Walther von der Vogelweide Ein altdeutscher Dichter - Uhland, Ludwig - kostenlos E-Book

Walther von der Vogelweide Ein altdeutscher Dichter E-Book

Ludwig, Uhland

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The Project Gutenberg EBook of Walther von der Vogelweide, by Ludwig UhlandThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Walther von der Vogelweide       Ein altdeutscher DichterAuthor: Ludwig UhlandRelease Date: January 26, 2015 [EBook #48086]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WALTHER VON DER VOGELWEIDE ***Produced by Franz L Kuhlmann, Karl Eichwalder and theOnline Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net(This book was produced from scanned images of publicdomain material from the Google Print project.)

Anmerkungen zur Transkription

Das Deckblatt wurde vom Autor der Transkription erstellt und geht in die "public domain".

Die Schreibweise im Text (wie z. B. Ae statt Ä) ist beibehalten.

Die Interpunktion in Fussnoten und Quellenverweisen ist überarbeitet (bei römischen Ziffern gilt "Gregor IX." aber "Bd. II")

Die Korrektur typografischer Fehler ist unten im Einzelnen aufgeführt.

Walther von der Vogelweide

Ein

altdeutscher Dichter,

geschildert

von

Ludwig Uhland.

Herr Walther von der Vogelweide, Wer des vergässe, thät' mir leide.Der Renner.

Stuttgart und Tübingen,in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.1822.

Vorrede.

Der Dichter, dessen Leben und Charakter darzustellen ich unternommen habe, schien mir vorzüglich geeignet, diejenige Richtung für das Erforschen der altdeutschen Poesie zu bezeichnen; welche, nach meinem Dafürhalten, noch mit besondrem Eifer zu verfolgen ist, wenn ein lebendiges und vollständiges Bild von dem dichterischen Treiben jenes Zeitalters hervortreten soll.

Neben den gründlichen Bemühungen, welche der Sprachkenntniß, als der ersten Bedingung des Verständnisses, zugewendet worden sind, hat vornehmlich die Erforschung des Gemeinsamen, des poetischen Gesammteigenthums in Sage, Bild und Wort, bedeutende Fortschritte gemacht. Mit weniger Liebe und Erfolg ist das Besondre behandelt worden, wie es aus der Eigenthümlichkeit von Zeit und Ort, aus der persönlichen Anlage und Neigung des Dichters, hervorgeht.

Beiderlei Richtungen sind aber gleich nothwendig. Sowenig der allgemeine Zusammenhang aller Poesie zu mißkennen ist, eben so wenig kann die Schöpferkraft, die stets im Einzelnen Neues wirkt, geläugnet werden. Es giebt eine Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht; es gibt eine freie Dichtung begabter Geister. Beides muß die Geschichte der Poesie zu würdigen wissen.

Die sorgfältige Beachtung dieses Besondern darf am wenigsten versäumt werden, wenn in jene reichhaltigen Liedersammlungen aus dem deutschen Mittelalter, welche noch als verworrene Masse vor uns liegen, Licht und Ordnung kommen soll. Diese Sammlungen enthalten, bei allem Gemeinsamen in Form und Gegenstand der Dichtung, gleichwohl eine große Manigfaltigkeit von Dichtercharakteren, eigenthümlichen Verhältnissen und Stimmungen, persönlichen und geschichtlichen Beziehungen. Gerade diejenigen Lieder, welche sich mehr im Allgemeinen halten und darum auch am leichtesten verstanden werden, sind vorzugsweise bekannt geworden und mußten denn auch dieser ganzen Liederdichtung den Vorwurf der Eintönigkeit und Gedankenarmuth zuziehen. Diejenigen dagegen, deren Beziehungen eigenthümlicher und tiefer sind, blieben so ziemlich ihrem Schicksal überlassen.

Davon will ich hier nicht ausführlicher sprechen, wie die Zeitgeschichte überhaupt, das merkwürdige Zeitalter der Hohenstaufen, das uns Jahrbücher und Urkunden nur in politischer Starrheit darstellen, wie dieses erst die rechte Farbe und Lebenswärme gewinnt, wenn wir es in der Einbildungskraft und dem Gemüthe der Dichter abgespiegelt sehen.

Vom Thunersee bis zur Insel Rügen, vom adriatischen Meere bis nach Brabant ziehen sich die Straßen des altdeutschen Gesanges. Ueberall Fürstenhöfe und Ritterburgen, Städte und Klöster, wo Sänger und Sangesfreunde hausen oder herbergen. Es ließe sich eine reiche Landkarte des poetischen Deutschlands im Mittelalter entwerfen. Von keinem aber aus der Zahl dieser Sänger dürfte die Forschung zweckmäßiger ausgehen, als von Walther von der Vogelweide, der auf seinen vielfachen Wanderungen allwärts Berührungen anknüpft und dessen langes, liederreiches Leben einen für die Poesie so merkwürdigen Zeitraum umfaßt.

Wenn ich den Werth dieses Dichters hervorhebe, so berühre ich nicht etwas Neues und bisher Unbeachtetes. Von Bodmer (Proben der alt. schwäb. Poesie &c. Zürich 1748. Vorber. S. 33 ff.) bis auf die neueste Zeit haben manche Literatoren die dichterische Kraft und die Vielseitigkeit desselben, sowie seine Bedeutung für die Zeitgeschichte, mit mehr oder weniger tiefem Verständniß, erkannt und angerühmt[A]. Von Gleim (Gedichte nach Walth. v. d. Vogelw. 1779) bis auf Tieck (Minnelieder &c. Berl. 1803) und Spätere ist manches seiner Lieder durch Bearbeitung oder Uebertragung in die neuere Sprache den Zeitgenossen näher gerückt worden. Gleichwohl fehlt es noch an einer umfassenderen Darstellung seines Lebens und Wesens.

Man wird behaupten, durch eine kritische, mit den verschiedenen Lesarten und den nöthigen Erklärungen ausgestattete, das Unächte vom Aechten ausscheidende und den vielfach gestörten Rhythmus in seiner Reinheit herstellende Ausgabe seiner Lieder würde das Beste für den alten Dichter geschehen. Weit entfernt, das Verdienstliche und die Wichtigkeit eines solchen Unternehmens zu mißkennen[B], bin ich doch der Meinung, daß nur dann jedes Einzelne sein rechtes und volles Licht erhalten könne, wenn erst der Geist und Zusammenhang des Ganzen gehörig erkannt ist. Für eine Ausgabe der Lieder aber würde nicht die Zusammenstellung nach der Zeitfolge, welche bei einem großen Theile derselben ohnehin nicht bestimmbar ist, oder nach der Verwandtschaft der Gegenstände, sondern vielmehr die Anordnung nach den Tönen die schicklichste seyn.

Weil übrigens der Dichter doch nur aus seinen Liedern vollständig begriffen wird und weil Walthers Lieder gerade die Hauptquelle sind, woraus wir über seine Lebensumstände Aufschluß erhalten, so habe ich überall die Gedichte selbst oder doch bezeichnende Stellen aus denselben in die Darstellung verwoben.

Die Form, in der ich diese Gedichte liefre, mußte durch den Zweck der ganzen Arbeit bestimmt werden. Sie mußten vor Allem verständlich seyn. Es war hier nicht sowohl um die sprachliche Beziehung, als um die Aufklärung über Schicksal und Charakter des Dichters zu thun. Darum wählte ich den Weg der Uebertragung aus der älteren Mund- und Schreibart in die neuere.

Nicht unbekannt ist mir, wie wenig dieses Verfahren bei gründlichen Kennern des deutschen Alterthums empfohlen ist. Es gehen dabei manche Feinheiten der alten Sprache verloren und nicht geringere Schwierigkeit, als die gänzlich veralteten Formen und Worte, bieten häufig diejenigen dar, welche, noch jetzt gangbar, ihre Bedeutung mehr oder weniger verändert haben und dadurch zum blossen Scheinverständnisse verleiten können, wie solches besonders in Benecke's trefflichem Wörterbuche zum Wigalois gezeigt ist. Auf der andern Seite ist Manchen auch die leichteste Abweichung vom gegenwärtigen Sprachgebrauche unerträglich.

So wenig ich nun hoffen durfte, zwischen diesen Klippen ohne Anstoß hindurch zu schiffen, so konnte ich doch jene Behandlungsweise nicht umgehen. Die Gedichte selbst in die Darstellung aufzunehmen, war mir wesentlich; mit der alten Schreibart aufgenommen, würden sie aber umständliche, den lebendigen Zusammenhang allzu sehr störende Erläuterungen erfordert haben. Um jedoch überall die Vergleichung zu erleichtern, ist bei jedem ganz oder theilweise ausgehobenen Liede nachgewiesen, wo dasselbe in der Urschrift zu lesen sey.

Bei jener Uebertragung war es auch keineswegs auf eine Umarbeitung, am wenigsten auf anmaßliche Verschönerung, angelegt. Ueberall habe ich das Alterthümliche zu erhalten gesucht. Nur wenige, ganz veraltete Formen sind umgangen worden. Veraltete Worte habe ich vorzüglich dann vermieden, wenn sie den Eindruck des Ganzen zu stören drohten. Andre, besonders solche, die sich zur Wiedereinführung empfehlen, habe ich lieber erklärt, als mit neueren vertauscht. Manchen Lesern mag noch jetzt Mehreres zu fremdartig lauten. Es gehört jedoch keine sehr große Entäusserung dazu, hin und wieder einmal Arebeit, Gelaube, Pabest, unde, sicherlichen, meh, sach &c. statt Arbeit, Glaube, Pabst, und, sicherlich, mehr, sah &c. zu lesen oder auch einige unvollständige Reime zu dulden, z. B. schöne auf Krone, die sich aber in der alten Sprache vollkommen ausgleichen.

Absichtlich wurden meist solche Stücke ausgehoben, welche an sich leichter verständlich sind, was glücklicher Weise gerade bei den besten größtentheils der Fall ist. Von andern sind Auszüge oder auch nur eine kurze Andeutung ihres Inhalts gegeben. Dabei darf ich nicht verhehlen, daß einige Stücke, auch nach Einsicht der verschiedenen Handschriften, mir noch räthselhaft geblieben sind. Die beigefügten Wort- und Sacherklärungen habe ich meist nur auf das Nöthigste beschränkt und mein Augenmerk darauf gerichtet, daß jedes Gedicht, so viel möglich, schon durch den Zusammenhang in den es gestellt ist, seine Erläuterung erhalte.

Im Verlaufe meiner Darstellung mußte ich auf Verschiedenes stossen, was noch sehr einer genaueren Untersuchung bedarf, wie z. B. der Krieg zu Wartburg, Nithart &c. Aber eben weil diesen Gegenständen noch eigene, weitgreifende Forschung gewidmet werden muß, habe ich mich auf dieselben nur soweit eingelassen, als sie den meinigen unmittelbar berühren. Man wird sich ihnen noch von mehreren Seiten nähern müssen, bevor man sich ihrer völlig bemächtigt.

Hauptquellen, die ich benützt habe, sind:

1) Die Manessische Sammlung, nach Bodmers Ausgabe, welche im I. Thl. von S. 101-142 den reichsten Schatz von Gedichten Walthers enthält. Sie ist im Folgenden durch Man. bezeichnet und, weil sie am meisten zugänglich ist, auch da angeführt, wo Lesarten aus andern Handschriften gewählt wurden.

2) Die Weingartner Handschrift von Minnesängern, (mit W. Hds. von mir bezeichnet,) wahrscheinlich älter als die Manessische, jetzt in der Königl. Privatbibliothek zu Stuttgart befindlich. Sie enthält von S. 140-170 112 Strophen unsres Dichters.

3) Die Pfälzer Handschrift Nr. 357 (Pf. Hds. 357), aus dem Vatikan nach Heidelberg zurückgebracht. Von Bl. 5b bis 13b giebt sie unter Walthers Namen 151 Strophen. Weiterhin, von Bl. 40 an, folgt, von andrer Hand geschrieben, noch mehreres diesem Dichter Angehörige.

4) Die Pfälzer Handschrift Nr. 350 (Pf. Hds. 350), mit 18 Strophen.

Vermißt habe ich vorzüglich die Würzburger Liederhandschrift, jetzt zu Landshut, und die (verschollene?) Kolmarer, in welchen gleichfalls Gedichte von Walther enthalten sind.

Gegenwärtiger Versuch ist eine Vorarbeit zu einer größeren Darstellung in diesem Fache. Um so erwünschter wird mir seyn, was dazu beiträgt, den Gegenstand desselben vollständiger aufzuklären.

Walther von der Vogelweide

Erster Abschnitt. Einleitung. Des Dichters Herkunft. Die Sänger des Thurgaus. Friedrich von Oesterreich. Des Dichters Jugend.

Walther von der Vogelweide ist einer von den Meistern deutschen Gesangs, die einst, wie die Sage meldet, auf der Wartburg wettgesungen. Ebenso ist er Einer der Zwölfe, von denen spät noch die Singschule gefabelt, daß sie in den Tagen Otto's des Großen gleichzeitig und doch Keiner vom Andern wissend, gleichsam durch göttliche Schickung, die edle Singkunst erfunden und gestiftet haben.

Wenn Einige, die auf ähnliche Weise mit ihm genannt werden, im Halbdunkel solcher Ueberlieferung zurückgeblieben sind und höchstens durch Vermuthung mit noch vorhandenen Dichterwerken in Verbindung gesetzt werden können, so ist dagegen kaum einer von den Dichtern des Mittelalters so mit seinem eigensten Leben in unsre Zeit herüber getreten, als eben dieser Walther von der Vogelweide.

Nicht als ob die Geschichte seinen Wandel auf Erden in ihre Jahrbücher aufgenommen hätte oder als ob alte Urkunden von seinen Handlungen Zeugniß gäben, wie dieß bei andern seiner Kunstgenossen der Fall ist: seine zahlreichen Lieder sind es, die sein Andenken, und mehr als dieß, ein klares Bild seines äußern und innern Lebens, auf uns gebracht haben.

Er hat nicht seine Persönlichkeit in der alten Heldensage des deutschen Volkes untergehen lassen, noch hat er seine Kunst den Ritter- und Zaubermähren vom heiligen Gral, von der Tafelrunde u. s. w. zugewendet, sondern er hat die Gegenwart ergriffen. Und hiebei hat er wieder nicht blos den Mai und die Minne gesungen, vielmehr ist er gerade der vielseitigste und umfassendste unsrer älteren Liederdichter, er behandelt die verschiedensten Richtungen und Zustände der menschlichen Seele, er betrachtet die Welt, er spiegelt in seinem besondern Leben das öffentliche, er knüpft seine eigenen Schicksale, wenn auch in sehr untergeordnetem Verhältniß, an die wichtigsten Personen und Ereignisse seiner Zeit.

Diese Zeit war eine bedeutende, vielfach und stürmisch bewegte. Die Verwirrung des Reichs nach dem Tode Heinrichs VI., der verderbliche Streit der Gegenkönige Philipp und Otto, Friedrichs II. heranwachsende Größe, dessen Kämpfe gegen die päbstliche Allmacht, der Kreuzzüge wogendes Gedräng!

Unscheinbar allerdings ist das Auftreten unsres Dichters auf der Bühne dieser Weltbegebenheiten. Schon darüber könnten wir verlegen seyn, wie wir ihn zuerst in die Welt einführen, denn sein Ursprung ist bis jetzt nicht mit Sicherheit erhoben.

Im obern Thurgau stand, nach Stumpf's Schweizerchronik, ein altes Schloß: Vogelweide. Im benachbarten Sankt Gallen hat das patrizische Geschlecht der Vogelweider geblüht. Mit diesem Geschlecht und jenem Schlosse wird Walther von der Vogelweide in Beziehung gesetzt[1].

In keinem deutschen Lande finden wir auch die ritterlichen Sänger so gedrängt beisammen, als in jenen nachbarlichen Gebirgsthälern, die von der Thur, der Sitter, der Steinach durchrauscht werden, und dort, wo der Rhein dem Bodensee zueilt. Der Truchseß von Singenberg, der Schenk Kunrad von Landegg, Göli, Graf Kraft von Toggenburg, Heinrich und Eberhard von Sar, Friedrich von Husen, Kunrad von Altstetten, Walther von Klingen, Heinrich von Frauenberg, Wernher von Tüfen, Heinrich von Rugge, der von Wengen, der Hardegger, der Taler, Rudolf von Ems u. A. m., von denen allen noch Lieder vorhanden sind, gehören theils mit Gewißheit, theils mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit, jener Gegend an[2].

Mitten in jenen sangreichen Gauen lag das Stift Sankt Gallen, von dem der Anbau der Gegend und die Bildung ihrer Bewohner ausgegangen. Die dortigen Klosterbrüder waren im 9. und 10. Jahrhundert gepriesene Tonkünstler. Ihre geistlichen Lieder, wozu sie selbst die Singweise setzten, giengen in den allgemeinen Kirchengesang über. Eben so frühe wurde zu St. Gallen in deutscher Sprache gedichtet, und hinwieder das deutsche Heldenlied (Walther und Hiltegund) in lateinische Verse übertragen. Namentlich aber waren diese Mönche beschäftigt, die Söhne des benachbarten Adels überhaupt sowohl, als insbesondre in der Tonkunst, zu unterrichten[3]. Und eben in diesen Verhältnissen mochten Keime liegen, welche nachher im ritterlichen Gesang zur Blüthe gekommen sind.

Der von Singenberg war des Abtes zu St. Gallen Truchseß, der von Landegg dessen Schenk, Göli (jedoch nur muthmaßlich) dessen Kämmerer, und also sehen wir diesen fürstlichen Abt von einem singenden Hofstaat umgeben. Auch die andern adelichen Geschlechter, aus denen zuvor eine Reihe von Minnesängern namhaft gemacht wurde, sind größtentheils als Lehens- und Dienstleute des Klosters bekannt[4]. Selbst das meldet Hugo von Trimberg in seinem Renner (um 1300), daß ein Abt von St. Gallen schöne Taglieder gesungen, d. h. Lieder, in welchen der Wächter verstohlene Minne warnt, daß sie nicht vom Tageslicht überrascht werde.

Unsern Dichter von da ausgehen zu lassen, wo der Gesang so heimisch war, wo vielleicht der eigentliche Quell der schwäbischen Liederkunst zu suchen ist, hat an sich etwas Gefälliges. Auch darf nicht unbeachtet bleiben, daß jener St. Gallische Truchseß von Singenberg sich besonders viel mit Walthern zu schaffen macht. Er rühmt denselben als Sangesmeister, betrauert dessen Tod, ahmt seine Lieder nach, und wir finden auf diese Weise im Thurgau wenigstens einen Widerhall von Walthers Gesange.

Gleichwohl bleibt der Ursprung des Dichters in jener Gegend noch immer zweifelhaft. Das vormalige Daseyn einer Burg Vogelweide scheint lediglich auf der Angabe der vorgenannten Chronik zu beruhen, und die Urkunden des Stiftes St. Gallen, welche nicht leicht einen Weiler, einen Thurm der Umgegend unberührt lassen, enthalten, so viel man bis jetzt weiß, keine Spur von dem fraglichen Stammschloß[5]. Das ausgestorbene St. Gallische Geschlecht der Vogelweider kömmt erst im 15. Jahrhundert unter denjenigen vor, welche als Gerichtsherrn den Junkertitel führen konnten, und es mag seinen Namen eher von einer Bedienung, als von einer Burg, entnommen haben[6]. Rühmliche Erwähnung des Dichters aber und vertraute Bekanntschaft mit seinen Liedern findet sich nicht blos beidem Truchseß von Singenberg, sondern auch bei andern gleichzeitigen und spätern Sängern, welche nicht dem Thurgau angehören.

Ein Meistergesang über die Stifter der Kunst nennt Walthern einen Landherrn aus Böhmen[7]. Anderwärts wird er dem sächsischen Adelsgeschlechte von der Heide beigezählt[8]. Beides ohne ersichtlichen Grund. Neuerlich ist seine Geburtsstätte in Würzburg gesucht worden, wo er begraben liegt und wo vormals ein Hof »zu der Vogelweide« genannt war[9]. Und nach Allem bleibt noch die Frage übrig: ob nicht der Name ein dichterisch angenommener oder umgewandelter sey? wovon man auch sonst in jener Zeit Beispiele findet.

Die Sprache von Walthers Gedichten leitet auf keine nähere Spur seiner Herkunft, da sie in der weit verbreiteten oberdeutschen Mundart verfaßt sind, in welcher die meisten Dichter des 13. Jahrhunderts gesungen haben.

Der Dichter selbst, dessen Ausspruch entscheiden würde, gedenkt nur einmal des Landes, wo er geboren ist, aber ohne es zu benennen. Er hat, als er in späteren Jahren dorthin zurückgekommen, Alles fremd gefunden, was ihm einst kundig war, wie eine Hand der andern, das Feld angebaut, den Wald verhauen und nur das Wasser noch fließend, wie es weiland floß. (Man. I 141b f.) Auch sonst ist in seinen Liedern nirgends eine Beziehung auf die Gegend des Thurgaus, ob er gleich von den Orten seines Aufenthalts und von seinen Wanderungen vielfältig Rechenschaft giebt. Die erste bestimmtere Ortsbezeichnung ist es, wenn er meldet:

Zu Oesterreich lernte ich singen und sagen.(Ebd. I 132a)

Aus diesen Worten ist übrigens noch keineswegs zu schließen, daß er auch in Oesterreich geboren sey, eher das Gegentheil; denn sie bezeichnen gerade nur das Land seiner Bildung zur Kunst. In Oesterreich, wo die Kunst des Gesanges unter den Fürsten aus babenbergischem Stamme so schön gepflegt wurde, konnten die Lehrlinge derselben gute Schule finden. Auch Reinmar von Zweter, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts dichtete, berichtet von sich:

Von Rheine, so bin ich geboren,In Oesterreiche erwachsen.(Man. II 146b)

Nach allen Anzeigen war Walther von adelicher Abkunft. Mit dem Titel: Herr, dem Zeichen ritterbürtigen Standes, redet er selbst sich an, und so wird er auch von Zeitgenossen benannt. Spätere nennen ihn Ritter[10]. Daß er ein Reichslehen erhalten hat, werden wir nachher sehen.

Dem Bilde, welches sich in der Weingartner Handschrift vor seinen Liedern befindet, ist weder Helm noch Schild beigegeben. Nur das Schwerdt ist seitwärts angelehnt. In der Manessischen Handschrift sind Helm und Schild hinzugekommen; das Wappenzeichen auf beiden ist ein Falke oder andrer Jagdvogel im Käfig, also gänzlich verschieden von dem bei Stumpf abgezeichneten Wappen der Vogelweider, welches drei Sterne enthält.

Ansehnlich muß das adeliche Geschlecht des Dichters in keinem Falle gewesen seyn. Er sagt einmal: »Wie nieder ich sey, so bin ich doch der Werthen einer.« (Man. I 122b). Ueber seine Armuth klagt er öfters, und eben sie mag ihn bewogen haben, aus der Kunst des Gesanges, die von Andern aus freier Lust geübt ward, ein Gewerbe zu machen.

»Zu Oesterreich lernte ich singen und sagen.«

Mit diesen Worten des Dichters treten wir zuerst aus dem Gebiete der Fabel und der Vermuthung auf einen festeren Boden. Doch müssen wir häufig diesen wieder verlassen und uns darauf beschränken, einzelne sichere Punkte zu bezeichnen, welchen wir dann dasjenige, was den Stempel von Ort und Zeit weniger bestimmt an sich trägt, nach Wahrscheinlichkeit und nach Verwandtschaft der Gegenstände anreihen. Wo sich der Faden der Geschichte verliert, da giebt das innere Leben des Dichters Stoff genug, die Lücke auszufüllen.

Es lassen sich zweierlei Zeiträume bestimmt unterscheiden, in welchen der Dichter am Hof der Fürsten von Oesterreich aus babenbergischem Stamme gelebt hat. Er befand sich dort unter Friedrich, von den Spätern der Katholische genannt, der von 1193 bis 1198 am Herzogthume war, und kam dorthin zurück unter Leopold VII., dem Glorreichen, vor dem Jahre 1217.

Diese beiden Fürsten waren Söhne Leopolds VI., des Tugendreichen, Herzogs von Oesterreich und Steier, der zu Anfang des Jahres 1193 gestorben war. Friedrich, der ältere Sohn, ließ sich 1195 mit dem Kreuze zeichnen, reiste 1197 nach Palästina ab und starb 1198 auf der Kreuzfahrt[11].

Mit ihm muß dem Dichter Vieles zu Grabe gegangen seyn. In einem geraume Zeit nachher gedichteten Liede rechnet er den Anfang seines unsteten und mühseligen Lebens eben von dem Tode Friedrichs an. Lebendig genug schildert er in demselben Liede seine Trauer um den fürstlichen Gönner: »Da Friedrich aus Oesterreich also warb, daß er an der Seele genas und ihm der Leib erstarb, da drückt ich meine Kraniche (Schnabelschuhe) tief in die Erde, da gieng ich schleichend, wie ein Pfau, das Haupt hängt' ich nieder bis auf meine Kniee.«

Zwar fällt in Walthers Zeit noch ein andrer Friedrich von Oesterreich, Friedrich der Streitbare, des Obigen Neffe, der 1230 seinem Vater, Leopold VII., nachfolgte und 1246 in der Ungarnschlacht an der Leitta umkam. Es sind aber hinreichende Gründe vorhanden, das angeführte Gedicht nicht auf den Neffen, sondern auf den Oheim, zu beziehen. Das Genesen an der Seele bei dem Ersterben des Leibes ist bezeichnend für den Tod auf der Kreuzfahrt, welchen der Dichter auch sonst für einen segenreichen erklärt. Und wenn wir auch annehmen wollten, daß Walther, der, wie sich zeigen wird, schon 1198 in sehr männlichem Geiste gedichtet, noch um 1246 gelebt und gesungen habe, so wird doch aus dem natürlichen Zusammenhange, worin jenes Lied späterhin erscheint, sich ergeben, daß solches in den ersteren Jahren der Regierung Kaiser Friedrichs II., also gar lange vor dem Tode Friedrichs des Streitbaren, entstanden sey.

Wenn uns gleich der Dichter, ausser dem Wenigen, was angeführt wurde, von den Schicksalen seiner früheren Lebenszeit keine bestimmtere Nachricht giebt, so ist uns doch, bevor wir ihm weiter folgen, ein verweilender Blick in seine Jugend gestattet. Er zeigt uns den Zeitraum, worein solche gefallen, im Widerscheine seiner späteren Lieder.

»Hievor war die Welt so schön!« ruft er klagend aus. Inniglich thut es ihm wehe, wenn er gedenkt, wie man weiland in der Welt gelebt. O weh! daß er nicht vergessen kann, wie recht froh die Leute waren. Soll das nimmermehr geschehen, so kränket ihn, daß er's je gesehen. Jetzt trauern selbst die Jungen, die doch vor Freude sollten in den Lüften schweben (I 129a 140b 114b).