Vatersein - Tillmann Prüfer - E-Book

Vatersein E-Book

Tillmann Prüfer

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Beschreibung

Wie wir uns als Väter neu finden können - und müssen. Heute wird sehr viel über die Väter diskutiert, und trotzdem gibt es ein seltsames Schweigen. Nämlich das der Väter. Besser ist: Wir nutzen die historische Möglichkeit, aus dem Muster der tradierten Männer-Rollen auszubrechen und uns klarzumachen: Was will ich als Vater? Was sollen meine Kinder davon haben? Wie werden wir alle glücklicher?  Der neue Feminismus ist eine große Chance – besonders für uns Männer. Wir rühmen uns doch gerne, dass wir das Auto, die Glühbirne und die Mondrakete erfunden haben. Da dürfte die Neuerfindung der männlichen Rolle in der Familie doch ein Klacks sein, oder? Also, auf ins Gefecht – besser: ins Geschlecht. «Nach der Lektüre dieses Buches möchte ich am liebsten als Vater noch mal von vorne anfangen.»  Jan Weiler

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Seitenzahl: 255

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Tillmann Prüfer

Vatersein

Warum wir mehr denn je neue Väter brauchen

 

 

 

Über dieses Buch

Wie wir uns als Väter neu finden können – und müssen

 

Heute wird sehr viel über die Väter diskutiert, und trotzdem gibt es ein seltsames Schweigen. Nämlich das der Väter. Besser ist: Wir nutzen die historische Möglichkeit, aus dem Muster der tradierten Männer-Rollen auszubrechen und uns klarzumachen: Was will ich als Vater? Was sollen meine Kinder davon haben? Wie werden wir alle glücklicher?

Der neue Feminismus ist eine große Chance – besonders für uns Männer. Wir rühmen uns doch gerne, dass wir das Auto, die Glühbirne und die Mondrakete erfunden haben. Da dürfte die Neuerfindung der männlichen Rolle in der Familie doch ein Klacks sein, oder?

Also, auf ins Gefecht – besser: ins Geschlecht.

 

«Nach der Lektüre dieses Buches möchte ich am liebsten als Vater noch mal von vorne anfangen.» Jan Weiler

Vita

Tillmann Prüfer, geboren 1974, ist Stellvertretender Chefredakteur des ZEITmagazins, wo seit 2018 wöchentlich seine beliebte Kolumne «Prüfers Töchter» erscheint. Seine beiden Bücher «Kriegt das Papa, oder kann das weg?» und «Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus!» wurden von Presse und Publikum gefeiert. Tillmann Prüfer lebt mit seiner Familie in Berlin.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Dezember 2022

Copyright © 2022 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Cordula Schmidt Design, Hamburg

Coverabbildung DEEPOL/Plainpicture

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01418-3

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Für meine Mutter

Prolog

Warum sind wir hier?

Als ich vor zwanzig Jahren das erste Mal Vater wurde, gab es niemanden, der mich nur irgendwie darauf vorbereitet hätte. Ich war 25 und schon auf etliches im Leben trainiert worden. Auf Bundesjugendspiele, die Konfirmation, den Führerschein. Man fand es wichtig, dass ich eine Wurzelgleichung lösen konnte, ich wusste, wie der Zitronensäurezyklus funktioniert und wann der Dreißigjährige Krieg stattgefunden hat. Aber wie es wäre, Vater zu sein, darüber erzählte mir niemand etwas. Es schien sich um ein merkwürdig vorausgesetztes Wissen zu handeln. So fundamental, dass man es nicht einmal erwähnen musste. Oder besser gesagt, es hat damals kein Schwein interessiert.

Heute wird sehr viel über Väter diskutiert – und trotzdem gibt es ein seltsames Schweigen. Nämlich das der Väter. Sie sagen nicht, was sie wollen, sie äußern nicht, was sie sich von ihrer Vaterschaft versprechen. Sie sprechen nicht aus, was die wichtigsten Dinge sind, die sie ihren Kindern vermitteln wollen. Dank des Feminismus und der Hinterfragung konservativer Lebensmodelle wissen wir nun, dass es gerechter, angemessener und besser ist, wenn sich Männer an der Care-Arbeit beteiligen und nicht nur stiernackig ihre Karrieren verfolgen. Aber was Kinder von ihren Vätern haben sollen und was Väter ihren Kindern geben wollen – davon ist keine Rede.

Stattdessen macht sich unter Vätern ein leichtes Beleidigtsein breit. Als würden irgendwelche Feministinnen ständig neue Forderungen stellen, denen man irgendwie pflichtschuldig nachkommen muss, um nicht auf der Seite des toxischen Patriarchats verortet zu werden. Als hätten wir unsere Schuldigkeit getan, indem wir einen bestimmten Betrag auf ein Quality-Time-Konto einzahlen – und könnten dann einfach weiterwurschteln. Als hätten sich die Aufgaben eines Vaters schon darin erschöpft, dass er brav seine Elternzeit absitzt, regelmäßig mit dem Kinderwagen um den Block schiebt und sich am Abwasch beteiligt. Reicht die väterliche Fantasie zu mehr nicht?

Ich finde, sie muss. Denn der neue Feminismus ist vor allem eine große Chance für die Väter. Er ist eine historische Möglichkeit, aus dem Muster der tradierten Männerrollen auszubrechen und sich klarzumachen: Was will ich? Was möchte ich selbst verändern? Und was sollen meine Kinder davon haben? Wie werden wir alle glücklicher? Keine Generation von Vätern hatte dazu solch gute Gelegenheiten wie unsere.

Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, dass wir Männer eine eigene Haltung zum Vatersein definieren. Dass wir uns darüber klar werden, wie viele Vaterideen uns im Kopf rumschwirren, die wir für uns selbst gar nicht gebrauchen können. Die gute Nachricht ist ja: Die Neudefinition der gesellschaftlichen Rollen müssen wir nicht als Bedrohung begreifen, sondern wir können selbst kreativ werden. Zum ersten Mal in der Geschichte können wir unsere Rolle aktiv gestalten. Dieser Freiraum ist durch den Feminismus erst eröffnet worden. Dafür können Männer dankbar sein!

Die wichtigste Arbeit haben also die Frauen gemacht, jetzt sind wir dran. Denn das Ende des Patriarchats ist nicht nur eine gute Nachricht für Frauen und Mütter – sondern noch eine viel bessere für Väter.

Wir Männer rühmen uns doch gerne, dass wir das Auto, die Glühbirne und die Mondrakete erfunden haben. Da dürfte die Neuerfindung der männlichen Rolle in der Familie doch ein Klacks sein, oder?

Also, auf ins Gefecht – besser: ins Geschlecht.

Los geht’s!

Teil I: Der Feminismus als Chance für Väter

Schluss mit der Väter-Verunsicherung

Es war ein Tag im Juni, als ich verstand, wozu ein Vater gut ist. Ich war sechs Jahre alt. Vor wenigen Tagen war mein Bruder geboren worden, ein Ereignis, von dem ich noch nicht genau sagen konnte, wie ich es einordnen sollte. Ich fand ihn okay, allerdings war er sehr klein, konnte nichts und schrie zu allen Gelegenheiten.

Meine Mutter war mit dem Kleinen noch im Krankenhaus, mein Vater mit meiner Schwester und mir zu einem Gewässer in der Umgebung gefahren, das Sauteich hieß. Ein dunkler Tümpel im Wald, in dem es Kaulquappen gab. Die Kaulquappen fingen wir und taten sie in ein Glas, um in einem kleinen Aquarium zu beobachten, wie daraus Frösche wurden. Sie bekamen erst kleine Beinchen und dann kleine Ärmchen, und dann sahen sie ein bisschen so aus wie mein kleiner Bruder: knubbelige Viecher von einem anderen Stern.

Mein Vater allerdings wollte an jenem Sommertag Stichlinge fangen. Das sind hübsche Fische, bei denen die Männchen einen roten Bauch haben. Die Stichlinge wollte er für unseren Gartenteich haben. Mein Vater hatte einen langen Kescher, auch wir Kinder hatten Kescher von ihm in die Hand gedrückt bekommen. Bewegungslos wie ein Reiher starrte mein Vater auf das Wasser und lauerte. Von Zeit zu Zeit schoss sein Kescher in den Teich, und mein Vater zog ihn dann wieder heraus und durchsuchte ihn, aber außer Blättern und Mulm fing er nichts. Dann verfiel er wieder in seine Reiherstarre. Meine Schwester schaute neben ihm aufs Wasser. Mich beachteten sie nicht.

In der Teichmitte gab es ein Entenhäuschen. Ich schlenderte am Ufer entlang und zog meinen Kescher durch das Wasser. Ich wollte es besser machen als die beiden. Denn wenn ich das ganze Wasser einmal durch den Kescher strömen ließe, dann müsste ja auch das Wasser dabei sein, in dem all die Fische sich aufhielten. Daran dachte ich, als mein Kescher am Grund an etwas hängen blieb, vielleicht an einem besonders großen Fisch. Im nächsten Moment war ich schon ins modrige Wasser geplatscht.

Meine erste Idee war: schwimmen. Gleich fiel mir ein, dass ich gar nicht schwimmen konnte. Mein zweiter Gedanke war, mich einfach auf den Grund des Teiches sinken zu lassen und dann zur Enteninsel zu spazieren. Zu einem dritten Einfall kam es nicht mehr, denn da war bereits mein Vater neben mir und zog mich heraus. Er fluchte, aber er war gar nicht sauer. An die Stichlinge dachte keiner von uns mehr. Er war auch nicht wütend, dass ich den Autositz unseres Renault R4 nass machte. Irgendwie war er sogar froh.

Das also ist ein Vater, ging mir in diesem Moment auf: Jemand, der herangesprintet kommt, wenn du in Schwierigkeiten gerätst, und dich aus dem Schlamassel zieht. Wenn du einen Vater hast, dann kann dir nichts passieren. Ein Vater macht dich unbesiegbar. Und das ist schon gut.

Für meinen Vater war dieser Moment, als er seinen Sohn aus dem Sauteich zog, später eine der Geschichten, die er gerne bei Tisch erzählte. Für mich würde er lebenswichtig bleiben. Denn damit hatte ich verstanden, wozu man einen Vater braucht. Meine Mutter war damals für mich die fürsorgende Person, die mich umarmte, mich verstand und mir einen warmen Kakao machte. Der Vater aber war der, der mir bei Schwierigkeiten zu Hilfe eilte. Ich lernte, dass man gar nicht genug Unfug anstellen konnte, als dass einen der Vater nicht überall herausboxen würde.

Du bekommst Ärger mit dem Pausenhofschläger? Keine Sorge, dein Vater beschwert sich beim Lehrer. Eine Wespe sticht dich? Sofort saugt dein Vater dir den Stich aus. Du verstauchst dir den Fuß? Tatütata, dein Vater fährt dich ins Krankenhaus und bleibt mit dir in der Notaufnahme, bis dein Knochen geröntgt ist. Eigentlich kann nichts so schlimm sein, dass es ein Vater nicht wiedergutmachen könnte. Das gibt Zutrauen in die Welt. Plötzlich ist man gegen alles Mögliche versichert.

Mein Vater war damals kein großer Mann, die anderen Väter waren meist größer als er. Aber dennoch war ich mir sicher, dass er ihnen in jeder Hinsicht überlegen war. Ich konnte gar nicht sagen, wie stark mein Vater war. Wie soll man das auch abschätzen können als kleiner Junge? Man sieht den eigenen Vater ja nicht etwa Bäume ausreißen oder so. Er musste auch keine Säcke mit Steinen schleppen. Er arbeitete damals als Zahnarzt. Ich war mir aber sicher, dass er sehr stark war, denn bevor mein Vater eine Zahnarztpraxis aufgemacht hatte, war er Pirat in der Karibik gewesen. Das hatte er mir selbst erzählt. Für mich bestand daran kein Zweifel, denn es gab ja Beweise. Im Keller lag eine Holzkiste mit eindeutigen Utensilien. Mein Vater zeigte sie mir manchmal unter dem Siegel der Verschwiegenheit. In der Kiste gab es ein Messer, das hatte mein Vater beim Entern immer zwischen den Zähnen gehabt, wenn er sich mit einem Seil auf das andere Schiff schwang. «Merk dir, mein Sohn, wenn du ein Schiff enterst, immer Schneide nach vorne!», sagte er, «sonst hast du ein ewiges Lächeln im Gesicht, wenn du mit dem Messer wo gegenstößt.» Ich verstand nichts, aber es leuchtete mir ein. Noch heute würde ich jedes Schiff mit Messerklinge voraus entern.

In der Kiste lag auch ein kleiner Totenkopf mit glitzernden Augen aus Strass. Jeder Pirat brauche einen Totenkopf, sagte mein Vater. Und dann gab es sogar eine kleine Kanone. So klein, dass höchstens Feuerwerkskörper in das Rohr passten. Aber mein Vater sagte, Piraten hätten immer kleine, wendige Schiffe gehabt, damit man die plumpen Handelsschiffe besser stellen könne. Kleine Schiffe – kleine Kanonen. Logisch. Es gab für mich also keinen Zweifel an der Darstellung meines Vaters.

Die Seeräuberei sei leider in den moderneren Zeiten nicht mehr so lukrativ gewesen, erzählte er. Und außerdem seien dann ja wir Kinder gekommen. Da habe er etwas Solides gesucht und deshalb auf Zahnarzt umgeschult. Auch das war für mich nachvollziehbar. Ich war mir aber sicher: Wenn es irgendwann mal richtig Ärger geben würde, könnte mein Vater mühelos an seine Piraten-Kenntnisse anknüpfen und wer immer in seinem Weg stünde, den würde er einfach zu Hackfleisch verarbeiten. Ein beruhigendes Gefühl.

Mein Vater hat die Seeräuber-Geschichte nie aufgelöst. Wenn ich ihn heute noch danach frage, behauptet er weiterhin, dass er einst die Südsee unsicher gemacht hat. Wahrscheinlich stimmt es.

 

Mittlerweile habe ich vier Töchter, sie sind neun, fünfzehn, sechzehn und zweiundzwanzig. Vatersein ist meine Hauptbeschäftigung. Wenn ich meinen fünfzigsten Geburtstag feiere, werde ich länger Vater sein als irgendetwas anderes im Leben.

Aber Vaterschaft scheint heute eine komplizierte Angelegenheit zu sein. Man möchte es richtig machen, aber man weiß nicht recht, woran man sich halten soll. Was eine gute Mutter ist, davon haben viele Menschen klare Vorstellungen: Die gute Mutter ist fürsorglich, empathisch und opferbereit. Aber der gute Vater? Der wird ständig neu ausgerufen, in Papa-Blogs, Papa-Podcasts und Papa-Magazinen. Mal ist er der perfekte Assistent der Mutter, mal das beschützende Vorbild, mal der beste Kamerad der Kinder – und dabei natürlich auch noch ein super Mann, der seiner Frau etwas zu bieten hat. Diese Superpapas geben Tipps wie: «So wirst du ein guter Vater!» («keine Raketenwissenschaft»). Manchmal erscheint es sogar, als sei Vatersein eine Funsportart: Väter mit Sechstagebart toben in Werbespots mit ihren Kids in der Natur, wie in Zeitlupe. Wenn ich so etwas sehe, frage ich mich, wann ich das letzte Mal mit meinen Kindern in einem solch entspannten Tempo über eine Wiese gerannt bin und dabei übers ganze Gesicht gelacht habe. Und dann versuche ich mich weiter durch das Vatersein zu manövrieren.

Immerhin kann ich sagen: Es gibt im Leben nichts, was mehr Spaß macht als das. Vatersein ist weder ein Job, noch ist es eine leidige Pflicht, der man nachkommen muss. Vatersein ist das größte Abenteuer, das ein Mann erleben kann. Nichts wird einen mehr herausfordern, nichts wird einen mehr befriedigen als die Fürsorge für ein Kind. Und dies ist vermutlich die beste Zeit in der Geschichte der Menschheit, um Vater zu werden. Denn zum ersten Mal ist es der Fall, dass man als Mann ein Kind großziehen kann, ohne dabei von der Umwelt gegängelt zu werden. Festgelegt zu werden von allerlei Menschen, die es angeblich besser wissen als man selbst. Die einem vorschreiben, was die «väterlichen Pflichten» sind, die wissen, was ein «echter Mann» tun muss. Es gibt keine höhere Autorität mehr, die wir für so unfehlbar halten, dass wir uns von ihr vorschreiben lassen wollen, wie wir mit unseren Kindern zu verfahren haben und wie wir uns dabei fühlen sollen. Nicht die Tradition, nicht die Kirche, nicht unser Arbeitgeber.

Unsere Großväter hatten diese Möglichkeit nicht, unsere Väter hatten sie oft nicht. Nicht einmal ich hatte sie, als ich vor etwas mehr als zwanzig Jahren zum ersten Mal Vater wurde. Endlich können wir im großen Drehbuch des Lebens die Rolle des Vaters selbst schreiben!

Es gibt keine strikten Erwartungen mehr, die uns auferlegt werden. Es gibt keine Checkliste, die wir abhaken, um zu wissen, dass wir als Vater «alles getan» haben. Es gibt nicht mehr die festgefügten Formate, in die wir uns irgendwie einpassen, um uns danach sagen zu können, wir hätten es richtig gemacht, obwohl es sich falsch anfühlt. Das macht uns unsicher, und es fühlt sich gefährlich an. Und immer, wenn wir glauben, jetzt haben wir es raus, dann stehen wir nach der nächsten Wegbiegung garantiert wieder vor einem großen Fragezeichen.

Es wird viel darüber diskutiert, welchen Vater es nun eigentlich gerade braucht und was er können muss. Es gibt Vaterbilder aus der Vergangenheit, die sich nicht mehr ganz wahr anfühlen: der Beschützer der Familie, der Ernährer, der Haushaltsvorstand. Und auf der anderen Seite gibt es die Mär vom «neuen Vater», der jeder gerne sein möchte, von dem man aber nicht so recht weiß, wie er eigentlich aussieht: Ist er eine Art Mama mit Dreitagebart und Sixpack? Ist er Teilzeiternährer und Flatrate-Spielkamerad? Oder ist er der gute alte Vollvater, aber mit einer Art empathisch-emotionalem Software-Update? Man weiß gar nicht, für welchen dieser Konfektionsanzüge man sich mit voller Kraft begeistern soll.

Dabei brauchen wir keine Schemata, sondern eine positive, lustvolle Definition von Vaterschaft. Denn bislang wird über Väter oft in Defiziten gesprochen. Was sie sind, sind sie nicht genug. Nicht genug verantwortungsbewusst, nicht genug männlich, nicht genug anwesend. Männern wird vorgeworfen, sich zu wenig im Haushalt zu engagieren und zu viel für die persönliche Karriere. Und als Mann und Vater wird man heute das Gefühl nicht los, man müsse zehntausend Jahre Patriarchat innerhalb einer Elternzeit wiedergutmachen. Als solle man ganz stolz sein auf das Anderssein und sich gleichzeitig schämen für das Vielleicht-doch-nicht-ganz-anders-Sein.

Ich meine: Ein Vater ist ein großer Gewinn fürs Leben. Und ein Vater sollte sich überlegen, auf welche Weise er dieser Gewinn sein möchte, und nicht nur, welche problematischen Aspekte er verkörpert.

Die Schweizer Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm gehört zu den Kritikerinnen der unter negativen Vorzeichen geführten Diskussion über Männlichkeit. Sie ist der Meinung, dass sich die Debatte zu sehr darauf konzentriere, welche Anteile Väter an der Hausarbeit leisten, und dass dabei außer Acht gelassen wird, dass Vatersein aus sehr viel mehr besteht, als bei der Hausarbeit zugange und irgendwie «da» zu sein. Stamm bezweifelt die «Überzeugung, dass ein Optimum an zeitlicher Verfügbarkeit des Vaters die Belastung der Mütter automatisch reduziert, die Entwicklung der Kinder fördert und die Partnerschaft glücklicher macht.» Bisher habe sich das nicht bewahrheitet, denn: «Jenseits der häuslichen Präsenz der Väter spielen offenbar auch andere Faktoren eine wichtige Rolle.» Für sie ist die zentrale Frage: «Was stellen wir uns denn unter einem guten Mann vor?»

Den Streitern für längere Vater-Elternzeiten wirft die Wissenschaftlerin einen «Tunnelblick» vor. Sie sagt, in den deutschsprachigen Staaten Europas agiere die Mehrheit der Väter weiterhin als Haupternährer und erwirtschafte drei Viertel des Haushaltseinkommens. Deswegen seien sie nicht alle schlechte Väter. «Unsere Studien zeigen, dass es auch Väter gibt, die relativ viel arbeiten, sich dann aber in der freien Zeit, etwa am Wochenende, sehr stark mit den Kindern beschäftigen.» Für Stamm ist ein engagierter in Vollzeit arbeitender Vater unter Umständen wertvoller als ein «lustloser Teilzeitler».

Denn es stimmt eben auch andersherum. Nur weil man als Vater extralang Elternzeit nimmt und ganz viel im Haushalt anpackt, hat man damit noch nicht die Frage beantwortet, was man für die Kinder darstellen möchte. Ein guter Hausmann ist deswegen noch kein guter Vater. Das heißt nicht, dass Väter keine Elternzeit nehmen und in ihrer alten Rolle des Haupternährers verharren sollen – im Gegenteil. Sie müssen sich aber im Klaren sein, dass die Rolle eines Vaters darüber weit hinausgeht. Die gerechte Aufteilung der Hausarbeit ist eine Selbstverständlichkeit zwischen Eheleuten. Aber Kinder interessieren sich nicht so sehr dafür, wer die Hausarbeit macht. Kinder schätzen es, wenn die Eltern einander respektvoll begegnen. Ihnen ist besonders wichtig, dass Eltern ihnen gegenüber zugewandt, liebevoll, interessiert sind. Wie sie sich die Care-Arbeit aufteilen, ist für Kinder möglicherweise weniger zentral, solange beide Eltern damit zufrieden sind.

Was überhaupt nicht hilft, ist die bei Männern immer wieder leicht säuerliche Klage, dass es doch früher alles einfacher war. Als die Welt noch okay damit war, dass ein Vater einfach mal arbeiten geht und danach mit den Kumpels noch ein Bier ext. Als man noch wusste, was Papa zu tun hat und was Mamas Aufgabe ist. Die gute alte Zeit des Patriarchats, bevor alles feministisch wurde.

In diesem Buch vertrete ich die gegenteilige These: Jenes Ende des Patriarchats ist für Männer und besonders für Väter eine Befreiung. Denn die Rollen und Aufgaben der Vergangenheit haben vor allem einer Gruppe sehr geschadet: den Vätern. Unseren Vätern.

Das Ende des Patriarchats bedeutet für Väter: Zum ersten Mal in unserer Geschichte haben wir die Chance, so Väter sein zu können, wie wir es uns wünschen. Uns von den Gerüsten zu befreien, die bislang die Idee von Vaterschaft und Männlichkeit umbaut haben. Den Panzer abzuwerfen, der Väter bislang oft genug davon abgehalten hat, glücklich mit ihrer Identität und ihrem Leben zu werden. Unter der Zeit, die hinter uns liegt, haben nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter gelitten.

Väter haben keinen Grund, nostalgisch zurückzublicken. Sie sind genauso Verlierer eines Systems, von dem einige wenige Männer stark profitieren, viele aber nicht. Männer verdienen zwar immer noch mehr Geld und werden zum Teil gewohnheitsmäßig bei Beförderungen bevorzugt. Männer besetzen die Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft, 70 Prozent aller Führungskräfte sind männlich. Nur etwa ein Fünftel der Vorstandsmitglieder in DAX-Unternehmen sind Frauen. Männer verdienen im Schnitt knapp 20 Prozent mehr als Frauen. Frauen finden sich auf dem Arbeitsmarkt überproportional in schlecht bezahlten Positionen oder in Teilzeit wieder. Mehr als 80 Prozent der Opfer von familiärer Gewalt sind weiblich. Spätestens seit der #MeToo-Debatte dürfte es keinen Zweifel mehr daran geben, was Frauen in verschiedensten Berufen (und im Privaten) an Zudringlichkeit zu ertragen haben.

Aber dass die Gesellschaft unter der Ägide der Männer stand, bedeutet nicht, dass dies für die Männer immer eine schöne Sache gewesen wäre. Mannsein ist eigentlich nicht zu empfehlen, wenn man den Zahlen folgt: Laut Berechnungen der Vereinten Nationen sind 80 Prozent der Opfer tödlicher Gewaltverbrechen Männer (fast immer Opfer anderer Männer). Drei Viertel aller Selbstmorde begehen Männer. Männer bekommen mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Etwa drei Viertel aller Obdachlosen sind Männer. Und Männer haben auch eine mehr als vier Jahre geringere mittlere Lebenserwartung als Frauen. Etwa 8 Prozent der Männer sind arbeitslos, aber nur 6,4 Prozent der Frauen. Medizinischen Studien zufolge liegt das Sterberisiko von Männern nach Operationen um 50 Prozent höher als das von Frauen. Mehr als 70 Prozent der Unfalltoten sind Männer.

 

Der Wirtschaftswissenschaftler und Männerberater Boris von Heesen hat in seinem Buch «Was Männer kosten» versucht, eine Bilanz der Kollateralschäden der patriarchalen Welt zu ziehen. Im Jahr 2021 waren 93,96 Prozent aller Gefängnisinsassen männlich. 87 Prozent aller schweren Diebstähle wurden von Männern begangen. 73 Prozent der Alkoholkranken waren Männer. Männer waren für 80 Prozent der Fälle illegalen Drogenkonsums und 88 Prozent der Fälle illegalen Glücksspiels verantwortlich. Der Autor bilanzierte die Mehrkosten von schädlichem und selbstschädigendem Männlichkeitsverhalten auf 63 Milliarden Euro im Jahr.

Nun könnte es ja sein, dass Männer zwar früher sterben, aber mit der Welt, die sie sich gebastelt haben, trotzdem glücklicher sind. Aber auch das ist nicht der Fall: Fragt man Männer und Frauen nach ihrer Lebenszufriedenheit, dann stellen sich Frauen im Durchschnitt als die zufriedeneren Menschen heraus, zumindest in der Mitte ihres Lebens.

Beispielsweise leiden Männer viel stärker unter Arbeitslosigkeit als Frauen. Eine Studie des israelisch-kanadischen Soziologen Eran Shor von der McGill-Universität in Montreal ergab, dass Arbeitslosigkeit das Sterblichkeitsrisiko der Männer um 78 Prozent erhöht, bei Frauen nur um 37 Prozent. Besonders betroffen sind Männer im Alter von fünfzig Jahren oder jünger. Also in der Zeit, in der sie auch für Kinder sorgen, sofern sie welche haben. Männer leben mit der Vorstellung, Geld für die Familie zu beschaffen, sei ihre Naturbestimmung. Dementsprechend verzweifeln sie, wenn das nicht klappt.

Marc Luy, Forschungsgruppenleiter am Institut für Demografie in Wien, stellte sogar die These auf, dass Hausmann heute einer der gefährlichsten Berufe der Welt ist: Wer als Mann dauerhaft zu Hause bleibe, habe ein höheres Sterblichkeitsrisiko als Gerüstbauer, Dachdecker und Bergleute. Dies liege daran, dass Männer heute meist zu Hause bleiben, wenn sie krank sind oder arbeitslos – damit sei häufig auch ein ungesunder Lebenswandel verbunden.

Väter haben also jeden Grund, sich veränderte Zeiten zu wünschen. Sie haben auch Grund genug, eine aktive Rolle dabei zu spielen. Gerade weil sie Väter sind und für jemanden ein Vorbild sein werden – genau wie sie sich selbst am eigenen Vater ein Beispiel genommen haben.

Darin liegt für mich die besondere Verantwortung des Vaterseins heute: Sich bewusst zu machen, was man an Erlerntem vorlebt, was man weitergeben möchte und was lieber nicht. «Die meisten Menschen, die Vater werden, kennen nur einen Mann sehr gut, von dem sie wissen, dass er viel mit Kindern zu tun hatte: den eigenen Vater», sagt der Psychologe Michael Lamb. Der Amerikaner ist einer der Urväter der Vaterschaftsforschung und hat das Fach seit den 70er-Jahren an der Universität von Cambridge geprägt. Ihm zufolge neigen Väter oft zu den Verhaltensweisen, die sie selbst als Kinder von ihren Vätern vorgelebt bekommen haben. Egal, ob man es als angenehm erlebt hat oder nicht.

 

Wo fangen wir an? Zunächst sollten wir Väter mal lockerlassen und uns zugestehen: Wir sind alle keine Supermänner und auch keine Superdads. Wir sind keine Roboterwesen, die es hinbekommen, im Job die reinste Wundermaschine zu sein und dann auch noch in der Familie brillant zu performen. Viele Männer verstehen gute Vaterschaft so, dass sie einfach noch ein Dutzend mehr Bulletpoints auf ihre To-do-Liste schreiben und sie nacheinander anhaken müssen, um sich selbst zu versichern, was sie schon wieder Tolles geleistet haben: Hausarbeit gemacht? Check. Kind ins Bett gebracht? Check. Vorgelesen? Check. Quality Time verbracht? Check.

Gerade darum soll es in diesem Buch nicht gehen. Es geht nicht um Anleitungen zum Supervatersein. Nicht darum, wie viele Stunden am Tag man am besten mit seinem Kind verbringt, ob man sich drei oder sechs Monate Elternzeit nimmt. Ob man in die Vater-Kind-Kur geht oder sich mit anderen Vätern und ihren Kindern zum gemeinsamen Väter-Grillen trifft. Es geht nicht darum, zu wie viel Prozent man sich an der Hausarbeit beteiligt (wobei ich persönlich jeder Frau, deren Partner behauptet, er sei zu ungeschickt zum Bügeln und Wischen, raten würde, sich umgehend jemand Geschickteres zu suchen). Ich möchte hingegen wissen: Was ist das denn heute, ein Vater? Wie findet man seine eigene Rolle, wie begleitet man sein Kind durchs Leben? Darum geht es. Nicht um das Abhaken von Aufgaben, die dann ergeben, dass man wieder mal alles richtig gemacht hat.

Zuallererst die gute Nachricht: Man hat allen Grund, entspannt zu sein. Es gibt keinen «natürlichen» Part des Vaters, den wir ausfüllen müssen, und schon gar nicht müssen wir als Vater «unseren Mann stehen». Das sind Konzepte, die in allen Lebensbereichen eine große Rolle spielen, aber nicht bei der Kindererziehung. Dass unsere Rolle nicht vorgegeben ist, bedeutet aber auch, dass wir sie gestalten müssen. Niemand tut das für uns.

Es gibt also auch eine schlechte Nachricht: Vatersein in diesem Sinne ist anstrengend. Einfach den Pfaden zu folgen, die vorgegeben sind, nimmt einem viel Arbeit ab. Aber nach dem Glück für sich selbst und die eigene Familie zu suchen, birgt die Gefahr, sich zu verlaufen, manchmal auf dem Weg wieder ein Stück zurückzumüssen, nicht genau zu wissen, wo man gerade steht. Und vor allem: Man muss sich ernsthaft Gedanken über seine Rolle machen. Man muss sie sich bewusst machen – das ist mühsam. Aber es kann glücklich machen.

Und gute Väter werden gebraucht. Nie hatte die Forschung dafür mehr Belege als heute. Der Vater wurde von der Erziehungswissenschaft und der Psychologie lange ignoriert. Man folgte der Sichtweise der Freud’schen Psychoanalyse, nach der – verkürzt gesprochen – zwischen Mutter und Kind eine symbiotische Bindung herrscht und der Vater eher als Konkurrent auftritt.

Mittlerweile weiß die Forschung, dass Väter wichtig sind. Für die Kinder. Wissenschaftliche Studien zeigen, wenn der Vater die Schwangerschaft eng begleitet, steigen die Chancen auf gesunde Babys. Väter helfen den Kindern auch bei ihrer Durchsetzungsfähigkeit in Gruppen. Und je aktiver Väter sich mit ihren eigenen Werten und Vorstellungen in die Erziehung einbringen, desto mehr profitiert das Kind. Manche Forschungsarbeiten legen sogar nahe, dass Väter in bestimmten Bereichen einflussreicher sind als Mütter. So hat der deutsch-griechische Pädagoge Wassilios Fthenakis bereits in den 90er-Jahren herausgefunden, dass beruflicher Erfolg im Leben und auch seelische Gesundheit stärker von der Beziehung zum Vater abhängen als von der zur Mutter. Ein Kind, das eine emotional erfüllende Beziehung zu seinem Vater und Wertschätzung von ihm erfahren hat, hat demnach größere Chancen, später ein glückliches Leben zu führen.

 

In den USA hat man schon länger erkannt, wie wichtig engagierte Väter für die Gemeinschaft sind. In seiner Amtszeit als US-Präsident hat Barack Obama eine ganze Reihe von Vaterschafts-Förderprogrammen aufgelegt. 2011 hat er zum Vatertag in einem Essay für das Magazin People darüber geschrieben, wie sehr er als Junge darunter litt, ohne Vater aufzuwachsen. Seine Eltern hatten sich getrennt, als er zwei war, danach ist sein Vater bald verstorben. In Obamas Regierungszeit wurde auch die Website Fatherhood.gov aufgelegt, die unter anderem ein Vaterschafts-Toolkit und die Gelegenheit bietet, ein «Vaterschafts-Gelübde» abzulegen. Das ist nicht nur eine sehr amerikanische Sentimentalität: Der Anteil der Kinder, die in den USA ohne Vater im Haus aufwächst, wird auf mehr als 20 Prozent geschätzt – und daraus resultieren unter Umständen soziale Probleme. Kinder, die ohne Väter groß werden, haben schlechtere Chancen auf gute Bildung und eine erfolgreiche Berufslaufbahn sowie eine geringere Aussicht, später selbst einmal eine funktionierende Familie zu haben. Ein Vater ist also unter Umständen sehr hilfreich.

Mittlerweile nimmt man auch in Deutschland die Rolle von Vätern in der Erziehung ernster als früher. Die Regierung will Väter dazu motivieren, länger Elternzeit zu nehmen, und dazu soll ihnen bei der Geburt des Kindes Urlaub zustehen. Vaterschaft wird auch endlich stärker erforscht. Die Berliner Erziehungswissenschaftlerin Lieselotte Ahnert hat etwa ein europaweites Netzwerk für Vaterforschung aufgebaut. Ihre Erkenntnisse sprechen dafür, dass Väter eine stärkere Rolle in der Erziehung spielen sollten. Sie ermittelte außerdem, dass sich Väter in einer viel breiteren Weise für ihre Kinder engagieren, als gemeinhin angenommen. Ahnert hatte zweihundert Väter über einen Zeitraum von einer Woche ihre Tagesaktivitäten protokollieren lassen. Es zeigte sich, das etwa ein Drittel den gesamten Alltag des Kindes begleiteten. Ein weiteres Drittel begleitete immerhin bestimmte Aktivtäten, und lediglich ein Drittel entsprach dem Bild des mäßig interessierten Vaters, der sich nur eingeschränkt seinen Kindern widmet. Dafür sprechen auch Umfragewerte. Im offiziellen Väterreport, dessen jüngstes Update die Bundesregierung 2021 veröffentlicht hat, gaben 69 Prozent der jüngeren Väter an, sich mehr als die eigenen Väter an der Betreuung ihrer Kinder zu beteiligen – und diese Veränderungen auch als persönlichen Gewinn anzusehen.

Väter machen sich heute mehr Gedanken denn je, wie sie ihre Sache gut machen können. Aber was bedeutet das? Was ist ein guter Vater? Die Wissenschaft hat da durchaus nach Antworten gesucht und auch etliche gefunden. Der Soziologe Alois Herlth hat schon in den 90er-Jahren an der Uni Bielefeld begonnen, positive Vatereigenschaften zu erforschen. Sein Befund: Wichtig ist, dass der Vater Familienorientierung mitbringt, also ein Interesse hat, sich aktiv in die Erziehung einzubringen. Ein zweites zentrales Merkmal ist die sogenannte «Ressourcivität»: der Grad, in dem der Vater selbst den Umgang mit dem Kind als glücklich machend empfindet. Ein Vater, der Kraft daraus zieht, mit seinen Kindern etwas zu unternehmen, ist meist auch einer, der es besser unterstützen kann. Ein dritter wichtiger Faktor ist die Zufriedenheit der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. Insgesamt, so stellte die Bielefelder Forschungsgruppe fest, hängt dabei alles von der «Interpersonalen Sensitivität» des Vaters ab. Ein Vater, der einfühlsam und interessiert ist, hilft seinen Kindern am meisten. «Ein guter Vater ist offen und empfänglich für emotionale Bedürfnisse», sagt Herlth.

 

Aber wie kommt man da hin? Wie findet man seinen Weg zwischen all den Vatermodellen, die uns offeriert werden? Wer will man sein? Das hängt letztlich davon ab, welche Rolle man im Leben der eigenen Kinder spielen möchte. Um sie bewusst gestalten zu können, muss man aber zunächst einmal verstehen, woher all die gesellschaftlichen Vorstellungen vom Vatersein, die uns so stark beschäftigen, stammen. Denn all die Ansprüche, die Väter an sich selbst haben und die von außen an sie herangetragen werden, haben eine Geschichte. Und auch die heutigen Väter sind Teil dieser Geschichte. Wir leben in einem Bewusstsein, das unsere Väter und Mütter geschaffen haben. Und wir selbst werden ein solches Bewusstsein an unsere Töchter und Söhne weitergeben. Ob wir fähig sind, die Beziehung zu unseren Kindern achtsam zu gestalten, liegt zuallererst daran, ob wir verstehen, woher unsere eigenen Werte und Konflikte, Zielvorstellungen und Zwänge stammen. Daher möchte ich in diesem Buch zunächst in die Geschichte des Vaterseins zurückgehen – um zu sehen, wie wir wurden, wer wir sind.

Von welchen Vaterrollen wir uns endlich befreien können