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"Der vierzigjährige Brief" ist ein Drama, welches zum größten Teil auf Tatsachen und den Erlebnissen eines jungen Mädchens beruht.
Das E-Book Vierzigjährige Brief wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Elisabeth, Jane Austen, Charlotte Bronte, Helene Böhlau, Königen Sophia
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Liebe Leser,
Schreiben ist eines der schönsten und ehrenwertesten Werke des Menschen. Besonders für die Person, die geschrieben hat. Wenn eine Frau aus einer von Macht dominierten Gesellschaft stammt, ist der Respekt vor ihr grenzenlos. Rosa Justitia Kosmos ist nicht die Sprecherin, Botschafterin, eines Landes oder eines Volkes, sondern der ganzen Welt.
Sie sieht die Zeit, in der wir leben, den Verfall unserer Welt, erlegt Künstlern und Schriftstellern die Verantwortung auf, Stellung zu beziehen und ihre Stimme zu erheben. Wir müssen uns sowohl mit den Problemen der Menschheit und als auch der Natur einzelner auseinandersetzen. Sie rebelliert gegen Ungerechtigkeit, Gefühllosigkeit, Ausbeutung, indem sie „Silence the Guns“ sagt. Sie möchte ihre finanziellen Erwartungen in den Dienst stellen, an die Opfer des Krieges und Verbrechens.
Ich gratuliere ihr zu dieser Verbindung und wünsche ihr, dass sie noch viele weitere schöne Werke signiert. Ich begrüße alle Leser respektvoll und bitte sie, Rosa Justitia Kosmos noch einmal für mich zu applaudieren.
(Mevlüt Asar - Autor. 19. Dezember 2004 Brief an Frau Kosmos an einem Leseabend)
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
KAPITEL 33
KAPITEL 34
KAPITEL 35
KAPITEL 36
KAPITEL 37
KAPITEL 38
KAPITEL 39
KAPITEL 40
KAPITEL 41
KAPITEL 42
KAPITEL 43
KAPITEL 44
KAPITEL 45
KAPITEL 46
KAPITEL 47
KAPITEL 48
KAPITEL 49
KAPITEL 50
KAPITEL 51
KAPITEL 52
KAPITEL 53
KAPITEL 54
KAPITEL 55
KAPITEL 56
KAPITEL 57
KAPITEL 58
KAPITEL 59
KAPITEL 60
Während mein Sohn, meine Tochter und mein Mann nach der Rückfahrt von einer Reise das Auto ausluden, schaute ich in den Briefkasten von Frau Isyan, die sich um mich kümmerte, während ich als Kind in der Türkei lebte und die ich Mama nannte. Später ließ sie mich einen gut angesehenen holländischen Mann heiraten. In letzten Jahren verbrachte sie ihre Zeit mit freiwilligen Hilfsorganisationen im Ausland. In ihrem letzten Brief schrieb sie, dass sie derzeit ebenso mit der freiwilligen Hilfsorganisation in Afrika sind. Darin stand auch: „Wenn ich gewusst hätte, dass diese Leute so schlecht und so gefährliche Rassisten sind, wäre ich niemals hierhergekommen. Es ist schade, um die Bemühungen, die man hier investiert und dass man sie in den eigenen Ländern aufnimmt, denn außer auf Kosten anderer zu leben, Gewalt, Betrug und Kriminalität auszuüben, haben sie nichts zu bieten.“
Unter den eingegangenen Briefen befand sich auch ein Brief eines Doktors aus der Türkei an ihren Pseudonym-Namen. Zuerst dachte ich, er könnte von ihren Verwandten sein, aber solange ich sie kenne, hatte sie gar keinen Kontakt mit denen. Sie hatte ein deutsches adoptiertes und ein Pflegekind, aber beide lebten in Australien. Von ihnen konnte der Brief auch nicht geschrieben sein. Außerdem würden sie an ihren bürgerlichen Namen schreiben.
Auf der Rückseite des Briefes stand der Satz „Bitte sofort lesen!“.
Das weckte meine Aufmerksamkeit. Aber im Moment wüsste ich nicht, wie ich sie erreichen soll, denn in den letzten sechs Monaten hatte ich keine Nachricht von ihnen bekommen. Es könnte etwas Wichtiges sein. Als ich ihn mit Dampf öffnete, fand ich darin einen Brief mit einem Foto eines reifen Mannes. Er schrieb: „Liebe Dame, ich hoffe, dass ich Sie mit meinen bescheidenen Zeilen nicht störe. Ich habe zufällig eines Ihrer Bücher in meine Hände bekommen. Als ich es gelesen hatte, können Sie sich nicht vorstellen, wie überrascht, traurig, niedergeschlagen und geschwächt ich war, ich kann es nicht in Worte fassen. Sie erinnern mich an das Mädchen, das ich in meinem Heimatort geliebt hatte. Aber aufgrund der damaligen Umstände konnten wir nicht zusammenkommen. Es tat noch immer weh, als ich ein paar Monate später von meiner Schwägerin erfuhr, dass sie schwanger war und irgendwo im Land umgezogen ist. Wenn ich einen Weg gefunden hätte, auf ihre Spur zu kommen.... Inzwischen sind 40 Jahre vergangen, aber nur sehr wenige Tage, an denen ich nicht an sie gedacht habe und ich habe mich so oft gefragt, wo sie und das Kind geblieben sind? Es würde mich von so einer schweren Last befreien, wenn Sie kurz mitteilen würden, ob Sie dieses Mädchen sind?
Viele Grüße, Prof. Dr. Harun A.”
*
Als ich den Brief gelesen hatte, hat mich das zum Nachdenken angeregt, da mein Alter und die Schwangerschaftszeit von Mutter Isyan übereinstimmte. Obwohl sie sagte, ich sei ein Kind griechischer Eltern, die in der Türkei lebten. Als ich 1,5 Jahre alt war, kamen sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Aber ich fing an, nachzudenken, ob zwischen Mama Isyan und mir eine andere Verbindung besteht oder nicht. Ich fragte mich selbst, warum es in meinen Personalien keinen einzigen Beweis gab, dass meine leiblichen Eltern Griechen waren. Oder hat sie meine Identität geändert? In solchen Ländern wie der Türkei kann man nämlich mit Geld viele Probleme lösen.
Ein paar Tage nach dem Brief, als ich die Zentrale der angegebenen Klinik angerufen und erfahren hatte, dass es dort tatsächlich ein Prof. Dr. Harun A. gibt, wenn ich in diesem Drama noch ein paar Knoten lösen könnte, bekomme ich vielleicht einen Hinweis auf meine eigene Vergangenheit dazu.
Dafür rief ich alle Freunde von Mama Isyan an, um über sie etwas mehr zu erfahren. Leider sagten alle, dass sie wenig über sie wissen.
Aber hatte ich den Verdacht, dass in einer verschlossenen Truhe einige Hinweise versteckt sein könnten. Ich ließ sie von einem Schlosser öffnen. Meine Vermutung war nicht ganz falsch. Die Truhe enthielt einige Notizen, Briefe, unvollendete Romane und Geschichten. Und Fotos von Staatsmännern von verschiedenen Ländern und auch mit bekannten englischen, französischen, jüdischen und deutschen Geheimdiensten auf der Geleniki-Brücke. Ich war schockiert, als ich auf solche Dokumente gestoßen war. Gerade für die Bilder von Menschenmengen im Nahen Osten mit Arabern hatte ich keine Erklärung. Wer war diese geheimnisvolle Frau? Was hatte sie denn mit diesen Leuten zu tun? Sie war nämlich eine scharfe Gegnerin von solchen Moslimen.
Auch fand ich zwei Fotos von Herrn Professor Harun A. Dieser, so stellte ich fest, als ich über seinen Beruf im Internet Fotos und Videos angesehen hatte, hatte eine Narbe oder einer Verbrennung an der linken Seite am Kinn.
*
In einem ihrer Tagebücher schrieb sie: „Soweit man mir erzählt hat, war meine Mutter Tochter eines Agha. (Agha-Großbauer) Mein Vater war auch in der Region für sein Ringen bekannt gewesen und arbeitete Teilzeit auf dem Bauernhof meines Großvaters. Dort lernte er meine Mutter kennen und sie verliebten sich ineinander.
Aber wie man in vielen Filmen gesehen und in Büchern gelesen hat, verleugnete mein Großvater als eine reiche Person strikt diese Heirat. Daraufhin flohen sie.
*
Als meiner Mutter des Hauses ihres Vaters verwiesen wurde, kam sie vom Reichtum in eine Armutskrise und ständig machte sie meinem Vater Vorwürfe und verließ uns Kinder und suchte moralische Unterstützung bei ihren Geschwistern. Jedes Mal, wenn sie sich versöhnten, zeugten sie trotz der Armut weitere Kinder.
*
Mein Vater hat meine Mutter von ihren Geschwistern ferngehalten, damit sie nicht bei jedem Streit bei denen Zuflucht sucht. Um seiner Familie einen besseren Lebensunterhalt bieten zu können, wanderten sie von Zentralanatolien in den Mittelmeerraum aus. Doch ihre Trennung und Versöhnung ging auch dort weiter.
Als uns unsere Mutter zuletzt verlassen hatte – glaube ich – war ich erst 4 Jahre alt. Zwei von meinen Geschwistern waren noch jünger als ich. Wir mussten bei den Nachbarn Unterschlupf suchen. Als sich unsere Verzweiflung in der Gegend verbreitet hatte, kam auch eine Frau, die man Mama Mürvet genannt hatte, um uns zu helfen. Für ihren Besitz und ihre Herzlichkeit im Nachbarbezirk war sie weithin bekannt und zugleich war sie von mütterlicher Seite etwas entfernt mit meiner Mutter verwandt gewesen. Aber sie hatten sich nie kennengelernt.
Sie verteilte mit ihrem Begleiter, Onkel Kadir, an uns und Nachbarskinder einige Tüten Süßigkeiten sowie Socken und Schulsachen. Dann deutete sie auf mich, als ich an einer Ecke weinte: „Gehört sie jemanden von den Nachbarn oder ist sie auch eine aus diesem Haus?“ Als sie die Antwort bekam, dass ich eines von den allein gelassenen Kindern bin, sagte sie zu meinen älteren Geschwistern:
„Ich nehme sie mit zu uns. Gott sei Dank habe ich einen Platz, um noch welche zu beherbergen. Meine ältesten haben schon eigene Familien und ich bin in dem großen Haus mit meinem Mann, einem Jungen und einem Mädchen geblieben.
Die beiden gehen noch hier zur Schule. Eine Tochter studiert in einer anderen Stadt. Wenn sie mit ihrem Studium fertig sind, werden sie ihr Elternhaus verlassen.“ So nahm sie mich mit. Später hörte ich, dass meine Eltern sich wieder versöhnt hatten. Aber sie kamen nicht, um nach mir zu fragen. Wahrscheinlich wäre ich auch nicht mitgegangen. Als ich zu Mama Mürvet ging, war ihre Tochter Fisun in der zweiten Klasse der Sekundarschule und ihr Sohn Koray in der vierten Klasse der Grundschule.
Ich gewöhnte mich schnell an meine neue Familie und sagte zu Mama Mürvet Oma, zum Großvater Opa und alle anderen nannte ich Onkel und Tante. Mama Mürvet nahm mich mit auf die Märkte, zum Sightseeing und zu ihren Bekannten, wo sie mich „meine Enkelin“ nannten. Vielleicht versuchte sie mit ihrer Rede, das alles vergessen zu lassen, was ich in meiner eigenen Familie durchgemacht hatte.
*
Das Haus von Mama Mürvet war ein zweistöckiges Einfamilienhaus in der Nähe der Mittelschule. Dahinter befand sich ein großer Orangen-Obstgarten. Möge der Ort, an dem sie schlafen, hell sein. Sowohl Großvater und Mama Mürvet hatten offene Hände. Sie sagten kein Wort, wenn jemand Obst pflügte. Ich spielte meist mit unseren Hunden im Obstgarten oder kletterte auf Bäume. Ich fühlte mich so glücklich dabei, dass ich nicht einmal Hunger verspürte, bis ich zum Essen gerufen wurde. Im Hause, nachdem ich getan hatte, was ich konnte, lernte ich von Koray und Fisun oder von den Kindern unserer Nachbarin, Tante Leman, Lesen und Schreiben.
*
Großvater hatte in seinem Elterndorf auch einen Weinberg und einen Maulbeergarten. In der Saison gingen Großmutter, Tante Leman, Onkel Kadir, ich und ein paar andere Leute mit ihr ins Dorf. Die Jüngeren schüttelten Maulbeeren, rutschten und lachten und gemeinsam machten sie tagelang mit den Dorfbewohnern Melasse und Fruchtbrei.
*
Mit Fisun, haben wir uns gut verstanden. Aber als Koray etwas erwachsener wurde, versuchte er, mit mir zu streiten, mit der Ausrede, seine Hemden seien nicht gut gebügelt oder ich würde seine Bücher durchwühlt haben etc.
Dabei hielt er meinen Arm und fuhr mit seinen tiefblauen Augen über mein Gesicht.
Als er einmal in Großvaters Dorf mit seinen Freunden vorbeikam und ich auf dem Baum versuchte, ihnen zuzuwinken, fiel ich in ein Brei-Fass. Sie machten sich darüber lustig, bis ich schließlich geweint hatte. Ich war damals sehr wütend auf ihn. Aber jetzt sehe ich, dass jede Minute, die ich mit ihm, wie andere in der Familie verbrachte, eine kostbare Erinnerung war.
Er war auch sehr musikalisch. Er spielte Mandoline und sang auch mal bei Veranstaltungen. Seine Stimme war so schön, so berührend, wie seine tiefen Augen. Alle seine Bekannten rechneten mit, dass er ein guter Gesangskünstler werden würde, aber das wollte er nicht. Aber seine Lieder lagen mir sehr in den Ohren und die Worte von Großmutter Mürvet, die sie mal über mich gesagt hatte: „Ich möchte sie nicht aus den Augen lassen. Sie gehört zu uns. Ich habe noch zwei Söhne und viele Verwandte, die sie mit so einem hübschen, einfallsreichen Mädchen gern verheiraten würden.“
Wer weiß, wenn ich dort geblieben wäre, wie mein Leben weitergegangen wäre? Aber eins ist mir bewusst.
Mir wäre es niemals so schlecht gegangen. Wegen eines Fehlers, ich bin in einen sumpfigen Teich gefallen, aus dem ich nie wieder rauskommen konnte. Ein Sprichwort sagt: "Strafe kann man mit Geld oder Zeit bezahlen. Fehler werden meist mit dem ganzen Leben bezahlt.“
An einem Silvester versammelten wir uns mit Nachbarn bei Tante Leman. Während die Gäste anwesend waren, nahm Tante Leman einen Gebetsteppich und fing an zu beten. Ihre Schwägerin, die nicht gerade vom Glauben begeistert war, sagte: „Mein Gott, hör wenigstens heute Abend auf, zu beten.
Ständig von Gott etwas zu verlangen, macht ihn bestimmt wütend. Stell dir mal vor, wenn jeden Tag jemand an deine Tür klopft und sagt: „Gib mir das und gib mir dies. Wirst du da nicht sauer? So ist es auch mit Gott. Er hat auch von euren Bettlereien die Nase voll. Schau doch mal deine Schwester Türkan an. Sie hat nie im Leben einmal gebetet, dennoch hat sie einen reichen Mann bekommen.“ Tante Leman: „Halt den Mund! Heute bete ich nicht für mich.“
„Für wen dann?“
„Für meinen kopfkranken Bruder.”
„Was ist los mit ihm? Arbeitet der nicht im Ausland?“
„Ja schon und er hat auch einen guten Job. Aber er bereitet ständig mit seiner Frauenwahl Schande für unsere Familie. Wir hörten kürzlich, dass er sich von seiner Frau scheiden ließ und eine andere geheiratet hat.
Nachdem er sie am Flughafen abgeholt hatte – bevor sie nach Hause fuhren – sind sie zum Essen gefahren. Dabei stellte er fest, dass sie nicht mit Gabel und Messer umgehen konnte und mit einem bäuerlichen Akzent platt sprach und das, wo er sehr Wert auf Sprache und Bildung legt. Wir bekamen mit, dass er zu dem Mann, der sie vermittelt hatte, sagte: „Wie kann ich sie denn meiner Familie vorstellen? Sie kann nicht mal mit Messer und Gabel essen und ihre eigene Sprache richtig sprechen.“
Schließlich schickte er sie am selben Tag zu ihrer Familie zurück.“
„Haben sie sich denn vorher nicht gesehen oder gesprochen?“
„Soweit ich von einer Bekannten weiß, haben sie sich über Fotos kennengelernt und ihm wurde von ihrer Schönheit der Kopf verdreht. Ohne sie vorher gesehen zu haben, reichte er eilig die Scheidung ein und hat sie geheiratet.“
*
Tante Leman hatte drei Kinder und einen einkommensschwachen Ehemann, der einen halben Kopf kleiner war, als sie. Dennoch guckte er heimlich anderen Frauen hinterher. Aber seine Einstellung war Tante Leman bekannt. Deshalb sorge sie dafür, dass er kein Geld in der Tasche hat, damit er ja nichts für Frauen ausgibt. Einmal erzählte sie Mama Mürvet: „Mein Mann hat ab und zu eine Einstellung, dass er schlauer ist, als viele andere und er hätte noch bessere Frauen haben können, als mich. Aber ich lasse ihn auf meinem Finger spielen.“
Mama Mürvet fragte: „Wie lässt du ihn denn auf deinen Fingern spielen?“
„Zum Beispiel: Ich zeige ihm seine Klamotten und erzähle, dass ich sie von einem Zwischenhändler zum halben Preis gekauft habe. Du bist ein Beamter. Du brauchst etwas zum Wechseln. Er gibt mir gleich das Geld. So zocke ich sein Taschengeld ab und ich verkaufe seine eigenen Klamotten. Der „schlaue“ Blöde merkt nicht mal, dass es seine alten Klamotten sind, die er als neu anzieht. Das mache ich auch mit anderen Gegenständen im Haushalt. Gar lobt er mich, dass ich versuche, mit seinem wenigen Gehalt auszukommen.“
Als ich das Schulalter erreichte, durfte ich in der zweiten Klasse anfangen.
Nach zwei Jahren bekamen wir eine Nachricht, dass die älteste Tochter von Mama Mürvet, Tante Nuran – eine Krankenschwester – ihr drittes Kind bekommen hat. Ein paar Tage danach bereiteten wir uns vor, sie zu besuchen. An dem Morgen als wir fahren wollten und ich noch am Schlafen war, war Großmutter außer Haus. Als ich wie üblich den Frühstückstisch auf der Terrasse deckte, habe ich sie mit Päckchen im Arm kommen gesehen und rief ihr zu: „Wohin bist du gegangen?“ „Ich bin einige Sachen für das Baby kaufen gegangen.“ „Oh, ich wollte mitgehen. Warum hast du mich nicht geweckt?”
„Du schläfst so gern. Wir können das ein anderes Mal auch machen. Aber ich habe vergessen, etwas Brot zu kaufen. Komm runter und hole bitte drei Brote.“
„Warum denn drei?“
„Du fragst, als ob du nicht wüstest, dass bei uns jederzeit jemand vorbeikommen kann. Dein Großvater ist heute zu Hause. Er wird auch gleich auftauchen. Nach dem Frühstück muss ich zum Kuchen kaufen in die Stadt laufen.“
„Kuchen von hier mitzuschleppen, ist nicht zu schwer?“
„Du kannst recht haben. Nehmen wir lieber trockenes Gebäck. Wir können ihn auch dort kaufen oder bestellen, dass sie nach Hause liefern. Aber wir können etwas Reis, Hirse, Nüsse und Butter mitnehmen, was aus dem Dorf gebracht wurde.“
*
Während wir uns so unterhielten, kam auch Großvater, wie immer, mit irgendeiner Kartontasche unter dem Arm. Der liebe Großvater trug meist ein kleinkariertes Hemd, hatte ein großes Taschentuch bei sich und ging nicht ohne Krawatte raus. Selbst wenn er sich im Garten um die Pflanzen kümmerte, zog er sich ordentlich an. Aber bei seiner Rückkehr nach Hause hatte er seine Krawatte immer in der Tasche. In der Wohnung zog er seinen Schlafanzug an, trank seinen Kaffee und las auf der Couch Zeitungen.
An diesem Nachmittag kam ein Minibus und holte uns vom Haus ab. Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde stiegen wir aus der Busgarage in der Stadt aus, in der Tante Nuran lebte. Dort stiegen wir in eine Kutsche und fuhren in das Zentrum. Während der Fahrt – als ich begeistert die Stadt anschaute – streichelte Großmutter meine Haare und sagte: „Gefällt es dir in dieser Stadt?“
„Ich weiß nicht, aber sie ist größer als unsere.“
„Ja, unsere Stadt ist klein und es gibt keine Hochschulen. Daher sind meine Kinder hier zum Gymnasium gegangen. Wie du weißt, ist eine noch bei Nuran und geht zum Gymnasium. Aber alles, was groß aussieht, muss nicht besser sein.“
„Nein. Nein. Unsere Stadt ist viel schöner und ich möchte dort bleiben, wo du lebst” und ich küsste ihr die Wangen. Das hatte sie gern, wenn ich ihr ab und zu einen Wangenkuss gab.
*
Als wir aufhörten zu reden, schob der Kutscher seinen Hut über den Kopf, schüttelte die Zügel seines Pferdes und fragte meine Großmutter: „Sind Sie das erste Mal hier?” Großmutter antwortete: „Nein, ich bin öfter mal hier. Eine meiner Töchter lebt mit ihrer Familie hier und meine Kinder sind auch hier zum Gymnasium gegangen. Ich kenne diese Stadt gut. Aber ich habe das Gefühl, jedes Mal, wenn ich komme, hat sich etwas verändert.“
„Da haben Sie recht. Wie überall, ändert sich auch hier ständig etwas.
*
Als die Kutsche vor dem Haus von Tante Nuran angehalten hatte, sprang ich eilig herunter und drückte die Klingel. Es kam eine Kopftuch-Frau mit klappernden Pantoffeln in einer Haremshose herunter. Sie war eine mollige Frau, wie meine Großmutter. Sie drückte mich gleich in die Arme und fragte: „Wo sind die anderen?“ „Großmutter und ich sind gekommen. Sie ist noch bei der Kutsche.“
„Gehe schnell nach oben. Erster Stock. Schau mal, ob ich die Schlüssel nach außen gesteckt habe. Ich gehe zu Großmutter.“
*
Als die Koffer hochgetragen wurden, rief Großmutter im Spaß zu der Frau:
„Bis du dir sicher, dass du die richtigen Personen reingeholt hast?“ Sie lachte laut: „Ich wusste, dass Sie kommen.“
„Bist du die neue Haushaltshilfe von meiner Tochter?“ „Nein. Ich arbeite im gegenüberliegenden Gebäude. Meine Chefin hat mich für ein paar Wochen aushelfen lassen, weil Ihre Tochter momentan Hilfe braucht.” „Ach so. Danke, auch an Ihre Chefin. Kennst du jemanden, der hier im Haushalt helfen würde?“
„Ja, schon, aber alle haben Familie. Sie kommen nicht für wenig Geld. Ihre Tochter ist ein bisschen sparsam.” „Was soll sie denn machen? In der Großstadt hängt alles vom Geld ab.“
Dann stand sie auf und sagte: „Zeig mir, was heute zu essen gekocht wird?“
„Ich habe alles schon vorbereitet. Ruhe dich mal aus. Jetzt koche ich Kaffee.“
Auf die Frage von Großmutter: „Wo ist meine kleine Enkelin?“, sagte sie:
„Sie ist mit zum Arzt gegangen und wird bald kommen.“ Als die Frau gerade in die Küche ging, um Kaffee zu kochen, kam der Ehemann von Tante Nuran, mit in Zeitung gewickelten Broten in der Hand, herein. Er war ein frisch gebackener Rechtsanwalt. Während er sich mit seiner Schwiegermutter unterhielt, sah ich ihn schüchtern an, denn er erweckte mit seiner großen und ernsten Erscheinung ein kaltes Image mir gegenüber. Später stellte ich fest, dass er eine weichherzige, intelligente und feingeistige Persönlichkeit hatte, die das Gegenteil seines Aussehens war.
*
Als ich mit der Frau den Tisch deckte, kamen auch Tante Nuran und Filiz mit dem Baby herein. Nach einer Umarmung und etwas Gerede sagte Tante Nuran: „Macht es euch bequem. Ich muss etwas backen und dafür vorbereiten. Nachher kommen ein paar Freundinnen von mir.“ Darauf Großmutter: „Mädchen! Mädchen! Du bist noch nicht gesund genug, um so rumzulaufen. Schau dir diese Körbe an. Ich habe etwas Ähnliches wie Kuchen mitgebracht. Das muss wohl reichen.“ Tante Filiz: „Ich habe es gesehen. Da brauchen wir nicht noch etwas dazu backen.” So nahm sie das Gebäck aus dem Korb heraus und legte es auf ein Küchentablett.