Verdammt sexy - die Mediengestalter in der Krise - Timothy Speed - E-Book

Verdammt sexy - die Mediengestalter in der Krise E-Book

Timothy Speed

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Beschreibung

2001 brach der Designer und Medienmacher Timothy Speed mit der klassischen Werbung und Mediengestaltung. Er sprach seine Zweifel auf einer großen Bühne vor 1000 Art-Direktoren aus und es kam zum Eklat. Ihm war es danach viele Jahre unmöglich in den Medien zu arbeiten. Speed formulierte sein Unbehagen gegenüber einer zunehmend oberflächlicher werdenden Medienwelt, die sich in seinen Augen selbst belügt, und somit die Grundlage für Qualität und Innovation verspielt. Sein Buch wurde zu einem Zeitdokument, über den Niedergang der New Economy und die Gewissensfrage der Gestalter. Noch heute ist es hochaktuell und jeder der Medien gestalten will, sollte dieses Buch lesen. Besonders für Medienstudenten ist es ein wichtiger Einstieg in die Medienethik. Multimedia.de Verdammt sexy" ist lesenwert, weil der Autor eine Abkehr von der "Wir-in-unserer-Fabriketage-sind-so-hip"-Mentalität fordert. Er ruft zu mehr Widerstand gegen Kunden- und Technikzwänge auf, die letztendlich zu unerträglich langweiligen Produkten zu führen. Wer immer nur das tut, was man von ihm verlangt und nicht, was er selbst für richtig hält, braucht sich über einen Frustkater nach dem Ende der Party nicht zu wundern. Triangel.at Der Designer und Autor Timothy Speed hat ein Buch über die Medien und andere Gestalter geschrieben. Er bringt in "Verdammt sexy" die aktuellen Probleme der New Economy mit scharfsinnigem Blick und viel Humor auf den Punkt, egal ob er über Online-Redaktionen, Big Brother, das Ende der Werbebanner, oder über die Spaßgesellschaft schreibt. Wer sein Buch gelesen hat wird diese Krise mit anderen Augen sehen. Ihm ist mit "Verdammt sexy" eines der wenigen originellen Bücher in der deutschen Medienszene geglückt. Man darf auf seine Werke gespannt sein. Jungle World Erfrischend dagegen, wie in dem gerade erschienenen hübschen Bändchen "Verdammt sexy - Die Mediengestalter in der Krise" der Webdesigner Timothy Speed aus Insiderperspektive den Gute-Laune-Terror seziert und damit Horx' zentraler These das Wasser abgräbt. "Wenn also die New-Economy", so Speed, "den Spaß in der Arbeit verordnet, dann ist das alles andere als lustig. Es stellt einen eklatanten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter dar. Nämlich das Recht darauf, die Arbeit nicht immer spannend, witzig, aufregend und unterhaltsam zu finden, aber sie dennoch zu tun." Vielleicht ist das mal eine smarte Auffassung von Kapitalismus.

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2001 brach der Designer und Medienmacher Timothy Speed mit der klassischen Werbung und Mediengestaltung. Er sprach seine Zweifel auf einer großen Bühne vor 1000 Art-Direktoren aus und es kam zum Eklat. Ihm war es danach viele Jahre unmöglich in den Medien zu arbeiten. Speed formulierte sein Unbehagen gegenüber einer zunehmend oberflächlicher werdenden Medienwelt, die sich in seinen Augen selbst belügt, und somit die Grundlage für Qualität und Innovation verspielt.

Sein Buch wurde zu einem Zeitdokument, über den Niedergang der New Economy und die Gewissensfrage der Gestalter . Noch heute ist es hochaktuell und jeder der Medien gestalten will, sollte dieses Buch lesen. Besonders für Medienstudenten ist es ein wichtiger Einstieg in die Medienethik.

Timothy Speed wurde 1973 in Middlesbrough/England geboren. Er ist Künstler und Schriftsteller und schrieb dieses Buch mit 26 Jahren, aus seinen frühen Erfahrungen als Medienmacher, in der Zeit der New Economy.

Vorwort

Der 1973 geborene britisch-österreichische Künstler und Schriftsteller Timothy Speed beschäftigt sich in seinen Essays, Performances, sozialen Projekten und literarischen Arbeiten mit der Rolle von selbstbestimmten, unangepassten und kreativen Menschen in wirtschaftlichen und staatlichen Strukturen. Er setzt sich mit Veränderungs- und Entwicklungsprozessen auseinander, löst diese mit ungewöhnlichen Ansätzen selbst aus, oder begleitet sie. Gerade in Zeiten, in denen Individualismus von Angst verdrängt wird und ein übertriebenes Sicherheitsbedürfnis die kreativen Potenziale und notwendigen, krisenhaften Bewusstwerdungsprozesse verhindert, bekommt seine Arbeit hohe Relevanz und Bedeutung.

Viele Jahre hat er die inneren Mechanismen von kreativen und freien Gesellschaftsordnungen untersucht und entwickelte 2003 in dem Buch »Gesellschaft ohne Vertrauen« eine eigene Theorie dazu, wie die Teilhabe vielfältiger, kritischer, unangepasster Menschen in einem System gefördert werden kann und weshalb dies für die Realitätskompetenz und Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft entscheidend ist. Er zählt zu den Pionieren im Bereich der »systemkreativen« Gesellschaftsgestaltung und eines authentischen »Diversity-Managements«. In seinen Ansätzen wird die Gesellschaft nicht mehr aus von Eliten gesteuerten, halbbewussten, politischen Ritualen gestaltet, sondern in individuellen Prozessen ergründet und umfangreich diskutiert. Die Bedeutung kreativer und systemischer Intelligenz wird erlebbar. Dafür braucht es laut Speed IndividualistInnen und Menschen die sich subjektiven und inneren Impulsen hingeben, welche die Strukturen auf der Werte-, Wissens- oder Identitätsebene, durch neue Perspektiven oder Irritation ausreichend destabilisieren, um Entwicklung und echte, demokratische Prozesse zu fördern. Darum spricht er von einem Recht auf Krise und fordert ein positives Verständnis von abweichendem Verhalten, um komplexere Ordnungen entstehen zu lassen.

Wirtschaftswachstum tauscht er gegen Gestaltungskraft, weil die Frage was Menschen individuell im Leben gestalten können, mehr über den realen Wohlstand in einer Gesellschaft aussagt und negative Erfahrungen nicht entwertet, sondern integriert. Bereits im Jahr 2000 analysierte er in »Verdammt Sexy« die Probleme für Wirtschaft und Gesellschaft, die aus zu viel Konformismus und Zwang zum Harmlosen und Glücklichen resultieren. Mit dem amerikanischen Medienforscher Neil Postman diskutierte er die Frage, mit welchem Recht die Medienmacher die Realität gestalteten. Schon hier zeigte sich seine Suche nach der authentischen Gestaltung einer Gesellschaft und nach neuen Strukturen, welche diese begünstigten. Später entwickelte er mit dem Managerberater Markus Maderner eine der ersten Managementmethoden, welche bewusst die Komplexität nicht reduziert, um das Management scheinbar zu erleichtern, sondern die Vielfalt sucht und integriert, also lernt damit zu arbeiten. Dadurch kann näher an der Realität, näher am Menschen gestaltet werden und automatisierte Strukturen, die zu gigantischen Nebeneffekten, wie Umweltzerstörungen, Ignoranz oder sozialen Problemen führen, durch die in dem Buch »Inner Flow Management« entwickelten Haltungen von einer bewussteren Form der Unternehmensführung abgelöst werden. Speed zeigt auch auf, wie erst durch das Amateurhafte, Persönliche, Angreifbare und Subjektive echte Innovations- und Entwicklungsfähigkeit möglich wird, da die überprofessionalisierte Wirtschaft sich in ihrem Zwang zur Simplifizierung und zum normierten Verhalten selbst von der Quelle neuer und unmittelbar realistischer Einsichten abschneidet. Dies hat primitive Systemstrukturen zur Folge, die zunehmend Vielfalt entwerten und ausgrenzen. Für Bewegung notwendige Entwicklungsenergie geht in zu viel Ordnung verloren.

Seine Arbeit entlarvt jene Spielart des Kapitalismus, die Gesellschaft und innovative Wirtschaft nachhaltig zerstört und in einer falsch verstandenen Effizienzmanie mehr Freiheit, und damit die Grundlage von Fortschritt, verhindert.

Aus diesen Überlegungen heraus versuchte Speed 2010 selbstbeauftragt, als Künstler das Unternehmen Red Bull umzugestalten. Er drohte vor der Zentrale in Fuschl einen Stier zu töten, um einen subjektiven Prozess auszulösen, in dem die Beziehung zwischen Unternehmen und Mensch neu verhandelt werden sollte. Er wollte sehen was passiert, wenn ein Individuum sich mit allen Aspekten der eigenen Persönlichkeit in die Wirtschaft einbringt, diese komplizierter, komplexer, vielfältiger macht und sich zugleich im Dienst der Innovations- und Realitätskompetenz weigert, ein geschmeidiges, ein einordenbares Produkt zu werden. Weil er in der subjektiven Differenz, im Nicht- oder Missverstehen, im unangepassten Verhalten, die Chance der Erweiterung der Existenz und der Lebenswirklichkeiten sieht.

Zitat Speed: »Für eine Woche waren die Leute bei Red Bull gespalten. Sie wussten nicht, ob sie als Mensch oder als Funktion auf mein Handeln reagieren sollten. Ich hatte das Gefühl, dass der Mensch in ihnen mit mir den Stier töten wollte, während der Anwalt, der Milliardär, der Manager, der aus ihnen sprach, dies um jeden Preis verhindern musste. In dieser Woche gehörte das Unternehmen allein dem an der Welt zweifelnden Menschen. Der Gewissheit, dass jeder von uns einen Konzern bezwingen, gestalten und verändern kann.«

In einer Welt, in der sich Firmen durch einseitige Kommunikation in der Werbung und hierarchischen Machtstrukturen dem Bewusstwerden jener Verstrickungen, jener verborgenen Zusammenhänge, jener Auswirkungen verweigern, an denen immer mehr Menschen leiden, kann Arbeit, Staat und Gesellschaft vom Persönlichen nicht mehr getrennt werden, ist alles mit allem in Beziehung. Hier lebt Speed eine Form radikaler Beziehungsfähigkeit mit der Gesellschaft und den Unternehmen und stellt sich den sensiblen Wahrnehmungen, dem persönlichen Schmerz. Dabei entstehen neue Lebensräume aus subjektiver Kommunikation, in Welten kommerzieller Gleichschaltung. Für ihn ist dies die Grundlage innovativer Wertschöpfung, Authentizität und Menschlichkeit.

Somit wird durch die eigene Sperrigkeit mehr Entwicklungspotenzial in der Wirtschaft vorgelebt und dient so als Grundlage neuer Märkte.

Speed forderte den Konzern heraus, sich durch den Menschen hindurch komplexeren und freieren Ordnungen, Weltbildern, Möglichkeiten zu stellen. Er zeigt wie Prozesse richtig umgesetzt werden, damit beispielsweise auch die einzelne Person im individuellen Schmerz sein darf, sich nicht in der Anpassung als innovative und die Wirklichkeit reflektierende Ressource selbst zerstört und daraus neue Bedürfnisse und Märkte nicht entstehen können, die sich in einem bewussten Zusammenspiel zwischen Individuum, Struktur und Umwelt herausbilden würden. Das aber braucht Zeit und Raum. Eine Verantwortung der wir uns stellen müssen, wollen wir nicht die Krisen der Vergangenheit wiederholen oder zwanghaft an jetzt schon nicht mehr funktionierenden Strukturen festhalten.

Später schrieb Speed den Roman »Stieren des Weltdesigners«, in dem eine Gruppe von Individualisten in einem Bus zu Red Bull fahren, um selbst zur Krise zu werden. Damit sie wieder selbstbestimmt ihr Leben gestalten können, sich durch sie hindurch eine komplexere, vielfältigere Ordnung ausdrücken kann, in der auch Probleme sichtbar und Beziehungen gestaltbar werden. Sie eben nicht in Kommerzwelten ihre Integrität verlieren und von einer vermeintlichen Krise vor sich her getrieben werden. 2014 wurde der Roman ohne Zustimmung des Autors und vermutlich aus Angst vor Red Bull vom Verlag zensiert und vom Markt genommen.

Timothy Speed entspricht in seiner Arbeit nicht traditionellen Vorstellungen von Literatur. Er lebt in literarischen Kunstfiguren subjektive Beziehungen zu Unternehmen und Behörden, überhöht und verzaubert dadurch die Wirklichkeit und zeigt in seinen Texten die Zerrissenheit der menschlichen Seele, in Zeiten von Konformismus und dem Zwang zur Produkthaftigkeit. Im subjektiven Unbewussten entschlüsselt er tiefer liegende Zusammenhänge einer natürlichen Ordnung, auf der sich kreativere Wirtschaft und Gesellschaft begründen lässt. Speed erzeugt Irritation, macht bewusst dramaturgische Fehler, lebt Themen subjektiv aus, macht sich angreifbar, um den Blick für das Neue und Unmittelbare zu schärfen.

Da Speed mit seiner eigenen Existenz versuchte, eine neue ArbeiterIn vorzuleben, die sich der Simplifizierung und Effizienzsteigerung verweigert, um die Zerstörung der Vielfalt zu stoppen, war es nur logisch, dass er dabei pleite ging und somit auch für den Staat zu positivem Sand im Getriebe wurde. Vom Arbeitsamt schikaniert und völlig verarmt, schrieb er den Essay »Stärke in der Armut«, in dem er die zweifelhaften Hartz IV Gesetze im Namen der Kunstfreiheit aushebelte und seinen fehlenden Gehorsam für ein Wirtschaftsförderungsprogramm erklärte. Damit brachte er die amtierende Ministerin Andrea Nahles in Bedrängnis und gab den Armen eine Wirtschaftskompetenz zurück, die ihnen strukturell in der Armut genommen wird.

Der Vizepräsident des Europaparlaments und somit der ranghöchste Österreicher in Brüssel, Othmar Karas ließ über sein Büro ausrichten: »Herr Mag. Karas schätzt Ihren Text sehr, da Sie versuchen ein Verständnis bzw. ein Bewusstsein für Ihre Situation und die von vielen anderen, zu schaffen. Besonders den Aspekt – die volkswirtschaftliche Verantwortung und Wertschöpfung aus einem ganz anderen Gesichtspunkt heraus zu beobachten, ist ihm ins Auge gefallen…«

Die österreichische Armutskonferenz hingegen lehnte sein Buch ab und verweigerte dem Künstler den konstrukiven Dialog: »Wir haben Ihr Buch gelesen, der Inhalt, das Ziel entspricht nicht unserem Zugang von Armutsbekämpfung, wir können es daher nicht empfehlen und werden es folglich auch nicht in unserem Newsletter rezensieren.«

In dem literarischen Essay »Intima« befasst sich Speed 2014 erneut mit dem Thema von »Gesellschaft ohne Vertrauen«, den kreativen Kräften in Systemen, geht aber dieses Mal verstärkt auf den inneren Aufbau der Wirtschaft ein. Seine Kritik an der modernen Ökonomie erschließt neuartige Zusammenhänge, die helfen können der Krise ganz anders zu begegnen. Entstanden ist ein Aufruf die Urkräfte des Marktes, nämlich die Beziehung zwischen Menschen neu zu beleben. Vielfältiger und freier, als dies manchen Eliten lieb ist.

Speed zählt zu den wichtigen Querdenkern einer neuen Ökonomie und integrierenden Gesellschaftsgestaltung. Ja, eines mutigen und kreativen Menschen, der die Krise nicht scheut. Die NGO »Dropping Knowledge« lud ihn 2006, gemeinsam mit bedeutenden Intellektuellen wie Wim Wenders, Hans-Peter Dürr, Jonathan Meese, Masuma Bibi Russel oder Bianca Jagger, an den größten runden Tisch der Welt ein, um die 100 bedeutendsten Fragen der Menschheit zu beantworten.

Eine Zeit arbeitete er für die Organisation des amerikanischen Präsidentenberaters Don Edward Beck. Als Speaker spricht er vor Top-Managern, hält Workshops, begleitet Prozesse, provoziert und regt zum Nachdenken an.

Inhalt

Anmerkung zur überarbeiteten 2. Auflage

Der Ich-Gestalter

Der Mediengestalter als Gott

Die anonymen Gestalter

Die Probleme innovativer Werbung

Ein Fluss voll Coca Cola / Werbeprojekt

Das Plakat / Werbeprojekt 2001

Medien machen sexy oder Wie man Gestalter wird

Ausflüchte der Medientheorie

Medien und Zukunft

Die Gestaltung der Zukunft sollte noch unberechenbar sein dürfen

.

Der kostenlose Arbeiter als Ideal

Das Phänomen Spaß

Der kreative Arbeiter

Das emotionale Internet

Der Cyber-Wald / Art-Projekt

Widerstand im Internet

Interface-Gestaltung

Ablehnung der Technik

Das Ausbildungsproblem

Die Visionäre

Familie und Mediengestaltung

Kommerzialisierung, Speed und Arbeitswahn

Vergeudete Innovation

Online-Redaktionen

Das ehrwürdige Medium

Flashcartoons und Cyber-Trick

Trickfilmserien für das Internet wie geschaffen

.

Gestaltungsfeindlich?

Webentertainment

Interactive Entertainment oder Interactive Art

Sex als Gestaltungsformel

Big Brother und non-lineare Erzählung

Interaktive Werbung

Gestaltungs-Dogmen

Exit – Internet

Schlusswort

Anmerkung zur überarbeiteten 2. Auflage

Verdammt Sexy entstand vor 15 Jahren. Damals war ich 26 und die New Economy noch das große Ding. Der 11. September 2001 lag ein gutes Jahr in der Zukunft und die Welt im Westen war eine weitgehend heile Welt, die eben noch den Boomjahren unter Bill Clinton entwachsen und ein neues Jahrtausend begonnen hatte. Nun bin ich 41 und wir schreiben das Ende des Jahres 2014.

Ein Jahrzehnt lang habe ich dieses Buch selbst nicht mehr gelesen, stellte aber fest, dass es noch immer regelmäßig den ersten Platz in der Kategorie „Medienethik“, belegt. Darum habe ich mich entschieden den Text ein wenig zu überarbeiten, dabei aber das Buch nicht grundlegend zu verändern. Mit 26 war ich nicht sehr präzise und viele Dinge, die ich beschrieb, wurden inzwischen von der Geschichte des Internets überholt, oder haben sich als falsch herausgestellt. Manches mag jüngeren Lesern seltsam vorkommen. Es ist eben ein Text aus einem anderen Jahrzehnt, als das Internet zu laufen lernte und die Pioniere noch jenem Hype folgten, der bald drauf grausam endete.

Als ich 2001 dieses Buch im Rahmen der TYPO, dem größten europäischen Werber- und Designerkongress vorstellte und verkündete die Werbung würde die Wirtschaft schädigen, weil diese Lüge und das schließlich jedes Qualitätsbewusstsein erodieren ließe, bis wir selbst nicht mehr merkten, dass wir uns was vormachten, wurde ich ausgebuht und 800 Werbe- und Medienkreative verließen aufgebracht den Saal. Wenige Jahre Später kam der große Börsencrash und die Folgen der Selbsttäuschung wurden offensichtlich.

Dennoch hat sich heute wenig am nicht hinsehen wollen geändert. Man ist ängstlicher geworden, oder noch ignoranter. Gestaltung ist nichts was mit einem breiteren Bewusstsein über Zusammenhänge und Auswirkungen passiert. Darum hat dieses Buch noch immer hohe Aktualität. Im kommenden Jahr wird ein neuer Titel von mir über das Fernsehen erscheinen, mit dem ich hoffe das Thema wieder aufzugreifen und weiter zu führen.

Teil 1

Der Gestalter und sein Narzissmus

Der Ich-Gestalter

Man kann über die Medien nicht schreiben oder sprechen, ohne sich auch bei ihnen anzustecken. Wer über sie redet, ist Teil von ihnen, Teil der unendlichen Vervielfältigungsmaschinerie, die von der Kommunikation lebt und von den vielen blinden Flecken in ihrer Wahrnehmung gekrönt wird. Als Medienkritiker ist man ein Stricher, eine Hure.

Wenn ich die Augen zumache, höre ich, wie die Media mich lockt: „Schreibe über mich, denn ich bin schön und erotisch, und keine glänzt wie ich. Du kannst über mich denken, was du willst. Aber am Ende kommst du doch wieder an meine Brust zurück.“

In was für einer Kultur leben wir eigentlich? Ist sie unsere Kultur? Ist sie ein Abbild der Menschen, die darin leben und arbeiten? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Die vielen Varianten, aus denen wir unsere Kultur herausbilden, zeigen meistens nur in ihren negativen Ausführungen, wie wenig sie wirklich über uns erzählen.

Nehmen wir als Beispiel die Werbung, die ja auch ein Kulturträger ist. Ich meine, können Sie sich mit ihr identifizieren?

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum alle Autos in Werbespots auf kurvigen Straßen fahren und warum die Firma Red Bull uns mit originellen Trickfilmen unterhält, während uns andere mit schnöden Klischees langweilen? Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die meisten Werbungen vollkommen austauschbar sind? Das liegt im Wesentlichen daran, dass wir Mediengestalter uns inzwischen nichts anderes mehr vorstellen können. Doch was geht vor in den Köpfen der Gestalter? Manche Kreative sagen, dass wir reine Dienstleister sind. Aber dagegen gibt es ein wichtiges Argument. Wir prägen ganze Kulturen, ganze Generationen, und beeinflussen weit über die Ziele des Auftraggebers hinaus. Viele unserer Kunden erwarten von uns, dass wir innovativ sind, dass wir mehr liefern, als nur das Altbekannte. Was ist überhaupt gute Gestaltung? Müssen wir die Sprache unserer Zeit einsetzen? Müssen wir sogar die nicht offensichtlichen Inhalte dieser Zeit sichtbar machen? Sind wir Künstler? Ich glaube, dass wir weder noch sind. Wir können unsere Aufgabe nicht wirklich gut machen, wenn wir nur den Gesetzen der Dienstleistung folgen, aber genauso schwierig ist es, kommerzielle Gestaltung als freie Kunst zu begreifen. Dem Betrachter bleiben die Gestaltungsvorgänge überwiegend verborgen, weil er nur das Ergebnis sieht und dieses nicht mit denjenigen, die Werbung gestalten – individuellen Menschen mit eigenem Charakter, eigener politischen Haltung, eigenem Geschmack –, in Verbindung bringen kann.

Wir überfliegen fast alles, was wir in den Medien sehen, mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Die Gestalter werden sich schon etwas bei ihrer Arbeit gedacht haben. Das stimmt auch. Aber sie haben meistens alle das Gleiche gedacht, und das ist das Problem. Sie waren gewissenhafte Dienstleister, aber langweilige Gestalter. Sie haben vielleicht nicht das gedacht, was sie wirklich denken. Paradox, nicht wahr?

Umso professioneller sich eine Agentur versteht, umso langweiliger wird oft das Ergebnis ihrer Arbeit. Aber warum ist das so? Schließlich kann es doch nicht im Interesse der Firmen liegen, uns mit schlechter Qualität zu überhäufen. Was ist hier überhaupt Qualität? Wer legt die Kriterien fest und warum werden diese nicht diskutiert?

Warum drückt sich die westliche Kultur im Detail immer so eintönig aus? Was ist das schärfste Videobild mehr als eine Hülle? Was ist eine 3D-Grafik zunächst anderes als eine Maske? Die moderne Technik allein macht noch keine gute Gestaltung aus.

Die Gesetze der Marketingexperten, also die Daten aus Statistiken und psychologischen Untersuchungen, prägen besonders in den Medien die formalen Kriterien der Gestaltung.

Die Medien werden überwiegend von Menschen gestaltet, die sich an diese scheinbar objektiven Daten und die Instrumentarien der Marketing-Fachleute angepasst haben. Diese modernen Gestalter arbeiten in Teams, in denen der kreative Prozess in viele Einzelteile unterteilt wird. Somit sehen sie sich nicht mehr als alleinige Autoren ihrer Arbeit. Wäre ich ein Moralprediger, würde ich sagen, die Gestalter schleichen sich damit aus der Verantwortung. Sie lassen einen großen Teil unserer Kultur täglich vor die Hunde gehen, weil sie tausend Chancen nicht ergreifen, ihre Arbeit besser zu machen. Was auch immer „besser“ ist? Es gibt sicherlich viele Vorstellungen davon, was beispielsweise gute Werbung sein soll. Doch die wenigsten Gestalter können ihre eigenen Ideale in einem Satz formulieren. Das macht es so schwer über die Gestaltung der Medien zu diskutieren. Es gibt wenige konkrete Leitfäden, die man in Frage stellen könnte. Wenn man einen Profi-Gestalter nach seinen persönlichen Motiven fragt, gewinnt man heute vermehrt den Eindruck, dass er keine hat. Aber wir alle haben persönliche Motive und Wertigkeiten. Als Mediengestalter wollen wir intelligent sein, witzig, cool und innovativ. Wir wollen eine Karriere machen und ganz viel Geld verdienen, oder wir wollen einfach den Stil in allem verwirklichen, den wir am besten beherrschen oder der uns einfach ins beste Licht rückt. Der Mediengestalter, wie er heute arbeitet, scheint sich von seinen persönlichen Wertigkeiten befreit zu haben. Jedenfalls glaubt er das. Tatsächlich entsteht durch das Verschwinden der subjektiven ,zweifelnden, hinterfragenden Gestalter der Eindruck totaler Objektivität,Professionalität und Richtigkeit der Inhalte und Formen.

Gestaltung ist zu einem professionellen Beruf geworden. Die GestalterIn ist für uns als Betrachter dadurch zwar nicht mehr angreifbar, weil wir sie nicht kennen, aber ihre Produkte prägen unsere persönlichsten Lebensbereiche. Wir sind gezwungen uns irgendwie bewusst oder unbewusst mit den Botschaften der Medien zu beschäftigen. Wir wundern uns vielleicht über Werbebotschaften, die wir nicht verstehen, und Fernsehspots, die wir nicht witzig finden. Aber der Gestalter bleibt für uns immer ein Phantom. Auch die Werkzeuge der Gestaltung sind längst zu eigenständigen Medien geworden, die formale Strukturen vorwegnehmen. Gerade die digitale, durch Software unterstützte Bildbearbeitung gibt Gestaltungsmöglichkeiten vor, die nicht mehr unbedingt in Zusammenhang mit den Fähigkeiten des Gestalters stehen. Sie kennen vielleicht dieses berauschende Gefühl, ein neues Tool entdeckt zu haben, eine Software, die Ihnen das ermöglicht, was Sie früher nie alleine geschafft hätten. Als junger Gestalter befasst man sich stundenlang mit solchen neuen Grafikprogrammen und ist möglicherweise monatelang enttäuscht, wenn man nichts zustande bringt, was seinen persönlichen Vorstellungen von sich selbst als Designer entspricht. Irgendwann entdeckt man, dass die Software eine eigene Ästhetik hat, und beginnt diese anzunehmen. Je besser das gelingt, umso mehr geilt man sich daran auf. Der Pinsel malt sozusagen von selbst. Aber zwischen der Handzeichnung, die man vielleicht früher gemacht hat, und der animierten Vektorgrafik ist kein Bezug mehr. Der rote Faden ist verloren. Auch wenn das Programm immer noch ein Werkzeug ist, der Benutzer sich also darin durchaus verwirklichen könnte, ist die ästhetische Übermacht des Mediums gerade für unerfahrene Gestalter eine schwer zu überwindende Hürde. Der unkritische Gestalter wird eher dazu neigen sich vollkommen hinter so genannten Filtern und Effekten zu verstecken. Obwohl wir uns immer wieder darauf beziehen uns nach dem Vorbild unserer Gesellschaft mit all ihren Regeln und Spielweisen auszudrücken, indem wir Trends folgen, um uns also mit den Menschen zu befassen, versäumen wir es laufend, dieser Gesellschaft etwas Individuelles zurückzugeben. Wir gestalten, als wären wir nicht Teil dieser Gesellschaft. Als würden wir nicht auch insgeheim etwas darin für unseren privaten Nutzen bewirken wollen. Als hätten wir nicht auch ein subjektives, vielleicht unbewusstes Motiv, welches sich hinter der professionellen Fassade verbirgt. Dies scheint der Auffassung von Professionalität zu entsprechen. Was aber ist der Preis, den wir dafür zahlen, dass wir uns nicht auf eine Weise ausdrücken, die das sichtbar macht, was wir tatsächlich denken, fühlen, wissen? Täuschen wir uns nicht selbst und damit die ganze Gesellschaft?

„Jemand setzt sich zur Aufgabe, die Welt abzuzeichnen. Im Laufe der Jahre bevölkert er einen Raum mit Bildern und Provinzen, Königreichen, Gebirgen, Buchten, Schiffen, Inseln, Fischen, Behausungen, Pferden und Personen. Kurz bevor er stirbt, entdeckt er, dass dieses geduldige Labyrinth aus Linien das Bild seines eigenen Gesichts wiedergibt.“

Jorge Luis Borges: Die Bibliothek zu Babel

Nach der alten Weisheit, die der Schriftsteller Borges hier beschrieben hat, gestaltet der Mensch seine Welt stets nach seinem eigenen Vorbild. Im Sinne von Borges müsste man also die Frage stellen: Kann man in der Welt der Medien unser Gesicht erkennen? Ist unsere Kultur tatsächlich unsere Kultur? Egal ob wir als Gestalter uns selbst, oder einen Kunden vertreten, bleibt immer die Aufgabe bestehen, unser Gesicht oder das des Kunden mit Hilfe von Bildern, Tönen oder Filmen erkennbar zu machen. Das gilt auch dann, wenn wir eine Werbebotschaft gestalten sollen. Denn der Betrachter wird immer ein Motiv in den Bild-Botschaften erkennen, ob wir es wollen oder nicht. Manchmal wird er uns durchschauen. Das weit verbreitete Problem der Mediengestalter ist ihre Gewohnheit, den Betrachter ihrer Produkte zu unterschätzen. Was auf Dauer natürlich auch den unmündigen Betrachter erzeugt. Ich meine, wir wissen doch alle, was mit der Werbung versucht wird, und wir alle empfinden dies größtenteils als einen Haufen Mist, wenn wir ehrlich sind. Dass wir uns kaum dagegen wehren, liegt an der Trägheit des modernen Menschen, dem scheinbar alles egal ist, solange er nur einigermaßen unterhalten wird.

Der Mediengestalter hat heute den Blick für den normalen Menschen seiner Zeit nahezu verloren. Ich bezeichne diesen modernen Typus des Gestalters hier als den Ich-Gestalter, weil er sich seinen eigenen Motiven gegenüber unbewusst verhält. Er neigt dazu, die Schattenseiten seines Egos mit Hilfe der objektiven Oberfläche des audiovisuellen Mediums in scheinbar objektive Wertigkeiten zu projizieren, und erzeugt daher lediglich schön gestaltete Masken, die uns ihren Inhalt nur als Zerrbild präsentieren. Mediengestalter leben heute in einer Welt, in der es den Gestalter, wie Borges ihn versteht, nicht mehr gibt, in der der Autor verschwunden ist. Er ist nicht wirklich verschwunden, wird sich seiner selbst aber nicht bewusst, weil diese Ebene nicht diskutiert, nicht sichtbar gemacht wird.

Wenn man vor dem Fernseher aufgewachsen ist und für Internetfirmen arbeitet, dann hat man diese Bilder-Welten fast verinnerlicht. Jeder von uns kommt irgendwann in Versuchung, über eines der neuen Medien ein Urteil zu fällen, egal ob wir uns über sinnlose Werbung ärgern oder unserer Freundin von der blöden Gans in der Talkshow letzte Woche erzählen. Jeder hat so seine persönliche Sicht der Medien. Aber ist sie persönlich? Können wir dies überhaupt noch für uns feststellen?

Wir halten uns gerne für intelligenter als die Medien oder die Menschen, die darin agieren. Wir bemerken dabei nicht, dass wir selbst ein aktiver Teil dieser Medien sind. Alle scheinen wir zu ahnen, wie unwirklich diese eigentlich sind. Wir reden von den Medien als System und nur selten von den Menschen, die diese gestalten. Ich schätze die rein theoretischakademische Auseinandersetzung nicht gering, aber in vielen Publikationen vermisse ich die Darstellung persönlicher Aspekte. So virtuell die neuen Medien auch sind, sie haben auch eine haptisch erfahrbare Oberfläche, einen Charme, dessen wir uns laufend bedienen und nicht entziehen können. So zu tun, als würde uns das Thema Medien nicht auch persönlich anmachen, verleitet genauso dazu, am Thema vorbeizustarren, wie es das bloße Konsumieren tut.

Der Autor Boris Groys hat in seinem Buch Unter Verdacht beschrieben, wie wir den subjektiven Aspekt unserer Wahrnehmung der Medien zwischen der Realität und den audiovisuellen Abbildungen davon vergraben. Wir betrachten ein Foto und bemerken dabei nicht, dass wir das Bild, das reale Objekt interpretieren. Dass wir also eine subjektive Verbindung herstellen. Über diese Verbindung, diese Welt hinter dem Bild hegen wir einen unheimlichen Verdacht.

In diesem Verdacht verbirgt sich das Spiegelbild des Betrachters. Aus Angst vor dieser Spiegelung konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf die Oberfläche der Fotografie und verweigern uns den tieferen Ebenen. Diese tiefere Ebene bezeichnet Groys als den submedialen Raum. Die Verweigerung der Subjektivität hat dazu geführt, dass die Medienkritik sich überwiegend auf der Oberfläche bewegt und die Medien als Objekte in ihren Wirkungen auf den Menschen beschreibt. Wie die Medien ist auch die Kritik daran von einer Gleichschaltung geprägt, von einer vom Medium ausgehenden Verdrängung von abweichenden Erfahrungen, Sehgewohnheiten oder Interpretationen. Dies liegt daran, dass das Medium vereinfacht, die Welt in das Medium zwingt, es durch das Medium zu einer kollektivierten Medienwelt wird, innerhalb dessen abweichende Impulse nicht mehr ausdrückbar sind, weil alles was durch die Linse der Kamera in die Medienwelt eindringt, in dem Moment in die Sprache und die Weltsicht der Medien selbst verwandelt wird. Das Medium verändert die Botschaft. Und es gibt keine Sicht über die Medien, von Außerhalb, die in den Medien selbst transportierbar wäre, ohne zur Bestätigung zu werden, dass es nichts außerhalb der Medien gibt, was anders ist, als das was das Medium uns zugänglich macht. Über die Medien sind darum Bücher über Medien entstanden, die wiederum nur Objekte mit „objektivem“ Inhalt sind, die sich gegen das Subjektive, das Politische und damit auch gegen die Motive der Menschen, die Medien gestalten, vollkommen verschließen. Es entstanden Werke, die wenig bewirken, weil sie im Geiste vollkommener, medialer Objektbezogenheit keine Überzeugungen vertreten und keine Überzeugungskraft haben, die nicht der mediale Mainstrem sind.

Viele Autoren, die sich kritisch mit den Medien auseinandersetzen, können am Ende die Frage nicht wirklich beantworten, warum wir beispielsweise ein Plakat auf diese Art und eine Webseite auf jene Weise gestaltet haben. Es mangelt ihnen an dem direkten Bezug zur Praxis.

Die Medien sind an ihrer sichtbaren Oberfläche durch kulturkritische Theorien schwer angreifbar, weil ihre Gestalter sich eher als Gegenpol zur Kultur sehen. Sie sind Profis des Medienmarktes. Des Pragmatismus. Dieses Argument schützt sie vor den meisten kritischen Aussagen. Denn den Gestalter interessiert es scheinbar wenig, ob er den Betrachter unterfordert oder penetriert, wenn der Auftraggeber zufrieden ist. Was uns aber allen eigen ist, egal ob wir Betrachter oder Gestalter sind, ist diese leise Ungewissheit, ob wir in Bezug auf die Wirkung der Medien nicht einer gewaltigen Täuschung auf den Leim gehen und verdammt viel Geld und Zeit verschwenden.

Der Mediengestalter als Gott

Natürlich hat auch der Mediengestalter ein Motiv, aber er glaubt dieses hinter seiner Gestaltung verbergen zu können. Er hält den Menschen und damit auch sich selbst für eine Ware. Er fühlt sich einzig und allein der scheinbaren Objektivität des Mediums verpflichtet.

Das öffentliche Image vieler Berufszweige der Mediengestaltung ist denkbar schlecht. Was wir tun, kennt keine ernsthaften sozialen Motive. Wir haben also nichts wirklich Wichtiges, was wir den Leuten anbieten könnten, damit sie uns freiwillig in den Palast der medialen Bilder-Botschaften folgen. Es streben zwar derzeit immer mehr Menschen in Medienberufe, weil es hip geworden ist und wir die Medien heute nicht mehr mit der kritischen Latte der Buchkultur bemessen, also nicht mehr vom Untergang des Abendlandes gesprochen wird, wenn wir das Wort Medien in den Mund nehmen.

Aber dennoch hat diese Arbeit immer noch nicht den Stellenwert des Ingenieurs oder des Doktors erreicht. Viel eher gelten Leute aus der Medienbranche als Neureiche, die beispielsweise im gesetzlosen Raum des Internet eine schnelle Mark verdient haben. Dieser Neid gegenüber den Mediengestaltern hat sie, ohne dass sie etwas dafür geleistet hätten, in die Rolle von Revolutionären gedrängt. Sie sind eine Opposition zur passiven Consumergesellschaft geworden oder wollen sich zumindest oft so verstanden wissen. Das ist einer der Magneten der sie gerade für die jüngere Generation so anziehend macht.

Seit der New-Economy-Bewegung hat die Mediengestaltung eine scheinbare Verjüngungskur erfahren. Angeblich ist sie innovativer geworden. Nirgends wird das Team und die interaktive Zusammenarbeit kreativer Individuen so hochgehalten wie in der New Economy. Nirgends wird ein derart elitärer Kult damit betrieben. Schon immer sind Mediengestalter in Ermangelung eindeutiger Nützlichkeit ihres Tuns oder künstlerischen Anspruchs dazu übergegangen, sich selbst eigene Wertigkeiten zu schaffen. Schon immer haben sie das Beste beider Welten für sich zu nutzen gewusst. So verwundert es nicht, dass Mitarbeiter großer Werbeagenturen die teuersten Autos fahren und sich gleichzeitig wie New Yorker Straßenkämpfer oder Pariser Existenzialisten kleiden. Aber genau diese Schizophrenie zwischen Kommerz und individuellen Motiven hat zu erheblichen Unschärfen in der Wahrnehmung von Mediengestaltern geführt. Damit sind auch die Produkte der Medienmacher oft Erzeugnisse eines Vakuums, in dem die irrwitzigsten Missverständnisse entstehen. In diesen Fabriken für Massenkultur, den Werbe- und Medienagenturen, sitzen sie wie in einem fensterlosen Luftschloss, in dem der Gestalter auf weichem Samt seinen Gestaltungen nachgeht, ohne wahrzunehmen wie sich draußen die Welt verändert, wie die Menschen sich verändern. Das alles interessiert ihn nicht, denn er hat der Welt und dem Menschen eigentlich nichts zu sagen.