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Scheich Zayed hat keine Wahl: Um den Frieden für sein Land zu sichern, muss er seinen Ruf als Playboy-Prinz loswerden - und heiraten! Da kommt ihm die betörende Nadia gerade recht. Angeblich ist sie auf der Flucht vor ihrer Familie und eine Vernunftehe mit Zayed erscheint als einzige Rettung. Doch anders als geplant, knistert es bald immer sinnlicher zwischen ihnen. Und in einer heißen Wüstennacht kann Zayed den verführerischen Reizen seiner Braut schließlich nicht mehr widerstehen. Da gesteht sie ihm, wer sie wirklich ist: ausgerechnet die Tochter seines größten Feindes!
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2015 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Sheikh’s Wedding Contract“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2234 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: SAS
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733706777
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Hoffentlich war sie nicht zu spät gekommen.
Als Nadia sich dem Palast näherte, sah sie die Gruppe junger Frauen bereits durch die großen Pforten nach draußen strömen. Mit den farbenfrohen flatternden Gewändern erinnerten sie an einen Schwarm bunter Schmetterlinge.
Hastig drängte Nadia sich durch den Strom der Haremsdamen, denn das waren diese Frauen. Die schönsten Frauen im ganzen Königreich, handverlesen und herausgeputzt, um dem soeben gekrönten Scheich Zayed Al Afzal zu willig zu Diensten zu sein. Nur schien es, als hätte keine von ihnen sein Wohlwollen erregt, offenbar war keine von ihnen gut genug für den mächtigen Scheich, keine entsprach seinem hohen Standard. Und so finster, wie die Palastwachen dreinschauten, musste etwas ganz schrecklich schiefgelaufen sein.
Nun, dann würde sie sich eben mehr anstrengen müssen. Nadia duckte sich, raffte den durchsichtigen langen Rock und schaffte es, ungesehen durch die Pforte zu schlüpfen, als die Wachen für einen Moment von so viel nackter Haut der Besucherinnen abgelenkt waren.
Nadia rannte los, durch die große Halle. Auf dem Marmorboden verursachten ihre Sandaletten bei jedem Schritt klackernde Geräusche, der mit Juwelen besetzte Hüftgürtel und die goldenen Reifen um Hand- und Fußgelenke klimperten verräterisch laut.
Vor ihr lag eine offene Tür, blind und atemlos rannte sie hindurch, in ihrem Kopf nur der eine Gedanke, dass man sie nicht aufhalten durfte. Sie musste unbedingt zu Scheich Zayed Al Afzal.
Schlitternd kam sie zum Stehen, als sie sich in dem pompösen Empfangssaal wiederfand. Da, weiter hinten am Ende des riesigen Raumes, saß tatsächlich Scheich Zayed auf seinem goldenen Thron.
Reglos starrten sie einander an. Nadia atmete heftig aufgrund ihres Spurts, und das verhasste knappe Oberteil, dazu gedacht, die Rundungen einer Frau perfekt zur Geltung zu bringen, schnitt ihr mit jedem Atemzug in die Haut, ihre Bauchmuskeln hoben und senkten sich mit dem schweren Hüftgürtel, der eigene halb nackte Körper ein Symbol für alles, was sie verachtete.
Nun, auf jeden Fall gehörte ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit des Scheichs. Sie fühlte seinen Blick über sich wandern, und ihre Haut begann zu brennen.
Das war ihr Moment, ihre einzige Chance. Eine weitere würde sie nicht bekommen. Trotzdem zögerte sie. Dieser Scheich Zayed … er war keineswegs so, wie sie sich ihn vorgestellt hatte. Er war groß … und außerordentlich attraktiv. Den dunklen Anzug im westlichen Stil trug er mit souveräner Eleganz, das Jackett betonte seine breiten Schultern. Der Kragen des weißen Hemdes stand offen, die Krawatte war gelockert … die Verkörperung der Lässigkeit. Und doch hielt er die Finger verkrampft um die goldenen Löwenköpfe der Armlehnen gekrallt.
Augenkontakt, das war es, was sie jetzt erreichen musste. Mit einem tiefen Atemzug warf sie den Kopf zurück, nahm all ihren Mut zusammen und blickte ihm direkt entgegen. Doch das war noch schlimmer als erwartet. Denn das waren nicht die grausamen Augen eines gnadenlosen Mörders … Die schönen dunkelbraunen Augen, in denen Wärme schimmerte, waren allerdings noch gefährlicher. Augen, die einen zum Schmelzen bringen konnten. Augen, die einen in eine Falle lockten …
Plötzlich hörte sie das harsche Schnaufen der Palastwache hinter sich, doch da war es bereits zu spät. Mit eisernem Griff packte der Wachmann sie, bevor sie entkommen konnte.
„Verzeihung, Hoheit. Diese hier ist uns entwischt.“
Diese hier? Wie konnte er es wagen, so über sie zu reden? Wütend wollte sie sich aus dem schmerzenden Griff winden, doch vergeblich. „Ich wäre dir dankbar, wenn du deine schmutzigen Hände von mir nimmst!“
„Du hast gehört, was die Lady wünscht.“ Zayed stand auf. „Lass sie los.“
„Hoheit …“ Den Kopf geneigt, ließ der Wachmann Nadia los und trat zurück.
„Und in Zukunft erwarte ich, dass meine Anweisungen auf zivilisierte Art ausgeführt werden. Brutalität und Grobheit werde ich nicht tolerieren. Lass das auch die anderen wissen.“
Demütig zog der Wachmann sich weiter zurück, begleitet von einem hochmütigen Blick Nadias, die sich über die roten Flecke an ihren Oberarmen rieb.
„Also, junge Lady.“ Zayed richtete seine Aufmerksamkeit jetzt auf Nadia. „Wie heißt du?“
„Nadia.“ Sie sagte es laut und fest, fühlte sich dabei allerdings seltsam verwundbar.
„Nun, Nadia, ich fürchte, du hast den Weg umsonst gemacht.“ Breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt, stand er da, ganz Herr der Situation. „Ich habe nicht die Angewohnheit, meine Gespielinnen auf die Art zu wählen, wie es heute arrangiert wurde. Ich muss mich wohl für die Unannehmlichkeiten bei dir entschuldigen.“
Das hörte sich viel eher nach Zurechtweisung denn nach Entschuldigung an. „Hoheit …“ Mit klopfendem Herzen riss sie die Augen so weit auf, wie sie konnte, senkte den Blick dann wieder und klimperte – wie sie hoffte – verführerisch mit den Wimpern. „… da ich schon hier bin, darf ich Eure Königliche Hoheit dann vielleicht mit einer kleinen Vorführung erfreuen?“
Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab, begann sich zu wiegen und zu drehen, so, wie sie es bei den Tänzerinnen, die ihren Vater und ihren Bruder unterhielten, von ihrem Versteck im Ballsaal des Palasts heimlich beobachtet hatte. Hatte sich die Bewegungen genau eingeprägt und dann in den eigenen Gemächern vor dem Spiegel geübt. Jetzt musste sie alles nur wieder abrufen. Also schluckte sie die Erniedrigung stumm und begann, lasziv zu tanzen.
„Junge Lady.“ Zayed war von dem Podest, auf dem der Thron stand, heruntergestiegen und kam auf sie zu. Nadias Bewegungen wurden immer sinnlicher, sie hob die Arme über den Kopf und kreiste geschmeidig die Hüften. Auch als er direkt vor ihr stand, groß und dunkel, hörte sie nicht auf, beschrieb mit den Händen fließende Bewegungen direkt vor seinem Gesicht.
„Ich habe mich wohl nicht klar genug ausgedrückt.“ Mit einer schnellen Bewegung packte er ihre Handgelenke, drückte ihre Arme an ihre Seiten zurück, ohne den durchdringenden Blick von ihrem erhitzten Gesicht zu nehmen. Nadia verharrte, schauderte vor Scham. Er legte die Hände auf ihre Schultern, drehte sie sacht herum, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. „Dort ist die Tür“, sagte er.
Zayed sah der bezaubernden Sirene nach, wie sie zum Ausgang eilte. Der Wachmann blieb strikt an ihrer Seite, aber immerhin fasste der Mann sie nicht an. Die schwarzen Locken flossen ihr lang über den Rücken, endeten gerade über dem wirklich hübschen Hinterteil, das sich aufgrund ihrer eiligen Schritte unter dem dünnen Rock höchst reizvoll wiegte. Aber ansonsten hielt sie sich völlig steif und distanziert. Was seltsam war, stand es doch in krassem Kontrast zu der schwül-erotischen Vorführung, die sie soeben hier gegeben hatte.
Eine anregende Vorführung, das musste er zugeben. Wären die Umstände anders, wäre er ihr vielleicht in einem Nachtclub oder einer Bar begegnet, würde es ihm sicher Freude machen, sie kennenzulernen. In jeder Beziehung. Ihm mochte der Ruf eines Don Juans vorauseilen, aber … Eine schöne Frau zu erobern war eine Sache, eine ganze Herde von schönen Frauen wie auf einem Viehmarkt angepriesen zu bekommen, eine ganz andere. Obwohl diese Nadia nicht wirkte, als würde sie sich in irgendeine Herde einordnen. Es war ihm ein Rätsel, wie sie hier hereingekommen war.
Er schüttelte sich das Jackett von den Schultern und sah sich mit gerunzelter Stirn in dem prunkvollen Saal um. Wie, zum Teufel, hatte sein Leben sich von jetzt auf gleich so verändern können? Vor ein paar Monaten noch hatte er zufrieden sein Geschäftsimperium ausgeweitet, war völlig darin aufgegangen, Multi-Millionen-Dollar-Deals mit Firmenübernahmen abzuschließen und mit allen Vor- und Nachteilen seines Erfolgs umzugehen.
Das hatte sich schlagartig geändert, als ihn seine Mutter mit ihrer schockierenden Nachricht nach Hause gerufen hatte, zurück ins Königreich Gazbiyaa. Dass er als der neue König den Thron besteigen musste, nicht sein älterer Bruder Azeed. Für beide Brüder war es ein Schock gewesen – für Azeed, der sein ganzes Leben für die Rolle als Thronfolger erzogen und dem der Titel dann völlig unerwartet entrissen worden war, für Zayed, der nie damit gerechnet hatte.
Nun, der neue Scheich des wohlhabenden Wüstenreiches würde schnellstens ein paar Änderungen vornehmen müssen, bevor sich so ein Debakel wie dieses hier wiederholte. Ein Harem, also wirklich!
Er war völlig perplex gewesen, als man ihm die Gruppe junger Frauen zugeführt hatte, so fassungslos, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Und als sein Verstand dann wieder eingesetzt und er befohlen hatte, die Frauen hinauszubringen, da war er so wütend gewesen, dass man ihn jetzt wohl für einen unerbittlichen Tyrannen halten musste. Die Angst in den Augen der Frauen war überdeutlich gewesen. Dabei war er nicht wütend auf diese armen Geschöpfe, sondern auf sich selbst. Auf die Position, die er jetzt innehatte, auf das verrückte Leben, das er von nun an führen musste.
Aber diese letzte … Nadia … In ihren Augen hatte definitiv keine Angst gestanden, im Gegenteil. Funken hatten aus ihrem letzten Blick auf ihn gesprüht, Geheimnis und Herausforderung und zudem … Hochmut. Es erstaunte ihn, dass er tatsächlich versuchte, sich an ihre Augenfarbe zu erinnern. Dunkelblau? Violett?
Er riss sich zusammen. Hatte er etwa nichts Wichtigeres zu tun?
Die kalte Nachtluft strich ihr über die heiße Haut, und Nadia erschauerte. Was jetzt? Dieser Gorilla von einem Wachmann hatte sie wortlos zum Palast herausgeführt und die Tore hinter ihr fest verschlossen. Durch die schmiedeeisernen Gitter sah sie ihm nach, wie er die Stufen zu der großen Pforte wieder hinaufstieg. Noch einmal würde sie nicht an ihm vorbeikommen.
Nun, dann würde sie sich eben etwas anderes einfallen lassen müssen. Aufgeben würde sie auf keinen Fall, jetzt, nachdem sie den Scheich getroffen hatte. „Getroffen“ konnte man wohl kaum sagen. Die Verachtung auf seiner Miene, als er sie zum Ausgang gedreht hatte … noch immer krümmte sie sich innerlich. Aber das würde sie schnellstens abstellen.
Sie gestand sich ein, dass der Scheich völlig unerwartet Eindruck auf sie gemacht hatte. Groß, fantastisch aussehend, souverän. Aber da war noch mehr … Sie hatte Intelligenz in seinen wachen Augen erkannt … und Weltgewandtheit. Alles zusammengenommen eine atemberaubende Kombination. Einem solchen Mann war sie bisher nicht begegnet. Sie war bisher auch noch nie von solchen Gefühlen überfallen worden. Aber darüber würde sie jetzt nicht nachdenken.
Zitternd rieb sie sich die bloßen Schultern und starrte zum Palast hinüber, Sinnbild für Luxus und Reichtum … und im Moment absolut unerreichbar für sie. Dabei war ihr das Palastleben durchaus nicht unbekannt. Um genau zu sein, es war das einzige Leben, das sie kannte. Geboren als Prinzessin Nadia Amani von Harith, hatte sie ihre gesamten achtundzwanzig Lebensjahre als Gefangene des archaischen Protokolls und der ebenso archaischen Regeln von Vater und Bruder verbracht. Allerdings schien der Palast, in dem sie aufgewachsen war, im Vergleich zu diesem hier geradezu bescheiden. Der Herrscherpalast von Gazbiyaa ließ keinen Zweifel an der Macht und dem Reichtum des Wüstenreiches aufkommen.
Wenn sie durch das Aufwachsen in einem Palast eines gelernt hatte, dann, dass es immer einen Weg hinaus und hinein gab. Den musste sie also nur noch finden.
Gerade, als sie das dachte, erhaschte sie eine Bewegung in ihrem Augenwinkel. Lautlos zog sie sich tiefer in die Schatten zurück und beobachtete, wie eines der großen Fenster oben im vierten Stock aufgestoßen wurde. Und gegen das Licht erkannte sie die Silhouette von Scheich Zayed. Waren das dort oben seine Privatgemächer? Nadia zählte die Fenster ab und verstaute das Bild sicher in ihrer Erinnerung. Ihr Herz begann hart zu pochen. Dort also würde sie das riskanteste, kühnste und wahrscheinlich auch dümmste Unterfangen ihres Lebens starten müssen.
Aber erst einmal musste sie wieder in den Palast hineingelangen.
Zayed lehnte sich auf das Balkongeländer und atmete die süße Nachtluft ein. Vor ihm lag das Königreich – sein Königreich. Wolkenkratzer aus Glas und Stahl, die Fenster hell erleuchtet, blinkten und funkelten im Licht des Mondes. Es war der Traum seines Bruders gewesen, das Wüstenreich zu einem Global Player zu wandeln, doch zu welchem Preis? Azeed war ehrgeizig und kalt entschlossen gewesen, Zayed vermutete, dass, wäre der Bruder zum Scheich gekrönt worden, er vor nichts Halt gemacht hätte, bis Gazbiyaa zu einer Supermacht geworden wäre.
Vermutlich hatte das seine Mutter dazu bewogen, auf dem Sterbebett ihren Schweigeschwur zu brechen, um so Azeeds immer größenwahnsinnigeres Vorhaben ein für alle Mal zu verhindern. Von den Minaretten tönte der Ruf des Vorbeters, verschaffte sich Gehör über das dumpfe Summen des stetig fließenden Verkehrs …
Zayed wandte sich ab und ging hinein, um zu duschen. Es war ein langer Tag gewesen.
Nadia nutzte den Gebetsruf als Chance. Sie schlich sich an der Palastmauer entlang auf der Suche nach einem weiteren Eingang. Doch zu ihrem Unmut musste sie feststellen, dass auch die hinteren Tore ebenso hoch waren wie auf der Vorderseite. Plötzlich sah sie eine Gruppe junger Männer in ihre Richtung kommen, die weißen Gewänder flatterten in der Dunkelheit. Nadia drängte sich in die Schatten zurück, beobachtete, wie einer aus der sich angeregt unterhaltenden Gruppe eine Kombination in das Zahlenschloss eingab. Die Tore schwangen auf, die Männer gingen hindurch … und Nadia schlüpfte ungesehen hinter ihnen mit auf das Palastgelände.
Das Herz schlug ihr bis in den Hals, während sie sich im Schutz der Dunkelheit an den hell erleuchteten Palast heranschlich. Unter Palmen und Gebüsch arbeitete sie sich voran, bis sie knapp hundert Meter von der Küche entfernt war. Hier kauerte sie sich unter einen Granatapfelbaum, um Luft zu holen und sich zu überlegen, was sie als Nächstes tun sollte.
Eine männliche Stimme ließ sie aufhorchen. Eine der Wachen trat vor die Küchentür, um zu telefonieren, ließ die Tür offen stehen. Irgendwie musste sie ihn ablenken …
Und langsam formte sich ein Plan. Schließlich hatte sie sich nicht umsonst jahrelang Abenteuerfilme angesehen. Sie tastete den Boden zu ihren Füßen ab und fand, wonach sie gesucht hatte. Einen Granatapfel. Wenn sie den weit genug in die entgegengesetzte Richtung werfen konnte, würde das den Wachmann vielleicht lange genug ablenken, dass sie zur Küche in den Palast gelangte …
Erst nahm sie alle Armreifen ab, dann holte sie aus und warf die Frucht mit voller Kraft. Es klappte sogar noch besser, als sie sich erhofft hatte. Mit einem dumpfen Aufprall landete der Granatapfel auf der Motorhaube einer schwarzen Limousine, die ihr vorher gar nicht aufgefallen war. Prompt schlug natürlich die Alarmanlage an, und der Wachposten stürzte in die Richtung des Geräuschs.
Das war ihre Chance! Hastig sah Nadia sich um, und das Glück war erneut auf ihrer Seite. Die Küche war leer. Auf Zehenspitzen hastete sie durch den Raum und weiter, bis sie die Dienstbotentreppe fand. In blinder Panik rannte sie die Stufen hinauf bis zum vierten Stock. Hier blieb sie erst einmal stehen, um wieder zu Atem zu kommen, dann lugte sie um die Ecke den langen Korridor hinunter. Alles schien ruhig zu sein, was allerdings nicht leicht zu beurteilen war, so laut, wie ihr das Blut in den Ohren rauschte. Sie presste die Handballen an die Schläfen, versuchte, sich zu beruhigen. Das vierte Fenster von dem großen Haupteingang entfernt … das hieß, wenn sie dem Korridor bis zum Ende folgte, dann nach links ging und die Türen abzählte …
Nur Augenblicke später lag ihre Hand auf dem Türknauf. Wenn sie sich nicht irrte, dann stand sie davor, das Schlafgemach von Scheich Zayed Al Afzal zu betreten. Langsam und lautlos drehte sie den schweren Messingknopf.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Was immer hinter dieser Tür lag, von jetzt an würde ihr Leben nie wieder dasselbe sein.
Zayed trocknete sich gerade nach der Dusche ab, als er ein Geräusch aus seinem Schlafzimmer nebenan vernahm. Das Handtuch in der Hand, erstarrte er reglos. Da war jemand, dessen war er sicher. Er lauschte angestrengt, jetzt jedoch war nichts mehr zu hören.
Aber sein Instinkt warnte ihn, dass er nicht mehr allein in seinen Räumen war. Hatte er die Schlafzimmertür abgeschlossen? Nein, natürlich nicht. Trotz aller Warnungen des Wachpersonals, dass Sicherheit hier unerlässlich sei. Aber welcher zivilisierte Mensch verschloss schon seine Schlafzimmertür, bevor er zu Bett ging? Außer natürlich, man wollte aus einem ganz bestimmten Grund nicht gestört werden.
Jetzt allerdings wünschte Zayed, er hätte den Rat befolgt. Suchend sah er sich im Bad um. Was könnte als Waffe dienen? Doch es war hoffnungslos. Ein Flasche Duschgel und ein Badeschwamm, tödlicher wurde es hier nicht. Er würde sich also auf seinen Verstand und seine Muskeln verlassen müssen. Er war stark, durchtrainiert. Wusste, wie man einen Angreifer entwaffnete, vor allem, wenn er das Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte. Wenn es sich nur um einen Eindringling handelte, selbst um einen bewaffneten, dann konnte er ihn überwältigen. Sollten es mehrere sein … nun, dann würde er auf jeden Fall sein Bestes geben.
Mit angehaltener Luft stand Nadia mitten im Schlafzimmer. Vor ihr ein riesiges Bett auf einem erhöhten Podest. Vorhänge fielen von der Decke herab, sie konnte nicht erkennen, ob jemand in dem Bett lag.
Auf Zehenspitzen schlich sie näher, streckte zitternde Finger nach dem Vorhang aus und zog ihn vorsichtig ein Stückchen zur Seite …
Das Bett war leer. Er musste wohl im Bad sein.
Erst jetzt ließ sie die Luft aus den Lungen entweichen. Vorsichtig streifte sie sich die Sandaletten von den Füßen und kletterte so leise sie konnte, in das Bett. Erst versuchte sie, sich verführerisch auf den Satinlaken zu positionieren, dann gab sie es auf, legte sich zurück und kniff fest die Augen zusammen. Sie war bereit für ihr Schicksal.
Ein Laut ertönte, eine Art animalische Knurren, dann wurde der Vorhang zur Seite gerissen. Das Nächste, was Nadia wahrnahm, war, dass sie von dem Gewicht eines fast nackten muskulösen Mannes in die Matratze gedrückt wurde.
„Wer bist du, und was hast du hier zu suchen?“
Nadia hatte den Kopf zur Seite gedreht, die dunklen Locken verdeckten ihr Gesicht, und Scheich Zayeds zischelte die Worte direkt in ihr Ohr.
Sie konnte nicht sprechen, konnte ja nicht einmal richtig atmen. Vor lauter Angst war sie einer Ohnmacht nahe. Aber sie zwang sich, den Kopf zu drehen, hoffte, dass Zayed, wenn er erst erkannte, dass sie es war, Nadia, sie dann loslassen würde, damit sie erklären konnte. Nur wie sie das anstellen wollte, darüber war sie sich noch nicht so recht im Klaren.
Was sich aber wohl auch erübrigte, wenn sie in die wütend blitzenden dunklen Augen und die grimmige Miene direkt vor sich blickte. Ja, sie steckte eindeutig in Schwierigkeiten. Er würde sie töten. Bestimmt. Sie würde hier in diesem fremden Bett sterben. Wahrscheinlich würde er sie in kleine Stückchen zerhacken und sie seinen Falken zur Fütterung vorwerfen …
„Ich bin’s doch nur.“ Sie schluckte, hatte die Augen in Panik weit aufgerissen. „Nadia.“ Sie wand sich ein wenig, wollte sehen, ob sie vielleicht freikam … mit dem Resultat, dass ihre Körper sich noch enger aneinanderrieben. Abrupt stellte sie alle Bewegungen ein. Dieses Ziehen in ihrem Unterleib … das war Angst, richtig?
„Ich weiß, wer du bist.“ Zayeds Atem streifte heiß ihr Gesicht. „Ich weiß allerdings nicht, was, zur Hölle, du in meinem Bett verloren hast.“ Sein Griff um ihre Handgelenke wurde fester. „Ich will eine Erklärung.“
„Königliche Hoheit.“ Nadia hatte Mühe, ihre Stimme zu finden, scheinbar wurde diese ebenso von dem Furcht einflößenden Mann, der sie mit seinem Gewicht gefangen hielt, erdrückt wie der Rest ihres Körpers. Aber sie musste reden, das war ihre einzige Chance, lebend wieder aus diesem Zimmer herauszukommen. „Ich versichere Euch, ich wollte Euch keinen Schaden zufügen. Ich wollte Euch einfach nur wiedersehen.“
„Klar, aber sicher doch.“ Sarkasmus troff aus jeder Silbe, und er drückte sie noch tiefer in die Matratze. „Für wen arbeitest du, und was willst du?“
„Ich arbeite für niemanden, wirklich nicht. Ich bin allein hier.“
„Das nehme ich dir nicht ab.“ Sein Flüstern brannte heiß auf ihrer Wange. „Sollst du mich ablenken, damit dein Komplize mir die Kehle durchschneiden kann?“ Abrupt wandte er den Kopf über die Schulter zurück, als erwarte er, seinen Angreifer bereits dort stehen zu sehen.
Mit der Bewegung hatte er auch sein Gewicht verlagert, ihrer beider Hüften drängten sich härter aneinander.
„Nein, es ist nicht, wie Ihr denkt. Ich wollte nur …“
„Oder will jemand meinem Vater an die Kehle? Geht es darum?“
„Nein, Ihr müsst mir glauben. Ich will niemandes Kehle aufschlitzen.“
Oh, warum kam ihr das Glück nicht auch jetzt zur Hilfe? So, wie sie hier lag, beide Arme hoch über den Kopf gezogen, seinen fast nackten Körper auf sich, fühlte sie sich verletzlicher, als wenn sie sich bewusst seinen Blicken preisgegeben hätte. Die Hitze, die seine Haut ausstrahlte, schien ihr direkt in den Leib zu dringen, und ihr wurde dieser anwachsende Schmerz bewusst, der nicht mehr ausschließlich mit dem Druck seines Gewichts zu tun hatte. Sie holte Luft, atmete damit aber nur seinen berauschenden Duft von Duschgel und Pheromonen ein.
„Warum bist du dann hier, Nadia?“ Er beugte den Kopf, sodass sie sein Gesicht nicht mehr genau erkennen konnte und sein Mund ihren Lippen gefährlich nahe kam. „Ich gebe dir genau eine Minute, um mit der Wahrheit herauszurücken.“
„Das werde ich.“ Sie wollte unbedingt wenigstens etwas Kontrolle zurückgewinnen. „Sobald Ihr mich losgelassen habt.“
„Oh nein, so funktioniert das nicht.“ Er bog den Kopf zurück. „Entweder die Wahrheit, oder ich rufe die Wachen.“
„Nein bitte, tut das nicht!“ Ihr mutiger Trotz fiel in sich zusammen.
So hatte sie sich das nicht vorgestellt – dass sie auf ein Bett niedergedrückt werden würde wie ein gemeiner Einbrecher. Sie hatte verführerisch sein wollen, hatte ihn in Versuchung und zu einer Heirat führen wollen, um den drohenden Krieg zwischen ihren Nationen zu verhindern. So zumindest hatte sie sich das zurechtgelegt. Ein Plan, der ebenso zerdrückt worden war, wie sie hier jetzt auf diesem Bett zerdrückt wurde. Aber sie musste stark sein, durfte nicht aufgeben. „Bevor ich Euch die Wahrheit sage, verlange ich, dass Ihr mich loslasst.“
„Du verlangst also, was?“ Zayed schnaubte. „Das ist wirklich gut. Vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, aber du befindest dich nicht in der Position, irgendetwas zu verlangen. Also komm von deinem hohen Ross herunter und nenne mir auch nur einen guten Grund, weshalb ich nicht sofort die Wachen rufen sollte, damit sie dich in den Kerker werfen. Dir bleiben zehn Sekunden.“
„Schon gut, schon gut.“ Mit der Zungenspitze fuhr sie sich über staubtrockene Lippen. „Ich bin allein gekommen. Ich … ich hatte gehofft, Euch glücklich machen zu können.“ Lächerliche Behauptung. Der Scheich sah alles andere als glücklich aus.
„Die Zeit ist um.“
„Nein, wartet!“ Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zu. Das lief alles so schrecklich schief!
Zu Hause im Palast von Harith, allein in ihrem Bett, hatte sie sich tausendmal in Gedanken auf diesen Moment vorbereitet, hatte sich auf ihren Mut und ihre innere Stärke berufen, die ihr dabei helfen würden, diese Prüfung zu überstehen. Denn das war es wert: Wenn sie mit dem Preis ihrer Unberührtheit den Frieden kaufen und den drohenden Krieg zwischen den beiden Wüstenstaaten verhindern konnte, dann war sie bereit, sich zu opfern. Sie liebte ihr Land, auch wenn es sich nicht immer wie ihre Heimat anfühlte. Und dieser komplett verrückte und gefährliche Plan schien ihr die einzige Möglichkeit, um noch etwas aufzuhalten.
Nach dem, was sie von ihrem Vater und ihrem Bruder aufgeschnappt hatte, sollte der neue Scheich nichts anderes als ein Playboy sein, der ausschweifend seinen Lastern frönte – Alkohol und Frauen. Ein Mann, dem nicht das Geringste an seinem Volk lag, der vielleicht Geld mit seinem Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen scheffelte, dem aber jegliche Qualifikation fehlte, ein Reich wie Gazbiyaa zu führen. Deshalb bereitete sich Harith ja auch vor, das Nachbarreich anzugreifen, wie ein Rudel Hyänen, das einem kranken Löwen auflauerte.