Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Waldviertel ist ein Sehnsuchtsort, mythenumrankt, geheimnisvoll und traumhaft schön. Thomas Sautner, leidenschaftlicher Waldviertler, durchwandert gern seine Heimat: Er streift durch Wälder, klettert auf Restlinge und spürt alten Mythen nach. So beobachtet er den einstigen Waldviertel-Reisenden Franz Kafka, lässt den legendären Räuberhauptmann Grasel wiederauferstehen und Gaukler wie einst durchs Land ziehen. Neben all dem gewährt der Autor auch Einblicke in sein ganz persönliches Waldviertel; er erzählt Geschichten aus der Kindheit, verrät seine Lieblingskochrezepte und erläutert Die sieben Elemente der Region mit liebevollen Anekdoten. Eine kurzweilige historische Erkundung rundet das Buch ab, und auch eine praktikable und vor allem sehr persönliche Empfehlungsliste für Waldviertelreisende darf am Ende nicht fehlen.Eine vielschichtige poetische Landvermessung einer sagenumwobenen österreichischen Landschaft. Ein ebenso spannendes wie amüsantes Kompendium über Geschichte, Land und Leute.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 197
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
THOMAS SAUTNER
Waldviertel steinweich
Copyright © 2013 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien2. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
Umschlagabbildung: © Bildagentur Waldhaeus
Druck und Verarbeitung:
Druckerei Theiss GmbH, St. Stefan im Lavanttal
ISBN 978-3-71175-188-1
Informationen über das aktuelle Programmdes Picus Verlags und Veranstaltungen unterwww.picus.at
THOMAS SAUTNER
EIN LITERARISCHER REISE-UND HEIMATBEGLEITER
Freilich, Heimatliebe ist ein weniglächerlich, ein wenig albern.Aber ist das mit Liebe nicht immer so?
Ja, ja, das Waldviertel … zehn MonateWinter und zwei Monate kalt.
VOLKSMUND
Prolog oder:Achtung, Waldviertel!
Das Waldviertel:Bedienungsanleitung und Inhaltsstoffe
Die Waldviertler
Das Waldviertel
»Die sieben Elemente« des Waldviertels
Erzählungen, Anekdoten, Fundstücke und:zwei Gedichte
Ein Held und Haderlump
Der zauberhafte Waldviertler
Dickschedlad und herzwach
Brennholz
Großvater
Erdapfelkäfer
Herbstteich
Im Wirtshaus
Heda-Oma und Pepe-Onkel
Gmünder Gedanken Kafkas
Federn vo da Wurzen
Unter Bäumen
Die Sage vom Wasser im Stein
Die Sage vom Ring im Wald
Ameisen im Honig
Von Messerstechern und Zwergerlfängern
Waldviertler Segensspruch
Epilog / Draufgob
Waldviertler Trinkspruch
Vier Waldviertler Hausrezepte
Empfehlungen und Ermunterungen
Danke!
Wer im Waldviertel eintrifft, ist noch lange nicht angekommen. Viele, die als Besucher anreisen, klatschen an die Oberfläche dieses Landes, stolpern darauf herum und merken bei der Abreise gar nicht, dass sie nie wirklich da gewesen sind. Das Waldviertelgefühl jedenfalls beginnt jenseits – hidau, net hibei. Erst dort, wo es scheinbar umständlich wird, eröffnet sich die Selbstverständlichkeit dieses Landes, seine Eigenart. Dort, wo kein Reiseführer hinreicht, dort, wo der Weg endet, der Wald, die Wiese, der Bach. Im Nirgendwo ist sein Anfang, markiert von im Boden versteckten Restlingen aus Granit.
Erobern lässt sich dieses Land ohnehin nicht, im besten Fall gewährt es Unterschlupf. Ähnlich seine Leute; die gelten als grob und rau und kurz angebunden, dabei sind sie anderen und anderem nur entwöhnt, achtsam deshalb und sicherheitshalber lieber unter sich. Nicht aus-, sondern abgrenzend wie das Land sind sie, und dabei so streng, dass ihnen jene vom äußersten Süden und äußersten Osten der Region nicht als richtige Waldviertler gelten. Als Bestätigung zitieren sie die Natur, hat sie doch nur ihren Teil des Waldviertels dem Erdboden enthoben. Teil der böhmischen Masse ist dieser Landstrich, Überbleibsel des vor Jahrmillionen mächtigsten Hochlands, des Variskischen Gebirges, der höchsten Erhebung, die je in den Himmel ragte. Übrig gelassen haben Wind und Wetter unergiebige Böden, steiniges Land. Eine Gegend, in der sommers wie winters das Thermometer meist vier, fünf Grad weniger anzeigt als im gar nicht so fernen Wien. Nicht nur an der Höhe liege das, sagen die Alten, auch am böhmischen Wind, der seine klamme Tuchent übers Land lege. Und freilich am jahrein, jahraus kühlenden granitenen Boden.
Wir tragen, so heißt es, die Landschaft unserer Kindheit in uns. Diese Landschaft besteht naturgemäß aus den Tiefen und den Höhen unserer Erinnerungen, besteht aus Gefühlen, Gerüchen, Sehnsüchten, aus Schmerz und aus Freude. Beim Waldviertel aber kommt noch etwas hinzu: Wie kaum ein anderes Land eignet es sich als Projektionsfläche eigener Befindlichkeiten. Tourismusplaner nannten es mystisch und trafen damit, obgleich sie es anders meinten, den Punkt. Denn das Waldviertel gibt, gleich einem wundersamen, zur Gefühlslandschaft gewordenen Spiegel, den Menschen das zurück, was sie willens sind, von sich selbst zu geben. Vermutlich ist das der Grund, weshalb diese Gegend kaum jemanden kalt lässt. Die einen lieben, die anderen hassen das Waldviertel, dazwischen gibt es wenig. Oder wie die Autorin Mella Waldstein es formulierte: Das Waldviertel ist mehr ein Gemütszustand als eine Landschaft. Jene jedenfalls, die sich darin wiederfinden, kommen nicht mehr los davon. Das Waldviertel wird ihnen zu einem Nicht-anders-Können, zu einem Müssen im besten Sinn.
Zudem ist das Waldviertel auch eine Glaubensfrage. Verbreitet wird sein Bild im Wesentlichen von zwei Gruppen: den zahlreichen Auswanderern, die entweder verklärend liebevoll oder geradezu schaudernd zurückblicken. Und: den Zugezogenen, die – vorausgesetzt, sie halten es hier heroben länger aus als einen Winter –, ja, die freilich umzugehen gelernt haben mit dieser Stein, Holz und Erde gewordenen Stimmungslage.
Dass das Waldviertel auch eine buchstäblich sinnvolle Gegend ist, verdankt es seinen Individualisten und Eigenbrötlern. Sie sind es, die es beleben und die leidenschaftlich in ihrem Waldviertel daheim bleiben. Unter ihnen finden sich viele, die es hergezogen hat – teils illustre Menschen wie Trommelbauer, Heilpraktiker, Erfinder, Tänzer, Schamanen, Maler, Musiker, Schriftsteller und allerlei andere Lebenskünstler. Gemeinsam mit den sie teils kopfschüttelnd, teils aufrichtig amüsiert beobachtenden Einheimischen sind sie es, die die Region heute prägen. Mit etwas Glück treffen sie auf jene Ur-Waldviertler (böse Zungen sagen Urwald-Viertler), die sich mit Beharrlichkeit, Einfallsreichtum und schwarzem Humor, vornehmlich aber dickschädelig, hier heroben durchg’frettn. Und die stur behaupten, dass es kein intensiveres, kein lebenswerteres Land gibt als diese abwegige, teils grenzwertige Gegend.
Die ersten Waldviertler gab es vor etwa siebzigtausend Jahren. Und zwar im Süden und im Osten des Waldviertels, an den Flüssen Krems und Kamp. Das nördliche und westliche Waldviertel war selbst ihnen, den wenig zimperlichen Neandertalern, zu unwirtlich. Erst ab dem neunten Jahrtausend vor Christus wurde es hier heroben wohnlicher, das Klima milder.
Im ersten Jahrhundert vor Christus rückten die Kelten vor. Dauerhaft besiedelt wurde die Gegend aber erst um das siebente bis achte Jahrhundert. Von Nordosten zogen Slawenstämme ins nördliche Waldviertel. Von ihrer Zeit zeugen heute noch zahlreiche Fluss- und Ortsnamen. Thaya etwa bedeutet rauschender Fluss, Eisgarn ausgebrannte Stelle (Rodung). Schrems hieß ursprünglich Křemelice beziehungsweise Schremelize, Steinwasser. Auch Zwettl war einst eine slawische Siedlung (Svetla heißt Lichtung). Ebenso Weitra (Vitoraz), Litschau (Ličov), Vitis (Biteš) und Raabs (Rakousy).
Die Slawen leisteten wahre Pionierarbeit, war der größte Teil des Waldviertels doch von einem Urwald bedeckt, der nur von wenigen Pfaden durchzogen war.
Die systematische und flächendeckende Besiedelung des Waldviertels begann im Hochmittelalter, also ab dem zehnten bis elften Jahrhundert. Siedler aus der Region des heutigen Salzburg und Bayern, aber auch Franken zogen ins Land – teils die Slawen vertreibend, teils sie in ihre Gemeinschaft aufnehmend und weitgehend assimilierend. Gemeinsam jedenfalls machten sie weite Landstriche urbar, rodeten, legten Siedlungen an, errichteten Befestigungen.
Im Laufe der nächsten zwei-, dreihundert Jahre sollten von verschiedenen Herrscherhäusern die Burgen und Wehrschlösser des Waldviertels errichtet werden, etwa die Schlösser in Weitra, Gmünd, Litschau, Schwarzenau sowie die Burgen Rappottenstein, Rosenburg, Raabs und Heidenreichstein. In anderen Orten wie Drosendorf, Horn, Waidhofen an der Thaya und Zwettl suchten die Bürger im Notfall innerhalb der Stadtmauern Unterschlupf.
Das Waldviertel nämlich war seit der Besiedelung Einfalls- und Durchzugsland für Freund und Feind: für königliche und kaiserliche Truppen, für böhmische Hussiten, Schweden, Franzosen, Preußen und Deutsche. Erst der Eiserne Vorhang bescherte dem Waldviertel eine ungewollte Ruhephase. Fast ein halbes Jahrhundert lang war es abgeschnitten und abgeschieden.
Der Dornröschenschlaf endete 1989/1990, als der Stacheldraht zerschnitten wurde, Europa zusammenzufinden begann – und mit ihm das Waldviertel, Südböhmen und Südmähren. Womit langsam sich annähert, was einst wie selbstverständlich zusammenlebte. Die zahlreichen tschechischen Namen, die sich heute bei eingesessenen Waldviertler Familien finden, geben Zeugnis davon.
Die Menschen einer Gegend – in diesem Fall die Waldviertler – in Bausch und Bogen zu einem Menschentypus zu stilisieren, wäre freilich Unsinn, lüde zu berechtigter Kritik ein, zu wissenschaftlichem Einspruch sowieso, aber: »dem Waldviertler« (in diesem Fall: mir) ist das wurscht. Der Waldviertler nämlich schert sich wenig um Einwände, hat er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt. Dass er das Nötige und Richtige alleine erledigen muss und meistens gegen allerlei Widrigkeiten, ist er ohnehin gewohnt. Zuweilen schleift er gerade an diesen Widerständen seinen Willen, härtet daran seinen Dickschädel. Seit jeher waren doch alle gegen ihn, zuvorderst die großkopferte Herrschaft. Ja, in frühen Zeiten wurden die Waldviertler vom Adel geschröpft und drangsaliert, und heute glauben die Gschtopftn (die Reichen) und die Gschtudiadn (die Akademiker) und die Regierung in Wien, sich alles leisten zu können.
Benachteiligt, das sagt dem Waldviertler schon der Hausverstand, ist er auch durch das raue Klima, die steinigen Böden, die Abgeschiedenheit, die nahe Grenze. Nur gut, dass dem Waldviertler all das nichts anhaben kann, weil er gottlob nicht wichtigtuerisch intellektuell ist, sondern von praktischer Schlauheit und zudem dreifach kräftiger, zäher, fleißiger als manch anderer: »A Woedviadla – drei Leit«1. Das geflügelte Wort sagt alles über die hiesige Kunst der Eigenmotivation: Ja, zu dritt kämpft es sich gleich viel leichter als so alleingelassen.
Irgendwie gerecht auch, dass die einfachen Waldviertler, die sich von den besseren Leuten aus der Großstadt immer schon ungerecht behandelt oder zumindest unterschätzt fühlten, vom lieben Gott nach oben in Sicherheit gebracht worden sind, liegt doch Wien mit seinen hundertsiebzig Metern Seehöhe im Schnitt um zumindest drei- bis fünfhundert Meter unterhalb. »Bei uns om«2, heißt es seit zig Generationen. Schon um 1050 nannten sich die Leute hier auch die Oberländer. Und mit diesem »oben«, es ist zu spüren, ist mehr gemeint als nur die Tatsache, dass die Heimat auf einem Hochplateau liegt. Wenn ein Waldviertler erzählt, dass er »noch Wean owe«3 fährt, um anschließend wieder heimwärts, also »auffe«4, zu fahren, schwingt dabei auch immer etwas unprätentiös Erhabenes mit. Man verlässt sozusagen die Heimat und begibt sich in die Niederungen – in der Gewissheit freilich, bald wieder zurück ins raue, abgeschiedene Paradies zu kehren.
1 Ein Waldviertler – drei Leute.
2 bei uns oben
3 nach Wien hinunter
4 hinauf
Vor dreihundertfünfzig Millionen Jahren faltete sich in Mitteleuropa das Variskische Gebirge auf, die höchste Erhebung der Erde, bis zu zehntausend Meter hoch. Im Laufe von Jahrmillionen, Erosion und tektonischen Verschiebungen entstand daraus ein Rumpfgebirge, die Böhmische Platte. In deren Zentrum, auf einem granitenen Hochplateau, thront heute der größte Teil des Waldviertels sowie dessen nördliche und westliche Nachbarregionen, das böhmische Grenzgebiet und ein Stück des Mühlviertels.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!