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Für Countrysängerin Hannah könnte alles perfekt sein: Bei ihrem neuen Label fühlt sie sich wohl, die Planungen für die nächste Tournee laufen fantastisch. Wäre da nur nicht Will Sutherland! Ihr neuer Produzent treibt sie noch in den Wahnsinn. Er ist so unglaublich sexy, dass Hannah sich in seiner Nähe kaum konzentrieren kann – doch eine Affäre mit ihm wäre fatal für ihre Karriere. Also zeigt sie ihm zunächst die kalte Schulter, aber das wiederum lässt Will sich nicht gefallen. Schon bald ist Hannah ganz verrückt nach seinen heißen Küssen …
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Seitenzahl: 205
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2021 by Jules Bennett Originaltitel: „Twin Games in Music City“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2222 2/2022 Übersetzung: Julia Königs
Abbildungen: Harlequin Books S.A., OrlyDesign / Getty Images alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 2/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751508872
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Will Sutherland lehnte sich auf der gepolsterten Sitzbank im Rise and Grind zurück. Er beobachtete, wie Hallie Banks durch die Tür trat, sich umsah und dann auf seinen Tisch in der Ecknische zukam.
Er sollte sich nicht jetzt schon über dieses Meeting ärgern, doch das tat er. Will wollte sich eigentlich nicht mit Hallie treffen, sondern mit ihrer Zwillingsschwester Hannah. Aber offenbar hatte Hannah Banks – Country-Star und Amerikas Liebling – es nicht nötig, so alltägliche Dinge wie die Aufnahmen zu ihrem neuen Album oder die Details ihrer nächsten Tour persönlich mit ihm zu besprechen.
Will hatte sie bisher nur ein paar Mal kurz getroffen, bei verschiedenen Branchenevents. Er hatte sie schon immer attraktiv gefunden; er konnte gar nicht anders. Hannah Banks zog einfach alle Blicke auf sich, wohin sie auch ging, und er stellte da keine Ausnahme dar.
Doch dieses offizielle Meeting lief anders als geplant, und das gefiel ihm nicht. Ihre egoistische Einstellung mochte bei ihrem alten Plattenlabel kein Problem gewesen sein, doch nun, da sie bei Elite Records unter Vertrag war, würde sie akzeptieren müssen, dass sie nicht länger das Sagen hatte. Das hatte ab jetzt er.
Hallie schenkte ihm ein sanftes Lächeln und streckte die Hand aus. „Guten Morgen. Warten Sie schon lange?“
Will stand auf und schüttelte ihr die Hand, überrascht darüber, wie sanft und zart sie wirkte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm Hallies Hände schon mal aufgefallen waren … Und sie sollten ihm auch jetzt nicht auffallen!
Er hatte sich bereits mehrmals dabei ertappt, wie er sich Fantasien hingegeben hatte, mit Hallies Schwester Hannah in der Hauptrolle. Er konnte es nun wirklich nicht gebrauchen, sich gleich für beide Schwestern zu interessieren. Das wäre nicht gut fürs Geschäft; außerdem wäre es unprofessionell, wenn er sich auch nur zu einer der Zwillingsschwestern hingezogen fühlte.
Hallie kleidete sich ein wenig konservativer als ihre Schwester. Vielleicht lag das daran, dass Hallie die Managerin war und hinter den Kulissen arbeitete, in einem ruhigeren Umfeld. Hannahs Stil war im Gegensatz dazu provokativ, glitzernd, übertrieben … Überhaupt nicht die Art Frau, von der er sich angezogen fühlen sollte. Trotzdem fiel ihm sein neuer Star in letzter Zeit allzu häufig ins Auge.
Er musste wirklich seine Gedanken unter Kontrolle bringen. „Ich bin selbst gerade erst eingetroffen.“ Er zeigte auf den Platz ihm gegenüber. „Bitte, setzen Sie sich doch.“
Sie legte ihre Tasche auf einen der freien Stühle, ehe sie sich niederließ. Sofort trat ein Kellner an den Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen, ehe er sie wieder allein ließ.
„Was sagten Sie, wo Hannah ist? Warum hat sie es heute nicht geschafft?“, fragte Will, in der Hoffnung auf eine ehrliche Antwort.
Hallie blinzelte. „Oh, ich hatte noch nichts dazu gesagt. Sie hat mich bloß gebeten, mich mit Ihnen zu treffen. Nach diesem Gespräch werde ich mit ihr den Terminplan durchgehen. Allerdings bittet sie außerdem darum, das Album in ihrem privaten Studio aufnehmen zu dürfen. Das ist das Wichtigste, was ich Ihnen mitteilen soll.“
Natürlich. Das hätte Will nicht weiter überraschen sollen. Vor ein paar Wochen war ein schrecklicher Sturm über Beaumont Bay hinweggezogen, und die Bewohner seines Heimatorts nahe Nashville arbeiteten immer noch fieberhaft daran, ihre teuren Villen zu renovieren, die beschädigt worden waren, und die wenigen Geschäfte wiederaufzubauen.
Doch Beaumont Bay würde nicht lange am Boden bleiben. Diese Gemeinde am See war der Ort, an dem sich die Leute aus Nashville vergnügten, wo sämtliche Deals abgeschlossen wurden, wo die Elite der Countrymusik ihre pikantesten Geheimnisse hütete. Und es war eine Stadt, die der legendären Musikproduzentin Mags Dumond praktisch gehörte – zumindest dachte sie das.
Zugegeben, Mags hatte Beaumont Bay aufgebaut, zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann, dem ehemaligen Bürgermeister. Dank ihrer Weitsicht – und der Tatsache, dass sie jahrelang Partys für die Musikszene gegeben hatte – war ein Haus in der Bay ein absolutes Muss für alle, die es in Nashville zu etwas bringen wollten.
Will war hier geboren, allerdings nicht in eine Countrymusik-Familie hinein. Seine Eltern Travis und Dana Sutherland waren in der Immobilienbranche tätig und besaßen beinahe jedes Haus hier … außer denen, die Mags gehörten.
Doch die Sutherland-Brüder hatten sich einen Namen in der Musikindustrie gemacht, indem sie ein eigenes Label gründeten … und Mags dabei so gut wie möglich aus dem Weg gingen. Die Frau war seiner Familie schon seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge, aber darüber wollte Will jetzt nicht nachdenken. Mit Hannah Banks als neuem Star wollte er das Musikimperium seiner Familie noch weiter vergrößern, während er sich gleichzeitig um die Renovierung des Studios kümmerte, das beschädigt worden war.
Der Wiederaufbau dauerte schon viel zu lange – und das in einer Branche, in der bereits eine Verspätung von einem Tag zu viel war. Er hatte Musik zu produzieren! Von den Sängerinnen, Sängern und Bands, die sich auf ihn verließen und um die er sich kümmern musste, ganz zu schweigen; dazu kam noch die Organisation der Touren, die bereits angekündigt waren, um Alben zu feiern, die bald erscheinen sollten.
Die ganze Situation war ein einziger Albtraum, und Hannah Banks – der Star, den er Mags abgeluchst hatte und den er brauchte, um seine Pläne zu verwirklichen – schaffte es nicht mal, sich die Zeit für ein persönliches Treffen zu nehmen. Es war einfach nicht dasselbe, mit ihrer Zwillingsschwester beziehungsweise Managerin zu sprechen.
„Ich müsste mir Hannahs Studio ansehen, ehe ich dieser Bitte zustimmen kann“, sagte er zu Hallie. „Wir müssen nächste Woche mit der Produktion beginnen, um die Deadlines einhalten zu können. Informieren Sie Hannah, dass ich gleich morgen früh bei ihr vorbeikommen werde, um ihr Studio unter die Lupe zu nehmen.“
Hallie schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. „Morgen früh passt es nicht.“ Sie zog ihr Handy hervor und tippte auf den Bildschirm. „Wie wäre es mit Dienstag um zehn?“
Da heute schon Freitag war, würde er auf keinen Fall bis Dienstag warten. Will atmete tief ein und seufzte. War Hallie genauso kompliziert wie ihre Schwester, die Country-Diva? Ihrem Schmollmund nach zu urteilen, ja. Will spürte eine dunkle Ahnung in sich aufsteigen. Etwas stimmte hier nicht.
„Ich weiß ja nicht, wie die Dinge liefen, als Hannah noch bei Mags und Cheating Hearts unter Vertrag war, aber jetzt, da sie für Elite arbeitet, bestimme ich den Terminplan und sage ihr, wann die Dinge erledigt sein müssen.“
Hallie verengte die Augen. „Ach ja? Tja, vielleicht hätte ich dann doch bei Cheating Hearts bleiben sollen.“
Will beugte sich vor und stützte die Hände auf den Tisch. „Hannah? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“
Sie fluchte leise, und Will presste die Lippen aufeinander. Er hatte gewusst, dass etwas im Busch war, doch er hätte nicht damit gerechnet, dass seine neueste Künstlerin ein so kindisches Spiel mit ihm trieb. Aber ihn konnte sie mit diesem billigen Zwillingstrick nicht hereinlegen. Hannah Banks würde ganz schnell lernen, wer hier das Sagen hatte.
Verdammt! Das hatte ihr eigentlich nicht rausrutschen sollen. Wieso hatte sie sich die Mühe gemacht, sich als ihre Schwester zu verkleiden – sie hatte sogar eine Brille aufgesetzt –, nur um sich dann zu verplappern?
Hannah nahm die Schultern zurück und starrte ihr Gegenüber an. Will Sutherland war verdammt sexy, daran musste es liegen. Er brachte sie so sehr aus dem Konzept, dass sie kaum klar denken konnte. Das war alles seine Schuld.
Wie sollte sie sich auf ihre Tarnung konzentrieren, wenn sie nur daran denken konnte, dass sie ihm mit den Händen durchs Haar fahren wollte. Seine Lippen, jetzt frustriert aufeinandergepresst, wirkten so verführerisch. Ob er wohl gut küssen konnte?
Sie hatte sich schon lange nicht mehr zu irgendeinem Mann hingezogen gefühlt. Warum musste ausgerechnet dieser ihr auffallen? Sie hatte gehofft, die unpassenden Gefühle für ihn unter Kontrolle bringen zu können, indem sie sich als Hallie ausgab. Doch zu ihrem Pech war ihr Plan nicht aufgegangen, und nun war auch noch ihre Tarnung aufgeflogen. Als hätte sie nicht schon genug Probleme.
Sie hatte von vornherein gewusst, welche Schwierigkeiten es mit sich bringen würde, die Plattenfirma zu wechseln, ganz egal, für welche sie sich letztendlich entschied. Mags herrschte über diese Stadt, und Mags war dagegen gewesen, dass Hannah weiterzog. Doch Elite Records – und Will – passten am besten zu ihren Zukunftsplänen. Also hatte sie einfach gehofft, sie könne der Anziehungskraft des attraktivsten Mannes in Beaumont Bay widerstehen.
„Was zur Hölle treiben Sie für ein Spiel?“ Will beugte sich vor und sprach durch zusammengebissene Zähne hindurch.
Oh, diese tiefblauen Augen waren soeben noch einen Farbton dunkler geworden. Wut und Erregung lagen manchmal unheimlich nah beieinander.
Hannah faltete unter dem Tisch die Hände und verdrängte diese Gedanken. Auf keinen Fall durfte sie ihrem Begehren nachgeben. Wohin würde das führen? Wenn Will auf ihre Avancen einging, was dann? Die Medien würden sofort über sie herfallen. Sie würden verbreiten, dass sie sich diesen Deal mit Sex erkauft hatte. All die Arbeit, die sie in ihr neues Image gesteckt hatte – in die Veröffentlichung ihrer eigenen Songs, wäre umsonst gewesen.
Auf keinen Fall würde sie derart ihren Ruf gefährden – oder den von Elite Records. Ihr ganzes Leben drehte sich ums Singen, darum, auf der Bühne zu stehen. Sie hatte bereits beinah alles riskiert, um Cheating Hearts zu verlassen und eine Chance auf etwas Neues zu bekommen. Sie konnte es sich nicht leisten, noch mehr zu riskieren, indem sie einem flüchtigen Verlangen nachgab.
„Ich treibe kein Spiel“, erwiderte sie zuckersüß.
„Warum dann die Verkleidung?“
Der Kellner unterbrach sie kurz und stellte ihre Getränke auf den Tisch, ehe er wieder verschwand. Hannah griff nach ihrem Chai Tee mit einem Schuss Mandelmilch. Perfekt. Ein Hauch Normalität und Vertrautheit in dieser unangenehmen Situation war genau das, was sie brauchte.
„Hannah“, sagte Will fordernd.
Sie erwiderte seinen Blick und zuckte die Schultern, während sie die Hände um die Tasse legte. „Ich wollte wissen, was Sie für ein Mensch sind. Hallie hatte sich bereits mehrfach mit Ihnen getroffen, und dann haben wir alle die Verträge unterzeichnet. Aber ich wollte Sie in einem entspannten Rahmen unter vier Augen treffen, um mir ein Bild von Ihnen zu machen. Und das ohne den Druck, der damit einhergeht, ich zu sein.“
Er sagte nichts, starrte sie bloß weiter an. Diese Augen waren wirklich umwerfend. Ein Muskel in seiner Wange zuckte leicht. Er hatte einen sehr ausgeprägten Kiefer, leicht von dunklen Bartstoppeln bedeckt … Lecker.
Sie musste sich wirklich beruhigen. Er hatte den weiteren Verlauf ihrer Karriere in der Hand. Wenn sie nicht mehr bloß das süße Countrygirl mit den harmlosen Songs sein wollte, brauchte sie Will. Sie brauchte diese Veränderung. Sie wollte raus aus dem Trott, in den Mags sie gezwungen hatte. Und das nächste Kapitel ihrer Karriere hing ganz davon ab, jetzt alles richtig zu machen. Sie konnte sich keine Fehler erlauben, wenn sie ihre Musikkarriere auf das nächste Level bringen und als Songwriterin ernst genommen werden wollte.
„Ich kenne Sie nicht sonderlich gut.“ Sie zwang sich dazu, sich aufs Geschäftliche zu konzentrieren statt auf die Chemie zwischen ihm und ihr. „Aber ich habe eine Menge riskiert, um zu Ihrem Label zu wechseln. Ich wollte mehr darüber erfahren, was für ein Mensch Sie sind, ehe ich als ich selbst mit Ihnen spreche.“
„Das ergibt keinen Sinn“, sagte er. „Lassen Sie die Spielchen bitte von nun an.“
„Ich spiele keine Spielchen“, beharrte sie. „Hier geht es um meine Karriere. Ich versuche bloß, auf mich zu achten.“
Hannah weigerte sich, ihn in ihren Kopf zu lassen. Sie war noch nicht bereit, ihm sämtliche Gründe für ihr Vorgehen zu offenbaren. Man hatte ihm nur gesagt, dass sie sich nicht mit Mags verstanden hatte – das war alles, was er wissen musste.
Mags und Hannahs Großmutter kannten sich schon jahrzehntelang, seit die beiden selbst die Musikszene von Nashville für sich erobert hatten. Hannahs Großmutter war die weltberühmte Eleanor Banks. Sie hatte mehr Country-Platten verkauft als irgendeine andere Frau – Platz da, Dolly!
Niemand kam an Eleanors Ruhm heran, und Mags war neidisch auf ihren Erfolg gewesen. Irgendwann hatte Mags schließlich geheiratet, und zwar nicht irgendeinen Mann, sondern den Bürgermeister von Beaumont Bay. Er machte Geschäfte in der Immobilienbranche und kaufte ihr letzten Endes eine Plattenfirma, um sie bei Laune zu halten; so blieb sie weiterhin im Geschäft. Bald hatte Mags überall ihre Hände im Spiel und sorgte dafür, dass keine Entscheidung ohne sie getroffen wurde.
Zwei Generationen später hatte Mags’ Neid immer noch nicht nachgelassen – nur deswegen hatte sie vor fast zehn Jahren Hannah unter Vertrag genommen. Und nun, nachdem sie ein Jahrzehnt lang unter Mags’ Fuchtel gestanden hatte, wollte Hannah das niedliche Image loswerden, das ihr aufgezwungen worden war. Sie wollte endlich tiefgründigere, emotionalere Texte schreiben, die ihrem Talent und ihrer Kreativität eher gerecht wurden. Wollte ihre Kunst, ihre Songs, weiterentwickeln und der Welt zeigen, dass sie mehr als nur ihre Stimme zu bieten hatte. Sie glaubte wirklich, dass sie eine Botschaft hatte, und sie wollte sie durch ihre Texte mit der Welt teilen.
Also war sie bei Will unter Vertrag gegangen und hatte der Bedingung zugestimmt, einen Song aus der Feder von Cash Sutherland aufzunehmen. Er war einer von Wills Brüdern und würde bei ihrer nächsten Tour außerdem der Opening-Act sein. Cash hatte in der Branche ein Bad-Boy-Image, und Will war offenbar der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit mit Hannah helfen sollte, seinen Ruf aufzupolieren.
„Wir nehmen den Song in meinem Studio auf“, fuhr Hannah fort. Sie hatte von Mags gelernt, dass man sehr bestimmt auftreten musste, um sich durchzusetzen, und das von Anfang an. Sonst wurde man später bloß herumkommandiert. Der Wechsel zu Elite Records war ihre Chance, endlich ihren eigenen Weg zu bestimmen – niemand würde ihr da reinreden. „Sie können gern vorbeikommen und alles inspizieren. Aber mein Studio ist einfach am besten dafür geeignet. Dort fühle ich mich wohl, und die Ausstattung ist auf dem neuesten Stand. Besseres Equipment werden Sie nirgends finden.“
Will zuckte die Achseln. „Wir werden sehen. Wenn mein Studio erst wieder einsatzbereit ist, arbeiten wir dort. Ich gehe davon aus, dass Sie sich bereits mit Cashs Song vertraut gemacht haben? Den, den ich Ihnen über Ihre Schwester habe zukommen lassen?“
Hannah nickte. „Darüber wollte ich auch mit Ihnen sprechen. Ich bin nicht sicher, ob wir diesen Song wirklich als erste Single herausbringen sollten.“
Sie wollte sofort mit einem brandneuen Sound durchstarten, und dabei wäre es wohl kaum förderlich, sich auf die Texte eines anderen zu verlassen. Sie hatte bereits eigene Texte verfasst, sogar genug Material für mehrere Songs, doch bisher war das noch ein Geheimnis. Nicht mal ihre Schwester war eingeweiht.
Sie hatte gehofft, ihre Songs Will vorzustellen und mit diesem Vertragswechsel wirklich ganz neu anfangen zu können. Bisher hatte sie immer nur die Songs anderer Leute aufgenommen. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, auf ihrem ersten Album bei Elite endlich ihre eigenen Texte und Kompositionen zu veröffentlichen.
„Cashs Song steht im Vertrag“, erwiderte Will, als kenne sie dieses Schriftstück nicht von vorn bis hinten auswendig. „Das ist nicht verhandelbar.“
Die Art, wie er das sagte, gepaart mit seinem intensiven Blick löste … eine Menge Gefühle in ihr aus. Sie wollte seine dominante Art nicht sexy finden. Sie wollte sich an die Arbeit machen und endlich als Singer-Songwriterin ernst genommen werden. Doch um sich den zweiten Teil dieses Titels zu verdienen, würde sie sich öffnen müssen. Nicht sofort, aber bald.
Der Gedanke war zugleich Furcht einflößend und aufregend. Sie hatte sich noch nie zuvor irgendjemandem gegenüber so angreifbar gemacht. Es war eine Sache, die Worte eines anderen zu singen, aber etwas ganz anderes, ihren Fans ihre persönlichsten Gedanken zu offenbaren.
Auch wenn sie Hannah Banks war – fünffache Gewinnerin des Preises für die beste weibliche Künstlerin und Sängerin des Jahres der letzten sechs Jahre –, so hatte sie doch auch ihre Unsicherheiten. Die Angst vor Ablehnung war allgegenwärtig und könnte ihr viele Möglichkeiten verbauen, wenn sie nicht bald ihren Mut zusammennahm. Doch sie war das Risiko eingegangen, zu Elite zu wechseln; sie würde auch den Mut finden, diesen letzten Schritt zu wagen.
„Ich werde vorbeikommen und mir Ihr Haus anschauen müssen“, sagte Will und unterbrach damit ihre Gedanken.
„Wann?“
„Da es morgen ja nicht passt, gehen wir doch einfach jetzt.“
Hannah lachte. „Jetzt? Ich fürchte, das lässt sich nicht einrichten.“
„Na schön“, knurrte er. „Dann in einer Stunde.“
Seufzend schüttelte Hannah den Kopf. „Das passt leider auch nicht besser.“
Will schob seine Tasse beiseite und beugte sich vor. „Ich weiß ja nicht, wie Ihre Geschäftsbeziehung zu Mags aussah, aber ich bin sehr in die Karrieren meiner Künstler involviert. Ich werde Sie bei jedem Schritt dieses Prozesses begleiten. Mein Name und das Label gehören zusammen, ich werde es also zu keinerlei Fehlern kommen lassen.“
„Glauben Sie etwa, ich will, dass irgendetwas schiefläuft?“, fragte sie, darum bemüht, ihre Verachtung zu verbergen. „Hier geht es um meine Karriere. Es war für mich ein großes Risiko, das Label zu wechseln und Ihren Bruder als einzigen Opener für meine nächste Tour zu engagieren.“
„Entschuldigung.“
Hannah sah auf. An ihrem Tisch stand ein Teenager, ein nervöses Lächeln im Gesicht.
„Tut mir leid“, sagte das Mädchen. „Aber Sie sind meine absolute Lieblingssängerin. Würden Sie mir ein Autogramm geben?“
Hannah wurde es nie müde, Fans kennenzulernen und Autogramme zu verteilen. Diesen Teil ihrer Karriere hatte sie schon immer unheimlich gemocht. Sie erinnerte sich noch daran, wie herzlich ihre Großmutter mit ihren Fans umgegangen war. Gram hatte stets gesagt, ohne Fans gäbe es keine Musikbranche. Dementsprechend war Hannah dankbar für jedes Autogramm und jedes Foto, das sie mit den Menschen schoss, die ihre Musik kauften und ihr dadurch diese Karriere ermöglichten.
„Aber natürlich“, antwortete Hannah lächelnd. „Hast du etwas zu schreiben?“
Das Mädchen biss sich auf die Lippe und wühlte in seiner Handtasche herum.
„Hier.“ Will schnappte sich eine saubere Serviette aus dem Spender und zog einen Stift aus der Tasche. „Ginge das?“
„Perfekt.“ Hannah nahm den Stift zur Hand und sah wieder zu dem Mädchen auf. „Wie heißt du denn?“
„Tasha. Ich höre mir jeden Tag Ihre Musik an, während ich meine Choreografie übe. Sie hat mir wirklich geholfen durchzuhalten, seit meine Eltern sich getrennt haben.“
Hannah signierte die Serviette. Die Leute, die sie um ein Autogramm baten, erzählten ihr immer, warum sie ihre Musik so mochten, und sie liebte jede einzelne Geschichte. Dieser positive Einfluss auf das Leben der Menschen – genau das war es, was sie wollte. Sie hörte immer wieder gern, wie sie jemandem durch schwere Zeiten geholfen hatte.
„Das mit deinen Eltern tut mir wirklich leid“, sagte Hannah und reichte Tasha die Serviette. „Aber es freut mich, dass ich dir ein wenig Trost spenden konnte.“
Tasha betrachtete die Unterschrift, und ihr strahlendes Lächeln kehrte zurück. „Das ist so cool. Meine Freunde werden Augen machen. Danke, wirklich. Danke.“
Hannah schob ihren Stuhl zurück und erhob sich. Sie breitete die Arme aus und umarmte das junge Mädchen. „Das Vergnügen war ganz meinerseits, Tasha. Ich freue mich wirklich, dich kennengelernt zu haben.“
Das Mädchen hüpfte beinahe zum Tresen, wo es sich sein Getränk abholte, ehe es den Laden verließ.
Hannah ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und rückte an den Tisch. Sie hielt inne, als sie Wills intensiven Blick bemerkte. „Was?“
„Nicht jeder Star würde sich bei einem Meeting oder einem Date stören lassen, um jemandem ein Autogramm zu geben.“
„Erstens ist das hier kein Date.“ Himmel! Es war, als wüsste er, was ihr an unpassenden Gedanken durch den Kopf geschossen war. „Und zweitens: Falls es Sie stört, dass wir unterbrochen wurden, sollten Sie sich besser daran gewöhnen. Ohne meine Fans hätte ich keine Karriere, und dann könnten Sie mit mir auch kein Geld verdienen.“
Will grinste breit; er konnte also frustrierend und sexy zugleich sein … Das würde garantiert noch Ärger bedeuten.
„Ich habe mich nicht über die Unterbrechung beschwert“, sagte er. „Sie sollten immer mit Ihren Fans reden. Ich habe bloß angemerkt, dass nicht jeder das tun würde.“
Verwirrt und immer noch erregt von seiner dominanten Art schnaubte Hannah leise und schlug die Beine übereinander. Hätte sie sich nicht verplappert, könnte sie einfach weiterhin so tun, als sei sie Hallie. Dann müsste sie sich jetzt keine Sorgen machen. Hallie war stets ruhig, still und entschlossen, und das auf sehr beherrschte Weise. Hannah hingegen kam es allzu oft so vor, als hätte sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle. Als hätte sie sich selbst verloren, weil Mags ihr so viele Jahre lang vorgeschrieben hatte, wie sie in der Öffentlichkeit auftreten sollte. Sie versuchte immer noch, sich selbst zu finden. Und dazu musste sie sich ganz auf diesen entscheidenden Punkt in ihrem Leben und ihrer Karriere konzentrieren.
„Ich will mich nicht streiten“, sagte sie zu Will. „Wenn Sie sich unbedingt mein Haus ansehen wollen, gehen wir doch einfach. Ich habe heute noch andere Dinge vor.“
Dinge, die ihn nichts angingen und von denen sie ihm nicht erzählen wollte. Sie mochte in jeder Zeitschrift abgelichtet sein und in zahllosen Internetartikeln vorkommen, doch auch sie hütete kleine Geheimnisse, die sie für sich behalten wollte. Sie liebte das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, doch sie legte auch großen Wert auf ihre Privatsphäre. Und bloß weil Will nun ihre Musik gehörte, hieß das noch lange nicht, dass er jetzt über ihr ganzes Leben herrschte.
Es würde harte Arbeit werden, ihren Fans und der Öffentlichkeit zu beweisen, dass sie nicht die Diva war, als die Mags sie dargestellt hatte. Doch Will kannte weder sie noch ihren Arbeitsstil, und sie hatte nur eine Chance auf einen guten ersten Eindruck.
Ärgerlicherweise musste Hannah sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie nur zusammen arbeiteten … mehr nicht. Sie durfte nicht mit ihm flirten. Dieses nächste Kapitel ihrer Karriere musste absolut glattlaufen, damit sie endlich als erwachsene Künstlerin und ernst zu nehmende Songwriterin wahrgenommen wurde.
Und nur, weil sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann sie ein Mann das letzte Mal so erregt hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie dieser Anziehung nun nachgeben durfte. Dieses unerwünschte Verlangen musste einfach wieder verfliegen, denn sie weigerte sich, alles aufs Spiel zu setzen – schon gar nicht für eine Nacht mit Will Sutherland.
Will ließ sich nicht leicht überraschen, doch er konnte seinen Schock kaum verbergen, während er sich in Hannahs hochmodernem Studio umsah. Mit so viel Platz – und vor allem mit so viel Technik – hatte er in ihrem Haus wirklich nicht gerechnet. Er war davon ausgegangen, dass sie anderer Leute Studios nutzte, statt sich selbst eins zusammenzustellen. Doch er empfand es als sehr erfrischend, dass sie sich selbst um die kleinsten Details ihrer Karriere persönlich kümmerte … als erfrischend und auch irgendwie sexy.
Dabei war dieser Umstand kaum verwunderlich – schließlich war ihre Großmutter Eleanor Banks. Zweifellos hatte Hannah schon von klein auf gelernt, Wert auf Perfektion zu legen und hohe Standards zu setzen. Dennoch war er angenehm überrascht. Angesichts ihres Rufs als Diva, die stets darauf achtete, dass ihr Haar und Make-up perfekt saßen, freute es ihn umso mehr, dass sie offenbar nicht nur eine Fassade aufrechterhielt, sondern tatsächlich für ihre Karriere arbeitete.
„Das sollte ausreichen.“
Hannah lachte. „Wow, werden Sie bloß nicht zu überschwänglich.“
Er wandte sich ihr zu und musste erneut dieses beinahe überwältigende Gefühl der Anziehung niederkämpfen. Hannah hatte sich umgezogen, nachdem sie in ihrem Haus angekommen waren. Nun trug sie ein Paar schwarzer, eng anliegender Jeans, das so tief saß, dass es in manchen Staaten sicher als illegal galt. Dazu hatte sie ein glitzerndes blaues Oberteil übergezogen, dessen Saum mehrere Zentimeter über dem Hosenbund endete. Außerdem hatte sie ihr Make-up aufgefrischt und irgendetwas mit ihren Haaren angestellt.