Vom Leben geschrieben - Karl Miziolek - E-Book

Vom Leben geschrieben E-Book

Karl Miziolek

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Beschreibung

Die Vielfalt der Geschichten fasziniert: Ernste, heitere und nachdenkliche Zeilen sowie Erotik sind zu entdecken. Eben Geschichten, vom Leben geschrieben.

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Seitenzahl: 74

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Inhalt

Der erste Herbstabend

Heiße Liebe

Das Kind im Manne

Der Kuhhandel

Keine heiße Nacht

Ein heißer Morgen

Die Farbe Rot

Ein fast perfekter Tag

Vertippt

Traum und Wirklichkeit

Schwein gehabt

Vertrauen

Das Sonderangebot

Der erste Herbstabend

Draußen zog ein Sturm auf. Er peitschte die ersten Regentropfen gegen die Fenster von Jeannettes Wohnzimmer.

Gedankenverloren starrte sie auf das leere Whiskyglas auf dem Couchtisch. Eigentlich wollte sie aufstehen und sich etwas von ihrem Single Malt eingießen. Allein das Prasseln des Kaminfeuers erzeugte in ihr schon ein Gefühl wohliger Wärme und Geborgenheit. Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen. Lange schon sehnte sie sich nach solch einem Abend.

Gestern auf dem Nachhauseweg hatte es schon nach Regen gerochen, und sie hatte den nahen Herbst gespürt. Langsam begannen die Bäume ihre Blätter abzuwerfen. Der Wind wurde spürbar kühler.

Jeannette liebte den Herbst, die frische Luft, die beim Öffnen der Fenster in das Zimmer strömte. Die leuchtenden Farben, welche die Natur jetzt zeigte und die auch ihren Garten so schmückten. Die Abende am Kaminfeuer.

„Es wird Zeit, die Garderobe zu wechseln“, dachte sie und kuschelte sich in ihre bunt gemusterte Kaschmirdecke, die sie über den Knien liegen hatte. Ihre Gedanken waren überall und nirgends, unvermittelt musste sie an den gutaussehenden jungen Mann denken, der sie gestern in der U-Bahn angelächelt hatte – zumindest hatte sie sich das gedacht.

Es ist schön, wenn sich jemand für einen interessiert, aber das Alleinsein hat auch seinen Reiz, wie jetzt zum Beispiel, redete sie sich ein.

Jeanette erhob sich, legte noch ein Holzscheit in den Kamin, schenkte sich nun doch den Whisky ein und kuschelte sich wieder auf die Couch.

Sie schloss die Augen. Der Regen wurde stärker, das Trommeln an die Fensterscheiben und das Knistern des Feuers wirkten hypnotisch. Es begannen Bilder vor ihr aufzutauchen:

Halbnackt und mit offenem Haar lief sie durch die menschenleeren Straßen, hinter sich vernahm sie Schritte, die sie verfolgten. Sie drehte sich nicht um, sondern lief immer weiter und weiter, bis sie plötzlich, ganz außer Atem, in einem Garten mit wunderschönen bunten Blumen stand. Ein junger Mann kam auf sie zu. Er lächelte sie an und strich ihr zärtlich über das Haar, mit dem der Wind spielte.

Wortlos nahm er sie in die Arme. Seine Hände waren zärtlich und behutsam. Die Berührung ließ sie erschauern, und sie schmiegte ihren Körper fest an den seinen. Lange schon hatte sie solche Zärtlichkeit nicht mehr gespürt.

Sie erwachte. Das Feuer war fast abgebrannt, das Whiskyglas stand noch gefüllt auf dem Couchtisch. Sie erhob sich, nahm das Glas und kippte den Whisky in einem Zug hinunter, als wollte sie damit etwas wegspülen.

Er schmeckte schal.

Mit halbgeschlossenen Augen schlurfte sie in ihr Schlafzimmer und legte sich ins Bett – dort wartete sie auf die Fortsetzung ihres Traumes.

Vergeblich. So endete der erste Herbstabend.

Heiße Liebe

Über Wien fegte ein Schneesturm, aber es half nichts, Sonja musste hinaus. Sonja war Mitte vierzig und geschieden und hatte ihr erstes Rendezvous mit Erich. Er schrieb ihr, er sei heute in Wien und es wäre eine gute Gelegenheit für ein Treffen.

Sie hatte ihn im Internet kennengelernt. Er hatte sie um ein Treffen ersucht, damit sie einander endlich persönlich kennenlernen konnten. Erich wohnte in Niederösterreich, in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Wien. Per E-Mail und WhatsApp hatten sie schon länger Kontakt gehalten und sich, aufgrund gemeinsamer Interessen, zueinander hingezogen gefühlt. Auch Sonja war schon neugierig, sonst hätte sie wegen des miesen Wetters heute abgesagt. Zuerst hatte sie überlegt, ob sie Erich zu sich einladen sollte, verwarf aber den Gedanken wieder; es war ihr doch noch etwas zu riskant erschienen.

Sie hatten vereinbart, sich um 20 Uhr im „Schwarzen Adler“ zu treffen. Erich würde einen Tisch bestellen. Sie hatte bewusst dieses Lokal vorgeschlagen, da es nicht weit von ihrer neuen Wohnung entfernt lag. Der „Schwarze Adler“ war ein eher einfaches kleines Gasthaus, wie man sie noch heute in den Außenbezirken finden kann, aber mit einer hervorragenden Küche. Es war ein Familienbetrieb, die betagte Besitzerin stand noch selbst in der Küche. Die Bedienung ein alter, freundlicher Ober. Das Mobiliar hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Aber die wenigen Tische waren mit einem bunten, sauberen Tischtuch bedeckt und eine kleine Vase mit Plastikblumen stand darauf.

Sonja war zufällig einmal zu Mittag da gewesen, als sie ihre neue Wohnung bezog, aber die Küche noch nicht fertig war.

Ein eisiger Wind trieb die Schneeflocken vor sich her und peitschte sie ihr ins Gesicht, als sie das Haus verließ. Der dichte Schneefall verfinsterte das ohnehin schwache Licht der Straßenbeleuchtung. Sonja erreichte schließlich nass und abgekämpft das Lokal. Als der Ober ihr beim Eingang aus dem Mantel half, stand ein Mann von seinem Tisch auf und winkte ihr zu. Sonja erkannte ihn sofort, er sah genauso aus wie auf dem Foto, das er ihr per Mail gesendet hatte. „Schön, dass du gekommen bist, ich hatte schon befürchtet, dass dich das Wetter abschrecken würde“, begrüßte er Sonja. „Ehrlich gesagt, überlegt hatte ich es schon“, sagte Sonja lächelnd. „Aber der Weg ist ja nicht so weit.“ Das hatte sie Erich bereits geschrieben, doch ihre genaue Adresse hatte sie ihm absichtlich noch nie genannt. „Ich bin mit der Straßenbahn gekommen, das Auto zu nehmen war mir zu gefährlich, bei dem Wetter“, sagte Erich.

Nachdem sie einen Aperitif eingenommen hatten, fragte Erich: „Darf ich dich heute Abend einladen?“ Sonja war es zwar nicht recht, sie bezahlte lieber selbst, aber dann stimmte sie zu, schließlich wollte sie den Abend nicht mit einem Misston beginnen lassen. Erich übernahm nun die Bestellung. Inzwischen hatte der Ober mitbekommen, dass es sich hier um ein Kennenlern-Dinner handeln dürfte, stellte eine Kerze auf den Tisch und zündete sie an. „Soll ich eine zweite Karte bringen?“, fragte er. Eine lag üblicherweise immer auf dem Tisch. „Nein, danke“, sagte Erich. Er fragte Sonja, ob sie lieber Weißwein oder Rotwein trinken wolle, und ob er danach das Menü zusammenstellen dürfe. Sonja war überrascht, so zuvorkommend war noch kein Mann ihr gegenüber gewesen.

Gerne trinke sie Rotwein, sagte sie. Nachdem er die Seite mit den Weinen in der Speisekarte durchgesehen hatte, bestellte Erich eine Flasche „Sankt Laurent Reserve“ aus dem Burgenland. Die Flasche kostete 40 Euro.

„Nicht übel!“, dachte Sonja.

„Wir nehmen als Vorspeise eine Hühnerbouillon mit Grießnocken“, schlug er vor. „Bist du damit einverstanden?“

Sonja hatte nichts dagegen. Als Hauptgang bestellte Erich dann ein Hirschragout „nach Jägerart“ mit Kroketten und Preiselbeeren, nachdem er Sonja gefragt hatte, ob sie auch Wild mochte.

Sie hatten sich während des Essens viel zu erzählen.

Erich hatte ihr geschrieben, er sei auf Geschäftsreise in Griechenland und käme erst einen Tag vor dem Treffen zurück. Sonja erzählte von ihrer Übersiedlung in die neue Wohnung und den damit verbundenen Schwierigkeiten.

„Jetzt gönnen wir uns noch einen guten Nachtisch“, meinte Erich schmunzelnd. „Ich bin es zwar nicht gewohnt, so spät so viel zu essen, aber zur Feier des Abends mache ich eine Ausnahme“, sagte Sonja und lachte. Sie entschieden sich für die „Heiße Liebe“, Vanilleeis mit heißer Himbeersoße. Gerade als die Nachspeise aufgetragen wurde, stand Erich auf und meinte: “Bitte entschuldige mich einen Augenblick“, und ging auf die Toilette.

„Jetzt iss aber, sonst wird die ‚Heiße Liebe‘ schnell kalt“, meinte Sonja und grinste, als er zurückkam.

„Wir sollten noch eine Flasche Rotwein nehmen“, schlug Erich vor. Sonja war so angetan von Erich und wie sich die Situation mit ihm entwickelte, dass sie nichts dagegen hatte. Durch die angeregten Gespräche bemerkte sie gar nicht, dass es inzwischen schon spät geworden war.

„Jetzt wird es aber langsam Zeit für mich, ich muss morgen früh in die Arbeit fahren und wer weiß, wie das Wetter sein wird“, meinte sie.

„Ich bin so froh, dich endlich persönlich kennengelernt zu haben“, sagte er. „Lass uns noch in Ruhe austrinken.“ Erich wollte Sonjas Hand nehmen und stieß dabei sein Rotweinglas um. Er versuchte es zu halten, dabei zerbrach es in seiner Hand, und aus seinem Daumen sickerte Blut.

„Hast du dich geschnitten?“, fragte Sonja besorgt.

„Nicht der Rede wert“, meinte er. „Es ist nur ein kleiner Schnitt, aber leider ein Riesen-Rotweinfleck auf meiner Hose.“

Der Ober kam sofort, als er das Missgeschick bemerkte. Während dieser die Scherben entfernte und Sonja mit ein paar Servietten versuchte, die Bescherung auf dem Tischtuch zu bereinigen, der Rotwein war in alle Richtungen geflossen, sagte Erich: „Ich gehe nur schnell und wasche mir die Hose aus!“ Zum Ober gewandt, bat er: „Vielleicht haben Sie noch ein Pflaster für mich?“

Als der Ober nach zwei Minuten mit dem Pflaster zurück war, war Erich noch nicht wieder da.

„Wo ist der Herr, es wird ihm doch nicht schlecht geworden sein?“, sagte der Kellner zu Sonja. „Keine Ahnung“, antwortete sie. Fünf Minuten später dauerte ihr die Sache auch schon zu lange.

„Ich werde nachsehen, was los ist“, sagte der Ober und ging zur Toilette.