Verliebt, verlobt, verkatert - Caroline Messingfeld - E-Book

Verliebt, verlobt, verkatert E-Book

Caroline Messingfeld

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Beschreibung

Eigentlich dachte Kater Snowbell, sein Werk wäre getan: Frauchen Joline ist mit ihrem Freund Ben überglücklich und es herrscht Frieden in der Villa Katzenglück. Doch der Schein trügt, denn Jolines beste Freundinnen Jana und Melissa sind auch auf der Suche nach der großen Liebe. Die beiden nerven den Perserkater gewaltig mit ihren amourösen Abenteuern. Und dann kriegen sich Joline und Ben richtig in die Haare, Snowbell wird entführt und muss um sein Leben bangen. Doch Snowbell wäre nicht Snowbell, wenn er nicht auch dieses Chaos wieder in die Pfote bekäme. Immer unterstützt von seiner leicht versnobten Katzenpartnerin Bluebell macht er sich daran, die Harmonie in der Villa Katzenglück wieder herzustellen …

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Die AutorinCaroline Messingfeld absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und mehrere Studiengänge. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Nachwuchs lebt sie in einem gemütlichen Landhaus mit einem weitläufigen Cottage-Garten in der Nähe von Bad Nauheim in Hessen. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit schreibt sie in ihrer Freizeit romantische Liebes-, Kinder- und Tiergeschichten.

Das Buch

Eigentlich dachte Kater Snowbell, sein Werk wäre getan: Frauchen Joline ist mit ihrem Freund Ben überglücklich und es herrscht Frieden in der Villa Katzenglück. Doch der Schein trügt, denn Jolines beste Freundinnen Jana und Melissa sind auch auf der Suche nach der großen Liebe. Die beiden nerven den Perserkater gewaltig mit ihren amourösen Abenteuern. Und dann kriegen sich Joline und Ben richtig in die Haare, Snowbell wird entführt und muss um sein Leben bangen. Doch Snowbell wäre nicht Snowbell, wenn er nicht auch dieses Chaos wieder in die Pfote bekäme. Immer unterstützt von seiner leicht versnobten Katzenpartnerin Bluebell macht er sich daran, die Harmonie in der Villa Katzenglück wieder herzustellen … 

Caroline Messingfeld

Verliebt, verlobt, verkatert

Ein Katzenroman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-150-2  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Personen

(in alphabetischer Reihenfolge):

Benjamin Breitenbach will klare Verhältnisse

Bluebell liebt spannende Geschichten

Melissa Borgmann beweist stahlharte Nerven

Joline Degenhardt, genannt Nelly, möchte abtauchen

Anja Herzog haut mit der Faust auf den Tisch

Jana Henke stolpert von einem Abenteuer ins nächste

Snowbell macht sich ernsthafte Sorgen

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Ich widme diesen Roman meinen Perserkatzen Belly und Blue, die mir unvergessliche Momente in meinem Leben geschenkt haben. Außerdem danke ich dem sexiest Biker alive für seine Unterstützung. Merci!

Champagner und Schokolade zum Frühstück

»Ich bekomme gleich eine Krise. Wer leidet an einem Anfall von seniler Bettflucht und stört meinen Schönheitsschlaf?«

Meine Lebensgefährtin Bluebell zog ihre bernsteinfarbenen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und warf einen anklagenden Blick auf die Wanduhr über dem Fernseher. Es war Sonntagmorgen, 9 Uhr. Also mitten in der Nacht für eine zartbesaitete Perserkatze, die es sich nach einem ausgiebigen Frühstück in der Hängematte unseres Kratzbaums bequem gemacht hatte und ihr pralles Bäuchlein in den Schlaf wiegen wollte. Auch mein Frauchen Joline machte einen leicht genervten Eindruck, legte ihre Lieblingszeitschrift auf den Wohnzimmertisch und setzte sich langsam in Bewegung, während das Klingeln an der Haustür stürmischer wurde. Ding-Dong! Ding-Dong! Ding-Dong! Dieser Lärm im Sekundentakt war unerträglich. Entweder ging es um Leben und Tod – oder jemand musste ganz dringend auf die Toilette. Auf jeden Fall musste ich das Rätsel lösen, weil ich schließlich der Kater im Haus war. Ich spitzte die Ohren und schlich meinem Frauchen nach, das die Haustür einen Spaltbreit öffnete und einen überraschten Schrei ausstieß: »Das gibt es ja nicht! Was willst du denn hier?«

Die nächsten Geräusche ließen mich zur Salzsäule erstarren. Klack, klack, klack. Hohe Absätze brachten unseren Marmorfußboden zum Sprechen. Schmatz, schmatz, schmatz. Wer knutschte in unserem Flur? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Mädelsalarm. Um diese Uhrzeit! Wer war aus seinem Bett gefallen und störte unschuldige Katzen und nicht ganz so unschuldige Menschen in ihrem häuslichen Glück? Ich huschte in die Küche, verkroch mich unter dem Küchentisch und machte mich vorsichtshalber ganz klein, während Bluebell sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, an mir vorbeitrabte und genüsslich die letzten Reste der kleingeschnittenen Truthahnbrust in ihrem Näpfchen verzehrte. »Ich muss mich stärken. Sonst falle ich noch vom Fleisch. Das wird eine sehr interessante und lange Unterhaltung, für die ich meine Kräfte gut einteilen muss.«

Diese Befürchtung hatte ich auch. Richtig: Wenige Minuten später stöckelte eine kapriziöse und wortgewaltige Person auf 12 cm hohen High Heels in unsere gemütliche Küche. Jana Henke, die beste Freundin meines Frauchens – wenn Melissa Borgmann gerade nicht zur Stelle war – und umgekehrt. Wie immer sah sie in ihrer teuren Designergarderobe aus, als ob sie dem neuesten Modemagazin entsprungen wäre. Sie war modisch frisiert, dezent geschminkt und roch nach einem teuren Parfüm, während mein Frauchen einem wesentlich entspannteren Lebensgefühl huldigte und auf einen natürlichen Hippie-Girl-Look setzte.

»Was macht Ben?«

»Er ist in der Garage und bastelt an seiner Harley.«

»Schraubt er auch an dir?«

»Ja. Regelmäßig.«

»Also läuft es gut?«

»Perfekt.« Mein Frauchen strahlte von einem Ohr zum anderen. »Ich bekomme Schokolade und Champagner zum Frühstück und liebevolle Streicheleinheiten obendrein. Wir sind zwar noch nicht zusammengezogen, aber er besucht mich regelmäßig und fühlt sich hier sehr wohl. Meine einsamen Wochenenden sind endgültig Vergangenheit.«

Ich knurrte unwillig. Na, na. Übertreiben brauchte sie nicht. Schlecht war es ihr nicht ergangen. Schließlich hatte ich ihr am Tisch Gesellschaft geleistet, mit ihr Wurst und Käse geteilt, ihre kalten Füße im Bett gewärmt und für gute Unterhaltung und lustige Stimmung in der Villa Katzenglück gesorgt. Konnte frau sich mehr in diesem Leben wünschen?

Janas Blick schweifte durch unsere gemütliche Küche und blieb an unserer riesigen Pinnwand hängen, an der Joline neben neongelben Post-its mit mehr oder weniger sinnvollen Kommentaren zahllose Fotografien angebracht hatte. Das Stillleben war beeindruckend: Meine aus England stammende Lebensgefährtin Bluebell thronte wie die Queen auf ihrer Lieblingsbank in unserem Garten und genoss die warmen Sonnenstrahlen, während ich meine Sportlichkeit demonstrierte und einen kleinen Tischtennisball in meinen Pfötchen hielt. Unsere Dosenöffner hatten sich mit ihrem liebsten Hobby verewigt. Ben lehnte lässig an seiner chromglänzenden Harley-Davidson und sah in seiner schwarzen Ledermontur sehr verwegen aus. Am besten gefiel mir das Bild von Joline, die inmitten einer blühenden Sommerwiese zu sehen war und einen selbstgepflückten Strauß voller Kornblumen, Klatschmohn, Margeriten und Wiesenschaumkraut in ihren Händen hielt. Unser Muskelprotz hatte einen zauberhaften Moment eingefangen. Jedes Mal, wenn ich das Foto anschaute, schlug mein Herz vor Stolz einen Schlag schneller. Mein Frauchen war die Allerschönste, das stand für mich felsenfest. Wer gegen meine subjektive Bewertung Widerspruch einzulegen wagte, konnte sich auf einige Tatzenhiebe gefasst machen. In diesem Punkt war ich sehr empfindlich und verstand gar keinen Spaß. Glücklicherweise äußerte Jana keine Kritik, aber sie schien einen leisen Anflug von Neid zu empfinden. »Du lebst Familienglück pur. Beneidenswert. Weißt du eigentlich, wie gut du es hast?«

Hin und wieder hatte Jana einen lichten Moment. Ich hob den Kopf und brummte zustimmend. Ja, das Schicksal hatte es im letzten Jahr mit uns allen gut gemeint, was nicht zuletzt mein Verdienst gewesen war. »Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommste ohne ihr«, wie ich immer zu sagen pflegte. Ohne meine tatkräftige Unterstützung würde mein reizendes Frauchen immer noch als frustrierter weiblicher Single durch die Weltgeschichte düsen oder als verwelkende Blumenfee in unserem Garten Eden sitzen. Als attraktive Sozia an der Seite eines coolen, aber zuverlässigen Bikers machte sie eine wesentlich bessere Figur.

»Ja.« Mein Frauchen wurde rot. Ich wunderte mich über diese Reaktion. Musste man sich für sein Beziehungsglück schämen?

Sie griff zur Thermoskanne, schenkte Jana eine Tasse Kaffee ein und drückte sie ihr in die Hand. »Bei dir wird es nicht mehr lange dauern. Hast du dich nicht bei einer erfolgreichen Partnervermittlungsagentur im Internet angemeldet, um dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen?«

»Elitär und niveauvoll. Und kostspielig.«

»Wenn es der Mann wert ist …«

»Genau das ist hier die Frage.«

Jana ließ sich auf einen Stuhl fallen und seufzte abgrundtief. Meine Lebensgefährtin Bluebell ergriff die günstige Gelegenheit, um auf ihren Schoß zu springen und eine bequeme Ausgangsposition für ein vertrauliches Gespräch unter Frauen zu wählen. Bestimmte Themen interessierten sie brennend, auch wenn sie selbst keine einschlägigen Erfahrungen auf diesem Gebiet vorzuweisen hatte.

»Hattest du schon ein Date?«

»Ja. Gestern Nachmittag war ich mit einem Mann verabredet, den ich vor einem halben Jahr in Rahmen einer Konferenz flüchtig kennengelernt habe. Manchmal ist es gut, wenn man als Vorstandssekretärin neben seinem Chef sitzt und sterbenslangweilige Protokolle führen muss. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mann seines Formats sich auf einem Online-Portal herumtreibt.«

»Oh … das geht aber schnell.«

»Wenn Männer unter akutem Samenstau leiden, ergreifen sie zügig die Initiative.«

»Jana. Ich dachte, du hast dich mit einem Akademiker verabredet.«

»Glaubst du ernsthaft, dass intelligente Männer da besser als hohle Nüsse sind?«

Mein Frauchen blieb die Antwort schuldig. »Wie ist es denn gelaufen? Erzähl doch mal von deinem Traumprinzen aus dem Netz. Ich brenne vor Neugierde.«

»Er ist eine gute Partie. Ein angesehener, verwitweter Rechtsmediziner am Universitätsklinikum Münster, der im Laufe der Jahre ein stattliches Vermögen angehäuft hat und an unserem Unternehmen finanziell beteiligt ist.«

»Buuuh. Dir graust vor gar nichts.« Mein Frauchen schüttelte sich angeekelt. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Komisch. Dabei war sie ein Fan von Professor Boerne. Ich wusste genau, was ich sagte, denn wir hatten viele Stunden gemeinsam vor der Flimmerkiste verbracht und uns keine einzige Sendung entgehen lassen. »Hast du keine Angst? Vielleicht tickt er nicht richtig. Wenn man den ganzen Tag Leichen untersucht, muss man früher oder später einen Schaden fürs Leben nehmen.«

»Nö. Ich bin hart im Nehmen. Sex auf dem Seziertisch war immer der Traum meiner schlaflosen Nächte. Alles steif gefroren …«

Ich verschluckte mich fast an einem Leckerli, das ich mir aus dem Näpfchen geangelt hatte. Jana zwinkerte meinem Frauchen zu und kraulte Bluebell liebevoll hinter den Ohren, die ihre funkelnden Augen schloss und zustimmend schnurrte.

»Brr. Sah er wenigstens aus wie Professor Boerne?«

»Leider nicht. Der ist zwar ein arroganter, selbstgefälliger Fatzke, der mir im Alltag gewaltig auf die Nerven gehen würde, aber von der Bettkante stoßen würde ich ihn nicht. Eine gewisse Fingerfertigkeit darf man ihm unterstellen, und das halte ich für eine gute Ausgangsbasis für gemeinsame Aktivitäten.«

Jana schnalzte genüsslich mit der Zunge. »Allerdings kann ich nicht vorhersagen, wie es zwischen uns enden würde. Wahrscheinlich könnte er sich selbst präparieren, wenn ich mit ihm fertig wäre. Vielleicht würde ich sogar ein Gläschen mit seinem besten Stück mit nach Hause nehmen …«

Meine Augen wurden kugelrund. Aber bevor Jana den speziellen Inhalt der Gefäße näher erläutern konnte, grätschte mein Frauchen entschlossen mitten in den interessanten Teil der Unterhaltung.

»Also sah er eher aus wie Thiel?«

»Ja. Auch so ’n Schrumpfgermane mit dünnem Haar und wässerigen Augen.«

»Verstehe ich dich richtig? Er braucht eine Leiter, um dir in die Augen sehen zu können?«

»Korrekt. Bei der Angabe seiner Körpergröße hat er ziemlich geschummelt. Aber ich könnte ja auf flache Schuhe umsteigen. Das soll angeblich besser für die Wirbelsäule sein.«

»Hm. Der Thiel kommt wenigstens sympathisch rüber. Wie war dein erster Eindruck von deinem Date?«

»Ich hab schwarz gesehen. Sakko, Hemd, Jeans.«

Jana balancierte ihre Tasse Kaffee in der Hand, pustete hinein und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck. »Schwarz wie die Nacht. Nur nicht so – aufregend.«

»Wahrscheinlich hat ihm ein Stylist gesagt, dass er diese Farbe wählen soll, um seine äußere Erscheinung zu optimieren. Schwarz gleicht gewisse Defizite in der Körpergröße aus. Er ist eben bei dieser Auffassung geblieben. Zumindest kann man nichts falsch machen, wenn man sich auf diese Weise kleidet«, entschied mein Frauchen diplomatisch. »Wie alt ist der Märchenprinz eigentlich?«

»Fünfundsechzig.«

»Oh.« Mein Frauchen hob die Augenbrauen. »Etwas alt – findest du nicht auch?«

»Vielleicht hab ich über Nacht einen Vaterkomplex entwickelt?!?«

»Das wäre mir neu. Bisher war vierzig die Obergrenze für deine Lover.« Joline kaute an ihrem Pferdeschwanz. »Aber das Alter spielt keine entscheidende Rolle. Liebe ist relativ. Genauso wie der IQ. Wie sieht dein Traumprinz aus? Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Mädchen.«

»Wie sagt man so schön? Er ist ein erfahrener Mann in den besten Jahren, der im Zenit seines Ruhms steht und kostspielige Hobbies wie Golf und Segeln pflegt. Leider sieht der Best Ager keinen Tag jünger aus, als er ist.«

»Man kann nicht alles im Leben haben. Wo habt ihr euch verabredet? Auf dem Golfplatz? Spielst du überhaupt Golf?«

»Natürlich nicht. Wir haben uns in einem schicken Café verabredet und von dort aus einen langen Spaziergang rund um den Aasee unternommen.«

»Das spricht für die Kondition deines Verehrers. Wie ist eure Unterhaltung verlaufen?«

»Einseitig. Er hat pausenlos von seiner verstorbenen Frau und den psychischen und physischen Problemen gesprochen, die für ihn mit dem schweren Verlust verbunden waren. Ich muss mir keine Akten mehr ziehen, ich kenne die komplette Lebens-, Kranken- und Leidensgeschichte auswendig.«

»Dann bist du gar nicht zu Wort gekommen?«

»Nein. Er hat noch nicht einmal gemerkt, dass ich immer einsilbiger und stiller wurde.«

»Das klingt gar nicht gut. Er interessiert sich überhaupt nicht für dich, sondern ist ganz auf sich selbst fixiert. Warum hast du das Date an dieser Stelle nicht abgebrochen?«

»Das kann ich nicht mehr sagen. Wahrscheinlich hat er mir einfach leidgetan.«

»Wie ist es weitergegangen?«

»Er wollte mir unbedingt seine Villa im Grünen zeigen.«

»Nein.«

»Doch.«

»Du hast die Einladung abgelehnt, hoffe ich.«

»Nee.«

»Bist du verrückt? Du kannst nicht einfach mit einem Unbekannten nach Hause gehen. Weißt du nicht, wie gefährlich das ist?«

»Er war ja kein Fremder, Joline. Beruhige dich wieder.«

Jana schenkte uns ein engelhaftes Lächeln. »Wenn er mir Gewalt angetan hätte, hätte ich mich bei meinem Chef ausgeweint und seinen guten Ruf für alle Zeiten ruiniert.«

»Na, du bist ein Herzchen.«

Ich konnte meinem Frauchen nur zustimmen. Jana war mit allen Wassern gewaschen.

»Wie lebt er?«

»Angemessen. Er besitzt ein stattliches Anwesen in Münster, das sehr nobel eingerichtet ist. Allerdings war sein Wohnsitz mehrere Nummern zu groß für mich. Seine amerikanische Küche verfügt über 70 Quadratmeter Fläche – das ist die Größe meiner gesamten Wohnung.«

»Und wie groß ist seine Villa?«

»Er residiert auf 350 Quadratmetern Wohnfläche. Das dazugehörige Grundstück ist 3000 Quadratmeter groß.«

»Das kann nicht wahr sein. Wozu braucht man so viel Platz?«

»Mein Reden. Mein Verehrer hat sehr viel Geld in sein luxuriöses Traumhaus investiert. Das Smart Home kann über sein Smartphone gesteuert werden, wie er mir voller Stolz demonstriert hat. Die technischen Finessen waren beeindruckend. Aber ich hätte mich dort nicht eine einzige Minute lang wohl fühlen können.«

»Ja, manche Häuser vermitteln den Eindruck, als ob man sich in einem exklusiven Store befindet. Hauptsache: hypermodern und teuer. Man muss zeigen, was man sich alles leisten kann. Die persönliche Note fehlt völlig. Understatement ist mir lieber.« Mein Frauchen strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. »Aber vielleicht entspricht dieser übersteigerte Geltungsdrang seinem Charakter. Er muss seine mangelnde körperliche Größe ausgleichen.«

»Du könntest ins Schwarze getroffen haben. Auf jeden Fall scheint er ein sehr akkurater und penibler Mensch zu sein. Wahrscheinlich hat er ein ganzes Reinigungsgeschwader fürs Grobe eingestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er selbst den Wischmopp schwingt oder auf dem Staubsauger reitet. Alles war extrem ordentlich. Die wertvollen Gemälde an den Wänden sind bestimmt mit der Wasserwaage ausgerichtet worden. Nirgendwo habe ich ein einziges aufgeschlagenes Buch oder eine zerlesene Zeitschrift entdecken können. Die Bibliothek war genauso aufgeräumt wie sein Arbeitszimmer.«

»Das klingt nach meinem persönlichen Alptraum. Mit einem Ordnungsfanatiker könnte ich nicht einen einzigen Tag zusammenleben«, rutschte meinem Frauchen heraus. Ich konnte mir ein verständnisvolles Grinsen nicht verkneifen. Ich kannte ihre Neigung zum kreativen Chaos und habe sie schon oft auf der verzweifelten Jagd nach verlorengegangenen Gegenständen begleiten dürfen. Leider sind wir nicht sehr erfolgreich gewesen. Nach jeder großen Wäsche müssen wir regelmäßig den Verlust von einzelnen Strümpfen beklagen. Unser Sockenmonster im Keller ist einfach zu gefräßig.

»Wahrscheinlich leidet er an einer schweren seelischen Störung. Auf Hochglanz polierte Fassade, abgrundtief schlechter Charakter. Hat er wenigstens ehrliche Absichten?«

»Das glaub ich schon, meine süße Hobby-Psychologin. Er bekleidet eine hohe gesellschaftliche Position, hat ein beträchtliches Vermögen angehäuft und sucht eine wesentlich jüngere Partnerin an seiner Seite, die repräsentative Aufgaben übernehmen und sein empfindsames Ego streicheln kann. Womöglich wünscht er sich sogar noch Nachwuchs, weil ihm kein Kindersegen in seiner ersten Ehe vergönnt war.«

»Das ist traurig. Er muss sich sehr einsam und verlassen in seinem riesigen Haus fühlen. Hast du Aufnahmen von seiner verstorbenen Frau gesehen?«

»Mehr als mir lieb war. Er betreibt einen richtigen Totenkult. In jedem Zimmer hingen schwarz gerahmte Fotografien der teuren Verblichenen.«

»Wie sah sie aus?«

»Ein bemitleidenswertes verhuschtes Dauerwellen-Opfer mit einem schlechten modischen Geschmack.«

»Jana, du bist gehässig.«

»Wenn du sie gesehen hättest, würdest du mir zustimmen, Joline. Die Pudellöckchen und Walla-Walla-Kleidchen waren sehr gewöhnungsbedürftig. Jede Vogelscheuche in einem Schrebergarten ist schöner. Ich kann nicht fassen, dass man heutzutage freiwillig so herumläuft. Schließlich gibt es überall Spiegel.«

Jana kicherte genauso ausgelassen wie meine Lebensgefährtin Bluebell, die sich über die bitterbösen Sprüche göttlich amüsierte. »Mit diesen Informationen habe ich das Bild abrunden können, das ich vor meinen Augen hatte. Die verstorbene Frau meines Verehrers war ein sehr schlichtes Gemüt, das keinerlei beruflichen Ehrgeiz entwickelt hatte, sondern materiell gesehen von ihrem Lebensgefährten völlig abhängig war und sich aus diesem Grunde darauf konzentriert hat, ihr sensibles Genie in Watte zu packen und liebevoll zu umsorgen.«

»Dann sehnt dein Verehrer sich nicht nach einer intellektuell ebenbürtigen Partnerin, mit der er die Klingen kreuzen kann. Stattdessen sucht er den Weg des geringsten Widerstandes und möchte einen einfachen Menschen nach seinem Willen formen und manipulieren«, folgerte mein Frauchen logisch zwingend. »Es klingt schlüssig. Geistige Anregung findet er genügend in seinem Beruf, in seiner Freizeit sucht er anspruchslose Unterhaltung.«

»Du hast es erfasst. Er möchte angebetet, nicht gefordert werden. Ich kann selbst nicht fassen, wieso er ausgerechnet auf mich gekommen ist. Ein Kontrastprogramm zu seiner verstorbenen Frau würde ihn ins frühe Grab bringen.«

Nachdenklich betrachtete Jana ihre signalrot lackierten Fingernägel. »Wenn ich ganz ehrlich bin, will ich auch nicht in die Fußstapfen einer Toten treten. Ich möchte um meiner selbst willen geliebt und nicht zugunsten der physischen und psychischen Bedürfnisse eines alten und kranken Mannes instrumentalisiert werden. Eigentlich ist mein Credo ganz einfach: Ich möchte nicht in der Vergangenheit leben, sondern die Gegenwart genießen und mich auf die Zukunft freuen.«

»Dann hast du rechtzeitig die Notbremse gezogen?«

»Genau. Als er zum gemütlichen Teil des Abends übergehen wollte und mir ein Glas Champagner angeboten hat, habe ich höflich abgelehnt, auf meine Armbanduhr gesehen und mich mit wichtigen Verpflichtungen entschuldigt.«

»Wie hat er reagiert?«

»Natürlich war er beleidigt, dass ich ihn verschmäht habe. Das habe ich an seinem konsternierten Blick bemerkt.«

»Wahrscheinlich hatte er sich einen anderen Ausgang eures romantischen Dates erhofft.«

»Was soll ich machen? Ich kann schlecht lügen. Immerhin habe ich einige höfliche Worte gemurmelt und ihm ein Küsschen zum Abschied auf seine welke Wange gehaucht – und in diesem Moment wusste ich, dass ich alles richtig gemacht hatte.«

»Wieso?«

»Es hat nicht gefunkt. Ich hatte kein Herzklopfen, geschweige denn Schmetterlinge im Bauch. Mein Verehrer hat nicht mein Herz berührt, sondern mich völlig kalt gelassen. Also kann ich froh sein, dass ich mir den blanken Horror erspart und auf einen Akt des Grauens verzichtet habe. Mit dem Skalpell mag er eine Koryphäe sein, im Leben ist er ein Aufschneider. ›Much ado about nothing.‹«

»Dann war’s das? Einmal und nie wieder?«

»Genau. Unsere denkwürdige Begegnung könntest du unter der Überschrift zusammenfassen: Spiel mir das Lied vom Tod. Mein Verehrer wird in absehbarer Zeit sein Verfallsdatum erreichen und als Studienobjekt auf einem Seziertisch landen, während ich auf viele weitere Höhepunkte in den kommenden Jahren hoffe. Dafür brauche ich ein passendes männliches Pendant, das dauerhafte Höchstleistungen in der rhythmischen Sportgymnastik vollbringen kann. Ich komme nicht auf meine Kosten, wenn ich mit einem Mann ins Bett gehe, der mein Vater sein könnte. Sex mit geschlossenen Augen ist definitiv nichts für mich. Ich bin ein visueller Typ und möchte meinen Liebhaber betrachten können, wie Gott ihn schuf, ohne dass mir eine Gänsehaut den Rücken herunterläuft.«

»Du bist sehr hartherzig, Jana. Diese bösen Worte hat dein Verehrer nicht verdient.«

»Man muss realistisch bleiben, Nelly. Und auf dem elitären Portal gibt es garantiert keinen Mangel an willigen Damen, die in der sozialen Hierarchie aufsteigen, seinen Antrag annehmen und ihm den ersehnten Erben schenken möchten. Binnen weniger Tage wird mein großzügiger Gönner über seinen schweren Verlust hinweggekommen sein und mir keine einzige Träne mehr nachweinen, glaub’s mir. Aus den Augen, aus dem Sinn – so ist das Leben. Ich gehe jede Wette ein, dass er mich nicht einmal mehr grüßen wird, wenn wir uns zufällig in unserer Freizeit über den Weg laufen sollten.«

»Fassen wir deinen ausführlichen Bericht zusammen. Dein erstes Date ist schiefgegangen. Wie stellst du dir deine weitere Zukunft vor?«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich weiter Single bleiben. Bis ans Ende meiner Tage. Eigentlich habe ich mir mein Leben anders vorgestellt.«

Jana zog einen Flunsch, während ich meinen Kopf schief legte und ernsthaft über diese Alternative nachdachte. »Vielleicht sollte ich mein Glück lieber im Joyclub versuchen. Das nächste Mal könnte ich zwei 30-jährige Lover auswählen. Dann hab ich fast das gleiche Alter, aber wesentlich mehr Spaß im Bett.«

»Cool. Ich habe auch Phantasien mit zwei Männern. Der eine putzt, der andere kocht.«

Wünsch dir was

»Hahaha!«

Vier Köpfe fuhren erschrocken herum. Ben stand in einem ölverschmierten Arbeitsoverall im Flur und lachte vergnügt. »Das ist die richtige Einstellung. Man sollte das Leben in vollen Zügen genießen.«

»Wolltest du dich nicht um ein Problem an deinem Motorrad kümmern?«, fragte mein Frauchen empört. »Bist du schon lange hier? Hast du etwa gelauscht?«

»Ich hab keine Probleme, ich hab zwei Hände. Alles ist zur vollsten Zufriedenheit erledigt worden.«

Ben schien in seiner Ehre gekränkt zu sein. »Sorry, Joline. Ich wollte euch nicht ausspionieren. Aber ich bin nicht taub.«

Lässig lehnte er sich an die Küchentür und zwinkerte Jana mit einem verschwörerischen Gesichtsausdruck zu. »Ich erzähl es auch nicht weiter. Versprochen.«

»Es wird dir nichts anderes übrig bleiben, wenn du nicht tot über deinem Gartenzaun hängen willst. Versprochen.«

»Du klingst ja wie eine mordlüsterne Bestie!«

Ben zuckte zusammen. Mir war nicht wohl in meiner Haut. Mein Schwanz peitschte nervös hin und her. Von dieser gefährlichen Seite kannte ich Jana noch gar nicht. In ihrem erregten Zustand schien sie mir durchaus eines Verbrechens fähig zu sein.

»Auf diesen Spruch hab ich gewartet.« Wütend haute Jana mit der Faust auf den Tisch, der bedenklich hin und her wackelte. Ihre schönen Augen funkelten vor Zorn. »Du bist ein arroganter Macho, Benjamin Breitenbach. Pass auf, dass ich dir nicht deinen besten Freund mit einem Küchenmesser abschneide.«

»Mädchen, Mädchen. Was ist denn los mit dir?«

Kopfschüttelnd trat Ben näher an den Küchentisch und legte Jana beruhigend die Hand auf die Schulter. »Habe ich etwas verpasst? Hast du eine tiefe Lebenskrise? Du wirst doch nicht etwa unter Torschlusspanik leiden?«

Jana blieb die Antwort schuldig, und mein Frauchen schaute ziemlich belämmert aus der Wäsche. Bluebell entschied sich für einen stoischen Gesichtsausdruck und zuckte nicht ein einziges Mal mit ihren Schnurrhaaren. Ich hatte zwar keine Ahnung, welche Tore gerade geschlossen werden sollten, aber Jana schien große Angst zu haben, dass sie nicht mehr rechtzeitig auf der richtigen Seite ankommen würde. Zärtlich stupste ich sie mit der Pfote ans Knie. Eine kleine Aufmunterung unter Freunden würde ihr sicher guttun. »Ach, Snowbell. Du bist so süß. Warum bist du kein Mann geworden?« Bluebell konnte sich nicht mehr beherrschen und ließ ein amüsiertes Kichern vernehmen. Ich schnaubte verächtlich. Tss. Was war ich denn? Ein Männchen? Na gut, ein heranwachsender Kater. Aber eindeutig ein Womanizer. Ich war meinem Vater, dem stolzen Filou, wie aus dem Gesicht geschnitten. Das hatte meine Katzenmama mit einem einzigen Blick festgestellt, sehnsuchtsvoll in die Ferne geblickt und leise geseufzt. Eine erfahrene Dame von Welt konnte sich nicht irren. Inzwischen war ich zu einer stattlichen Erscheinung herangewachsen. Kein zweiter Perserkater konnte es mit meiner vornehmen aristokratischen Haltung aufnehmen. Immerhin schauten mir alle Miezen von Lünen-Horstmar hinterher, wenn ich in unserem ruhigen Vorort meine Runden drehte und mein Revier inspizierte. Wenn ich wollte, könnte ich sie alle haben. Ausnahmslos. Jede Wette!

Jana strich mir sanft über mein seidenweiches Fell. »Das Leben ist so kompliziert. Meiner Ansicht nach bin ich eine ganz normale Frau. Ich liebe spontanen schmutzigen Sex an ungewöhnlichen Orten. Deshalb will ich einen knackigen Mann, der mich in regelmäßigen Abständen zum Lachen und mein Höschen zum Glühen bringt. Ist das zu viel verlangt?«

Mein Frauchen verfärbte sich und schnappte nach Luft, während Ben verlegen hustete und in Richtung Gäste-Toilette marschierte, um zu keiner Antwort genötigt zu werden. Bluebell grinste vielsagend vor sich hin. Ich sprintete zum Wassernapf, um meine trockene Kehle zu kühlen. Was hätte ich dazu sagen sollen? Ich konnte nicht mitreden. Praktische Erfahrungen hatte ich bisher nicht gesammelt. Noch nicht.

Scherben bringen Glück

Nachdem Jana ihr kompliziertes Liebesleben ausgebreitet und uns aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht hatte, fühlte sie sich wieder stark genug, ihre Handtasche zu schnappen und in ihre eigenen vier Wände zurückzukehren. Puh. Ich atmete auf. Endlich war wieder Ruhe in der Villa Katzenglück eingekehrt. Jana war ein liebes Geschöpf, aber sie strapazierte meine Nerven. Vielleicht war ich altmodisch, aber ich hatte ein großes Bedürfnis nach Harmonie in meinem Hause.

Meine Lieblingsmenschen Joline und Ben demonstrierten partnerschaftliche Arbeitsteilung und kümmerten sich gemeinsam um das Mittagessen. Ich liebte es, an ihrer Seite zu sein, und beobachtete sie aufmerksam. Mein Frauchen saß am Küchentisch und raspelte eine riesige Salatgurke in feine Scheibchen. Von mir aus hätte sie sich diese Arbeit sparen können. Das Grünzeug schmeckte widerlich und gehörte in die Tonne, na gut: in den Komposter. Dann konnte sich die liederliche Mäusebande gesund ernähren. Die Sahne für den Salat war pure Verschwendung. Man hätte sie anders nutzen können – zum Beispiel als kleines Leckerchen für einen treuen Freund.

Ben hatte sich die wichtigste Aufgabe unter den Nagel gerissen. Er sollte Nudeln kochen und war für das Gulasch verantwortlich, das es heute zu Mittag geben sollte. Bluebell sprang auf die breite Arbeitsplatte aus grauem Marmor und machte sich nützlich, in dem sie das angebratene Fleisch einer kleinen Kostprobe unterzog. Eigentlich war Betteln in der Küche unerwünscht, aber Bluebell wusste genau, wie sie ihren Willen durchsetzen konnte. Ben war ein schwacher Charakter. Er konnte ihren glitzernden bernsteinfarbenen Augen, die ihn hemmungslos anhimmelten, nicht widerstehen und steckte ihr immer wieder einen kleinen Happen zu. »Bitte schön, meine Kleine.«

»Diese unverschämte Bettelprinzessin bringt mich auf die Palme.«

Mein Frauchen sah von ihrem Salat auf und machte ein finsteres Gesicht. »Hat sie überhaupt Danke gesagt?«

»Nein. Sie ist genauso wie du.«

»Hahaha. Deine Witze waren schon mal besser.«

Mein Frauchen stand auf und gab Bluebell einen Klaps auf den Popo. »Benimm dich, meine Schöne. Du bist so stolz auf deine vornehme Abstammung und vergisst deine guten Manieren. Nimm dir ein Beispiel an Snowbell. Er würde niemals vom Tisch naschen.«

Genau. Endlich wurden meine Qualitäten in diesem Hause angemessen gewürdigt. Selbstbewusst warf ich den Kopf in den Nacken. Meine Katzenmama hatte mich vorzüglich erzogen. Ich war ein vorbildlicher Kater. In jeder Hinsicht.

»Ja, weil er zu doof ist und sich an die Spielregeln hält.«

Bluebell kicherte hämisch und ließ sich auf den Fußboden plumpsen. »Deshalb geht er immer leer aus.«

»Das hab ich gehört.«

»Hihi. Du hast keine Ahnung von Psychologie.«

»Pschücho – was?«

»Menschenführung. Alle tanzen nach meiner Pfeife. Ben macht, was ich will, und Joline hab ich bald soweit.«

Selbstbewusst trippelte sie auf ihren Samtpfoten aus der Küche. »Hunde brauchen ein Herrchen. Katzen haben Personal.«

Empört schnappte ich nach Luft. Meine Lebensgefährtin war ein raffiniertes Biest, das man nur mit Vorsicht genießen konnte. Wenigstens war ich gegen ihre fiesen Manipulationen immun. Rache war süß. Ich kannte ihre Schwächen und wusste, wie ich sie auf die Palme bringen konnte. Hastig lief ich ihr nach und warf einen anzüglichen Blick auf ihr wohlgerundetes Hinterteil.

»Hast du zugelegt? Wenn Katzen zu dick werden, sollten sie Mausgleichssport treiben.«

»Dir juckt wohl das Fell. Ich habe eine perfekte Figur.« Zornig fuhr sie herum und zischte mich böse an. »Du hörst gleich die Mäuschen unter dem Komposter singen.«

»Versuchs doch.« Provozierend tänzelte ich um sie herum, um sie aus der Fassung zu bringen. »Du traust dich ja nicht.«

Bluebell atmete tief durch und startete einen Angriff, aber ich wich ihr geschickt aus. Dann wagte ich einen Konter und jagte sie in einem atemberaubenden Tempo durch die Küche ins Wohnzimmer. Unsere Putzfee auf dem heißen Ofen, Anja Herzog, hatte am vergangenen Samstag ganze Arbeit geleistet. Das Parkett war höllisch glatt, wie frisch gebohnert. Unsere Krallen fanden keinen Halt. Mit einem lauten Kreischen schlitterten wir mitten in die zerbrechliche Dekoration, die Joline vor dem Panorama-Fenster aufgebaut hatte, das einen traumhaften Blick in unseren weitläufigen Garten bot. Das Klirren war ohrenbetäubend. Vor Entsetzen versteckten wir uns hinter dem breiten schwarzen Ledersofa, um der kommenden Strafpredigt zu entkommen. Wenn Scherben Glück brachten, mussten wir uns für die nächsten Wochen keine Sorgen mehr machen.

Zum Teufel mit Mr. Grey

»Brrr. Ist das ungemütlich draußen. Diese Jahreszeit sollte gesetzlich verboten werden.«

Der Sonntag startete verheißungsvoll. Trotz des schlechten Wetters hatten sich die wilden Hühner aus dem Haus getraut und waren gemeinsam im Kino gewesen. Nach ihrer Rückkehr machten sie es sich schlotternd vor Kälte im Wohnzimmer bequem. Mein Frauchen klapperte mit den Zähnen und zündete den Kamin an. »Ich mag keinen Winter.«

»Wieso? Mr. Grey war sehr heiß. Findest du nicht auch?«

Interessiert hob Bluebell ihr Köpfchen. Auch ich spitzte meine Lauscher. »50 Shades of Grey« – von diesem Film hatten sogar alle Samtpfoten in Lünen-Horstmar gehört. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Katzen waren von dem Stoff fasziniert. Angeblich sollten Männer und Frauen Halsbänder aus Leder tragen und an der Leine gehen genau wie unsere Erzfeinde, die debilen Kläffer. Ob diese gruselige Geschichte stimmte? Wie konnte man sich nur so erniedrigen lassen? Wie hatte Ben sich am Frühstückstisch ausgedrückt? »Das moderne Märchen über die dunkle Seite der Liebe für die sexuell frustrierte Hausfrau von heute.« Leider konnte ich nicht ins Kino gehen und mir ein eigenes Urteil bilden, weil der Zutritt für Tiere verboten war. Deshalb war ich brennend an der Meinung der drei Freundinnen interessiert und pirschte mich unauffällig näher an meine liebsten Menschen heran.

»Sein Waschbrettbauch auf jeden Fall.«

»Mich hat vor allem sein Portemonnaie angetörnt.«

Melissa schenkte uns ein süffisantes Lächeln, ging in die Hocke und kraulte mich unter dem Kinn. »Wenn Mr. Grey mir ein Auto zum Examen geschenkt hätte, wäre ich durchaus bereit gewesen, ihm meine Jungfräulichkeit zu opfern.«

»Warst du ein Spätzünder, Melissa?«

Jana machte ein spitzbübisches Gesicht und ließ sich auf das Ledersofa plumpsen. »Hast du sie nicht früher verloren? Oder trügt meine Erinnerung?«

»Stimmt. Bereits in der zehnten Klasse. Meine Unschuld hat mir keine wertvollen Geschenke eingebracht, aber eine leidenschaftliche Nacht. Schlagen lassen musste ich mich auch nicht.«

Melissa rieb sich ihre Hände. Ihre Augen glitzerten vor unterdrücktem Schalk. »An und für sich bin ich sehr experimentierfreudig. Vanillasex genügt mir nicht. Handschellen finde ich ja sehr reizvoll. Fesseln lasse ich mich gern. Aber ich würde den Spieß gern mal umdrehen, mal einen Mann ans Bett fesseln und mit ihm machen, was ich will.«

»Oh ja! Ich mach mit. Ich würde ihm die Augen verbinden und dann geht es zur Sache …«

Genüsslich schnalzte Jana mit der Zunge. Mir stockte der Atem. Meine Katzenmama hatte mich nicht aufgeklärt. Jedenfalls hatte sie wichtige Einzelheiten aus dem Liebesleben von Menschen unterschlagen. Oder waren Melissa und Jana die Ausnahme von der Regel?

»Ich bin völlig durchgefroren. Euch geht’s bestimmt nicht anders. Wie wäre es mit heißer Schokolade?«

Mein Frauchen wollte das Gespräch wieder in ruhigere Bahnen lenken und übernahm die Rolle der aufmerksamen Gastgeberin. »Mit Schlagsahne?«

Bluebell leckte sich gierig die Lippen, kletterte vorsorglich auf den Schoß von Jana und machte es sich dort bequem. Wahrscheinlich hoffte sie, erfolgreich schnorren zu können. Ich würde mich gewaltig anstrengen müssen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Wenn meine Lebensgefährtin ein Ziel vor Augen hatte, lief sie zur Höchstform auf und ließ mich alt aussehen.

»Schlagsahne ist das Stichwort, liebste Nelly. Mein wehrloses nacktes Opfer würde ich am liebsten mit Schlagsahne besprühen und genüsslich ablecken. Vom Haaransatz bis zum großen Zeh. Überall.«

Jana lächelte Bluebell versonnen an und strich ihr sanft über das seidenweiche Fell. »Meine kleine Prinzessin würde mir sicher helfen. Auf diese Weise könnte mein Traumprinz herausfinden, ob er es lieber zart oder rau mag.«

Angemacht

»Du hast sogar eine eigene Sauna, Nelly. Wow. Das ist traumhaft. Unsere Mädelsabende werden immer schöner.«

Jana strahlte über das ganze Gesicht und schlüpfte in Windeseile aus ihrem Pullover. Melissa und Joline zögerten nicht lange, sondern taten es ihr nach. Nach der heißen Schokolade und ihren anregenden Gesprächen wollten sie sich weiter einheizen lassen. Bald waren die hellen Fliesen im Keller mit einem bunten Haufen Klamotten bedeckt. Ein gefälliges Stillleben, das von exquisiter Spitzenunterwäsche in verschiedenen Farben gekrönt wurde. Schneeweiß, schwarz und – rot. Huch. Was sollten mir diese merkwürdigen Farben sagen? Mein Frauchen verkörperte Unschuld, Melissa war ein Vamp und Jana wirkte wie die Sünde selbst.

»Ein Weihnachtsgeschenk. Von mir für mich.«