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Günther, Agnes

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Project Gutenberg's Von der Hexe die eine Heilige war, by Agnes GüntherThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Von der Hexe die eine Heilige warAuthor: Agnes GüntherCommentator: Rudolf GüntherRelease Date: June 15, 2015 [EBook #49218]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VON DER HEXE DIE EINE HEILIGE WAR ***Produced by Norbert H. Langkau, Jens Sadowski, and theOnline Distributed Proofreading Team at http://www. pgdp.net

Agnes Günther

Von der Hexe die eine Heilige war

5.-8. Tausend

Marburg an der Lahn Verlag der Christlichen Welt

Vorwort

Am 16. Februar 1906, gerade fünf Jahre vor dem Tode der Dichterin, ist ein Schauspiel „Die Hexe“ von Agnes Günther über eine Liebhaberbühne gegangen. Darin war ein Ausschnitt aus einem ursprünglich episch aufgefaßten Stoff dramatisch gestaltet. Aber bald darauf begann die Rückbildung dieses Stoffes ins Epische; die nachfolgenden Bruchstücke liegen auf dem Weg zur epischen Form, deren Vollendung der Verfasserin nicht mehr vergönnt war. Sie sind im Jahr 1906 in der „Christlichen Welt“ erschienen, und obwohl sie keine Szenen aus dem Drama selbst wiedergeben, stehen sie diesem zeitlich doch so nahe, daß die dialogische Form in ihnen beibehalten ist.

Das Problem der „Heiligen“ hat die Dichterin auch hier beschäftigt, wie sie in ihrem Werke „Die Heilige und ihr Narr“ unter dem Schleier der Dichtung die Geschichte von der Reinigung der Seele erzählt hat. Die Freunde jenes Werkes werden auch zu diesem Büchlein greifen wollen; sie ahnen dann etwas von dem, was die Frühverstorbene noch zu sagen vermocht hätte. Jene schmerzdurchzitterten und doch so sieghaften Worte vom Leiden, dem starken Freudenwein der Ewigkeit, sind an ihrem Sarge auf sie selbst gedeutet worden. Nun gehen sie noch einmal aus und finden vielleicht da oder dort ein Herz, das sie trösten. Denn „Wie Gisela mit Leiden stritt“ — das ist ein Stück aus der Herzensgeschichte der Menschheit.

Marburg, den 9. November 1913Rudolf Günther

Was das Waldschloß erzählt

Ich wohne in einem Waldlande, in dem es viele alte Schlösser gibt. Keine Ruinen, das ist eben das Besondere, sie sind alle wohl erhalten und liebevoll gepflegt. Jedes dieser Schlösser hat viel erlebt — sie alle haben den Jammer des dreißigjährigen Krieges an sich vorüberrauschen hören — sie sahen ein kümmerliches deutsches Leben wieder erstehen — sie wissen viele, viele Geschichten, die alten Schlösser. Darum liebe ich sie auch so sehr.

Keines aber liebe ich mehr als ein vergessenes Waldschloß, das ich Schweigen nennen will. Es ist eine Burg mit Palas und Bergfried und äußerem und innerem Schloßhof. Im äußeren Schloßhof steht eine herrliche Linde, von einer Brustwehr umgeben, von der man hinunter sieht in grüne Täler und hinüber an blaue Waldberge. Auch ein Brünnlein singt dort sein eintöniges Lied. Die Linde ist sehr alt, gewiß dreihundert Jahre, sie rauscht so seltsam, diese Linde, die weiß auch Geschichten. Im innern Schloßhof ist eine schöne Pforte und darüber ein in Stein gehauenes Wappen. Von ihr aus führt eine Treppe in die oberen Stockwerke. An den geweißten Wänden hängen schwarzdunkle Bilder, mächtige Hirschgeweihe dräuen von jeder Wendung herunter. Oben ist ein Vorraum, in den die verschiedenen Türen münden. In der Mitte steigt dunkles Balkenwerk in die Höhe, das die Decke trägt. Um die dicken Holzsäulen geht ein Bänkchen. Da wartete wohl einmal Jemand.

Gleich die erste Türe, in die ich hineingehe — und ich gehe oft hinein, und am liebsten allein mit der Försterin, die das Schloß verwaltet, — führt in ein Schlafgemach. Alle, die das Bett sehen in dem vergessenen Waldschloß, staunen über diese Pracht der seidenen Vorhänge, an denen fleißige Hände Jahre lang gestickt haben müssen. Das Bett ist nun leer, aber die Försterin holt mir immer wieder eine gelbe, seidene Decke heraus, die sie in einer Lade aufbewahrt, und zeigt sie mir. Blasses Gelb ist die Decke, und mit weißen, seidenen Ornamenten ist sie gestickt. Sie ist schon sehr alt, am Rande hat sie Löcher, aber in der Mitte sind ihre Farben frisch.

Wie kommt diese Decke in das einsame Waldschloß, in dem seit manchen Jahrhunderten die hohen Herren, die da jagen, nur eine Nacht schlafen, um am grauenden Morgen auf die Pürsch zu gehen? Ach könnt ich doch allein bleiben hier, eine Nacht nur, und hören, was sich die Wände erzählen, was die alte Diele kracht, was das Käuzlein draußen im Bergfried schreit. Kommt nicht ein Schritt die Treppe herauf? Wer wartete da draußen auf dem Bänkchen? Klingen nicht verlorene Lautentöne um das Balkenwerk? ... Immer wieder komme ich, es rauscht mir das Brünnlein, ich streiche mit verlangenden Händen über die gelbseidene Decke, durch das Epheugewirr am Fenster fällt goldenes Abendlicht auf das Himmelbett .. und .. da sehe ich ... ich sehe ein weißes Linnen über die verlassene Lagerstätte gebreitet — die gelbe Decke liegt wieder darauf. Auf den Kissen liegt ein goldener Kopf .. Ein Mädchen! Nie sah ich etwas Schöneres! Diese seltsamen blauen Augen! Diese dunklen Pupillen, die sich plötzlich weiten und deren Blick dann die Ferne durchdringen soll. Ich kenne die Augen, ich kenne den Blick. Warum ist denn das Mädchen so blaß? Ich sehe die zarten Hände auf der gelben Decke liegen. Es läuft ein roter Streifen um das Handgelenk, ein häßlicher roter Streifen, und doch! er gehört zu diesen Händen. —

Da ist wieder Alles verschwunden. Traurig gehe ich hinaus. Ach wie lang währt es, bis sie mir Alles erzählt haben, was sie wissen, diese grauen Wände, der kreischende Turmhahn, dieses Fenster, das über der Treppe mit den Geweihen ist. Die Linde rauscht: „Ich sah einen Reiter, im rasenden Ritt kommt er den Berg herauf, wen hält er vorne auf seinem Pferd? Ich sah einen goldenen Kopf, der wie eine gebrochene Blume herunterhängt. Ich sah den Reiter im Burghof absteigen, und vorsichtig trägt er in seinen Armen ein Mägdlein hinein zur Pforte. Ach es ist lang her — die große Eiche dort war noch ein kleines Bäumlein.“ Mehr als zweihundert Jahre her ists dann, denk ich. Was war das für eine Zeit? Die schlimme, die bittre Zeit im deutschen Land, da überall die Scheiterhaufen rauchten und ein unsäglicher Jammer zum Himmel schrie — — die roten Streifen an der Hand, und die Augen, die in die Ferne sehen! Das war eine Hexe. Und der Reiter verbarg sie hier. Er flüchtete sie wohl. Drüben, zwei Stunden weit, ist eine kleine Residenz, dort liegen noch viele alte Papiere, die noch heute das Herz vor Entsetzen schlagen machen, wenn man in sie hineinsieht. Er sandte ihr die seidene Decke; für sie hing er die wunderbaren Vorhänge an das Holzwerk des Betthimmels.

Ich kann das Mädchen mit den goldenen Haaren um das weiße Gesicht nicht vergessen. Wenn ich Lilien sehe, denke ich an sie, aber weißer, viel weißer als die Blumenblätter war diese Haut, goldener, viel goldener als die Fäden im Lilienherzen waren diese Haare. Seidene Decke, du mußt die Geschichte wissen, der Lindenbaum sah sie nur kurz, — du brauner gedrehter Bettpfosten, du bist doch die ganze Zeit dabei gestanden! Hast du denn alles vergessen? Du hast so viel Zeit daran zu denken. Hast du denn je wieder so etwas Liebliches gesehen? Blieb denn kein Ton der Stimme, der Stimme, die zu den Augen und den Händen gehört, irgendwo hangen? Ich hörte doch auch die Lautenklänge um das Balkenwerk des Vorraums schweben — Geister von Klängen nur — doch ich kenne sie ja, — das ist eine alte Volksweise ... „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod — Freue dich, schöns Blümelein.“ Es ist eine Männerstimme, die singt und die im Weinen erstirbt. Und dann höre ich noch eine Stimme von dem Lager aus — das muß ihre Stimme sein — ach das ist ja die süßeste Stimme der Welt! Und dann eine Altweiberstimme, freundliche Trostworte murmelnd.

Nun weiß ja jedes Eckchen zu erzählen, Nichts haben die vergessen, gar Nichts. So lang haben sie gewartet, bis sie es Jemand erzählen durften, was sie wissen. Jemand, der nicht nur hört, der