Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus! - Tillmann Prüfer - E-Book

Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus! E-Book

Tillmann Prüfer

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Beschreibung

Meine Töchter, der Bluetooth und ich Wer heutzutage Kinder hat, holt sich gleichzeitig auch diverse mobile Endgeräte ins Haus. Ob Bluetoothboxen, Smartphones oder Social-Media-Kanäle: Überall bimmelt, piepst und quäkt es. Und wenn man zu Tisch bittet, ist immer auch die beste Freundin per Whats App-Chat dabei. Früher rang man über Ausgehzeiten, heute streitet man über die Bildschirmzeit. Tillmann Prüfer ist Vater von vier total vernetzten Töchtern und fragt sich täglich: Muss ich die Spotify-Playlist meiner Kinder akzeptieren? Gilt Handy-Entzug schon als Kindesmisshandlung? Und was tun, wenn mich meine Tochter auf Instagram blockiert?

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Seitenzahl: 149

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Tillmann Pruefer

Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus!

Über dieses Buch

Wer heutzutage Kinder hat, holt sich gleichzeitig auch diverse mobile Endgeräte ins Haus. Ob Bluetoothboxen, Smartphones oder Social-Media-Kanäle: Überall bimmelt, piepst und quäkt es. Und wenn man zu Tisch bittet, ist immer auch die beste Freundin per WhatsApp-Chat dabei. Früher rang man über Ausgehzeiten, heute streitet man über die Bildschirmzeit. Kein größeres Drama, als wenn der Akku runter auf drei Prozent ist. An einem Ort ohne WLAN Urlaub machen zu müssen? Ein Albtraum!

Tillmann Prüfer ist Vater von vier total vernetzten Töchtern und fragt sich täglich: Muss ich die Spotify-Playlist meiner Kinder akzeptieren? Gilt Handy-Entzug schon als Kindesmisshandlung? Und was tun, wenn mich meine Tochter auf Instagram blockiert?

Vita

Tillmann Prüfer, geboren 1974, ist Stilchef und Mitglied der Chefredaktion des ZEITmagazins, wo seit 2018 wöchentlich seine beliebte Kolumne «Prüfers Töchter» erscheint. Sein erstes Buch über seine vier Töchter, «Kriegt das Papa, oder kann das weg?», wurde von Presse und Publikum gefeiert. Tillmann Prüfer lebt mit seiner Familie in Berlin.

So geht es schon wieder los

Seit mehr als zwei Jahren schreibe ich jede Woche eine Kolumne über meine Töchter. Als ich anfing, war Juli, unsere Jüngste, noch in der Kita und erinnerte meine Frau und mich jeden Tag daran, dass wir leider nicht so gut kochen können wie Heike, die Kita-Köchin. Nun ist Juli in der zweiten Klasse und beschwert sich jeden Tag, dass es in der Schul-Kantine viel, viel schlechteres Essen gebe als zu Hause. In dieser Hinsicht hat sich also die Welt für Juli verschlimmert, für mich verbessert. Meine jüngste Tochter versteht nun, dass es Menschen gibt, die noch miserabler kochen als ihr Vater. Das wertet mich ein bisschen auf.

Ihre älteste Schwester ist Luna. Sie ist zwanzig, und ich kann mich glücklich schätzen, dass sie noch nicht über alle Berge ist. Das ist ja oft so: Die jungen Leute gehen nach Südamerika, um die Welt zu verbessern, und dann hört man nichts mehr von ihnen. Luna hat sich noch nicht dazu durchringen können, die Welt zu verbessern. Oder entschieden, welchen Teil der Welt sie verbessern möchte. Bis es so weit ist, bleibt sie in Berlin.

Lotta, ihre fünfzehnjährige Schwester, probiert ständig neue Kleidungs-Styles aus. Und streitet sich mit ihrer Mutter herum, meiner Frau, weil diese es nicht so gut findet, dass Lotta ihr sämtliche Klamotten stiehlt. Lotta sagt aber, das müsse so sein, weil sie ihrerseits schamlos von ihrer Schwester Greta bestohlen wird.

Greta ist dreizehn Jahre, und wenn sie nicht Kleider okkupiert, dann singt sie. Sie singt irgendwelche Popsongs nach. Ich glaube, die Sprache ist Englisch. Aber es ist ein Singsang-Englisch, in dem die Hälfte der Laute verschluckt wird und nur so eine Sprachmelodie übrig bleibt, in der es um Liebe, Sehnsucht und Enttäuschung geht. Die fehlende Sprachkorrektheit macht Greta durch Lautstärke wett. Sie muss so laut singen, weil sie ja mit dem Sound mithalten muss, der aus ihren Kopfhörern dröhnt.

Das ist nämlich das unbedingte Zubehör für heutige Jugendliche: Bluetooth-Kopfhörer. Die haben sich alle meine Töchter zu ihren jeweiligen Geburtstagen gewünscht. Bluetooth-Kopfhörer bestehen aus zwei einzelnen Hörern, die nicht durch ein Kabel miteinander verbunden sind. Ich war mir sehr sicher, dass die Kinder schnell einen der Hörer, wahrscheinlich aber beide, verlieren würden. Meine Kinder verlieren nämlich alles. Nicht nur Sachen, die ihnen nicht wichtig sind, sondern auch mal eine Jacke oder neue Schuhe. Sachen, von denen ich denke, dass man sie eigentlich gar nicht verlieren kann, weil man sie zum Beispiel an den Füßen trägt. Aber diese winzig kleinen Ohrstöpsel haben die Kinder nicht verloren. Sie sind sogar immer aufgeladen, damit sie jederzeit den neuesten Kram von Spotify rausblasen können. Und die Kinder den mitsingen können.

Man muss sich ein Kind eben heute genau so vorstellen: als einen Organismus mit immer noch ein paar elektronischen Ausbaustufen mehr, die irgendwann gar nicht mehr richtig vom Körper zu trennen sind. Das Bluetooth-Headset im Ohr und das Smartphone in der Hand – man weiß nicht, ob das Smartphone nicht eigentlich Teil der Hand ist, denn man sieht es nie woanders.

Es gibt ja in der Soziologie Strömungen, die davon ausgehen, dass Mensch und Technik eins geworden sind, man die Individuen sozusagen als Cyborgs denken muss, die ohne ihre technischen Extensions genauso wenig existenzfähig wären wie ohne ihre Organe. Ich nehme an, meine Familie würde sich für Studien in dieser Richtung anbieten. Ich beherberge Childborgs: Alle haben ständig ein Handy in der Hand. Außer Juli. Das macht sie sauer. Sie will unbedingt auch ein Handy haben. Meine Frau und ich haben ihr gesagt, dass ein Smartphone nicht gut sei für Kinder. Aber das kann Juli nicht glauben. Wenn ein Smartphone nicht megacool wäre, würden die Eltern und die älteren Geschwister dann ständig hineinstarren? Und erzählen das die Eltern nicht auch von Schokolade?

Elektronische Geräte sind feste Mitbewohner in einer Familie. Die meisten Menschen, die Partnerschaften eingehen, machen sich zunächst keine Gedanken darum. Ihnen wird zu spät klar, dass, wenn sie sich mit einem Menschen zusammentun, dies auch für eine Menge von Geräten gilt. Dass an dem tollen Typen, den man kennengelernt hat, auch eine Xbox hängt. Mit dieser Xbox muss man ihn sich teilen. Und natürlich mit seinem Smartphone. Das hätte man sich eigentlich auch schon denken können, denn ohne dieses Gerät und die Dating-App darauf hätte man ihn ja gar nicht kennengelernt.

Ich will mich selbst da nicht ausnehmen, bei mir sind die Geräte nur andere. Ich habe zum Beispiel einen Röhrenfernseher aus den neunziger Jahren. Er ist riesig und das Bild kleiner als bei jedem Gerät, das man in einem Elektromarkt bekommt. Ich kann mich einfach nicht davon trennen. Außerdem gibt es einen alten Radiowecker, bei dem ich ständig die Uhranzeige neu einstellen muss, weil sie sonst unangenehm blinkt. Meine Frau hat schon oft angeregt, den ganzen Plunder zu verschrotten. Aber ich habe den Eindruck, dass damit ein Teil von mir weggeschmissen würde. Das Analoge, Röhrenartige, Glühbirnenhafte.

Meine Kinder sind hingegen voll digitalisiert. Sie würden sich aber gar nicht als digital im Gegensatz zum analogen Vater begreifen: Sie empfinden sich nicht als digital, sondern als normal. Sie machen eben das, was ihre Freunde machen. Einen großen Teil der Welt nehmen sie über ihre Smartphone-Bildschirme wahr: Was ihre Freunde gerade so tun, welche Musik gehört wird, wo es einen coolen Film gibt. Ihr Vater hingegen, der morgens eine Zeitung liest, die auf Papier gedruckt ist, und der einen Wecker hat, der tickt, weil er nicht von seinem Handy geweckt werden will – dieser Vater, der ist strange. Manchmal denke ich, sie sehen in mir einen älteren Herrn, der sich an seine Papierstapel klammert, weil er Angst vor Strom hat, Angst vor der Zukunft. Wer weiß, vielleicht haben sie ja recht. Schön aber, dass sie mit diesem älteren Herrn so freundlich umgehen.

Es ist nicht so, dass es nur um Smartphones geht. Eigentlich macht alles, was elektronisch ist, Krach. Und alles Spielzeug ist heute elektronisch. Mein Schwager hat Juli eine Minnie-Maus-Figur geschenkt. Sie läuft im Kreis, lacht und singt dabei französische Chansons. Das ist für mich doppelt deprimierend. Denn die Maus plärrt laut «Chanson d’Amour», und ich spreche derweil kein Wort Französisch. Das ist das, was Juli wahrnimmt: Es ist nur eine batteriebetriebene Figur und ihrem Vater trotzdem überlegen.

Manchmal braucht es auch nur ganz wenig Elektronik, um maximalen Effekt zu erreichen. Unsere Jüngste hat zu Ostern ein Küken geschenkt bekommen. Wenn man es in die Hand nimmt, sorgt ein kleiner Überbrückungskontakt dafür, dass es «Piep-Piep» macht. Es heißt Piepsi. Juli zieht gerne spät in der Nacht von ihrem Kinderzimmer in das elterliche Bett um. Und jede Nacht nimmt sie Piepsi mit. Sobald Piepsi mit Haut in Kontakt kommt, beginnt es zu piepsen. Und ich wache von einem piepsenden Elektroküken auf. Wenn dem CIA die Ideen für ganz legale Foltermethoden ausgehen, kann ich sie mal mit Juli in Verbindung bringen.

 

Die letzten Texte, die in diesem Buch vorkommen, wurden während der Zeit der Corona-Pandemie geschrieben. Wenn man im Lockdown ist, bekommen elektronische Geräte eine ganz andere Bedeutung. Alles, was an ihnen wunderbar ist, wird noch wunderbarer. Alles, was an ihnen furchtbar ist, noch furchtbarer. Man ist den ganzen Tag online, denn wer nicht online ist, der ist gar nicht mehr. Die Lehrer werden nur noch online erreicht, die Freunde werden nur noch online erreicht. Nur die Eltern gibt es die ganze Zeit auch offline. Das macht die Offline-Sphäre endgültig zum uncoolsten Ort der Welt.

Alles, was man bislang an Bildschirmzeiten ausgehandelt hat, ist durch Corona Makulatur geworden. Die Smartphones sind omnipräsent und nicht mehr zu stoppen. Jegliche pädagogische Vorhaben hinsichtlich dieser Geräte kann man sich nun abschminken. Denn einem Kind in der Corona-Krise den Zugang zum Netz zu verbieten, ist ungefähr so unmenschlich, wie ihm Klopapier zu verweigern. Und wahrscheinlich ist das Netz auch einer der Gründe, warum man die Krise überhaupt überstehen kann. Wenn alle auf ihre Bildschirme gucken, denkt niemand an das Virus da draußen, das unsere Welt gerade fest im Griff hat.

Und es denkt auch niemand daran, dem anderen den Schädel zu spalten, weil er es zu Hause nicht mehr aushält. Der mittlerweile verstorbene Autor Douglas Adams hat einmal den Fernseher als die Voraussetzung dafür bezeichnet, dass sich zwei Menschen in einem Raum befinden können, ohne einander umzubringen. Das Smartphone ist vielleicht die Voraussetzung dafür, dass eine ganze Familie monatelang in einer Wohnung aufeinanderhocken kann, ohne dass es Tote gibt. So weit bekannt, haben wir alle überlebt.

Juli ist die Einzige, die ohne ein eigenes Handy den Corona-Lockdown überstehen musste. Sie lieh sich allerdings für alle möglichen Zwecke die Smartphones der anderen. Meins wollte sie zum Beispiel immer wieder haben, um damit «Melonen zu schneiden».

«Spinnst du?», rief ich. «Du kannst doch nicht einfach mit dem Handy Obst schneiden! Du darfst ja nicht einmal ein Messer nehmen!»

Dann erst verstand ich, dass sie das Spiel «Fruit Ninja» meinte, das auf meinem Handy ist. Dabei muss man mit einem Messer virtuelles Fallobst im Flug zerschneiden.

Noch lieber aber lieh sie sich das Handy meiner Frau aus. Da ist nämlich eine Mathe-App drauf. In der App sagt einem ein putzig aussehendes Männchen, wie man etwas rechnen soll, verteilt ekstatisch Punkte und zündet ein Feuerwerk, wenn man die richtige Lösung eingetragen hat: «Bravo, das hast du toll gemacht, du bist spitze», quäkt es. Das Männchen ist der Meinung, dass man ein Superchamp ist, wenn man 3 + 4 rechnen kann. Das macht mir das Leben etwas schwer. Denn ich muss mich regelmäßig mit Juli hinsetzen, um mit ihr Hausaufgaben zu machen. Wenn ich ihr dann einen Rechenweg vorgebe, etwa, wie man 11 – 3 rechnet, schüttelt Juli den Kopf: «Das Männchen hat das aber anders gesagt.»

Das ist vielleicht der deutlichste Hinweis darauf, welchen Platz Smartphones in unserem Leben eingenommen haben. Ein Pixelmännchen aus der Rechen-App hat mehr Autorität als ich, der Vater. Immerhin habe ich noch nicht aufgegeben: Ich könnte etwa, sobald Juli ein richtiges Ergebnis sagt, Musik spielen, tanzen und Konfetti werfen. Mal sehen.

Eines Tages verkündete mir Juli übrigens, dass sie nun auch ein eigenes Smartphone habe. Sie zeigte es mir stolz. Es war eine alte Handy-Schutzhülle aus Kunststoff, in die Juli lauter kleine bunte Aufkleber aus einem Stickeralbum geklebt hatte. Es sah tatsächlich ein bisschen so aus wie die kleinen Icons von Apps. Juli saß konzentriert da und tippte auf den Apps herum. Und tippte wieder und lächelte. Lange Minuten. Meine Tochter schien großen Spaß mit ihrem Phantasie-Handy zu haben. Ich hätte mir so gerne mal das Gerät von ihr geliehen.

«Oh, du kannst wirklich nicht tanzen»

«Du könntest ja mal Tanzen lernen», hat Greta gesagt.

«Ich kann doch tanzen», antwortete ich, «jeder kann tanzen.»

Greta verneinte. Was meine Tochter unter Tanzen versteht, ist nämlich kein spontanes Gezappel und auch kein Discofox oder Cha-Cha-Cha. Stattdessen übt sie recht komplexe Choreographien, die meist zu recht einfachen Techno-Sounds absolviert werden. Es werden kaum einmal die Beine bewegt, dafür aber umso mehr die Arme und Hände. Und Greta lächelt dabei ständig leicht überlegen. Das alles schaut sie sich natürlich von Videoplattformen aus dem Internet ab.

Die Aufforderung, tanzen zu lernen, traf bei mir einen wunden Punkt. Wie viele Männer tue ich mich mit dem Thema schwer. Im Teenager-Alter verbrachte ich viel Zeit damit, am Rand von Tanzflächen zu stehen und anderen dabei zuzugucken, wie sie sich zur Musik bewegten. Ich glaube, ich habe mit Biertrinken angefangen, bloß um etwas zu tun zu haben, während andere tanzten. Allerdings meinte ich zu wissen: Mädchen werden nur auf einen aufmerksam, wenn man auf dem Dancefloor reüssiert.

Ein Freund eröffnete mir, dass alle jungen Männer den Fehler machten, zu steif zu tanzen und nicht die Hüften zu bewegen. Also bewegte ich die Hüften. Das machte es noch viel schlimmer. Ein anderer riet mir, beim Tanzen mein «Selbst» herauszulassen. Ich ließ es heraus. Aber mein Selbst wollten die Mädchen eigentlich auch nicht kennenlernen. Ich blieb lange alleine.

Greta hat nun versprochen, mir Tanzen beizubringen, weil sie ja ohnehin die ganze Zeit tanzt. Sie hört dazu oft nicht einmal Musik.

«Die Musik ist egal», sagt Greta, «es kommt auf die Moves an.»

Ich fragte sie, was für Moves sie denn meine.

Greta bat mich um eine Sonnenbrille. Für diesen speziellen Tanz brauche sie eine Sonnenbrille. Ich fragte nicht, warum, sondern gab ihr eine. Sie schob sie sich geübt in die Haare. Dann machte sie eine Abfolge von Bewegungen. Zunächst stieß Greta beide Ellenbogen nacheinander zur Seite, dann kreiste sie einmal mit dem Kopf. Danach nickte sie abrupt, sodass die Sonnenbrille runter auf die Nase klappte. Nun wiegte sich Greta mehrmals hin und her und machte pumpende Bewegungen mit dem rechten Arm, während sie den linken apart von sich wegstreckte.

«Jetzt du!»

Ich schaffte es nicht einmal, mir die Sonnenbrille so ins Gesicht rutschen zu lassen, dass sie nicht auf dem Boden landete.

«Oh, du kannst wirklich nicht tanzen», sagte Greta.

Ich versuchte die Moves noch einmal, aber irgendwie fühlte ich mich wie ein mit den Armen rudernder Teddy. Und sah wohl auch genauso aus.

Ich fragte mich, wie es heute den jungen Männern geht. Ob sie immer noch hilflos am Rand der Tanzflächen stehen und dort den Mädchen bei coolen Choreos zusehen?

«Wird denn bei euch auch noch so richtig getanzt?», fragte ich Greta.

«Was meinst du mit richtig?»

Ich machte auf Spotify ein Lied an, zu dem ich getanzt hatte, als ich jung war (von New Model Army), und dann tanzte ich wie früher. Mit Armen, Beinen und kreisender Hüfte. Ich war ganz bei mir, als Greta rief: «Papa, hör sofort auf damit, das ist ja schrecklich!»

Ich fürchte, meine Tochter hat auch kein Interesse an meinem wahren Selbst.

«Kann ich noch eine Stunde Screentime haben, pls?»

Lotta hat ein Smartphone, so wie, glaube ich, jeder Jugendliche ihres Alters eines hat. Es gibt unter Eltern zwei unversöhnliche Lager, was den Umgang mit Smartphones angeht: Die häufigsten Argumente der Gegner sind, dass das Handy die Kommunikation in der Familie unterbinde und Kinder verlernten, sich zu konzentrieren. Die Freunde des Smartphones führen hingegen an, dass jedes neue Medium, als es aufkam, für katastrophal gehalten worden sei. Im Nachhinein sei aber immer alles besser gekommen als befürchtet.

Ich erinnere mich, dass in meiner Jugendzeit die Homecomputer aufkamen. Vor allem die Jungs hatten einen zu Hause und nutzten ihn meist für Computerspiele. Einige von meinen Schulkameraden sind heute Informatiker, einer wurde sogar Informatik-Professor. Ich weiß aber nicht, ob das an den Computern lag. Meinen Eltern kann ich jedenfalls keinen Vorwurf machen, dass sie damals nicht meinem Quengeln nachgaben und mir keinen Computer kauften. Sie hatten offenbar geahnt, dass auch der aus mir keinen Professor machen würde, so schlecht war ich im Rechnen.

Ich selbst bin unschlüssig, ob das Smartphone Lotta mehr schadet oder nützt. Ich folge ihr auf Instagram und kann nicht sagen, dass sie da schlechte Dinge anstellt. Sie lobt die Ponys auf dem Reiterhof («So geil! Ihr müsst unbedingt mal vorbeikommen»). Sie zeigt Akrobatik mit Freundinnen («Friends4ever!»). Allerdings wollte ich präventiv die Nutzung beschränken, deswegen haben wir nun Bildschirmzeiten eingeführt. Ich habe eine App auf Lottas Handy installiert, die nach eineinhalb Stunden den meisten anderen Apps den Saft abdreht. Eineinhalb Stunden kann sie chatten, surfen und liken, dann tritt sie in den digitalen Schatten ein.

Lotta nimmt das murrend hin, sie ist pragmatisch. Ich meinerseits empfinde diese App als unglaublich praktisch. Ich kann genau überwachen, wie viel Zeit Lotta online verbringt, kann einzelne Seiten sperren oder auch komplett das Internet verriegeln.

Wenn Lotta mehr Zeit haben möchte, dann muss sie darum bitten: «Papa, kann ich noch eine Stunde Screentime haben, pls?»

Noch nie war es so einfach für mich, gönnerhaft zu sein. Ich, der Verwalter der Bildschirmzeit.

Neulich erklärte mir eine Bekannte, warum sie wieder eine Tageszeitung abonniert habe. Sie habe gemerkt, dass sie auf dem Smartphone ihre E-Books liest, Mails und Nachrichten checkt und manchmal auch Serien schaut. Was sie auch tut, für ihre Tochter sieht es aus, als ob sie immer das Gleiche macht, nämlich in ihr Handy starren. Deswegen hat sie jetzt wieder Papiermedien im Haus – damit sie der Kleinen ein besseres Vorbild sein kann.

Da kamen mir Zweifel, ob ich meine Furcht, mein Kind hantiere in seinem Leben zu viel mit Smartphone-Apps herum, ausgerechnet mit einer Smartphone-App beseitigen sollte. Kurz darauf entdeckte ich, dass ich auch auf meinem eigenen Smartphone die Bildschirmzeit überprüfen kann. 7 Stunden 41 Minuten stand da für heute. Das konnte nicht wahr sein, ich musste es sofort nachrechnen! Aber leider wusste ich nicht, wie das geht.

«Keine Ahnung, wo der Laptop ist»

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