicht so viel, oder?«, fragte sie schließlich mit zur Seite geneigtem Kopf, als wäre ich ein seltenes Objekt, aus dem sie nicht ganz schlau wurde.

»Ich höre nur zu«, antwortete ich.

Als Ruby uns zum Abendessen rief, hatte Sharon immer noch kein bisschen über mich erfahren, aber ich konnte fühlen, wie ich angesichts ihres beharrlichen freundlichen Geschnatters allmählich auftaute.

Als wir die Fischstäbchen, Pommes und Erbsen aufgegessen hatten – sogar das Essen war hier viel farbenfroher als bei mir zu Hause, wo alles grau und braun war –, machte ich Anstalten, vom Tisch aufzustehen.

»Wo willst du hin? Wir hatten doch noch gar keinen Nachtisch«, meinte Sharon.

Seit dem Tag, an dem Mum sich verändert hatte, war alles, was im weitesten Sinne als Süßigkeit gelten konnte, in kürzester Zeit aus unserem Leben verschwunden, und ich hatte ganz vergessen, dass es so etwas wie Nachtisch gab. Als Ruby Schälchen mit Biskuitrolle und Vanillesoße vor uns hinstellte, hopste ich bei jedem Bissen regelrecht auf meinem Stuhl auf und ab. Ich summte vergnügt vor mich hin, als ich bemerkte, wie Ruby und Sharon mich beobachteten. Auf Rubys Gesicht lag ein sonderbar weicher Ausdruck, fast so, als täte ihr etwas weh.

An diesen Blick von den Müttern anderer Kinder würde ich mich mit der Zeit gewöhnen.

Kurz bevor Dad mich wieder abholte, wickelte Ruby ein Stück Kuchen in Küchenrolle ein, als wäre ich auf einer Geburtstagsparty gewesen. »Bitte schön«, sagte sie. »Den kannst du ja morgen zum Nachtisch essen.« Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und wiederholte dieses Ritual jeden einzelnen Donnerstagabend, an dem ich bei ihnen essen durfte, bis alles so kam, wie es kam.

Sharon hatte also gar keine andere Wahl, als meine Freundin zu werden – aber sie war lieb und nett und hatte nichts dagegen –, und irgendwie passten wir so gut zusammen, dass wir unzertrennlich wurden. Unsere Freundschaft war wie eine Wippe: Ich hatte die Ideen, und Sharon setzte sie um. Wir sorgten gegenseitig dafür, dass wir im Gleichgewicht blieben. Ein Leben ohne sie war für mich unvorstellbar.

Und genau deswegen konnte ich unmöglich zulassen, dass wir aus Yorkshire weggingen.

 

Kaum hatte ich meinen Penny in die Wunschquelle geworfen, begann der Ripper, mich auch im Schlaf zu verfolgen. Immer wieder hatte ich den gleichen Albtraum, in dem ein Mann ohne Gesicht mich in seinen schmutzigen weißen Lieferwagen zerrte. Irgendwie wusste ich, dass er mich entführen wollte, und hämmerte von innen an die Türen, aber egal wie kräftig ich auch dagegenschlug, meine Hiebe erzeugten keinerlei Geräusch, und mir war klar, dass niemand mich hören konnte.

Tagsüber verschlang ich sämtliche Zeitungsartikel. Was hatte die Polizei übersehen? Wie konnte man ihn ausfindig machen? Im Yorkshire Chronicle wurde einer der zuständigen Polizeibeamten interviewt und sprach von den »komplexen Ermittlungen und der Notwendigkeit, stringent und strukturiert vorzugehen«, und wenn ich das meiste davon auch nicht verstand, klammerte ich mich doch an diese Worte. Sie erinnerten mich an Tante Jean und ihre Listen und ihre Bemühungen, Ordnung in unserem Leben zu schaffen.

Ich überlegte hin und her, ob ich Sharon von meinem Wunsch erzählen sollte. Einerseits hatte Miss Stacey uns eingeschärft, dass unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen würden, wenn wir sie jemand anderem anvertrauten, andererseits wusste ich, dass ich Hilfe bräuchte, wenn ich den Ripper finden wollte. Schließlich entschied ich, dass keine Gefahr bestand, weil Sharon einzuweihen im Grunde nichts anderes war, als wenn ich einen Teil von mir selbst ins Vertrauen ziehen würde. Also brachte ich das Thema gleich zur Sprache, als ich das nächste Mal zum Abendessen bei den Parkers war.

Wir waren in Sharons Zimmer, und ich saß auf dem Bett und blätterte durch eine alte Blue Jeans-Ausgabe. Die Stofftiere und die Holly-Hobbie-Tapete waren durch eine beigefarbene Strukturtapete, Lipgloss und Blondie-Poster ersetzt worden, auf denen Sharon bestanden hatte, als sie zwölf geworden war, aber die Holly-Hobbie-Puppe hockte zu meiner Erleichterung noch auf ihrem Kissen. Sharon saß an ihrem Frisiertisch, bedachte ihr Spiegelbild mit einem Schmollmund und hielt ihre blonden Locken zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, wie das Mädchen auf der Titelseite.

»Ich habe eine Idee«, begann ich. »Eine wirklich wichtige«, fügte ich hinzu, um sie klar von den eher albernen Einfällen abzugrenzen, für die ich sie bisher versucht hatte zu begeistern. Die Fabrik mit den russischen Spionen war dabei nur der Anfang gewesen, gefolgt von vielen anderen Eingebungen. Eine Weile hatten wir so getan, als wären wir Hexen und würden alle, die wir nicht leiden konnten, mit einem Fluch belegen. Danach waren wir eine Zeit lang davon überzeugt gewesen, einer unserer Lehrer sei in Wahrheit ein Roboter. Manchmal – und seit Kurzem immer öfter – hatte ich die Befürchtung, dass Sharon mir vielleicht nicht mehr auf meine Fantasiereisen folgen wollte. Dieses Mal warf sie mir mit hochgezogener Braue im Spiegel einen Blick zu, griff nach ihrem Impulse-Bodyspray und nebelte sich mit dem süßen Duft so gründlich ein, dass ich husten musste.

»Ich werde nicht wieder so tun, als wären wir Aliens«, erklärte sie.

Es lag nicht nur an meinem Hustenanfall, dass ich knallrot anlief. Diese Episode hatte ich ganz vergessen – sie hatte begonnen, als wir zum ersten Mal Star Wars gesehen hatten.

»Nein«, sagte ich. »Es geht um den Ripper. Was hältst du davon, wenn wir versuchen, ihn zu finden?«

»Wovon um alles in der Welt redest du da? Wie sollen wir den Yorkshire Ripper fangen, wenn nicht mal die Polizei dazu in der Lage ist?«

Ich seufzte. Dass sie meine Ideen kritisch hinterfragte, war ein neues und in meinen Augen durchaus verzichtbares Element in unserer Freundschaft. Dennoch war es ein berechtigter Einwand. Wie sollten wir vorgehen? Was wir brauchten, war ein Plan, wir mussten Hinweise sammeln und sie ordnen.

Ich musste an den Polizisten denken, und dass er etwas von Struktur gesagt hatte, und dann fielen mir Tante Jean und ihr Notizheft ein, und auf einmal erschien mir die Umsetzung meiner Idee wie ein Kinderspiel. Kristallklar hatte ich vor Augen, was wir zu tun hatten.

»Wir erstellen eine Liste«, verkündete ich. »Eine Liste mit allen Leuten und Sachen, die wir sehen und die uns verdächtig vorkommen. Und dann … Und dann ermitteln wir.«

»Kannst du mir bitte verraten, warum wir das machen sollten?«

»Na ja, wenn wir ihn kriegen, bekommen wir vielleicht die Belohnung, die die Polizei ausgesetzt hat. Stell dir nur vor, was wir alles davon kaufen könnten! So viele Bücher und Lipgloss und Süßigkeiten, wie wir nur wollen.«

Sharons Spiegelbild lächelte mich an.

»Aber selbst wenn nicht, denk doch nur an all die Prostituierten, die wir retten würden.«

Auch wenn wir beide nicht wussten, was Prostituierte waren, hoffte ich, dass Sharon die Vorstellung, jemanden zu retten, gefallen würde, denn Sharon war der netteste Mensch, den ich kannte.

»Und alle wüssten dann, wer ich – ich meine, wer wir sind«, fügte ich hinzu.

Dann wäre Schluss mit dem Unsichtbarsein. Keine schmerzerfüllten Blicke mehr von fremden Müttern.

»Hmmm«, machte sie. »Ich denke mal darüber nach.«

 

Am nächsten Tag schwebte mein Vorschlag, den Ripper zu fangen, den ganzen Schulweg über in der Luft. Ich versuchte, von etwas anderem zu reden, damit Sharon von sich aus darauf zu sprechen kam, aber wie immer war er einfach allgegenwärtig. Ob es die Flugblätter an den Laternenpfählen waren oder die Schlagzeilen am Zeitungsständer vor dem Laden an der Ecke – vor dem Ripper gab es kein Entkommen, ob wir wollten oder nicht. Was mich in meiner Überzeugung, zu versuchen, ihm das Handwerk zu legen, nur bestärkte.

Vor dem Schultor blieben wir in stillem Einverständnis kurz stehen und sahen Seite an Seite der Ripper-Jagd zu, die gerade auf dem Pausengelände im Gange war. Mit ernster Miene und langen Schritten flog Reece Carlton förmlich über den Betonplatz und setzte dem armen Mädchen nach, auf das er es abgesehen hatte, die blauen Augen unverwandt auf seine Beute gerichtet.

Ich kannte Reece seit der Grundschule. Er war damals deutlich kleiner als die anderen Jungen gewesen, aber hatte älter gewirkt mit seinen eingefallenen Wangen und den Augen, die dreinblickten, als wüssten sie Dinge, von denen wir keine Ahnung hatten. Er war schüchtern – er klammerte sich jeden Tag an seine Mum, wenn sie ihn zur Schule brachte – und setzte sich immer ganz nach hinten, wo er in sich zusammengesunken kauerte, bis es Zeit war, nach Hause zu gehen. Wir beide waren die Ersten in der Klasse, die lesen konnten, und genossen einige Privilegien. Wir durften uns irgendwo hinsetzen und ohne Aufsicht Bücher lesen – worauf ich damals mächtig stolz war. Es war eine Zeit gewesen, in der man noch nicht gehänselt wurde, wenn man gut in der Schule war. Wie oft hatten wir friedlich zusammengesessen und gelesen. Der Reece von damals war inzwischen spurlos verschwunden. Nichts davon war noch in dem Jungen wiederzuerkennen, den wir jetzt vor uns hatten.

Das Mädchen, das er jagte, stolperte, und mit angsterfülltem Gesicht rappelte sie sich wieder auf und rannte weiter. Ich spürte, wie mein Herz beim Anblick ihrer Panik schneller schlug, Spiel hin, Spiel her. Ich fragte mich, was die Frauen fühlten, die von dem echten Ripper verfolgt wurden. Ein Schauer überlief mich, und ich merkte, wie Sharon die Hand auf meinen Arm legte.

»Okay«, sagte sie. »Wir machen es. Mal sehen, ob wir ihn kriegen.«

Ich nickte und beeilte mich, vor ihr durch das Schultor zu gehen und in das Gedränge auf dem Hof einzutauchen, damit sie nicht das Lächeln sah, das sich auf meinem Gesicht ausbreitete.

Die verdächtigen Dinge

1Miv

Nummer eins

 

Unsere Suche nach dem Ripper begann am letzten Schultag vor den Ferien im Mai, einem der ersten richtig warmen Tage. Die Sonne hatte für volle Wäscheleinen gesorgt, die kreuz und quer über die Gassen hinter den Reihenhäusern gespannt waren. Auf unserem Weg zum Gemischtwarenladen an der Ecke schlängelten wir uns an den vom Wind wie Zeichentrick-Gespenster aufgeblähten Laken vorbei, begleitet von dem Geschnatter der Frauen, die über die Mauern hinweg die Lage der Nation erörterten und den alten Zeiten hinterhertrauerten, in denen alles besser gewesen war. Sie klangen wie Tante Jean in Dauerschleife.

Sharon und ich waren vorher schnell nach Hause gerannt, um unser Taschengeld zu zählen, damit wir uns im Laden die aktuellen Zeitungen kaufen konnten. Auch wenn er für kurze Zeit von Margaret Thatcher verdrängt worden war, beherrschte der unheimliche Ripper immer noch die Titelseiten. Sein Schatten schien sich sogar über die Frühjahrssonne zu legen.

Als wir unser Erspartes zusammenlegten, stellten wir fest, dass wir reich waren. Insgesamt kamen wir auf stolze viereinhalb Pfund. Zugegebenermaßen gehörte das meiste Sharon. Sie bekam zwanzig Pence pro Woche, während ich mir mein Taschengeld mit kleineren Arbeiten im Haushalt verdiente, was