Volkes König - Leonard Heffels - E-Book

Volkes König E-Book

Leonard Heffels

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Beschreibung

Wie alle Bibeltexte ist auch das Lukas-Evangelium nicht als historischer Bericht zu verstehen. Man verfehlt seinen Sinn, wenn man es so liest, als würde es über etwas berichten, das in ferner Vergangenheit geschah. Nährender und heilsamer sind seine Erzählungen, wenn wir sie als Sinnbilder auf unsere Seele einwirken lassen. Ihre Bedeutung liegt nicht in der geschichtlichen Zeit, sondern in einer Realität, die mit der historischen Zeit mitschwingt. Epen sind wogende, rhythmisch gefasste Heldengesänge. Dieser Satz ist ein Vers, genauer gesagt ein epischer, antiker Hexameter. Sobald man eine Erzählung in solchen Versen gliedert, wandelt sich nicht nur die Form, sondern auch die Schwingung des Gesagten. Werden die Verse laut gelesen, spürt man ihre harmonisierende Wirkung auf den Organismus. Auch bei allem, was wir tun, sagen, fühlen oder denken schwingen unablässig Rhythmen mit, die Körperrhythmen der Atmung und des Pulses. Sie sind wie Abbilder der Ewigkeit in unserem zeitlichen Dasein. So hebt auch der rhythmisch gefasste Heldengesang das Erzählte aus der geschichtlichen Zeit heraus und lässt es zu etwas werden, das im Jetzt mitschwingt. Der Held wird zu einer Realität, die uns unmittelbar angeht.

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Das Buch: Wie alle Bibeltexte ist auch das Lukas-Evangelium nicht als historischer Bericht zu verstehen. Man verfehlt seinen Sinn, wenn man es so liest, als würde es über etwas berichten, das in ferner Vergangenheit geschah. Nährender und heilsamer sind seine Erzählungen, wenn wir sie als Sinnbilder auf unsere Seele einwirken lassen. Ihre Bedeutung liegt nicht in der geschichtlichen Zeit, sondern in einer Realität, die mit der historischen Zeit mitschwingt.

Epen sind wogende, rhythmisch gefasste Heldengesänge. Dieser Satz ist ein Vers, genauer gesagt ein epischer, antiker Hexameter. Sobald man eine Erzählung in solche Verse gliedert, wandelt sich nicht nur die Form, sondern auch die Schwingung des Gesagten. Das kann jeder feststellen, der zum Beispiel die Verse auf der Rückseite dieses Buches laut liest. Spürbar wird eine harmonisierende Wirkung auf unseren Organismus.

Auch bei allem, was wir tun, sagen, fühlen oder denken schwingen unablässig Rhythmen mit, die Körperrhythmen der Atmung und des Pulses. Sie sind wie Abbilder der Ewigkeit in unserem zeitlichen Dasein. So hebt auch der rhythmisch gefasste Heldengesang das Erzählte aus der geschichtlichen Zeit heraus und lässt es zu etwas werden, das im Jetzt mitschwingt. Der Held wird zu einer Realität, die uns unmittelbar angeht.

Der Autor: Leonard Heffels studierte Kunst in Maastricht und Pädagogik in Amsterdam. In seinem literarischen Werk setzt er sich immer wieder mit biblischen Themen auseinander. Dabei bewegt er sich im Grenzbereich zwischen Lyrik und Prosa, so zum Beispiel in „Wer mit Gott geht“. Auch seine Novellen „Hiobs Freunde“ und „Marthas Geschick“ sind geprägt von einem lyrischen Sprachstil, der eine große atmosphärische Dichte schafft. Gleichzeitig werfen sie ein neues Licht auf ihre Protagonisten, die einfühlsam und tiefsinnig dargestellt werden. Bei TWENTYSIX erschien von ihm ferner der historische Roman „Daniels Vermächtnis“ und der unkonventionelle Glaubensroman „Sieben“. Unter dem Pseudonym Nerodal Feh Fesl veröffentlichte er den zweiteiligen Roman „Die Vorbotin“.

https://www.leonard-heffels.org

Inhaltsverzeichnis

Der Bote

Die Magd

Die Mütter

Der Priester

Die Geburt

Im Tempel

Der Zwölfjährige

Der Rufer am Fluss

Die Taufe des Königs

Die 75 Geschlechter

Die Versuchung

Predigt in Nazareth

Kapernaum

Fischer

Der Aussätzige

Vergebung

Zöllner

Sabbat

Berg und Berufung

Der Hauptmann

Naïn

Der Täufer

Die Hure

Frauen

Gleichnisse

Im Sturm

Legion

Kraft deines Glaubens

Die Zwölf

Der, der ich bin

Wer folgt mir nach?

Aufbruch

Die Zweiundsiebzig

Sei barmherzig

Zwei Schwestern

Beten

Dämonen und Zeichen

Liebe und Lüge

Sei ohne Furcht oder Sorgen!

Bereite dich vor!

Lebe gewaltlos!

Heilung am Sabbat

Eine enge Pforte

Warnung

Erneute Heilung am Sabbat

Nahe im Geiste

Folge mir nach!

Der verlorene Sohn

Schuld und Vergebung

Versuchung

Glaube

Die Neun und der Eine

Das Reich ist da

Das Schwert

Die Witwe

Verschließt euch nicht

Von Kindern lernen

Geht unbeschwert!

Das Los des Lammes

Jericho

Bewährungsprobe

Jerusalem

Macht und Vollmacht

Der Weinberg

Kein falsches Wort

Des Sehers Gesicht

Das Abendmahl

Gethsemane

Der Hohe Rat

Pontius Pilatus

Herodes Antipas

Das Urteil

Golgatha

Grablegung

Auferstehung

Der Weg zur Quelle

Ich bin

Geistes Heimat

DER BOTE

Israels Enkel, die stolzen, ruhmreichen Nachfahren Davids leiden und klagen erneut unter fremder Gewalt und Bedrängnis, so wie in früherer Zeit, als der Herr die Seinen erprobte. Diesmal jedoch hat sie niemand verschleppt, kein Herrscher Chaldäas. Babylons Reich ist zerfallen, Staub sind die einstigen Herren. Auch die Ägypter halten die ihren nicht länger gefangen.

Vielmehr steht nun eine knechtende Macht im eigenen Lande. Römische Heeresverbände schlugen die Städte Judäas, zwangen die Juden dem Kaiser in Rom Tribut zu entrichten. Äußerlich herrscht in Judäa weiter ein Nachkomme Jakobs. König Herodes jedoch ist bloß ein Vasall der Besatzer. Zwar ist er Jude, doch hilft er den Römern, Juden zu knechten.

Mächtige Häuser für sich und den Hof erbaute der Herrscher. Hinter gewaltigen Mauern sitzt und berät er sich seitdem, stets von beflissenen, unterwürfigen Knechten umgeben. Kosten noch Mühen wurden gescheut, den geschwächten Monarchen mächtig und stark wie ehedem David erscheinen zu lassen. Herrliche Werke kundiger Hände schmücken die Hallen.

Fernab vom Prunk der Paläste, fern der geheuchelten Treue lebt unterdessen der fromme Diener des Herrn, Zacharias, lebt als ein Priester der Ordnung Abijas, hütet den Tempel. Lautere Seelen sind er und sein Weib im Lichte des Himmels. Zeit seines Lebens jedoch blieb das Ehepaar ohne Kinder. Diese Enttäuschung tragen die Liebenden stillschweigend trauernd. Hochbetagt sind nun beide, Nachwuchs erwarten sie nicht mehr.

Dann eines Tages trifft Zacharias das Los, das den Priester aufträgt im Innern des Tempels ein Räucheropfer zu bringen, darzubringen dem Herrn zum erhofften Wohle des Volkes.

Doch als er heute im stillen Heiligtum andächtig betet, gleich wie die große Menge der Gläubigen draußen im Vorhof, da leuchtet plötzlich ein Licht auf, der unfassbar klare Glanz eines himmlischen Boten, der rechts vom Räucheraltar steht.

Furcht übermannt Zacharias, schwer pocht sein Herz vor Erregung. Das also ist sie, die Stunde des Todes, jäh kommt der Abschied. Niemand erblickt einen Boten des Herrn und lebt einfach weiter. Aber der Engel beruhigt den blass gewordenen Priester, lässt eine Stimme erklingen, die ganz erfüllt ist vom Frieden. Zärtlich ist sie wie der Hauch einer kühlen Brise im Sommer, kraftvoll zugleich wie ein schmetterndes Horn, das Aufbruch verkündet.

„Fürchte dich nicht!“, sagt der Bote, während dem Priester das stetig schillernde Licht im innersten Selbst als Führung bewusst wird. „Höre und freue dich, Mensch, denn erhört wurden deine Gebete. Wisse, die Sehnsucht, die dich und dein Weib ein Leben lang quälte, blieb eurem Vater im Himmel nicht einen Tag lang verborgen. Dir wird endlich dein Weib einen männlichen Nachkommen schenken.“

„Gib diesem Sohn am Tag der Beschneidung den Namen Johannes! Siehe, vom ersten Tag an wird er euch Glückseligkeit bringen. Auch viele andere freuen sich, ihn geboren zu wissen. Groß wird er sein unter Seinesgleichen, ein Künder des Einen.“ Kurz hält er inne, der Engel, schaut in die Seele des Priesters. Dann fährt er fort und erzählt über das, was nunmehr bevorsteht.

„Vor der Geburt schon wird er vom heiligen Geiste erfüllt sein. Diese Erfüllung wird auch seine Mutter innig berühren. Er wird sich früh schon, während der Schwangerschaft, ihr offenbaren. Achtet darauf, wie ihr ihn ernährt und erlaubt ihm die Auswahl. Schenkt ihm die Ruhe und Zeit, sich auf Gottes Reich zu besinnen Zeitlebens trinken soll er weder Wein noch starke Getränke.“

„Zahlreiche Israeliten wird euer Sohn unterweisen,aufzeigen allen Verirrten Wege zum himmlischen Herrscher, aufzuwecken die schlafenden Seelen zur Wende der Zeiten. Ihm wird gegeben sein, was auch Elia zu wirken erlaubte: Jene die Menschheit erschütternde Macht durchgeistigter Worte, zeitlose Schau und die Strahlkraft aller vom Himmel Erwählten.“

„Damit vermag er, umzuwenden die Herzen der Väter hin zu den Kindern, in denen die reine Unschuld des Herrn ist, umzuwenden auch die, die nicht hören, zur rechten Gesinnung, anzumahnen, ein gottgefälliges Leben zu führen. Dergestalt lehrt und richtet er zu für die kommende Gnade Israels Volk, mit dem euer Schöpfer sein Bündnis geschlossen.“

Doch als der Priester vernimmt die freudvolle Kunde des Engels, zögert er, sind an die Stelle der Furcht doch Zweifel getreten, Zweifel mit Blick auf die Welt der Erfahrung, Wachstumsgesetze. „Wie soll das gehen?“, fragt Zacharias, die Stirne in Falten. „Ich bin schon alt und alt ist mein Weib, die noch niemals geboren. Sah man denn je eine Hochbetagte gesegneten Leibes?“

Da lässt der Bote des Herrn erneut seine Stimme erklingen. „Ich, Zacharias, bin Gabriel, einer der sieben Regenten, einer der Söhne des Feuers, ich bin beauftragt vom Höchsten, Abrahams Enkel zu führen und Volkes Seele zu bilden. Auf ihrem gänzlich eigenen Weg durch die Zeit steht den Juden Großes bevor und ich bin gekommen, dir davon zu künden.“

„Nimm meine Worte hinein in dein Wesen, wäge sie sorgsam! Lass sie im Innern erklingen, spüre den Nachhall im Leibe! Noch ist für dich die Zeit nicht gekommen, davon zu sprechen. Deshalb sollst du nun bis zur Geburt deines Sohnes verstummen, schweigend die innere Welt deiner Seele Weisheit erkunden. Möge sich dir in der Stille des Geistes Sinn offenbaren.“

Draußen im Vorhof wartet indessen das Volk auf den Priester.wundert und fragt sich schon, wann Zacharias endlich herauskommt. Dann, als er vor sie getreten, sehen die Leute auf Anhieb: Ihm ist dort drinnen irgendein Geist oder Dämon erschienen. Stumm steht er da, eine zitternde Hand zum Gruße erhoben. Kaum in der Lage, den ihm oblegenen Dienst zu versehen, geht er bewegt und tief in Gedanken versunken nach Hause.

Und im Verlauf der Zeit wird Elisabeth tatsächlich schwanger. Groß ist die Rührung der Alten, groß ihre Freude im Herzen. Staunend und dankbar preist sie den gütigen Vater im Himmel, lobpreist den Herrn für das Wunder der ihr erwiesenen Gnade. Fünf Monde lang bleibt Elisabeth ganz im Schutze des Heimes, hält sich verborgen, freut sich der wachsenden Frucht ihres Leibes.

DIE MAGD

Als dann der sechste Monat gekommen, tritt in Erscheinung wieder der Bote, diesmal im nördlichen Land Galiläa. Dort in der Stadt, die man Nazareth nennt, besucht er Maria. Ähnlich Elisabeth wandelt Maria im Lichte der Demut. Rein ist ihr Herz, geläutert ihr Denken, ihr Glaube lebendig. Ihr offenbarte der Himmel bereits so manches Geheimnis, Wissen vom Wirken des Geistes im Schicksal suchender Seelen.

Sie ist befreundet mit Josef, der ihr vom Wesen verwandt ist. Er ist ein angesehener Zimmermann, Nachfahre Davids. Beide sind fromm und bescheiden, suchen die Wahrheit im Innern, sehen sich weise geführt und beschützt vom Geist ihres Schöpfers. Wie es der Seelen Absicht entsprach und der Himmel es wollte, fanden die beiden einander, zu teilen Weg und Berufung.

Gabriel tritt zu der Magd Maria hinein und begrüßt sie: „Heil dir Begnadete, all das, was ist, und der Eine sind mit dir.“ Bei diesen Worten erschrickt allerdings die achtsame Jungfrau.

Nie hörte sie aus dem Mund eines Menschen solch eine Rede. Also versteht sie, dass ihr geistig Wesenhaftes begegnet. Doch der behutsame Bote des Herrn beruhigt Maria.

„Fürchte dich nicht, meine Liebe, du hast schon immer beim Vater Gnade gefunden und wirst nun seine Geneigtheit erfahren. Bald trägst du unter dem Herzen ein Kind, den einen geliebten Sohn deines himmlischen Herrn und allein die Frucht seines Geistes. Sorge dafür, dass das Söhnchen am achten Tag seines Lebens Jesus genannt wird, denn so sollen fortan alle ihn rufen.“

„Groß wird er sein auf der Erde, so wie er groß ist im Himmel. Alles, was lebt, wird sich dankbar und freudig vor ihm verneigen. Ihm ward gegeben Weisheit und Thron seines Vorfahren David. König ist er in der Tat, ein König und Führer der Seelen. Groß ist sein Volk, umfasst es doch alle Nachfahren Noahs. Ewig wird währen sein leuchtendes Reich zum Wohle des Menschen.“

Weit geöffneten Auges vernimmt Maria die Kunde. „Wie soll das gehen?“, erwidert sie, „unverheiratet bin ich. Noch hat mich kein Mann erkannt, woher soll die Leibesfrucht kommen?“ Diese Entgegnung der Magd hat Gottes Gesandter erwartet. „Schwanger, Maria“, erklärt er deshalb, „wirst du nicht vom Manne, sondern vom Heiligen Geist, denn dieser wird über dich kommen. Heilig ist also das Kind, und heilig ist gleichfalls sein Name.“

„Deswegen werden ihn viele als Sohn des Höchsten bezeichnen. Auch Elisabeth, deine Verwandte, ist schwanger geworden. Unfruchtbar nannte man sie, zu alt schon, ein Kind zu gebären. Nun ist sie schwanger im sechsten Monat und bald eine Mutter. Alles ist möglich für den, dessen Wort die Welten hervorbringt. Siehe, dem Allgeist sind niemals und nirgends Wege verschlossen.“

So spricht der Engel, ein Wesen, vom Geiste gänzlich durchdrungen. Da ist die Jungfrau im Glauben gestärkt, bewegt im Gemüte.

„Mir soll geschehen“, entgegnet sie leise, „wie Ihr gesagt habt. „Ich bin bereit, den vorgesehenen Weg zu Ende zu gehen.“ Dann ist er fort, der Gesandte des Herrn und mit ihm sein Leuchten. Aber im Herzen bewahrt die Erwählte Licht und Verkündung.

DIE MÜTTER

Weiterhin tief von der Botschaft ergriffen, macht sich Maria früh schon am Morgen des folgenden Tages auf in die Berge. Oben im Königreich Juda will sie Elisabeth sehen, sie, die ihr nicht nur durchs Blut, sondern auch im Geiste verwandt ist. Angekommen im Hause des Priesters, begrüßt sie die alte, schwangere Freundin und findet sie glücklich strahlend und blühend.

Doch als Elisabeths Kind, der werdende Künder, gewahr wird, wer, noch geborgen im Leib, das Haus seiner Eltern betreten, hüpft es im Bauch seiner Mutter, regt sich zum Gruße des Einen. Plötzlich erregt von der Hörweite Jesu, scheint es zu rufen. Kindes große Begeisterung greift auf Elisabeth über, wogenden Wellen gleich, lässt ihre Stimme freudvoll erschallen:

„Welch eine Gnade, dass du mich besuchst, du himmlische Herrin! Welch eine Freude, die Mutter göttlichen Heils zu begrüßen! Welch eine Ehre, den keimenden König bei uns zu empfangen. Selig, Maria, bist du, da du Gottes Boten geglaubt hast! Denn was der Engel dir angekündigt, vollendet wird’s werden. Ewigen Segen gewiss bringt die Frucht deines Leibes dem Volke.“

Nun ist Maria gleichfalls ergriffen und antwortet rege: „Unentwegt lobpreist mein Herz die Gnade und Güte des Himmels. Ich ward vom Himmel erkoren, den neuen König zu tragen. Wie durch ein Wunder tatsächlich machte der Herr mich zur Mutter. Freudig und dankbar empfing ich Samen und Segen des Geistes. Seit dieser Stunde erfüllt, beglückt mich ein himmlischer Friede.“

„Noch kann ich gar nicht ermessen, was mir das Schicksal bereithält. Aber ich sehe mich über Israels Frauen erhoben, ich, eine einfache Magd und Tochter aus einfachem Hause. Eingegeben ward mir die schaffende Lichtkraft des Geistes. Unmittelbar drang die Schöpferkraft Gottes mir in den Körper. Seit jenem Tage bin ich durchdrungen vom Licht dieses Kindes.“

„Nun ist mein ganzes Gemüt auf einmal vollkommen verändert. Groß sind die Kräfte des Alls, die dergestalt Neues erschaffen. Mir ward gezeigt, offenbart in den dunklen Tiefen des Leibes All das, was ist, als die unerschöpfliche Quelle des Lebens. Mir ward gegeben als Jungfrau, unter dem Herzen zu tragen Israels Hoffnung, des Volkes Lehrer, Erlöser und König.“

„Dies ist der Geist, der in all seinen reichen Schöpfungen da ist. Dies ist der Geist, der einhaucht den Seelen das Licht ihres Lebens. Dies ist der Geist, der die Hungrigen nährt und gibt ohne Ende. Zärtlich ist er, eine helfende Macht, die keine Gewalt kennt. Wahr ist sein Wort, darin aufgehoben sind sämtliche Wesen. Wahr ist der Liebe Licht, das uns einleuchtet, ohne zu blenden.“

Drei Monde lang bleibt Maria dort, im Haus Zacharias, Tage, in denen sich also die ungeborenen Söhne ebenfalls nahe sein können, ständig im geistigen Austausch. Dann nimmt sie Abschied, die Magd, von der liebgewonnenen Freundin, wendet sich wohlgemut, rasch und heiteren Sinnes nach Norden, wiederzukehren nach Nazareth, heim ins Land ihrer Väter.

Nun ist die Zeit für Elisabeth da, ihr Kind zu gebären. Wie ihr vorausgesagt wurde, bringt sie zur Welt einen Jungen. Frauen der Nachbarschaft helfen fassungslos bei der Entbindung. Nie sahen sie eine werdende Mutter, die schon betagt ist, älter gewiss als sie selbst, deren Kinder schon groß sind. Alle preisen den Herrn, der sich seiner Getreuen erbarmt hat.

Als dann des Sohnes achter Tag da ist, der Tag der Beschneidung, wollen Verwandte den Knaben heißen gleich seinem Vater. Aber Elisabeth möchte das nicht und wehrt sich dagegen. „Ihm sollt ihr geben“, so fordert sie ein, „den Namen Johannes.“ Das überrascht die Verwandten sehr und sie halten dagegen. „Keiner unserer Ahnen, Elisabeth, trägt diesen Namen.“

Nachdrücklich schüttelt, weiterhin wortlos, sein Haupt Zacharias, schaut voller Ernst in die großen fragenden Augen der Seinen. Gestenreich bittet der Priester, ihm eine Tafel zu bringen.Er heißt Johannes, ritzt dann der Schriftgelehrte entschieden ein in das glatte Gestein und reicht es dem wartenden Rabbi. Dieser nimmt’s schweigend entgegen, liest aber laut vor die Botschaft.

Kaum ist er ausgesprochen, des erstgeborenen Namen, findet der Vater zur Sprache zurück und redet erleichtert, redet zum ersten Mal wieder, seit der Verkündung im Tempel. Dankbar erkennt Zacharias: Wahr ist, was damals verheißen. Dies ist wahrhaftig ein Kind, durchdrungen vom Heiligen Geiste. Aufgetragen ist uns, diesem künftigen Künder zu helfen.

Alle, die Zeugen des wiedergefundenen Wortes geworden, alle, die da sind, das Kind zu begrüßen, schweigen betroffen. Jeder erkennt, dass der Herr in diesem Haus Großes getan hat. Ehrfürchtig ruhen sämtliche Augen auf ihm, dem geduldig wartenden Knäblein dort in den Armen der seligen Mutter. Ohne zu weinen lässt es geschehen, das Schneiden der Klinge.

Schon in den folgenden Tagen spricht man in ganz Galiläa Über die Wundergeburt jenes einzigartigen Sohnes. Zahlreiche Herzen berührt diese vielversprechende Kunde. Groß ist, so zeigt sich, die lange verhehlte Sehnsucht des Volkes. Was wird, so fragen sich viele, aus diesem Kinde wohl werden? Was wird der Junge dereinst für unser Gemeinwohl bedeuten?

DER PRIESTER

Seit Zacharias erneut zu sprechen vermag, ist der Priester gänzlich erfüllt vom Heiligen Geist und redet prophetisch, weissagt den Seinen das Kommen des Königs, Volkes Erlösung. „Groß ist der Herr“, verkündet er feierlich, „unser Beschützer. Groß ist sein Wirken und unermesslich weise sein Weben. Freut euch, ihr Nachkommen Jakobs, heißt die Erfüllung willkommen!“

„Seht dieses Kind, meinen Sohn, geboren, als Künder zu wirken, anzukündigen zeit seines Lebens den großen Erlöser! Er wird vorangehen, wortgewaltig und ohne zu zögern, vorzubereiten das Kommen des Einen, Erben des Höchsten. Preisen will ich meinen Herrn, denn er kam ins Haus seines Dieners, kam um sein Volk zu erlösen, und Übel von ihm zu nehmen.“

„Aufgerichtet hat er nun ein Horn, unser Heil zu verkünden. Laut wird es schallen und wachrufen Volkes Hoffnung und Sehnsucht. Seht, unser Herr hat sein altes Bündnis mit uns nicht vergessen! Führen wird er aus Not und Gewalt die zu Unrecht Bedrängten, lenken die Schritte der Sucher, aufzeigen Wege des Friedens. Nah ist das Licht, es dämmert herauf ein ganz neuer Morgen. Dankbar bin ich, dass der Himmel mir diese Gnade erwiesen, unverhofft mich zum Vater des neuen Propheten erkoren.“

Heil ist der Körper des Jungen, sein Geist von besonderer Klarheit. Ausgeglichen ist er, genügsam und immerzu fröhlich. Rasch wächst das Söhnchen heran, zur innigen Freude der Eltern. Wie Zacharias vernimmt, wird Johannes bald seine Tage tief in der Wüste, fernab der Dörfer und Städte, verbringen. Dies, so erklärt ihm der Engel, sei des Propheten Berufung. Er braucht der Ödnis Stille, sich innerlich vorzubereiten, schweigend sich einzustimmen auf das, wozu er gekommen.

DIE GEBURT

Kaiser Augustus, der Herrscher der Welt, verfügt, dass man zähle, sorgfältig zähle in all den vielen Provinzen des Reiches jeden, der ihm zu gehorchen hat, Römer gleich wie Barbaren. So macht er Menschen zu Münzen, zum Maßstab weltlichen Reichtums. Rasch wird die Order des Kaisers im ganzen Reiche verbreitet. Auch der Statthalter Syriens befiehlt nun jeden im Lande unverweilt heimzukehren zu dem Ort, in dem sie geboren. Dort will man alle in namenlosen Listen erfassen.

Da macht sich Josef aus Nazareth gleichfalls auf in die Heimat, zieht hinauf in die Berge Judäas, ins Land seiner Väter. Römischer Weisung gemäß muss er sich in Bethlehem melden. Sie ist des Davids und David hinwieder Ahne des Josef. Nazareths Zimmermann aber geht diesen Weg nicht alleine. Beigesellt hat sich ihm die hoch schwangere Jungfrau Maria, schwanger geworden allein durch das Wort des Heiligen Geistes.

Josef beschützt die Vertraute und steht ihr liebend zur Seite. Er hat beschlossen, aufzuziehen das Kind als das Seine. Wie sich Maria gewandelt, wie sie vom Geiste erfüllt ward, das hat er selbst aus nächster Nähe beobachten können. Vor der Empfängnis bereits, sobald sie die Kunde erfahren, war ihre Ausstrahlung reiner, stärker und heller gewesen. Nun fühlt er deutlich, auch er muss es tragen, tragen als Auftrag, dieses besondere, gottgegebene Kind der Erwählten.

Kaum sind in Bethlehem angekommen die beiden Gefährten, drängt zur Geburt das erwartete Kind, die Zeit ist gekommen. Aber sie finden nirgendwo Platz in den Häusern der Siedlung. Überall lagern Besucher und niemand heißt sie willkommen. Deswegen suchen sie schließlich Zuflucht in einem der Ställe. Dort, inmitten von Rindern und Eseln, bettet nun Josef sorgsam auf Stroh die inzwischen sichtlich erschöpfte Maria.

Hier kommt sie nieder die Magd, gebärt den verheißenen Jungen. Strahlend ist er, ein friedliches Leuchten im Dunkel des Stalles. Ohne zu weinen betrachtet er lächelnd diesen Geburtsort, grüßt mit den Augen seine vom Anblick verzauberten Eltern. Als sich der Junge erholt hat, hüllt ihn sein Vater in Tüchern, hebt ihn empor und legt ihn ins warmweiche Stroh einer Krippe.

Unweit vom Stall, auf dem nächtlichen Felde nahe den Hürden, hüten in Stille derweil ihre Herden mehrere Hirten. Da erscheint ihnen plötzlich ein Licht, ein Leuchten am Himmel. Aufgeschreckt weichen die Männer zurück und wenden den Blick ab. Unruhig pochen die Herzen und allen stockt gar der Atem. Keiner von ihnen versteht, was geschieht, doch tief im Gemüte Weiß jeder wohl, wie außergewöhnlich sie ist, die Begegnung. Selten gewiss treffen Menschen auf überirdische Wesen. Selten steht ihnen ein Engel unmittelbar gegenüber. Tausende Leben durchleben die Meisten, ohne doch jemals Anteil zu haben an solch einem großen Schicksalsereignis.

Sanft und kraftvoll zugleich spricht der Bote des Herrn zu den Hirten. „Fürchtet euch nicht, denn gekommen bin ich aus freudigem Anlass. Söhne der Erde! Dies ist fürwahr eine Stunde der Freude. Eure Propheten und auch die Propheten anderer Völker sahen voraus und sehnten herbei diese Nacht der Erfüllung. Wisset, von diesem Tag an wird alles auf Erden sich wandeln! Jetzt hat die große Wende der Welt ihren Anfang genommen. Aufgegangen ist eben das Licht einer geistigen Sonne.“

„Nahe bei euch ist nunmehr der Herr, ein Mensch unter Menschen, Fleisch geworden als heilender Helfer und wegweisender Lehrer, einer, wie ihn diese Erde nie sah, ein König des Himmels. Drüben in Bethlehem ward dieses Kind gerade geboren. Geht und begrüßt diesen Sohn eures Herrn, erweist ihm die Ehre. Seht in den Viehställen nach, ihr findet das Kind eurer Hoffnung eingewickelt in Tüchern, gebettet im Stroh einer Krippe.“

Aufgewühlt von der Kunde, treiben die Hirten die Herde ohne zu zögern hinab zur nahe gelegenen Siedlung. Stillschweigend einig geworden, tun sie, wie ihnen geheißen, ziehen nach Bethlehem, wollen das Neugeborene sehen. Sicher von ihrem eigenen inneren Wissen geleitet, finden die Männer sofort jenes schlichte Obdach des Heilands, finden es nahe der Stadt, genau wie es ihnen gesagt ward.

Plötzlich befangen, berührt vom Segen der heiligen Stunde, treten sie ein und begrüßen die darob staunenden Eltern, schauen sich um und gewahren die Krippe, so wie beschrieben. Als sie das darin gebettete Kind mit Ehrfurcht betrachten, schaut es sie aufmerksam an und sein warmes, friedvolles Lächeln rührt ihre Herzen und lässt der Männer Gesichter erstrahlen.

Sichtlich vom Anblick bewegt, berichten die Hirten dem Josef was ihnen vorhin, draußen am nächtlichen Himmel erschienen, was ihnen kundtat der plötzlich heraufgeleuchtete Engel. Josef bemerkt, dass die Männer die Botschaft selbst kaum erfassen. Alles Geschehen wundert sie sehr und erschüttert ihr Wesen. Doch sie erkennen ihn nicht, den tieferen Sinn des Gesagten. Vorerst entgeht ihnen jener Verkündung wahre Bedeutung.

Anders Maria, die junge Mutter, die alles Gehörte tief in der Seele verwahrt, es prüft in der Stille des Herzens. Noch als die Hirten längst wieder auf ihren Weiden zurück sind, denkt die Begnadete nach über Gottes Wege und Ziele.

IM TEMPEL

Acht Tage nach der Geburt, am Tag also seiner Beschneidung nennt man den Neugeborenen Jesus, genau wie es Gabriel, Erzengel Gottes, auftrug Maria am Tag der Verkündung. Dann, als die Mutter dem Ritus gemäß geläutert und rein ist,bringen die Eltern das Kind hinauf in Jerusalems Tempel. Darstellen wollen sie es seinem Herrn, dem Schöpfer der Welten, darbringen auch das gesetzlich vorgeschriebene Opfer, lösen den erstgeborenen Sohn, ihrem Erben zum Wohle.

Als sie den Tempel betreten, Jesus im Arm seiner Mutter, hören sie plötzlich Worte des Lobes, der Freude, ausgerufen von einem, den viele als Simeon kennen.

Hochbetagt ist der Mann, aber regsam und lauteren Herzens. Simeon gilt als Gerechter, würdigt das Licht eines jeden. Weise ist er, ein Liebender, treu seinem Herrn und bescheiden. Ihm hat der Heilige Geist prophezeit, er würde nicht sterben, ehe er Christus den Einen, den Sohn des Höchsten erblickt hat. Nun hebt er lobpreisend hoch die Hände und Tränen der Rührung fließen ihm über die Wangen, während Maria vorbeigeht.

Staunend betrachten die Eltern den Mann, der nun auf sie zukommt. Beide, Maria und Josef, erkennen: Wahr ist sein Wesen, rein ist sein Licht, und sein Geist so klar wie der Himmel am Morgen. Ohne Bedenken legt in des Mannes ausgestreckte Arme also Maria das Kind in Erwartung segnender Worte. Wohlgefällig ruht Simeons Blick auf dem schlafenden Säugling.

Kurz schließt der Mann seine Augen, summt, wie es scheint, eine Weise. Dann schaut er auf, und innige Freude erhellt seine Züge, während er ausspricht, was für ihn die Begegnung bedeutet. „Nun lässt der Herr mich“, so Simeon, „endlich fahren in Frieden. Denn meine Augen haben tatsächlich den Heiland gesehen. Welch eine Gnade gewährtest du mir, Adonai, deinem Diener! Welch eine süße Erfüllung meiner verborgenen Sehnsucht! Seht bloß das Licht dieses Kindes, das reine Licht zur Erleuchtung sämtlicher Völker, Israels Sonne am künftigen Himmel!“

Das, was der alte Mann äußert, wundert die Eltern des Kindes. Simeon sieht nun vom Heiland auf zu den beiden und lächelt,hebt seine knochige Hand und segnet Maria und Josef. „Viele“, erklärt er der Mutter, „werden in Israel fallen, viele, die jetzt noch hochmütig auf ihre Mitmenschen schauen. Er, dein geheiligter Sohn, ist dazu bestimmt und beauftragt, all diese falschen Führer und Lehrer im Lande zu stürzen.“

„Aber sein Wirken wird auch dazu führen, dass aufstehen werden viele im Volk, die unter dem Dünkel der Herzlosen leiden. Wisse, dein Sohn wird als Christus dereinst auf Widerspruch stoßen. Das, was er tun wird und sagen, dringt wie das Schwert des Gerechten ein ins Gemüt eines jeden, trennt von der Wahrheit die Lüge. So wird auch dir, Kind, ein glühendes Schwert die Seele durchdringen. Doch wird dein Kummer, das wisse, zahllose Herzen erweichen.“

Nachdenklich wägen die Eltern alles vom Weisen Gesagte, sieht doch der Seher voraus dramatische, schwierige Zeiten. Innerlich aufgewühlt ist Maria, geweckt hat die Botschaft Wissen vom Weg ihrer Seele, das schlummernd immer schon da war. Ahnungsvoll spürt sie die Nähe lauernder Schatten des Unheils, spürt, dass ihr Los neben Freude auch Kummer bereithält.

Strahlenden Auges tritt nun hinzu die Seherin Hanna, eine von Phanuëls Töchtern, vom großen Stammvater Asser. Vierundachtzig ist sie, eine Witwe im Tempel zu Hause. Hier verbringt sie die Tage und Nächte mit Beten und Fasten. Dankbar, dass ihr ein Blick auf den Heiland doch noch gewährt wird, hebt die Prophetin die Hände und preist die Güte des Himmels.

„O, Elohim, meine Augen erblickten wahrlich schon vieles: Tröstliches, Schönes und manchmal sogar erhabene Reinheit. Unvergleichlich jedoch ist das goldene Licht dieses Kindes.“ Um den Gelobten herum versammeln sich immer mehr Leute. Gläubige drängen heran und wollen den Lichtblick erhaschen. Also erhebt ihre Stimme die weithin schauende Alte.

„Preiset den Herrn, ihr Kinder des Einen, und preiset euch glücklich! Vieles hätten die Fürsten und Führer vergangener Zeiten dafür gegeben, diesen Erlöser bloß ansehn zu dürfen! Ihr nun seid Zeugen der aufgehenden Sonne des Geistes. Seht es euch an, dieses Kind, fürwahr ein künftiger König! Hell wird er leuchten, die Irrenden sicher heimwärts zu führen. Trost wird er spenden denen, die müde und mutlos geworden. Heil wird er bringen den vielen an Leib und Seele Erkrankten. Seht, was ich sehe, des Schöpfers Heiliger Geist ist mit ihm! Israel – hier ist das Zeichen! – ward in der Not nicht vergessen. Zeugen sind wir der Geburt eines neuen lichteren Reiches. Aufgegangen ist Allgeistes Sonne in unserer Mitte.“

Also spricht Hanna im Tempel und alle schweigen ergriffen. Dann beugt sich vor die Prophetin, neigt sich mit Ehrfurcht zum Kinde, hebt ihre Hand und berührt seine Stirn ganz sanft mit den Fingern. Während sie leise betend begrüßt den vom Himmel Gesandten, öffnet der Junge plötzlich die Augen und lächelt verstehend. Dann geht sie fort und ebenso Simeon, fort voller Freude. Damit zerstreut sich die Menge, wieder allein sind die Eltern.

Als sie geopfert zum Dank für den erstgeborenen Jungen zwei junge Tauben, so wie seit Alters die Vorschrift es vorsieht, kehren die Eltern nach Hause zurück ins Land Galiläa. Dort, in der Stadt seiner Mutter Maria, wächst der geliebte, liebende Junge heran und leuchtet im Kreis der Geschwister, lebt von der Freude bewegt, umhüllt von der Seligkeit Aura.

DER ZWÖLFJÄHRIGE

Jährlich ziehen Maria und Josef mit Nachbarn und Freunden südwärts ins Königreich Juda, hinauf ins weite Gebirge, Passah zu feiern in Salomos Stadt, im Tempel des Höchsten. Dann nach den Tagen des Festes kehren sie immer zusammenwieder nach Hause zurück in das weite fruchtbare Flachland. Doch als ihr Erstgeborener zwölf ist, da ändert sich alles.

Während die Eltern nach Festes Ende im Tross ihrer Leute über die Berge in Richtung nördlicher Ebene wandern, gehen sie ohne den Sohn, was sie anfangs gar nicht bemerken. Fast einen Tag lang dauert es, bis sie den Knaben vermissen. Erst als die große Gruppe am Abend ihr Lager errichtet, merken die Eltern von Sorge erfüllt, dass Jesus nicht da ist. Überall suchen sie ihn, bei allen Verwandten und Freunden. „Wo ist der Junge?“, fragen sie, „wer hat den Knaben gesehen?“ Aber der Sohn ist verschwunden und keiner hat ihn begleitet.

Voller Besorgnis kehren die Eltern am folgenden Morgen wieder zurück nach Jerusalem, hoffen dort ihn zu finden. Drei Tage lang durchstreifen die beiden die Straßen und Viertel, sprechen mit Händlern, fragen die Wachen, doch keiner kann helfen. Stündlich wächst die Verzweiflung Marias und ratlos ist Josef. Niedergeschlagen und matt betreten sie schließlich den Tempel. Nun da die Suche vergeblich geblieben, möchten sie beten.

Aber was sehen sie da, dort vorne im Vorhof des Tempels? Aufrecht im Kreis der Gelehrten sitzt der verloren Gewähnte, lauscht ganz entspannt deren Worte, redet und stellt ihnen Fragen. Was macht er da, denkt Maria und blickt verwundert zu Josef. Unsicher gehen sie näher heran, den Jungen im Auge. Jesus, das hören sie staunend, lehrt und beantwortet Fragen. Höchst verwundert sind darüber auch die alten Gelehrten. Alles, was Jesus erzählt und erklärt, erscheint ihnen weise, weise wie sonst nur die Allerweisesten reden und denken.

Schließlich vermag seine Mutter nicht länger an sich zu halten. Aufgebracht stellt sie den sichtlich sorglosen Jungen zur Rede. „Jesus, was hast du dir dabei gedacht, uns gar nichts zu sagen, uns, deine Eltern, ohne ein einziges Wort zu verlassen?Weißt du, wie lang wir verzweifelt bereits nach dir suchen? Nirgendwo warst du, kein Mensch konnte sagen, wo du dich aufhieltst. Kind, überlege doch mal, wir haben das Schlimmste befürchtet.“

Dann trifft Maria der Blick des Sohnes und lässt sie verstummen. Niemals zuvor sah der Junge sie an mit Augen wie diesen. Tief ist das Mitgefühl, mit dem Jesus Maria betrachtet, sichtlich bekümmert wegen der Furcht und dem Leid seiner Mutter. Aber zugleich ist ihr Liebling ihr fremd, auf einmal kein Kind mehr. Nun, im Moment dieser Wiederbegegnung, ahnt die Geprüfte: Er wird von diesem Tag an dem Himmel alleine gehorchen.

„Mutter“, antwortet Jesus, „ihr sucht mich und solltet doch wissen: Ich bin dort, wo mein Vater ist, immer am Ort meines Vaters.“ Dann steht er auf und hebt eine Hand den Gelehrten zum Gruße. Froh sind die Eltern, den Sohn zuletzt noch gefunden zu haben. Aber der Sinn seiner Worte bleibt ihnen beiden verborgen. Schweigend kehrt nun die wieder vereinte Familie heimwärts.

Jahre vergehen und Jesus von Nazareth, nunmehr erwachsen, wandert oft weit und bleibt dabei stets auf der Suche nach Wahrheit, bleibt auf der Lichtspur und findet zu manchen Quellen der Weisheit. So reift der Jüngling zum Manne heran, wird Lehrer von Meistern. Freude verbreitet sein Wesen, dort wo sein Wesen erkannt wird. Hoffnung weckt er bei vielen, die lange schon Wandel erwarten.

DER RUFER AM FLUSS

Auch Johannes, der Sohn Zacharias, hat Weisheit erworben, weise ward er, vom Geiste erfüllt, in der Stille der Wüste. Ihm hat der Herr offenbart das Wissen vom Kommen des Einen. Er kennt die Absicht des Himmels, weiß um das Wirken des Lichtes. Suchende Seelen kommen zu ihm, sich an Wahrheit zu laben, aufgefordert vom Ruf des Propheten, dem Weckruf des Geistes.

Mehr und mehr Menschen pilgern gen Osten, ans Ufer des Jordans. Dort lebt Johannes ohne Behausung auf einfachste Weise. Während er jahrelang Tage und Nächte schweigend verbrachte, heißt ihn inzwischen der Heilige Geist vom Lichte zu künden. Eindringlich mahnt er zur Umkehr und abzulassen von Lügen, Unrecht in Wort oder Tat und zu meiden falsche Gedanken.

„Hütet“, so lehrt er die Leute, „achtsam das Tor eures Herzens, sorget dafür, dass ihr keinerlei Bosheit Einlass gewähret! Wisset, dass ihr im Geiste allein euer Schicksal besiegelt. Hegt ihr im Herzen Gedanken der Wut, Gewalt und Vergeltung, wahrlich, ihr werdet schon bald in heillosem Unglück versinken. Reinigt euch, Nachkommen Noahs, löst euch von Hochmut und Habgier.“

„Seht, der Heiland ist nahe, er kommt mit dem Schwert der Entscheidung. Wollt ihr als Lügner und Gauner vor seine Herrlichkeit treten? Wollt ihr dem Herrn gekleidet in stinkenden Lumpen erscheinen? Jetzt ist gekommen die Zeit, euch innerlich vorzubereiten. Öffnet der Liebe euer Gemüt und der Herr wird euch sehen. Wandelt im Licht und tragt nicht die schweren Lasten der Lüge!“

„Schaut nicht herab auf den Bruder; Kinder des Einen sind alle. Glaubt mir, ihr irrt, wenn ihr meint, vom Vater bevorzugt zu werden. Auserwählt ist der Mensch, sich im Sternenzelt wiederzufinden, auserwählt als Geschöpf zum Schöpfer im Geiste zu werden. Aber das gilt für sämtliche Stämme und Völker der Erde. Unsere Väter wurden von Helfern des Höchsten beraten. Das aber macht uns nicht höherstehend als Volk unter Völkern. Niemand steht über dem anderen, nicht im Lichte des Himmels.“

Übt euch, ihr stolzen Enkel der Erzväter, übt euch in Demut! Tief werden fallen die, die sich über den Bruder erheben. Suchet nicht Schutz hinter Schildern, legt nieder Schwerter und Äxte! Wehrt euch nicht länger gegen die Herrschaft wahrhaftiger Liebe! Rüstet euch nicht für den Kampf, sondern öffnet furchtlos die Herzen.Sicher ist nur, wer sich schutzlos liebend dem Leben anheimgibt.“

So spricht zur täglich wachsenden Menge der Künder am Jordan. Zahlreiche Pilger folgen dem mahnenden Ruf des Propheten, umzukehren und endlich die Werte der Seele zu leben. Eingetaucht werden wollen die Sucher im Wasser des Flusses, untergetaucht und herausgehoben zum Zeichen der Wandlung. Viele im Wesen vom Worte Berührten tauft der Verkünder,