Verboten sinnliches Verlangen - Karen Booth - E-Book

Verboten sinnliches Verlangen E-Book

Karen Booth

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Beschreibung

"Was für ein Mann!" Kaufhauserbin Emma ist auf den ersten Blick hingerissen von dem attraktiven Daniel und flirtet bei einer Fashionshow heftig mit ihm. Erst am nächsten Tag erfährt sie, wer er wirklich ist: Daniel ist ein Stone, die Modehäuser seiner Familie sind ihre größte Konkurrenz. Emma weiß: Er ist tabu! Aber ihr Verlangen nach ihm ist stärker als die Vernunft. Schon bald erlebt sie unvergessliche Stunden in seinen Armen. Doch dann erfährt sie, dass nicht nur ihre Familien zwischen ihnen stehen …

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Seitenzahl: 208

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Karen Booth Originaltitel: „A Cinderella Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2118 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Jennifer Thomas

Abbildungen: [email protected] / Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733726034

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

In Daniel Stones Zimmer war es stockdunkel und vollkommen ruhig, abgesehen vom Klingeln seines Handys. Er drehte sich im Bett um und tastete auf dem Nachttisch blindlings nach dem Gerät. Ohne aufs Display zu sehen, wusste er, wer es war. Trotz der fünf Stunden Zeitverschiebung zwischen London und New York kam seine Mutter nicht auf den Gedanken, es könnte für einen Anruf zu früh sein.

„Es ist kurz vor sechs Uhr am Morgen, verdammt!“, knurrte er, setzte sich auf und schaltete das Licht ein, das grell aufflammte. Er kniff die Augen zusammen, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. „Was gibt es denn so Wichtiges?“ Es war April und draußen noch dunkel. Seine drei Hunde, Mandy, Buck und Jolly, schliefen am Fußende des Betts.

„Siehst du dir heute Räumlichkeiten für die neue Filiale an?“

Sie kam immer gleich auf den Punkt. So war seine Mutter von jeher gewesen. Seitdem sein Bruder William ums Leben gekommen war, ließ sie sich noch schwerer zufriedenstellen.

„Um neun treffe ich mich mit der Maklerin. Wir schauen uns heute zwei Immobilien an. Ich bin optimistisch.“ Das war gelogen. Daniel war alles andere als zuversichtlich, musste die Fassade aber aufrechterhalten. Es war seine Idee gewesen, den langjährigen Traum seiner Mutter umzusetzen und eine Stone’s-Filiale in New York zu eröffnen. Stone’s war eine erfolgreiche, familiengeführte Kaufhauskette mit Hauptsitz in Großbritannien. Obwohl er gehofft hatte, sie damit glücklich zu machen, hatte er bisher nur erreicht, dass er sich selbst infrage stellte. Seit drei Wochen war er nun in Manhattan und hatte nach wie vor nichts in der Hand.

„Rufst du mich nach den Besichtigungen an?“, fragte sie.

„Halte ich dich nicht immer auf dem Laufenden?“ Es ärgerte Daniel, dass sie ihm so wenig vertraute. Seit er erwachsen war, arbeitete er für die Familie. Jahrelang war er zweiter Vorsitzender nach seinem Bruder gewesen, bis dessen schwarzer Aston Martin vor einem Jahr außerhalb Londons auf einer Ölspur ins Schlingern gekommen und von einer Brücke gestürzt war. Es war nicht das erste tragische Ereignis in der Familie Stone gewesen, doch dieses hatte sie alle schwer getroffen.

Daniels Vater verschwendete seine Zeit und einen beträchtlichen Teil des Familienvermögens inzwischen darauf, die Welt zu umsegeln. Kein Boot war schnell, kein Ozean gefährlich genug. Momentan hielt er sich vor der Küste Westafrikas auf. Seiner Mutter gefiel das neue Hobby ganz und gar nicht, obwohl sie ähnlich sorglos mit dem Familienunternehmen umging. Daniel kam sich manchmal vor wie ein Babysitter. Frustrierenderweise musste er sich trotzdem ständig vor ihnen rechtfertigen.

„Darf ich davon ausgehen, dass du für die Empire State Fashion Show heute Abend vorbereitet bist?“, fragte seine Mutter.

Sie achtete penibel auf jedes Detail, auch wenn er mittlerweile vierunddreißig Jahre alt war und sie ihm damit gehörig auf die Nerven ging. „Das bin ich.“

„Nimmst du jemanden mit?“

„Ich war in letzter Zeit ziemlich beschäftigt.“ Daniel war nicht nach New York gekommen, um neue Freunde zu finden, und sicher nicht, um ein Verhältnis anzufangen. Frauen verkomplizierten das Leben nur. Er war hier, um seinen Eltern zu zeigen, dass er alles unter Kontrolle hatte und es für sie beide Zeit wurde, in den Ruhestand zu treten. William war ihr Goldjunge gewesen, und Daniel weigerte sich, weiterhin als das schwarze Schaf der Familie dazustehen, nur weil er und sein Bruder sich am Abend des Unfalls gestritten hatten.

„Das heißt dann wohl Nein. Bitte sag mir, du weißt noch, was du zu tun hast.“

„Ich soll Nora Bradford ausfindig machen und sie überreden, eine Exklusiv-Kollektion für Stone’s zu entwerfen.“

„Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig das für uns ist. Eden’s ist ihr nie gerecht geworden. Sie verschwendet ihr Talent, wenn sie eine gesamte Kollektion ihrer traumhaften Kleider einem zweitklassigen Kaufhaus zur Verfügung stellt.“

Daniel verkniff sich eine Erwiderung. Als er angefangen hatte, sich um die Eröffnung von Stone’s in New York zu kümmern, war ihm nicht bewusst gewesen, dass seine Mutter noch immer eine Rechnung mit dem Eden’s offen hatte. Sonst hätte er es niemals vorgeschlagen. „Es ist nicht zweitklassig. Ich habe es mir angesehen.“

„Dann irrst du dich. Außerdem weißt du genau, wie sehr ich Victoria Eden verabscheut habe. Die Frau war nur auf Rache aus.“

Victoria Eden, die Gründerin von Eden’s, hatte seiner Mutter vor Jahren den Weg ins Einzelhandelsgeschäft geebnet und sie für den Managerposten in der Hauptfiliale in Manhattan vorbereitet. Zeitweise hatte es überall auf der Welt Eden’s-Filialen gegeben, während Stone’s – das Kaufhaus seiner Großeltern – es nie so weit gebracht hatte. Seine Mutter war damals nach New York geschickt worden, um hinter das Erfolgsgeheimnis zu kommen. Doch als Victoria Wind davon bekam, feuerte sie seine Mutter und überzeugte die Lieferanten, nicht mehr mit Stone’s zusammenzuarbeiten, was das Unternehmen beinahe in den Ruin getrieben hatte. Seitdem waren die beiden Familien verfeindet.

„Dessen bin ich mir bewusst.“

„Wir lassen uns nur in New York nieder, um Eden’s den Garaus zu machen. Wirklich schade, dass William es nicht miterleben wird.“

Daniel ließ sich ins Kissen zurücksinken. Die Englische Bulldogge Jolly, die sein Bruder ihm hinterlassen hatte, schmiegte sich an seine Hüfte. Daniel kraulte sie hinterm Ohr, woraufhin sie anfing zu knurren. Auch ihr schien er kein guter Ersatz für William zu sein. „Konzentrieren wir uns doch lieber auf uns. Möge der Stärkere gewinnen“, sagte er.

„Die Eden-Schwestern sind keine Konkurrenz. Die drei haben keinen blassen Schimmer davon, wie man ein Kaufhaus führt. Eine von ihnen hat ihr gesamtes Leben in Südfrankreich verbracht und bisher nichts Sinnvolles erreicht.“

Daniel schloss die Augen und rieb sich den Nasenrücken. „Ich muss mit den Hunden raus. Ich rufe dich später wieder an.“

Er verabschiedete sich und schlurfte in die Küche, um Tee aufzusetzen. Während sich das Wasser im Kessel erhitzte, schlenderte er ins Wohnzimmer. Durch die großen Fenster beobachtete er, wie die Sonne am Horizont auftauchte und das Licht langsam über den grünen Rand der Bäume im Central Park kroch, der von den schier endlosen Häusermassen eingerahmt wurde. Der Ausblick war unbezahlbar; die meisten Menschen konnten davon nur träumen.

Trotzdem fühlte er sich leer. Vermutlich, weil es nicht London war. Nichts verband ihn mit dem luxuriösen Hochhaus, in dem er hier wohnte, oder mit der betriebsamen Metropole. Je schneller er einen Standort für Stone’s fand und die Filiale eröffnete, desto eher konnte er nach England zurückkehren und sein Leben fortführen – was auch immer es für ihn bereithielt.

Zum wohl tausendsten Mal in den letzten fünf Tagen betrachtete Emma Stewart sich skeptisch im Spiegel. War das Kleid elegant genug für die Empire State Fashion Show heute Abend? Es war maßgeschneidert und schmeichelte ihrer Figur. Der etwas schwerere graue Kreppstoff zauberte eine wunderschöne Silhouette. Dazu trug sie gewagte Schuhe: schwarze Pumps von Manolo Blahnik, zu dessen Kauf ihre Halbschwester Sophie ihr geraten hatte. Das Outfit passte zu einer Frau, die eine Führungsposition bei Eden’s bekleidete. Aber würde es einem Raum voller Designer, Prominenter, Modemagazin-Redakteure und Models standhalten?

Emma drehte sich kritisch um sich selbst, schob sich dann ihre langen braunen Haare über eine Schulter und öffnete den Reißverschluss am Rücken. Es musste gehen. In Grau fühlte sie sich wohl. Irgendwann würde sie vielleicht mutiger werden und auffälligere Kleider anziehen, aber nicht heute. So weit war sie noch nicht. Daran konnten auch das Vermögen von über eine Milliarde Dollar, die protzige Wohnung mit Blick auf den Central Park und ihre Stellung als Finanzchefin eines der größten Kaufhäuser der Stadt nichts ändern. Drei Monate zuvor hatte sie auf ihrem Konto nur vierunddreißig Dollar gehabt, in einer langweiligen Ein-Zimmer-Mietwohnung in New Jersey gelebt, mit einer flinken braunen Maus als ungebetener „Untermieterin“, und war Nachwuchssteuerberaterin bei einer kleinen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gewesen. Ein Kleid, mit dem sie im Mittelpunkt des Interesses stehen würde, bereitete ihr Unbehagen, weil sie bisher nie im Mittelpunkt gestanden hatte.

Vorsichtig schob sie das Kleid in eine Schutzhülle, um es mit auf die Arbeit zu nehmen. Sie und ihre Halbschwestern Mindy und Sophie gingen nicht nur gemeinsam zur Fashion Show, sondern wollten sich vorher auch gemeinsam zurechtmachen. Sophie hatte sich um einen Hairstylisten und einen Make-up-Artist gekümmert. Dafür war Emma ihr sehr dankbar, denn an diesem Morgen hatte sie weder Zeit für das eine noch das andere, und wenn sie jetzt nicht losging, käme sie zu spät. Sie raffte die Haare zum Pferdeschwanz zusammen, trug ein bisschen Sonnencreme, Mascara und Lippenbalsam auf und zog die obligatorische schwarze Hose zur Seidenbluse an. Um das Outfit aufzupeppen, wählte sie eine königsblaue Bluse und die neuen hohen Pumps. Das waren zwei gewagte Kleidungsstücke auf einmal!

Draußen im Flur wartete sie auf den Aufzug und ging ihren heutigen Arbeitsplan im Kopf durch. Seit drei Monaten war sie nun bei Eden’s, trotzdem fiel ihr die Arbeit noch nicht leichter. Mit einem seltsamen Szenario hatte damals alles angefangen: Ende Dezember war Emma zur Eröffnung von Victoria Edens Testament geladen worden. Vorher hatte sie Victoria nur als Großmutter ihrer Cousinen und als Eigentümerin des gleichnamigen Unternehmens gekannt. Wie sich jedoch herausstellte, war Victoria Eden auch ihre Großmutter.

Vor siebenundzwanzig Jahren war Emmas Mutter eine Affäre mit dem Mann ihrer Schwester eingegangen. Darüber war Stillschweigen bewahrt worden, vor allem Emma gegenüber. Dieses Pulverfass war explodiert, als Victoria Eden ein Drittel des Großunternehmens ihrer dritten Enkelin Emma vermacht hatte. Die übrigen zwei Drittel erbten Sophie und Mindy Eden, die Emma stets für ihre Cousinen gehalten hatte. In Wahrheit waren sie ihre Halbschwestern. Nach wie vor war Emma sich nicht sicher, was sie von alledem halten sollte. Zwar war sie als Einzelkind aufgewachsen und hatte sich immer Geschwister gewünscht, diese Enthüllung war dann aber doch etwas zu viel auf einmal.

Endlich erklang das Pling des Aufzugs. Emmas Blick ruhte auf ihren Pumps, als die Tür aufglitt, landete jedoch schnell auf einem zweiten Paar Schuhe. Genauer gesagt auf glänzend schwarzen Full-Brogues-Herrenschuhen, dann auf einer dunkelgrauen Anzughose an langen Beinen. Sie ließ den Blick weiter hochwandern zu schmalen Hüften und dem Saum eines Jacketts, zu einem frischen weißen Hemd über einem breiten Brustkorb. Schließlich sah sie dem Mann ins Gesicht.

Er strich sich das dichte, wuschelig-braune Haar aus der Stirn. Ein Blick aus eisblauen Augen traf ihren. Der Mann sagte nichts, räusperte sich nur und hielt die Aufzugtür rasch mit der Hand auf, als diese sich wieder schließen wollte.

Emma trat ein. „Tut mir leid. Guten Morgen. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und war mit meinen Gedanken wohl woanders.“ Sie lachte leicht gezwungen.

Der Hüne erwiderte nichts, verschränkte nur die Arme vor der Brust und starrte stur geradeaus.

„Sind Sie auch auf dem Weg zur Arbeit?“, fragte sie.

Der Mann sah sie an und nickte. „Ja.“

Oh, ein britischer Akzent. „Wohnen Sie schon lange hier?“ Emma wohnte seit fast zwei Monaten in diesem Haus, hatte sich aber bisher mit keinem Nachbarn angefreundet. Obwohl sie es versucht hatte. Einem Pärchen, das auf ihrem Flur eingezogen war, hatte sie Kürbismuffins vorbeigebracht. Verwirrt hatten sie sie angesehen. Emma war ihr Fehler aufgefallen, als die Frau sagte: „Wie nett. Alles selbstgemacht.“ Besser wäre es gewesen, wenn sie etwas von einem der angesagten Feinkostläden mitgebracht hätte. Beim nächsten Mal würde sie auf Schokoladentrüffel und eine Flasche Champagner setzen. Irgendwie würde sie sich schon durch diese Welt mogeln, sie musste nur mal ein bisschen ihren Kopf anstrengen.

Der Mann verneinte und fuhr sich durch die Haare.

Sofort fielen Emma weitere Fragen ein, zum Beispiel, ob sie mal an ihm schnuppern dürfe. Sein Eau de Cologne roch warm und holzig. Bedauerlicherweise öffneten sich genau in dem Moment die Türen, und er trat beiseite.

„Nach Ihnen“, sagte er, und sie erschauerte wohlig. Wenn diese zwei Wörter schon so eine Reaktion bei ihr auslösten, konnte Emma nur erahnen, welche Wirkung ein ganzer Satz auf sie haben würde.

Sie bog nach rechts in die Eingangshalle, während der mysteriöse Brite mit langen Schritten linksherum zur Parkgarage ging. Sehnsüchtig sah sie ihm hinterher, bis er verschwand. Eventuell konnte sie ihren Chauffeur überreden, beim nächsten Mal dort auf sie zu warten. Vielleicht verpasste sie jeden Morgen einen ganzen Haufen gutaussehender Männer. Vielleicht sollte sie aber auch zur Arbeit fahren und aufhören, über gutaussehende Männer nachzudenken. Eden’s war ihre Zukunft – eine, die sie sich nie hätte träumen lassen. Ablenkungen konnte sie nicht gebrauchen.

Nach zwanzig Minuten Stop-and-go durch den Berufsverkehr von Manhattan setzte ihr Chauffeur sie vor dem Eden’s ab. Kaum trat sie im oberen Stockwerk aus dem Aufzug, wurde sie von der Empfangsdame Lizzie abgefangen.

„Mindy und Sophie warten in Sophies Büro auf Sie. Sie wollen mit Ihnen über die Empire State Fashion Show sprechen.“

Emma setzte ein steifes Lächeln auf. „Danke. Ich werde bei ihnen vorbeischauen.“ Allein der Name der großen Wohltätigkeitsmodenschau machte sie nervös. Ihre Großmutter hatte diese Veranstaltung jedes Jahr besucht, und heute Abend würden sich zum ersten Mal die drei Schwestern als neue Gesichter von Eden’s dort zeigen.

„Emma! Guten Morgen.“ Sophie sprang von ihrem Schreibtischstuhl auf, warf ihr langes, erdbeerblondes Haar über die Schulter und umarmte Emma. Sie trug ein bezauberndes dunkelblaues Kleid und mörderische High Heels. Sophie war eine Königin der Mode und verkörperte alles, wovon Emma insgeheim träumte.

„Hey, Em“, kam es von Mindy, die sie von Kopf bis Fuß musterte. Mindy trug einen pflaumenfarbenen Bleistiftrock und einen kurzen Blazer mit Schößchen. Ihre Garderobe war nicht so ausgefallen wie die von Sophie, aber auch sie war stets tadellos gekleidet. „Wie ich sehe, tragen wir schon wieder eine schwarze Hose.“

„Ich musste mich beeilen. Da habe ich einfach etwas angezogen, das auf jeden Fall gut aussieht.“ Emma stellte sich neben den Schreibtisch. Sie wollte nicht lange bleiben.

„Ist das dein Kleid für heute Abend?“, fragte Mindy und deutete auf die Kleiderhülle, die sie über dem Arm trug.

„Oh. Äh … ja.“

„Wir würden es uns gern ansehen. Schluss mit der Heimlichtuerei.“

Emma hängte den Kleidersack an Sophies Garderobenständer und öffnete den Reißverschluss. Sie presste die Lippen aufeinander und wartete gespannt, was die beiden sagen würden. Dabei war alles erlaubt. Sie arbeiteten schließlich in einer Branche, in der Stil und der erste Eindruck ausschlaggebend waren, und Emma tat sich mit beidem schwer. Allerdings durfte man auch nicht vergessen, dass Mindy und Sophie in einem Haus aufgewachsen waren, in dem es nie an Geld gefehlt hatte. Man hatte sie ermutigt, sich zu kleiden, wie sie es für richtig hielten. Emma hingegen hatte bei Discountern eingekauft und war dazu erzogen worden, sich anzupassen.

„Und?“ Emma drückte den Rücken durch und wappnete sich für den Angriff.

„Auf keinen Fall!“, sagte Mindy. „Das ist ja grauenvoll.“

Sophie warf Mindy einen vorwurfsvollen Blick zu und stellte sich neben Emma. „Also, ich weiß nicht. Immerhin liegt Grau diese Saison im Trend.“ Sie griff nach dem Saum des Kleids. „Das Problem ist nur, dass es kein Abendkleid ist. Und es strahlt keine Freude aus. Dabei soll es doch ein lustiger Abend werden. Ein Abend, an dem wir auffallen wollen.“

Genau das hatte Emma befürchtet. „Ich kann nichts dafür, dass ich nicht auf dem Laufenden bin, was Mode betrifft. Bis vor drei Monaten habe ich als Steuerberaterin gearbeitet und hatte kaum Geld.“

„Du weißt doch, dass du das nicht rumerzählen sollst“, sagte Sophie und hielt einen Finger vor den Mund.

Ach ja. Das Familienmärchen. Nicht lange, nachdem Emma als Erbin bekannt gemacht worden war, hatten Mindy und Sophie sich eine Geschichte ausgedacht, die erklären sollte, warum Emma bisher nicht zusammen mit der Familie Eden in der Öffentlichkeit gesehen worden war. Sie hatten den Fehltritt ihres Vaters offen zugegeben, nicht jedoch, dass Emma ihr ganzes Leben lang nichts davon gewusst hatte und mit wenig Geld aufgewachsen war. Sie fürchteten, es würde ihre Großmutter und damit auch das Unternehmen in ein schlechtes Licht rücken. Deswegen sollte Emma erzählen, dass sie von einem Privatlehrer in Frankreich unterrichtet worden und dann in die Staaten zurück gezogen war, um fernab der Öffentlichkeit eine Ausbildung im Finanzbereich zu verfolgen.

Es war nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, aber in Wahrheit hatte sie die ganze Zeit in New Jersey gelebt und war zu Hause unterrichtet worden. Emma hätte diese Lüge gerne richtiggestellt, aber sie machte es ihr leichter, in der Welt der Reichen und Schönen zurechtzukommen. Es brachte ihr ein gewisses Ansehen ein, und sie war für jede Hilfe dankbar.

„Keine Sorge, ich werde nichts verraten.“

„Reden wir nicht mehr davon. Aber dieses Kleid ist wirklich zum Einschlafen langweilig. Du brauchst ein anderes.“ Mindy schlug die Beine übereinander und wippte mit dem Fuß.

„Ich könnte doch unten in die Schmuckabteilung gehen und eine Kette aussuchen, die das Outfit etwas auflockert“, sagte Emma.

Sophie verzog zweifelnd das Gesicht. „Ich bin nicht sicher, ob das reicht.“

Emma wollte nicht länger hier stehen und sich die Kritik anhören. Vor ihren Halbschwestern wollte sie weder dumm noch bemitleidenswert wirken, und nach wie vor wusste sie nicht, ob die beiden tatsächlich nur ihr Bestes im Sinn hatten. „Dann nehme ich eben ein anderes Kleid.“ Hoch erhobenen Hauptes ging Emma hinaus auf den Flur, obwohl sie sich alles andere als selbstbewusst fühlte. Sie schämte sich zutiefst.

Rasch flüchtete sie in den Schutz ihres Büros und schaltete das Licht ein. Es war das Büro ihrer Großmutter gewesen, und jedes Mal, wenn Emma den Raum betrat, fragte sie sich, was passiert wäre, wenn das Familiengeheimnis schon in ihrer Kindheit ans Licht gekommen wäre. Sie hätte ihren Vater kennengelernt und sich zu einer Frau entwickeln können, die problemlos das richtige Kleid für eine Veranstaltung wie die heutige auswählte. Doch all das war ihr verwehrt geblieben. Nicht den Hauch einer Ahnung hatte sie gehabt.

Sophie erschien im Türrahmen. „Darf ich reinkommen?“

„Ich möchte kein Drama daraus machen, okay? Ich werde schon etwas finden.“ Emma zog sich auf den Stuhl hinter ihrem Schreibtisch zurück, um ein massives Möbelstück zwischen sich und ihre Halbschwester zu bringen.

„Da bin ich mir sicher. Aber warum lässt du mich nicht einfach mitkommen?“

„Ich bin schon groß. Ich kann mir meine Kleidung selbst aussuchen.“ Emma hatte sich gar nicht so trotzig anhören wollen. In Wahrheit konnte sie ein bisschen Hilfe gut gebrauchen, oder zumindest jemanden, der ihr versicherte, dass sie nicht komplett lächerlich aussah.

Sophie setzte sich auf einen freien Stuhl. „Als Großmutter mich zum ersten Mal zu dieser Veranstaltung mitgenommen hat, war ich ein nervliches Wrack. Ich hatte keine Ahnung, was ich anziehen sollte, und brauchte Grams Tipps.“

„Na ja, jetzt ist sie nicht mehr hier, um mir zu helfen, nicht wahr?“ Emma gefiel der Unterton in ihrer Stimme nicht, doch der Schmerz saß tief. Man hatte ihr keine Gelegenheit gegeben, eine Beziehung zu ihrer Familie aufzubauen.

„Nein, ist sie nicht, und das tut mir leid. Ich würde dir aber gern helfen. Ich war jetzt schon vier Mal auf dieser Veranstaltung. Zusammen werden wir das perfekte Kleid für dich finden.“

Obwohl Emma es nicht zugeben wollte, hatte sie nur auf dieses Angebot gewartet. Hier bot sich ihr eine Lösung an. Und die Uhr tickte. „Ich weiß nicht, wann ich mir Zeit dafür nehmen kann. Mein Terminplan ist eine Katastrophe, und ich hasse es, Dinge auf den letzten Drücker zu erledigen. Ich plane gern voraus und mag keine Überraschungen.“

Sophie stand auf. „Mach dir darüber keine Sorgen. Ich muss heute Morgen sowieso noch in der Designerabteilung vorbei, da finde ich bestimmt ein paar Sachen, aus denen du dir dann etwas aussuchen kannst. Was hältst du davon?“

„Aber nicht übertreiben, okay? Ich protze nicht so gern herum.“

„Man muss nicht herumprotzen, um der Star des Abends zu werden.“ Sophie sah auf ihr Handy, das sie stets bei sich trug. „Komm einfach in zwei Stunden in die private Anprobe.“

Emma hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, aber kaum eine andere Wahl. Sie konnte schließlich nicht auf dieses Event gehen und so aussehen, als würde sie nicht dorthin gehören. „Ich werde da sein.“

2. KAPITEL

Nachdem Emma den ganzen Morgen über Zahlen gebrütet hatte, traf sie sich mit Sophie in dem exklusiven Anprobebereich, der normalerweise den wichtigsten Kunden vorbehalten war. Emma hatte noch nie etwas in einem so noblen Ambiente anprobiert. Der Raum bot eine luxuriöse Lounge mit eleganten silberfarbenen Polstersesseln und war vorteilhaft ausgeleuchtet. Darüber hinaus konnte man einem persönlichen Assistenten seine Getränkewünsche mitteilen. Das war Shopping, wie es nur die wohlhabendsten und einflussreichsten Kunden des Eden’s erlebten. In dem ansonsten betriebsamen Kaufhaus glich die Anprobe einer Oase der Ruhe.

Der Assistent kam mit zwei Champagnergläsern zurück.

„Wirklich?“, fragte Emma, als Sophie ihr eins reichte. „Es ist mitten am Tag.“

„Ich hoffe sehr, dass wir gleich einen Grund zum Anstoßen haben. Ich wollte dich nämlich fragen, ob du eine meiner Brautjungfern wirst.“

Emma traute ihren Ohren kaum. „Tatsächlich?“ Noch während sie fragte, merkte sie, wie unüberlegt es sich anhörte. Wenn sie in dieser Familie nicht zum Außenseiter werden wollte, musste sie aufhören, sich selbst in diese Rolle zu drängen. „Ich meine: Ja! Natürlich! Ich würde mich riesig freuen. Was für eine Ehre!“

Sophie lächelte und prostete ihr zu. Emma stieß mit ihr an. „Sehr schön. Ich habe noch keinen Designer für die Kleider, aber ich werde dich auf dem Laufenden halten.“

Emma verfiel in einen Zustand freudiger Überraschung. Eigens designte Brautjungfernkleider? „Das klingt ja großartig!“

Sophie sank in einen Sessel. „Schon seltsam. Jedes Mal, wenn ich Champagner trinke, muss ich an Gram denken.“

„Wie war sie so?“ Emma setzte sich ihr gegenüber und nahm einen vorsichtigen Schluck. Es war köstlich, und die Bläschen kitzelten sie in der Nase.

„Gram war wunderbar und mein Vorbild. Ich habe sie abgöttisch geliebt. Aber bei manchen Leuten ist sie angeeckt, weil sie eben auch eine skrupellose Geschäftsfrau sein konnte.“

Emma unterdrückte ihre Trauer darüber, dass sie ihre Großmutter nie kennengelernt hatte. „Jede Frau muss manchmal skrupellos sein, meinst du nicht?“

Sophie nickte eifrig. „Wenn sie Erfolg haben will, dann ja.“

„Da fällt mir ein: Mir ist aufgefallen, dass unser Exklusivvertrag mit Nora Bradford noch nicht verlängert wurde.“

Sophie machte ein finsteres Gesicht. „Ich weiß. Sie halten uns hin. Du solltest wissen, dass wir zwei unserer Exklusivdesigner Ende Dezember verloren haben, kurz bevor du hier angefangen hast. Wenn wir Nora auch noch verlieren, wäre das ein schwerer Schlag.“

„Was glaubst du steckt dahinter?“

„Die Leute verhalten sich uns gegenüber anders, seitdem Gram nicht mehr hier ist.“

Emma nahm noch einen Schluck. „Sieht aus, als hätten wir alle Hände voll zu tun.“

„Ich bin schon dabei, werde aber sicher bald deine Hilfe benötigen. Jetzt hoffe ich erst mal, dass das Kleid, das ich für heute Abend ausgesucht habe, uns hilft. Es ist in der Umkleidekabine.“

„Das Kleid? Nur eins?“

„Ich weiß. Ich habe gesagt, ich würde dir eine Auswahl zusammenstellen, aber dieses ist perfekt. Es ist erst heute Morgen angekommen – eins aus der Exklusivkollektion von Nora Bradford.“ Sophie scheuchte sie in die Kabine. „Na los. Sieh es dir an.“

Emma zog den Kopf ein und verschwand in der Umkleide. Am Haken hing ein Kleid, das sie sich nie auszusuchen getraut hätte. Es glitzerte, war eisblau, trägerlos und gewagt.

Sie verschwendete keine Zeit, zog sich ihre Businesskleidung aus und schlüpfte hinein. „Kannst du mir mit dem Reißverschluss helfen?“, rief sie.

Sophie steckte den Kopf herein, ihr Gesicht erhellte sich. „Das ist es! Das ist ja noch besser, als ich dachte. Und jetzt: Bauch einziehen.“

Mit einem Ruck schmiegte sich das Kleid eng an ihren Körper. Emma sah an sich hinunter. „Also, ich weiß nicht. Ich habe noch nie ein trägerloses Kleid getragen, und dann auch noch so viel Stoff.“ Sie kämpfte mit den blassblauen Organzamassen, die den Rock bildeten. Solange sie stillstand, waren ihre Beine bedeckt, bewegte sie sich aber, flatterten die Stoffstreifen wie lose Tücher im Wind. „Und wenn ich stolpere? Außerdem kriege ich kaum Luft.“ Das Mieder hielt ihren Oberkörper fest umschlungen.

„Atmen in einem trägerlosen Kleid kannst du vergessen. Nicht, wenn es den ganzen Abend sitzen soll. Du siehst wirklich fantastisch aus. Es ist dir wie auf den Leib geschneidert.“

„Ehrlich?“ Wären die Sommersprossen und die Ohrringe, die sie täglich trug, nicht gewesen, hätte sie sich selbst nicht wiedererkannt.