Wandering Hearts - Josi Wismar - E-Book
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Wandering Hearts E-Book

Josi Wismar

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Beschreibung

Sie ist der Sonnenschein zu seinen Gewitterwolken. Er ist der Wind unter ihren Flügeln.

Taras Leben ist durchgeplant: Sie studiert Tiermedizin, um eines Tages die Familienpraxis zu übernehmen. Als sie beschließt, für ein Praktikum nach Kanada zu gehen, kommt es zu einem heftigen Streit mit ihren Eltern. Dennoch bricht Tara auf. Kurz nach ihrer Ankunft soll sie ausgerechnet Jaimie, den mürrischen Ranger, der sie von Anfang an nicht leiden kann, auf eine Forschungsreise begleiten. Auf ihrem Weg durch die Rocky Mountains, vorbei an versteckten Wasserfällen und atemberaubenden Seen, müssen sie auf engstem Raum miteinander auskommen. Langsam taut Jaimie auf, und zwischen den beiden knistert es gewaltig. Bei ihrer Rückkehr jedoch droht die Seifenblase, in der sie sich befinden, jäh zu zerplatzen, als sie sich mit der Realität und schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert sehen.

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Seitenzahl: 553

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Das Buch

Taras Leben ist durchgeplant: Sie studiert Tiermedizin, um eines Tages die Familienpraxis zu übernehmen. Als sie beschließt, für ein Praktikum nach Kanada zu gehen, kommt es zu einem heftigen Streit mit ihren Eltern. Dennoch bricht Tara auf. Kurz nach ihrer Ankunft soll sie ausgerechnet Jaimie, den mürrischen Ranger, der sie von Anfang an nicht leiden kann, auf eine Forschungsreise begleiten. Auf ihrem Weg durch die Rocky Mountains, vorbei an versteckten Wasserfällen und atemberaubenden Seen, müssen sie auf engstem Raum miteinander auskommen. Langsam taut Jaimie auf, und zwischen den beiden knistert es gewaltig. Bei ihrer Rückkehr jedoch droht die Seifenblase, in der sie sich befinden, jäh zu zerplatzen, als sie sich mit der Realität und schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert sehen.

Die Autorin

Josi Wismar studiert Buchwissenschaft in Mainz, und fast ihr gesamtes Leben ist mit der Buchbranche verknüpft. Auf ihren Social-Media-Kanälen tauscht sie sich gerne mit ihren Leser*innen aus, schreibt in Livestreams gemeinsam mit der Community an ihrem neuesten Buch und verbringt einen gefährlich großen Teil ihrer Bildschirmzeit auf BookTok. Wenn sie nicht gerade versucht, den Lesemonat ihrer Podcast-Partnerin Sarah in ihrem gemeinsamen Buch-Podcast #Ausgelesen zu übertreffen, steht sie auf dem Fußballplatz oder vermisst die Berge, in die sie ganz dringend mal wieder fahren muss.

Lieferbare TitelWords I KeepWords You NeedWords We Share

Josi Wismar

Roman

Band 1 der Wild Hearts-Dilogie

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Liebe Leser*innen,dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich auf der letzten Seite eine Triggerwarnung. Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch. Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Josi Wismar und der Heyne VerlagDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 07/2024

© Josi Wismar 2023

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb.

Copyright © 2024 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Silvana Schmidt

Umschlaggestaltung: bürosüd, www.buerosued.de

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30258-0V003

www.heyne.de

Für BookTok und die gesamte Buchcommunity. Danke, dass ihr einen Ort geschaffen habt, an dem ich ganz aufrichtig ich selbst sein darf.

Kapitel 1

Tara

Packlisten zu schreiben war mir nie sonderlich schwergefallen.

Doch jetzt stand ich hier vor meinem Koffer, der fast größer war als ich, und starrte auf die leeren Packhilfen. Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde. Genauso wenig wusste ich, wie viele Tage ich weg sein würde.

»Du ziehst das echt durch, ja?«, drang Milas Stimme aus dem Handy, das ich auf den Schreibtisch gelegt hatte. Direkt neben meinen Kalender, in dem ich mit babyblauem Textmarker das Wort KANADA hervorgehoben hatte.

»Ich glaube schon«, nuschelte ich und zählte die neun Packhilfen – die einen organisierten und ordentlichen Koffer versprachen – ein weiteres Mal ab. Ich glaubte nicht, dass die Berge an Klamotten, die daneben auf sortierten Stapeln lagen, wirklich hineinpassen würden. Ich wusste, dass es neun waren, weil ich die Kategorien für meine Klamotten selbst durchdacht und danach die dunkelgrünen Beutel aus dem Keller geholt hatte.

»Deine Stimme sagt auf jeden Fall Ich steige morgen in ein Flugzeug, um für unbestimmte Zeit in Kanada zu bleiben, und der Gedanke macht mir überhaupt keine Angst.« Ich konnte das Kopfschütteln meiner besten Freundin dank ihrer sarkastischen Stimme vor mir sehen, auch wenn wir nur telefonierten.

»Ich bin ja gar nicht für unbestimmte Zeit weg«, versuchte ich mich selbst vom Gegenteil zu überzeugen. »Spätestens für das nächste Sommersemester muss ich zurück sein.« Was immer noch knapp sieben Monate waren, aber das sagte ich nicht laut. Ich hörte die Haustür im Erdgeschoss, und mit einem Mal spürte ich den Herzschlag viel stärker in meiner Brust hämmern.

»Hast du schon ein Rückflugticket gebucht? So mit festem Datum und allem?«

»Nein.« Ich schüttelte den Kopf und ließ mich resigniert auf den hellen Teppich in der Mitte meines Zimmers fallen. Mila schwieg und rieb mir nicht noch mal unter die Nase, dass sie natürlich recht hatte. Ich würde erst mal auf unbestimmte Zeit in Kanada sein.

Ein Klopfen an der Tür, doch ich schaute nur weiter auf den leeren Koffer. Für jeden anderen Trip hätte ich schon gestern Mittag fertig gepackt.

»Komm rein.«

»Noch nicht fertig mit packen?« Mein Bruder schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an.

»Ist das Matty?«, fragte Mila überflüssigerweise.

»Nein, nur ihr unglaublich gut aussehender Freund, von dem sie dir noch nichts erzählt hat«, konterte er mit einem breiten Grinsen.

»Erzähl keinen Quatsch. Ich weiß alles aus Taras Leben. Sogar die Dinge, die sie selbst nicht weiß. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass Unterhosen für zwei Wochen völlig ausreichen und sie dann eben eine Waschmaschine zwischen Bergen und Bären finden muss.«

»Warum habe ich das Gefühl, in ein Gespräch hineingeplatzt zu sein, an dem ich überhaupt nicht teilhaben will?« Matty lachte auf, doch ich verdrehte nur genervt die Augen.

»Nanaimo ist überhaupt nicht so sehr in der Wildnis, wie das jetzt aus deinem Mund klingt.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Nanaimo war die zweitgrößte Stadt auf Vancouver Island. Da musste es eine Menge Waschmaschinen geben. Oder?

»Und warum heißt es dann Wildlife Rescue Center? Wo Wildlife ist, muss ja wohl auch Wild sein?« Mila kicherte über ihren eigenen Witz, aber mir war ganz und gar nicht zum Lachen zumute.

»Warum machst du dir eigentlich so sehr in die Hosen?« Mein Bruder setzte sich neben mich auf den Teppich »Du bist quasi in den Bergen groß geworden, was ist da schon ein bisschen kanadische Natur?« Ich lächelte und erinnerte mich an zahlreiche Momente, die wir gemeinsam in den Alpen erlebt hatten. Ständig waren wir von München in die Berge gefahren und hatten ganze Sommer dort verbracht. »Und mit den Tieren wirst du ja wohl klarkommen.« Ich hob den Blick und sah meinem Zwillingsbruder, der die gleichen aschblonden Haare hatte wie ich, in die Augen.

»Aber dir ist schon bewusst, dass Krallen schneiden bei Kaninchen oder Ultraschall bei Hauskatzen in eine andere Kategorie fallen als verletzte Luchsbabys und verwaiste Pumas?« Matty zuckte nur mit den Schultern.

»Und seit wann machen dir neue Herausforderungen Angst?«

»Tara, dein Bruder sagt manchmal ziemlich kluge Dinge.« Auch wenn Mila nicht hier war, half es mir, zu wissen, dass sie doch alles mitbekam, und ihre Worte beruhigten mich.

»Matthias? Tara?« Die schrille Stimme meiner Mutter hallte durch das Treppenhaus. »Kommt ihr zum Essen?« Ich schnaubte resigniert und klappte den leeren Koffer einfach wieder zu.

»Wir sollten sie nicht warten lassen.« Matty strich mir sanft über den Rücken.

»Ja, Matthias. Ihr solltet eure Eltern nicht warten lassen, Matthias.«

»Ich leg gleich einfach auf, Mila«, erwiderte dieser entnervt, doch Mila hörte ihn vor lauter Lachen vermutlich nicht einmal. Ich stand auf und war in wenigen Schritten bei meinem Handy. Mit einem schnellen »Bis morgen, Mila« verabschiedete ich mich von meiner besten Freundin und stand nun allein mit meinem Bruder im Zimmer, das auf einmal so unangenehm still war.

»Wird bestimmt nicht so schlimm.« Das war diese Sache mit den Zwillingsbrüdern. Sie konnten fühlen, was man dachte, auch wenn man der festen Überzeugung war, sein Pokerface verbessert zu haben.

»Ja, stimmt. Wir reden heute bestimmt über das schöne Sommerwetter und nicht über die Tatsache, dass ich es wage, ein Auslandspraktikum zu machen. Sprechen wir heute über den Alltag in der Praxis oder wird es doch eher wieder Thema sein, wie enttäuscht alle von mir sind, weil ich gehe?«

»Ich bin nicht enttäuscht von dir.« Die Worte meines Bruders schmerzten.

»Sorry.« Ich wollte ihn da nicht mit reinziehen. Er war auf meiner Seite, und ohne ihn hätte ich die letzten Wochen nicht überstanden, doch gegen meine Eltern hatte man den Kampf bereits verloren, noch bevor er überhaupt angefangen hatte. »Ich verstehe das nur alles nicht, Matty …« Ich hatte aufgegeben zu zählen, wie häufig dieser Satz in den letzten Wochen meinen Mund verlassen hatte. Ich verstand nicht, warum es so ein Problem war, dass ich nach Kanada wollte, wenn doch alle in der Familie mindestens ein Semester ihres Veterinärmedizinstudiums im Ausland verbracht hatten. »Ihr wisst doch alle, dass ich zurückkomme. An dem Plan, dass wir beide die Praxis übernehmen, hat sich doch nichts geändert.« Ich warf die Hände in die Luft und schnalzte genervt mit der Zunge.

»Ich kann es dir nicht sagen.« Matty wusste, wie hart die letzte Zeit für mich gewesen war. Er legte seine Hand auf meinen Oberarm und sah mich voller Mitleid an. Jeden Tag mit meinen Eltern zu streiten, verunsicherte mich, aber ich war mir sicher: Ich wollte nach Kanada.

Mattys mitleidiger Blick wich einem schelmischen Grinsen. »Ich würde ihnen an deiner Stelle nur nicht sagen, dass du die Praktikumsstelle nicht bekommen hast und dir noch nicht sicher bist, was genau du nach der Zeit bei Beth im Rescue Center machst.«

»Danke, Matty. Hilfreicher Tipp.« Ich verdrehte die Augen und wollte ihm am liebsten in die Schulter boxen, aber er hatte recht. Ich war aus allen Wolken gefallen, als mich eine Absage der renommierten Praxis in Calgary erreicht hatte, aber zwischen Wir sind enttäuscht von dir und Du zerstörst dir deine Zukunft hatte ich bisher einfach noch nicht den richtigen Moment gefunden. »Wenn ich das mache, bin ich noch vor dem Nachtisch enterbt.« Wir lachten beide, auch wenn uns bewusst war, dass das kein Witz war. Abwegig war nach den letzten Wochen rein gar nichts mehr.

»Du bleibst erst mal bei Beth, und dann sehen wir weiter.« Ich legte die Packhilfe von einer Seite neben dem Koffer auf die andere und wünschte mir, Mattys Optimismus würde auf mich abfärben.

»Ich hoff’s. Keine Ahnung, wie es wird, sie wiederzusehen.« Ich ließ den Kopf in alle Richtungen kreisen, um die Verspannungen in meinem Nacken zu lösen. »Ist ja immerhin schon über zehn Jahre her.« Kurz schwiegen wir beide, aber ich spürte, dass Matty noch etwas hinzufügen wollte.

»Weißt du …«, begann er, und ich richtete meinen Blick wieder auf ihn. »Manchmal tun Menschen doofe Dinge. In dem Glauben, das Richtige zu tun.«

»Meinst du mit Menschen zufälligerweise unsere Eltern?« Ich schnaubte ungläubig und räumte ein paar weitere Klamotten hin und her. Mein Bruder sah mich an, und das Mitleid in seinem Blick verursachte ein Stechen in meiner Brust.

»Du musst dir das nicht gefallen lassen, Tara.«

»Aha«, antwortete ich nur. Seine Worte überforderten mich. Wie sollte dieses nicht gefallen lassen denn seiner Meinung nach aussehen?

»Ich steh hinter dir Tara, das ist eigentlich alles, was ich damit sagen will.« Ich atmete tief ein und zog meinen Bruder in eine Umarmung.

»Danke«, nuschelte ich an seiner Schulter und hoffte, dass das die Situation irgendwie erträglicher machen würde.

Die unangenehme Stille wurde nur vom Quietschen des Bestecks unterbrochen, wenn es über die glänzend weißen Porzellanteller kratzte. Matty und ich waren nach unten ins Esszimmer gegangen, wo wir seitdem schweigend mit unseren Eltern zu Abend aßen. Es war verwirrend, wenn sich Alltägliches plötzlich anfühlte, als würde jeder meiner Schritte kritisch beäugt werden. Was tut Tara als Nächstes? Wen enttäuscht sie nun mit ihren hirnrissigen Entscheidungen?

»Möchtest du noch Erbsen?« Meine Mutter hielt mir die kleine Schale hin, und ich nickte, obwohl ich noch löffelweise Gemüse auf meinem Teller liegen hatte. Ich würde die Beziehung zu meinen Eltern nicht als schlecht bezeichnen. Eigentlich war sie sogar immer sehr gut gewesen. Aktuell war sie nur … kompliziert.

»Ich habe übrigens für morgen Abend einen Tisch für uns reserviert.« Die tiefe Stimme meines Vaters durchschnitt die Stille. Mein unsicherer Blick schnellte zu Matty, der offensichtlich selbst nicht so recht wusste, was er antworten sollte. Ich schluckte schwer, während meine Eltern ganz unbekümmert ein paar Nudeln auf ihre Gabeln schoben.

»Fahren wir dann vom Flughafen aus direkt ins Restaurant?«, versuchte sich Matty an meiner Rettung. Mein Vater erstarrte mitten in der Bewegung und mit ihm auch ich.

»Was will ich denn morgen am Flughafen?« Verdrängung. Darin war mein Vater ganz großartig. Wenn ich nur fest genug die Augen verschließe, dann ist da sicher kein Problem.

»Um mich zu verabschieden?« Ich umklammerte den Griff meines Messers so fest, dass das Weiß meiner Knöchel hervortrat. Meine ruhige Stimme war das Gegenteil dessen, was in mir vorging. Mein Puls beschleunigte sich, weil ich leuchtend hell vor mir sah, wohin sich dieses Gespräch unweigerlich bewegte. Mal wieder.

»Tara, du kannst doch nicht …«

»Alexander!« Klirrend legte meine Mutter das Besteck auf ihrem Teller ab und sah meinen Vater eindringlich an. Sie kniff die Augen zusammen und gab uns allen deutlich zu verstehen, dass sie dieses Gespräch nicht führen wollte.

»Ich will hören, was er zu sagen hat.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Tara!« Schockiert riss meine Mutter die Augen auf. So deutliche Worte fand ich sonst nie. Schon gar nicht gegenüber meinem Vater. Sie kehrte allerdings schnell zu der üblichen, ausdruckslosen Mimik zurück. Bestimmt erinnerte sie sich wieder an die guten Manieren bei Tisch, die sie uns seit unserer Kindheit vorbetete. Ich zuckte nur mit den Schultern, während ich das Adrenalin durch meine Beine fließen spürte.

»Ich …« Kurz stockte ich und atmete tief durch. Wenn ich antworten wollte, musste ich ruhig bleiben. Mich erwachsen verhalten, im Gegensatz zu den zwei Erwachsenen, die mir gegenübersaßen. »Ich möchte ein Auslandssemester machen und verstehe einfach nicht, warum ihr mich nicht unterstützt.« Die Ruhe in meiner Stimme überraschte selbst mich. Während ich mir an den Nägeln herumknabberte, starrte ich meine Mutter an, wartete auf eine Antwort. Wie schon seit Wochen.

»Tara, Schätzchen …« Meine Mutter reichte mir die Hand über den Tisch, aber ich ließ meine nur auf meinen Schoß sinken. Ich wollte ihre Hand nicht nehmen und mich wie ein kleines Kind tätscheln lassen. Nicht, wenn ihre Stimme mir verriet, dass sie schon wieder ablenken würde. Oder an meine Vernunft appellieren. »… sei doch vernünftig.« Ich verdrehte die Augen. Da war es wieder.

»Kann denn keiner in diesem Haus einmal auf meine Fragen antworten?« Meine Stimme brach bei den letzten Worten. Eine so einfache Frage, die die letzten Wochen so unerträglich schwer gemacht hatte. Meine Augen brannten verdächtig, und mein Herz hämmerte von innen gegen meinen Brustkorb. Ich sah meine Eltern an, die im Gegensatz zu mir so ruhig schienen. Wie konnten sie mich mit Schweigen strafen, wenn mein einziges Vergehen war, eigene Entscheidungen zu treffen? Mattys Hand wanderte unter dem Tisch zu mir, und er verhakte seine Finger mit meinen. Es war okay, dass er sich nicht für mich ins Feuer warf, auch wenn ich es mir wünschte. Nach einer gefühlten Ewigkeit des stummen Starrens nahm mein Vater sein Besteck in die Hand und begann wieder auf seinem weißen Porzellanteller herumzukratzen. Er schnitt sich ein Stück Braten ab, steckte es sich in den Mund und begann zu kauen.

»Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein.« Meine Brust hob sich schwer, und ich starrte ihn fassungslos an. Immerhin nahm er mir jetzt die Entscheidung ab, ob ich traurig oder wütend sein sollte.

»Tara.« Er hob den Blick und sah mich mit einem entnervten Seufzen an. »Ich dachte …«

»Nichts Ich dachte!« Ich schlug das runde Ende meines Messers so fest auf die Tischplatte, dass ich meine Mutter im Augenwinkel zusammenzucken sah. »Nichts Ich dachte, nichts Wir wollen das nicht, nichts Wir sind enttäuscht von dir. Mir reicht es!« All die Wut der letzten Wochen suchte sich ihren Weg nach draußen, und ich hatte einfach keine Kraft mehr übrig, das zu verhindern. Ich sah meinem Vater in die Augen und erwiderte standhaft seinen strengen Blick. Die drückende Stille breitete sich immer weiter aus. Was tat ich jetzt? In Filmen stand man nach dramatisch emotionalen Ausbrüchen meistens auf und stürmte wütend davon, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Diesen Moment hatte ich wohl verpasst.

»Tara, Liebes …« Die ruhige Stimme meiner Mutter drang zu mir durch, ließ es so klingen, als wäre das bereits alles, was sie sagen wollte. Aber nach den letzten Wochen wusste ich zu gut, dass da noch etwas folgen würde. »Wir wollen doch nur das Beste für dich.«

»Ich weiß, ihr seid enttäuscht – auch wenn ich das nicht verstehen kann. Wie auch, wenn keiner mit mir redet.« Ich hielt inne, musste mich bremsen, überrascht von der klaren Erkenntnis in meinen Worten. »Ich weiß auch, dass ihr das nicht gut findet und meine Entscheidung nicht unterstützt. Keine Sorge, das spüre ich seit Wochen.« Ich holte ein letztes Mal tief Luft, atmete mit dem Sauerstoff auch die nötige Portion Mut ein. »Ich werde morgen fliegen.«

Kapitel 2

Jaimie

»Guten Morgen, Rusty!« Ich öffnete die kleine Voliere und trat zu dem kleinen Fischadler ins Gehege. Er sah mich, kreischte zweimal schrill und kam aufgeregt auf mich zugehüpft. »Na, wie geht es uns heute morgen?« Ich streckte ihm die linke Hand hin, die in einem robusten dunkelbraunen Handschuh steckte, sodass ich zwar die Krallen spürte, als Rusty auf meine Hand sprang, aber er mir nicht direkt die Haut blutig kratzte. Ich strich ihm ein paar seiner Federn glatt und begutachtete den Flügel, der seit einem Zusammenstoß mit einem Auto schief an der Seite herunterhing. Wir konnten ihn zwar retten, nachdem ich ihn zu Beth ins Wildlife Rescue Center Nanaimo gebracht hatte, aber wieder fliegen und zurück in die Wildnis können, stand für dieses kleine Kerlchen leider nicht auf dem Plan. Stattdessen würde er in diesem Gehege mit grasbewachsenem Boden und einigen gestapelten Ästen, auf denen er herumklettern konnte, leben. Er hielt nicht wirklich still und begann stattdessen in Richtung meiner Hüfte zu picken und auf meinen Fingern hin und her zu tapsen. »Kann es sein, dass du mich gar nicht um meinetwillen magst?« Vorwurfsvoll sah ich den braun-weißen Vogel auf meiner Hand an, als würde er mir diese Frage wirklich beantworten können. »Gib es zu, du hast nur gerochen, dass ich dir dein Frühstück vorbeibringe!« Rusty kreischte lediglich zur Antwort, und ich schüttelte nur resigniert den Kopf.

»Na gut, na gut«, gab ich mich geschlagen und griff das erste kleine Stückchen Fisch, das ich heute Morgen in Kleinstarbeit zerlegt hatte, aus dem Beutel an meinem Gürtel. Währenddessen hatte ich mir in einem halben Podcast Zoeys wöchentliche Zusammenfassung anhören müssen. Sie war zwar nicht Beths einzige Mitarbeiterin, aber die einzige, der ich nicht dauerhaft aus dem Weg ging. Immerhin stellte sie nicht mehr die unangenehme Frage, was ich hier eigentlich machte. Unangenehm deshalb, weil ich die Antwort darauf selbst nicht kannte. Zumindest redete ich mir das ein.

Das letzte Stück Fisch legte ich auf Rustys erhöhten Stand und setzte ihn direkt daneben ab. Nachdem ich das Gehege verlassen hatte, lehnte ich mich mit meinem ganzen Gewicht gegen das Metallgitter, das die Tür darstellen sollte und atmete erleichtert aus, als das rostige Schloss einrastete. Einige Sekunden beobachtete ich Rusty noch und dachte an den Tag zurück, an dem ich ihn auf der Straße außerhalb von Nanaimo aufgesammelt hatte. Es gab viel zu wenige offizielle Organisationen, die sich langfristig um verwundete Tiere kümmerten. Dazu fehlten schlicht die Kapazitäten. Ich lehnte mich gegen das kühle Metall und kämpfte gegen die Wut an, die mich beim Gedanken an den rücksichtlosen Fahrer überkam, der durch das abgesperrte Naturschutzgebiet gerast war. Es brachte sowieso nichts. Meistens riefen die Leute dann eben eine Tierklinik oder das Rescue Center an, und dann kontaktierte Beth, die sowieso täglich in Arbeit ertrank, meist einfach mich. So kam es, dass ich nach wenigen Jahren bald schon ein Drittel der dauerhaften Bewohnerinnen und Bewohner hierhergebracht hatte.

Ich zückte mein Handy und scrollte in der Galerie zurück zu dem Tag, an dem ich Rusty aufgegabelt hatte. Kurz schmunzelte ich, als ich bemerkte, dass auf all meinen Fotos nur Tiere oder Natur zu sehen waren. Oder beides. Bis auf ein Selfie, das Zoey geschossen hatte, als ich mein Handy für zwei Minuten aus den Augen gelassen hatte.

»Hast du gerade was zu tun?« Ich zuckte zusammen und schaute in die Richtung, aus der Beths Stimme kam.

»Nein«, antwortete ich knapp.

»Gut, dann ändern wir das jetzt.« Sie nickte und stapfte in Richtung der Bärengehege davon. Ich lachte tonlos über Beths unverwechselbare Art und folgte ihr kurz darauf, ohne die Situation infrage zu stellen. Wir liefen an den Bärengehegen vorbei, und Beth grüßte Dawson mit einem simplen »Guten Morgen, Großer«. Er war als Einziger gerade draußen und in einer Ecke seines Geheges damit beschäftigt, ein Loch zu buddeln. Wir liefen an zwei weiteren Gehegen vorbei, die bis vor Kurzem noch leer standen, aber jetzt von Rotfüchsen und Luchsen bewohnt wurden. An der Gabelung blieb Beth stehen und schaute erst nach links, dann nach rechts. Sie zog ein Handy aus einer der zahlreichen Taschen ihrer schwarzen Outdoor-Hose und tippte einige Male darauf herum.

»Was machen wir eigentlich?« Ich trat neben sie und schaute die Frau an, die den ganzen Laden hier fest im Griff hatte.

»Wir suchen etwas«, antwortete sie prompt, ohne ihren Blick vom Smartphone zu lösen. Mit der klassischen Zwei-Finger-Adlertechnik tippte sie in Sekundenabständen einzelne Buchstaben an. Wenn das so weiterging, würden wir noch nach Sonnenuntergang hier stehen.

»Und was suchen wir?« Musste man dieser Frau denn alles aus der Nase ziehen?

»Loui und Chester.« Mit einem leichten Schnauben ließ sie ihr Handy wieder in die Hosentasche gleiten, in die drei von diesen Backsteinen gepasst hätten. Beth bog wild entschlossen nach rechts ab, und ich folgte ihr amüsiert lächelnd. Loui und Chester sorgten oft für Unruhe und andere Situationen, die einen von den langen To-do-Listen abhielten. Denn die beiden waren nicht unsere wichtigsten Mitarbeiter. Loui und Chester waren zwei Waschbären.

»Wir haben doch letzte Woche erst das Schloss repariert.« Ich joggte ein paar Meter, um zu Beth aufzuschließen, die sich bei jedem Schritt in drei Richtungen umguckte.

»Das ist richtig, aber sie haben die Vorzüge des Buddelns für sich entdeckt.« Mit einem kurzen Schnauben bückte sich Beth in ein breites Gestrüpp an der Seite des hellen Kieswegs. Waschbären waren leider viel zu kluge Tiere, die alles Mögliche lernten und es sich dann auch noch gegenseitig beibrachten. Ich stellte mich neben Beth und suchte die Büsche einige Meter weiter links ab, als würden die beiden Ausreißer uns nicht längst gehört haben und abhauen, sobald wir in Hörweite waren.

»Wie lange bleibst du heute?« Beth richtete sich auf, streckte ihren Rücken durch und dehnte ihren Nacken einige Sekunden.

»Ich habe heute Nachmittag ein Meeting mit dem Dozenten, der mein Abschlussprojekt betreut.« Ich versuchte bewusst ruhig zu atmen, da ich die Schwere in meiner Brust spürte, sobald wir dieses Thema anschnitten. Mein Research-Projekt beschäftigte mich mittlerweile seit über einem Jahr. Davon hing einfach alles ab. »Wir treffen uns am Campus«, schob ich nach, damit Beth klar war, dass ich heute noch an die VIU fahren würde. Sie nickte nur, und ich war froh, dass sie nicht nachfragte, ob ich sonst wirklich nichts vorhatte. Mein Leben bestand aus dem Studium, meiner freiwilligen Arbeit hier und dem Versuch, mich möglichst von Menschen fernzuhalten. Wir liefen weiter und suchten den Weg ab. Langsam kamen wir der Familienfarm näher, in der lauter kleine Tiere wohnten, die selbst unsere kleinsten Besucherinnen und Besucher streicheln konnten, und ich hoffte wirklich nicht, dass die beiden sich ein Plätzchen im Streichelzoo gesucht hatten. Ich wollte sie nicht zwischen den Ziegen und Schafen jagen. Nicht schon wieder.

Kapitel 3

Tara

Mit einem leichten Ruckeln setzte das Flugzeug auf, und ich starrte aus dem Fenster auf die Flughafengebäude. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Nach neun Stunden ohne Beinfreiheit war ich wirklich in Kanada. Es brannte verdächtig hinter meinen Augen, aber ich schluckte alle Gefühle runter. Ich war verdammt noch mal stolz auf mich, aber das musste der glatzköpfige Mittvierziger, der mich den gesamten Flug unterhalten hatte, ja nicht wissen. Diese Gefühle gehörten nur mir, auch wenn sie jetzt in meinem Magen rumorten.

Angespannt folgte ich den anderen Menschen aus dem Flugzeug und durch den Verbindungstunnel ins Gebäude. Ich ließ mich von der Menge treiben und versuchte immer wieder die Schilder zu finden, die mir meinen Weg in Richtung Passkontrolle und Gepäckausgabe leiteten. Große Milchglasscheiben trennten meinen Weg vom restlichen Gebäude, und ich konnte nur erahnen, wie es dahinter aussah. Ich versuchte alles in mir aufzunehmen, musste aber feststellen, dass es ein Flughafen wie jeder andere war. Die Klimaanlagen sorgten dafür, dass ich in meiner dunklen Reiseleggings nicht schwitzte, und der blau-graue Teppichboden unter meinen Füßen verwirrte mich. Auf eine sehr gedämpfte, gemütliche Weise. Ich hoffte, mich nicht zu verlaufen, und eigentlich war es auch kaum möglich, eine falsche Abbiegung zu wählen. Schließlich kam ich am oberen Ende einer Treppe an, von der aus ich eine gigantische Halle überblicken konnte.

Ich lief die Stufen nach unten, die mich in die große Halle führten, in der mit zahlreichen Bändern verschiedene vorgegebene Wege voneinander abgegrenzt waren. Mein Blick wanderte allerdings an den zwei großen Totempfählen hoch, die an beiden Seiten der Treppe in die Höhe ragten. Sie waren so beeindruckend massiv und doch voller feiner Details, dass ich mich in diesem Anblick verlor. Erst als eine fremde Schulter mich fast aus dem Gleichgewicht brachte, erinnerte ich mich daran, dass das hier noch nicht zu meinem Touri-Programm der nächsten Tage in Vancouver gehörte. Ich stolperte zwei Treppenstufen nach unten, bekam das Geländer zu fassen und spürte den schweren Rucksack auf meinem Rücken an mir ziehen.

Ich fischte nach meinem Handy, das an einer Kordel um meinen Hals baumelte, und schoss schnell einige Fotos, bevor ich mich mit dem kostenlosen WLAN verband.

Bin gelandet. Melde mich, wenn ich ohne weitere Zwischenfälle meinen Koffer bekommen habe.

Ich rieb meine schwitzigen Hände an meiner Leggings ab und wartete auf Milas Antwort, auch wenn es bei ihr schon nach Mitternacht war.

Hoffentlich finden sie nicht die Drogen und das Bargeld in deinem Handgepäck.

Mir war klar, dass meine beste Freundin nur lustig sein wollte, doch eine irrationale Angst in meinem Kopf ließ mich die Augen weit aufreißen, in der Hoffnung, dass niemand in Uniform gerade diese Nachricht gelesen hatte.

Genau Tara. Diese Nachricht. Auf deinem Handy. Auf Deutsch.

Nachdem ich an ein automatisiertes Terminal gelotst wurde, meinen Pass einscannen und ein Verbrecherinnenfoto von mir machen lassen musste, stellte ich mich in die nächste und hoffentlich letzte Schlange. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte die bestimmt vierzig Meter hohe Halle nach oben. Es war ein Flughafen, und doch redete ich mir ein, dass hier alles anders war. Dieses Gefühl in der Magengegend, die Totempfähle an jeder Ecke und die Menschen, die mit mir in der Schlange standen – das alles zauberte mir ein schmales Lächeln ins Gesicht. Es ging schnell voran, und erst als nur noch eine Person vor mir stand, erkannte ich, was hier passierte. Passkontrolle. Aber nicht wie am Münchner Flughafen, an dem ein unmotivierter Mann in seinem Glaskasten saß und einen flüchtigen Blick auf meinen Pass warf. Nein. Hier stand eine Frau in dunkelgrüner Uniform und stellte Fragen. Mein Herz klopfte unangenehm schnell in meiner Brust, während ich die Dokumente in meiner Hand ganz fest umklammerte. Dabei sprach ich mir selbst Mut zu. Kanadier sind freundlich. Alle Kanadiersind unheimlich freundlich. Das hast du im Internet gelesen, Tara. O Gott. Ich drückte ihr meinen Pass in die Hand und ging im Kopf alles durch, was sie von mir wissen wollen könnte. Mein Ausbildungsvisum, meine ETA, meine Impfungen, den Mädchennamen meiner Mutter, ich hatte alles griffbereit.

»Was ist der Zweck Ihres Aufenthalts?« Ich schluckte, denn mit einem Mal verließen mich all meine Englischkenntnisse, die ich mir in 13 Jahren Schule und dem wiederholten Durchsuchten von Friends erarbeitet hatte.

»Ehmmm …«, brachte ich hilfreicherweise als Erstes heraus. »… learning«, stammelte ich, da mir der passende Ausdruck für Weiterbildung in verschiedenen Fachbereichen und Praktika, um herauszufinden was meine Ziele im Leben sind, einfach nicht einfallen wollte. »Work. At the Wildlife Rescue Center«, bastelte ich mit dem Wortschatz einer Fünftklässlerin zusammen. »In Nanimo, Vancouver Island«, schob ich hastig hinterher und stolperte über die Wörter, die sich fremd auf meiner Zunge anfühlten.

Die blonde Beamtin nickte, und ich kam nicht umhin, das kleine Schmunzeln zu bemerken, mit dem sie mich ansah. Sie überflog meine Aufenthaltsgenehmigung und reichte mir meine Dokumente, ehe sie mir eine schöne Zeit in Kanada wünschte. Ich war versucht, ihr zu antworten, entschied mich dann aber für ein knappes Nicken. Es war nicht unbedingt nötig, noch mehr Englisch-Kauderwelsch von mir zu geben, das eben hatte mir schon gereicht, um mich irgendwo verstecken zu wollen.

Nachdem ich diese Peinlichkeit hinter mich gebracht hatte, ging ich zum Band, an dem mein Flug angekündigt wurde, und wartete auf meinen Koffer.

Ich glaube, wenn ich noch schlechter Englisch gesprochen hätte, wäre ich verhaftet worden.

Mila schlief hoffentlich schon, aber ich war mir sicher, dass sie mich morgen nachträglich auslachen würde. Völlig zu Recht. Auf jede mögliche Komplikation war ich vorbereitet, mein Handgepäck war so gepackt, dass ich exakt drei Tage ohne mein restliches Gepäck überleben würde, aber die Frage, was ich hier machte, warf mich völlig aus der Bahn. Vielleicht, weil ich die Antwort darauf nicht kannte. Weil meine Gedanken begannen, wilde Kreise zu ziehen und die Worte meiner Eltern zu wiederholen, sobald mich jemand fragte, was ich hier tat. Seit der Absage des Praktikums lag ich fast jede Nacht wach in meinem Bett, um Antworten auf Fragen zu finden, die ich nicht einmal kannte.

Aber ich wusste, dass ich das hier wollte. Weg von den ständigen Vorwürfen meiner Eltern, einer Zukunft, die sich anfühlte wie ein Albtraum. Hauptsache weg und neu und ungewiss. Ich hasste dieses Gefühl, und doch hatte ich mich genau dafür neun Stunden lang in einen kleinen Economy-Sitz mit viel zu wenig Beinfreiheit gequetscht. Konnte man etwas wollen und gleichzeitig nicht wollen?

Ich holte meinen Koffer, stieg in ein Taxi und war einfach nur glücklich, eine knappe Stunde später in mein Hotelbett zu fallen.

18:37

Zu Hause in München hätte in weniger als drei Stunden mein Wecker für den nächsten Unitag geklingelt, der nur mit viel Kaffee zu überleben war. Hier war es Zeit fürs Abendessen. Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen und atmete erleichtert auf. Abendessen. Das wäre eine Option. Nach dem langen Flug und dem Stress zu Hause gefiel mir die Alternative allerdings deutlich besser. Genau hier und jetzt einschlafen. Ich zog mir die Decke bis über die Schultern und schloss die Augen. Um die Zeitverschiebung konnte ich mich später kümmern.

Der Alarm ging ein drittes Mal an diesem Dienstagmorgen, und mein Handy, das auf der dunklen Kücheninsel lag, gab unangenehm schrille Geräusche von sich.

Kindergarten leuchtete es auf dem Display, gefolgt von ungefähr 17 Ausrufezeichen, die mir mitteilten, dass ich Rosalie und Anton dringend in die Kita bringen musste, wenn ich es noch pünktlich auf die Arbeit schaffen wollte.

15 Minuten später saß ich am Steuer meines SUVs, und das Geräusch der Freisprechanlage begleitete mich beim Abbiegen auf die Hauptstraße.

»Guten Morgen, Schwesterherz.« Die tiefe Stimme meines Bruders erfüllte den Innenraum des Autos.

»Du hattest wohl schon den ersten Kaffee des Tages«, witzelte ich und rieb mir mit der flachen Hand über mein müdes Gesicht.

»Und du ganz offensichtlich nicht.« Ich schmunzelte unweigerlich und hoffte, er würde in der Praxis mit frisch aufgebrühtem Kaffee auf mich warten.

»Was gibt’s?« Ich fuhr auf die Landstraße, die mich geradewegs in die Stadt führte. Nach Antons Geburt waren wir in einen Vorort gezogen. Die Praxis meiner Eltern, die Matthias und ich übernommen hatten, lag weiterhin im Stadtzentrum.

»Termine.« Ich schielte auf den Beifahrersitz, wo mein aufgeschlagener Filofax in sieben verschiedenen Textmarkerfarben leuchtete. »Könntest du um 18:00 Uhr eine OP von mir übernehmen? Ich habe eine Zahnfehlstellung, die nicht zu lange dauern sollte, aber ich muss zum Elternabend in der Kita.« Ich hupte und beleidigte den Fahrer vor mir, der mich aus dem Nichts schnitt, bevor ich die Antwort meines Bruders hörte.

»Du hast eine Zahnfehlstellung? Warst du nicht letztens erst bei der halbjährlichen Vorsorge – wie es sich für eine vorbildliche Familienmutter gehört?« Das Lachen meines Bruders ging in meinem genervten »Du weißt, was ich meine« unter. Eine kurze, unangenehme Stille folgte, doch ich war einfach zu gestresst, um meinen eingestaubten Humor hervorzukramen.

»Sollte klappen.« Erleichtert atmete ich auf und hakte diesen Punkt in meinem Kopf ab. Eine Sache erledigt, nur noch 300 to go. Für heute.

»Danke.« Ich schluckte, wollte mich am liebsten wieder im Bett verkriechen, auch wenn der Tag gerade erst angefangen hatte. »Ich bin in 20 Minuten da.«

OMGWAS???

Milas Antwort kam nur wenige Sekunden, nachdem ich am rauschenden Wasser angekommen war. Es würde sich sicher noch ändern, dass sie mitten in der Nacht auf ihr Handy starrte und dann nur für mich wach blieb. Nachdem ich aus meinem Albtraum hochgeschreckt war, hatte ich beschlossen, den Sonnenuntergang am Wasser zu sehen, das laut Google Maps nur fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt war.

ANTONUNDROSALIE???

Natürlich war das das Wichtigste. Meine eigenen Kinder hatte ich Anton und Rosalie genannt. Meine. Eigenen. Kinder.

Ich musste auf ihren Elternabend. Und habe meinen Bruder Matthias genannt. Du hättest meinen Kalender sehen müssen. Der hat bunter geleuchtet als unsere Weihnachtsdeko.

Ich setzte mich auf einen Haufen glattes Schwemmholz und lauschte dem Rauschen der Wellen. Hinter mir lagen der Campus der University of British Columbia, das laute Stadtzentrum und, nur einen kurzen Spaziergang entfernt, der Strand, mit Ausblick auf kilometerlange Bergformationen. Mein Gott, dieses Land war faszinierend.

Das ist aber auch keine Kunst. Doro schmückt euer Haus und das zugehörige Innenleben doch immer im weiß-blauen Farbschema, als würde ihre Karriere als Innenausstatterin davon abhängen.

Ich lachte auf bei dem Gedanken an meine Mutter, die jedes Jahr um die Weihnachtszeit vergaß, dass sie wie mein Vater Tierärztin war und stattdessen ihre innere Wohnausstatterin channelte.

Ich schoss ein Foto vom Sonnenuntergang und schickte es Mila. Die Haken verfärbten sich nicht blau, und ich vermutete, dass sie eingeschlafen war. Ich zog mein Notizbuch aus dem Rucksack, dem deutlich anzusehen war, dass ich es täglich mit mir herumtrug. Es dauerte einige Sekunden, bis ich auch den Bleistift aus seinem Fach gefischt hatte, aber kurz darauf begann ich zu zeichnen. Ich skizzierte die Berge im Hintergrund und das Wasser davor. Mit dem konstanten Meeresrauschen im Ohr versuchte ich jedes Detail in mir aufzusaugen und selbst den angenehm salzigen Geruch auf dem Papier festzuhalten. Und mit jeder Sekunde, die der dunkle Bleistift über das Papier kratzte, rückte mein Albtraum ein kleines Stück weiter weg. So weit in den Hintergrund, dass er bald schon hinter den Bergen verschwinden und nur als unbedeutende Erinnerung zurückbleiben würde.

Kapitel 4

Jaimie

Der letzte Akku rutschte in die Kameratasche, und ich schloss den Clip.

»Ist das jetzt alles?« Zoey saß mit verschränkten Armen auf der Werkbank.

»Ja, Zoey. Das ist jetzt alles.« Ich griff den Tragegurt und sah sie vorwurfsvoll an. Die schwarze Tasche machte den hohen Stapel voller Kameras und Testkits, die mein To-go-Labor bilden würden, endlich vollständig. »Das Projekt braucht eben ein wenig Vorbereitung.«

»Ein wenig«, wiederholte sie und malte Anführungszeichen in die Luft. Sie sprang vom hohen Holztisch und kam ein paar Schritte auf mich zu. »Aber ich mach das ja gerne.« Zoey zuckte mit den Schultern und lächelte mich an. Ohne ihre Hilfe während der letzten Wochen würde ich jetzt nicht kurz vor dem Start meines Abschlussprojekts stehen.

»Echt? Das merkt man gar nicht.« Ich schüttelte lächelnd den Kopf und ließ den Blick noch mal über alle Taschen gleiten. Ich würde zwar erst in etwas mehr als einer Woche aufbrechen, aber es schadete nicht, vorbereitet zu sein. Ich studierte jetzt seit fast zwei Jahren Resource Management Officer Technologies und hatte nach meinem Praxissemester bei Parks Canada beschlossen, dass ich etwas verändern wollte. Mein Abschlussprojekt war genau dieser Versuch. Etwas zu verändern. Die gesamte Tour würde mehrere Wochen dauern, und am Ende gab es hoffentlich ein Naturschutzgebiet mehr in Kanada. Oder zumindest einen handfesten Antrag darauf. Ich würde ohne Ende Kameras platzieren und Proben nehmen, in der Hoffnung auf einen Fund, der alles verändern konnte. Vielleicht sollte ich bis dahin noch mal einen Testlauf …

»Jaimie?« Ich hob den Kopf und traf auf Zoeys wartenden Blick. »Hast du mir überhaupt zugehört?« Langsam schüttelte ich den Kopf. Doch als ich Zoeys verständnisvolles Grinsen sah, entspannte sich meine Haltung. Sie hatte es trotz all meiner Bemühungen geschafft, mich besser als jeder andere zu kennen und meine Freundin zu werden. Zumindest mehr als die meisten Menschen. Wenn ich einem Menschen vertraute, jemandem zutraute, dieses Research-Projekt mit mir anzugehen, wochenlang in der Natur unterwegs zu sein und wichtige Tests über die Mineralienzusammensetzung des Bodens 17-mal zu reproduzieren, dann war es Zoey.

Ich griff nach einem der Eimer unter der Werkbank und füllte ihn mit Getreide-Obst-Mix für die Ziegen und Schafe, die in der rot leuchtenden Scheune sicher schon auf ihr Abendessen warteten. Zoey stellte sich neben mich, hatte in einem gekonnten Handgriff drei Eimer vor sich platziert und deutlich schneller als ich jeden davon passend zu den Namen der Tiere, die mit schwarzem Edding außen drauf geschrieben waren, gefüllt.

»Was macht Beth nur ohne ihre beste Mitarbeiterin, wenn ich dich so lange entführe?« Ich warf die kleine Schippe wieder in den großen Futterbottich.

»Ich werde ersetzt.« Zoey griff zwei der Eimer und nickte in Richtung des dritten, den ich mit der freien Hand hervorzog.

»Du … was?« Ich lief ihr hinterher durch den Park und folgte den Schildern zum Kinder- und Familienbereich. Gleich hinter dem Wasserspielplatz war die kitschig rote Scheune aufgebaut, die Platz für den Stall und den Außenanbau für unsere flauschigen Bewohnerinnen und Bewohner bot.

»Vorsicht, das klingt fast so, als würde dich das traurig machen.« Zoey lief vor mir, sodass ich sie zwar lachen hörte, doch ihr Gesicht nicht sah. »Da könnte man fast meinen, du bist also doch zu mehr Emotionen als Grumpy-Jaimie fähig.« Hätte ich nicht die Hände voll mit Tierfutter gehabt, das zu teuer war, um es einfach fallen zu lassen, hätte ich gerne etwas nach ihr geworfen. Grumpy-Jaimie war ihre ganz eigene Erfindung, auf die sie auch noch stolz war. Dabei stufte Zoey jeden Menschen als schlecht gelaunt ein, der nicht wie der optimistische Flummi, der sie jeden Tag war, durchs Leben hüpfte.

»Hmm …«, brummte ich nur und verdrehte die Augen. Natürlich musste ich brummen, nachdem sie mich grumpy genannt hatte. Klasse, Jaimie.

»Also?«, erkundigte ich mich, um das Thema zu wechseln. Zoey öffnete das Scheunentor, und der gewohnte Mief von Ziege und Schaf stieg mir in die Nase.

»Wir bekommen Zuwachs.« Sie leerte den ersten Eimer in den Trog von Sir Winston und Peanut und drehte sich zu mir. »Tust du auch noch mal das, wofür man dich bezahlt, oder stehst du nur weiter blöd rum?«

»Ich werde nicht bezahlt«, antwortete ich lediglich, blieb aber trotzdem regungslos zwischen Stroh und Ziegenkötteln stehen. »Ich mache das freiwillig.« Weil ich mich für die Tiere hier verantwortlich fühle, schob ich in Gedanken nach und war froh, dass Zoey bereits weitersprach.

»Irgendeine Nichte von Beth. Vielleicht auch nicht Nichte. Verwandte einer Freundin sechsten Grades oder so. Keine Ahnung, hab nicht richtig zugehört.« Mit einem Schulterzucken leerte sie den zweiten Eimer bei Matilda aus.

»Das kannst du ja besonders gut.« Zoey beachtete meinen Kommentar gar nicht und stapelte ihre leeren Eimer ineinander. Das laute Klonk, als sie beide auf den Boden fallen ließ, zeigte mir deutlich, dass sie nicht vorhatte ewig darauf zu warten, dass ich den kleinen Fellbällen auf meiner Stallseite ihr Abendessen auftischte. Ich leerte die Eimer an den dafür vorgesehenen Plätzen aus und schnaubte.

»Na toll.« Ich griff nach Zoeys Eimern und stapelte sie in meine, sodass ich an einem Henkel alles tragen konnte, während wir zurückschlenderten.

»Was? Angst, dass die Neue auch so eine Serotonin-Liebhaberin ist wie ich?«

»Ach Quatsch.« Ich winkte ab. Der ironische Kommentar lag mir auf der Zunge, doch ich war nicht länger in Stimmung, Witze zu machen. »Ich brauch nur nicht so eine anstrengende Touristin, die das hier als gemeinnütziges Praktikum für ihren Lebenslauf nutzt.« Zoey nickte und sah mich einfühlsam an. Sie kannte die Praktikantinnen, die hier regelmäßig ein- und ausgegangen waren, die Lücke im Lebenslauf den dreckigen Händen dann aber doch vorgezogen hatten. Beth hätte dem gerne schon längst einen Riegel vorgeschoben, aber wir brauchten jede helfende Hand. Auch wenn manche von denen anpackten, als würden drei andere loslassen.

»Wart doch erst mal ab. Vielleicht ist sie ja total nett.« Zoey zuckte erneut mit den Schultern.

»Ich bin eigentlich nur froh, dass sie hier ist, während ich ganz weit weg bin«, schnaubte ich leise. Ich blickte zu Zoey, die mich skeptisch musterte.

»Seht mich an …« Sie stapfte bewusst grob über den Kiesweg, schob ihre Ellenbogen nach außen, um möglichst breit zu wirken, was sie fast rechteckig aussehen ließ. »Ich bin Jaimie. Ich mag keine Menschen. Brumm Brumm Brumm.« Sie lachte und hielt sich den Bauch.

»Du lässt mich ja so aussehen, als würde ich Täglich-ins-Fitnessstudio-rennen-und-Gewichte-Stemmen mein spannendes Hobby nennen.« Ich schüttelte den Kopf, konnte und wollte aber nichts gegen das schmale Lächeln tun, das ich auf meinem Gesicht spürte.

»Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut, Outdoor-Boy?« Noch bevor sie ihren Satz beendete, rannte sie los, dicht gefolgt von mir. Ich lief ihr hinterher, spürte den Puls deutlich an meiner Halsschlagader und brauchte deutlich länger als erwartet, um sie einzuholen. Schwer atmend kamen wir an der kleinen Hütte an, die unser Raum für alles war. Futter neben Bohrmaschine neben Halftern und Medizin für die Sorgenkinder.

»Aber jetzt mal im Ernst, was hast du gegen ein bisschen Unterstützung?«

»Nichts«, brummte ich und überzeugte damit weder Zoey noch mich. Ich wollte keine Vorurteile gegenüber einer Fremden haben, aber ich wollte jetzt schon so wenig Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Da war ich mir sicher. »Ich brauche nur nicht noch eine von denen, die hier ankommen …« Ich fuchtelte wild in der Luft herum, machte die unausstehlichen Touristinnen nach, die wir hier zu oft sahen. »… und sagen O mein Gott. Vancouver hat mein Herz gestohlen.«

Kapitel 5

Tara

Vancouver hatte mein Herz gestohlen.

Diese Großstadt, in der man sich zwischen all den Wolkenkratzern doch zu Hause fühlte und in der vor den perfekt geformten Bergen das Meer im Sonnenschein schimmerte. Die Menschen hier waren so freundlich, als würde man sich seit Jahren kennen, und die entspannte Art sorgte dafür, dass ich freier atmete, während ich den Kopf in den Nacken legte und staunend an den architektonischen Meisterwerken entlang zum blauen Himmel blickte. Ich hatte mich immer mehr für ein Kind der kleinen Orte gehalten. Nicht ganz deutsches Dorfkind in dem Vorort, in dem ich aufgewachsen war, aber eben auch nicht für die Anonymität der Metropolen dieser Welt gemacht. Aber jetzt saß ich hier, meinen 7$-Iced-Latte in der Hand, das Meer vor und drei Tage Vancouver hinter mir.

Drei Tage, in denen ich zwischen Wolkenkratzern hindurchspaziert war und ungefähr 394 Fotos an Mila und Matty geschickt hatte. Ich war auf den Grouse Mountain gefahren und über die Capilano Suspension Bridge gelaufen, weil getyourguide mir gesagt hatte, das dürfte ich nicht verpassen. Aber viel schöner als die Tage voller Menschenmassen an den Touri-Attraktionen waren die Abende am Strand, mit meinem eigenen kleinen Picknick an der salzigen Meeresluft. Diese drei Tage waren wie in einem Film an mir vorbeigezogen, trotzdem fühlte es sich so an, als hätte ich Erinnerungen für zwei Monate gesammelt.

Aber immerhin war ich jetzt bereit. Bereit für die übermäßig große und übermäßig hässliche Fähre, die mich gleich zur Insel bringen würde, auf der mein Ziel lag. Wobei das Wort Insel für falsche syltähnliche Vorstellungen in meinem Kopf gesorgt hatte. Eine kurze Google-Suche später war ich schlauer und wusste nun, dass Vancouver Island ungefähr 300-mal so groß war wie Sylt. Den Gedanken, die Insel zu umrunden, strich ich vorerst von meiner Liste möglicher Aktivitäten.

Ich kontrollierte ein letztes Mal mein Ticket, das ich schon in Deutschland gekauft hatte. Horseshoe Bay, Vancouver, nach Nanaimo, Vancouver Island. Eine Erwachsene. Abfahrt 11:40. Boarding 11:10. Der Blick auf die Uhr verriet mir, dass noch etwa 10 Minuten vergehen würden, bis die Schlange vor mir sich hoffentlich bewegte. Acht, um genau zu sein.

Eine knappe Stunde später war ich mitsamt meines Gepäcks auf dem Innendeck. Mein Gesicht klebte an der Glasscheibe, und ich beobachtete, wie sich das Wasser kräuselte. Ein leises Oh wechselte sich mit dem üblichen Wow ab, wann immer ich eine spannende Bewegung im Wasser ausmachte oder Silhouetten weit entfernter Berge am Horizont sah. Ich konnte mich gar nicht sattsehen und lächelte bei dem Gedanken, dass das hier mein neues Leben war, zumindest für einige Monate. Die schneebedeckten Gipfel der massiven Berge würde ich jeden Tag sehen. Ich spielte mit dem Gedanken, aufs offene Deck zu gehen, die salzige Meeresluft einzuatmen und den Wellen zu lauschen, aber bei einem Blick auf mein fünfteiliges Gepäck, das ich nicht so einfach aus den Augen lassen wollte, entschied ich mich dagegen. Ich würde noch genug Zeit dafür haben, nach Seehunden Ausschau zu halten und den salzigen Wind in meinen Haaren zu spüren. Ich zückte mein Handy, und ungefähr 100 Fotos später wählte ich drei davon aus und schickte sie Mila. Als sich die kleine wartende Uhr nicht wie üblich in einen oder gar zwei Haken verwandelte, erinnerte mich das wieder daran, dass ich eine kanadische SIM-Karte kaufen sollte. Das würde ich an meinem ersten Tag in Nanaimo erledigen. Gleich nachdem ich mich bei Beth eingerichtet und meine ersten Aufgaben im Wildlife Rescue Center erledigt hatte.

Ich lehnte mit der Stirn gegen das Fenster, den Blick starr auf das sich kräuselnde Wasser gerichtet. Matty hätte sich bestimmt die Nase an der Scheibe platt gedrückt und mir dann die einzelnen Namen der Berge in der Ferne runtergebetet, die er vorher auswendig gelernt hätte. Ich vermisste Matty. Mehr als ich zu Hause vermisste. Natürlich vermisste ich auch meine Eltern, aber erst hier, so weit weg von zu Hause, spürte ich die Erleichterung, nicht ständig auf rohen Eiern laufen zu müssen. Nicht ständig mit Gegenwind zu rechnen oder von meinen Eltern mit Vorwürfen konfrontiert zu werden, die ich bis jetzt nicht verstand. Kurz überkam mich der Wunsch, mich bei ihnen zu melden. Zu sagen, dass es mir gut ging und ich gerade richtig glücklich war. Aber so hart es klang, sie würden mir dieses Glück mit nur einer Nachricht wieder nehmen. Da war ich mir sicher. Also verließ ich mich darauf, dass Matty sie weiter darüber informieren würde, dass ich atmete und einen Herzschlag hatte. Alles andere ging sie gerade nichts an. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und mahlte mit dem Kiefer, während die Wellen im unregelmäßigen Rhythmus gegen die gigantische Fähre schlugen, die unbeeindruckt durchs Wasser schipperte.

So spannend die Überfahrt und das blau glitzernde Wasser auch waren, irgendwann siegten die Müdigkeit und der immer noch nicht ganz verschwundene Jetlag, und ich beschloss, für die verbleibende Stunde die Augen zu schließen. Ein bisschen Erholung, ehe ich in Nanaimo mit Bus oder Uber an mein Ziel kommen musste, schadete nicht.

Kapitel 6

Jaimie

Das laute Fluchen hallte durch meinen Truck, und ich schlug aufs Lenkrad. Der Fahrer des schwarzen Mercedes stieg aus. Nicht, um meine Einfahrt freizumachen, sondern um einen Koffer aus dem Auto zu wuchten, der fast die Größe eines durchschnittlichen Teenagers hatte. Ich hupte erneut, was der Uber-Fahrer – wie ich mittlerweile vermutete – nur mit einem flapsigen Winken quittierte. Er rollte den Koffer zu der Frau, die neben dem alten Eingangsschild zum Rescue Center wartete und hievte danach ihren knallig roten Rucksack aus dem Kofferraum, wobei er sich fast in all den losen Schnallen und Bändern verhakte. Anfängerin, dachte ich nur, während die Frau den Rucksack schulterte und eine Schnalle nach der anderen schloss. Rückenschmerzen vorprogrammiert. Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie sie in der völlig falschen Reihenfolge die verschiedenen Gurte festzurrte. Sie strich sich mehrere Strähnen ihrer matten, blonden Haare aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. Unsicher sah sie sich um, die Hand fest am Griff des Koffers, der dem Uber-Fahrer eben fast einen Bandscheibenvorfall beschert hätte. Ihr Blick schweifte über die großen Schilder, den Parkplatz und blieb dann hängen. An … mir. Ich öffnete den Mund, starrte sie durch die Windschutzscheibe meines Trucks an und wich ihrem festen Blick nicht aus. Die Wut, die meinen Puls bis eben beschleunigt hatte, verpuffte. Alle Gedanken, die seit Tagen in meinem Kopf kreisten, rückten wie unbedeutendes Flüstern in den Hintergrund. Ich starrte sie an und dachte nichts. Rein gar nichts ging mir mehr durch den Kopf, während ich sie dabei beobachtete, wie sie ihr Gepäck zurechtrückte. Ich räusperte mich, und erst, als ich – um überhaupt etwas zu tun – erneut den Uber-Fahrer anhupen wollte, bemerkte ich, dass er längst abgefahren war. Ich schob den Hebel zurück auf D für Drive und fuhr dann im Schritttempo an der Frau vorbei, die mich und meinen Truck nicht aus den Augen ließ. Bestimmt würde ich ihr noch länger im Gedächtnis bleiben. Immerhin hatte sie gerade ihren ersten unfreundlichen Kanadier kennengelernt.

Tara

Der Koffer ruckelte ungleichmäßig über die großen und kleinen Steine auf dem Schotter. Dieser blöde Kerl im Truck hatte mich so lange angehupt und angestarrt, dass ich meinen Rucksack in der Eile völlig falsch festgezogen hatte und er jetzt schmerzhaft auf meinen Schultern hing. Der Staub, den der Truck vor mir aufgewirbelt hatte, als der blonde Typ an mir vorbeigefahren war, blieb direkt an mir kleben. An meiner verschwitzten schwarzen Leggings, die mir in der Sonne auf den Beinen brannte. Aber ich hatte mich informiert. 22 Grad und Sonne waren eine angenehme Seltenheit. Wenn das Meer den feuchtkalten Nebel in die Stadt drückte, der manchmal den ganzen Tag nicht verschwand, würde ich mir und meinen gut recherchierten Packlisten noch danken. Ich hatte einen Plan. Ich würde das schaffen. Der Wind wehte mir in den Nacken, und ich sah mich um. Der große Bogen, auf dem in metallenen Lettern Wildlife Rescue Center stand, war an den Seiten leicht angerostet und wiegte sich quietschend im Wind. Beth hatte mir geschrieben, dass ich den ehemaligen Eingang wählen sollte, den jetzt nur noch Angestellte benutzten. Während eines Umbaus vor gut drei Jahren hatten sie durch eine groß angelegte Spendenaktion einen neuen Eingang inklusive modernisiertem Informationszentrum gebaut. Das lag – meinen Internetrecherchen zufolge – genau am anderen Ende des Geländes. Die nächste Windböe wehte den ländlichen Geruch von Ziegen und Stroh in meine Nase, der mich an die Alpenurlaube in meiner Kindheit erinnerte. Ich zog den Koffer weiter über den Schotter und ging an der großen roten Scheune und einigen kleinen, scheinbar leer stehenden Gehegen vorbei, die ich mir später sicher noch genauer anschauen würde.

»Kann man dir helfen?« Ich ließ meinen Koffer auf alle vier Räder plumpsen und sah ihn unsicher an, während er einige Male gefährlich wackelte.

»Ehmm, vielleicht.« Ich blickte zu der jungen Frau, die mich anlächelte und ihre Hände in den Taschen ihrer schwarzen Arbeitshose vergraben hatte. Mit einem dumpfen Knall landete mein Koffer auf der Seite, und ich sah leicht unbeholfen auf die helle Staubwolke, die er aufwirbelte. »Scheiße«, fluchte ich und zog an der seitlichen Schlaufe.

»Du musst Tara sein.« Die Frau schmunzelte, während sie mir amüsiert bei meinen Versuchen zusah, den Koffer hochzuhieven, der bestimmt genauso viel wog wie ich. »Die neue Aushilfe, die wegen irgendeiner Verbindung zu Beth hier ist, oder?« Ich starrte auf ihre hellen Haare, deren Spitzen in einem dunklen Blau schimmerten. Kopfschüttelnd löste ich mich von ihrem einnehmenden Anblick. Sie packte den Koffer von der anderen Seite, und wir stellten ihn wieder auf. Wobei ich mir sicher war, dass sie den großen Teil des Gewichts stemmte.

»Wie kommst du nur auf die Idee, dass ich neu hier sein könnte?« Ich lachte leise und ließ meinen Blick über die zahlreichen Koffer und Taschen gleiten, die definitiv nicht für dieses Gelände gemacht waren. Man sah mir sicher schon aus drei Kilometern Entfernung an, dass ich nicht hierhergehörte.

»Dein Akzent.« Sie zuckte mit den Schultern und lachte nun ebenfalls. »Ich bin übrigens Zoey.« Sie streckte mir die Hand hin, und ich ergriff sie zögerlich. Meine staubbedeckten Finger berührten ihre, und ich spürte ungewohnte Schwielen an ihrer Hand. »Und die Tatsache, dass dein Fluchen eben echt süß geklungen hat, aber ich absolut keine Ahnung habe, was du gesagt hast.« Ihr unbeschwertes Lachen nahm mir etwas von meiner Unsicherheit, und ich notierte mir in Gedanken, in Zukunft häufiger auf Englisch zu fluchen. Auch wenn das hoffentlich nicht allzu häufig nötig sein würde.

»Ich bin Tara«, begann ich unsicher »aber das weißt du ja offensichtlich schon.« Ich presste meine Lippen fest aufeinander und schluckte. Ich wollte hier sein, ich wollte aber auch, dass Zoey mich mochte. Ich wünschte, es wäre nicht so, aber es war mir immer noch wichtig, was andere Leute über mich dachten.

»Ich kenne deinen Namen, aber mehr auch nicht.« Zoey zuckte erneut mit den Schultern. Ihre Antwort gefiel mir. Einen kurzen Moment sah sie mich noch an, ehe sie meinen schweren Rucksack schulterte und mir bedeutete, ihr zu folgen. »Komm, ich bring dich zu Beth.«

Ich schleppte meinen Koffer hinter mir her und versuchte verzweifelt, mich auf dem Weg ein wenig umzuschauen. Ich hoffte, einen Blick auf das ein oder andere Gehege erhaschen zu können, doch der Koffer forderte fast meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich hätte sicher ein wenig nach rechts und links schauen können, aber die Peinlichkeit, dass Zoey meinen Koffer erneut hochheben musste, wollte ich mir ehrlich gesagt ersparen.

»Du kannst dein Zeug hier abstellen.« Zoey lehnte den Rucksack an eine graue Betonwand. Ich blickte an der Wand entlang und las die fett gedruckten Buchstaben über der automatischen Glastür. Education Center. Ich drehte mich zu Zoey, die aber schon wieder gute fünfzehn Meter weitergegangen war.

»Zoey?« Schnell joggte ich ein paar Schritte, um aufzuholen. »Stört das denn niemanden? Was ist mit den Besucherinnen und Besuchern?« Es fiel mir schwer, mit ihr Schritt zu halten, wenn sie keinen Rucksack mehr trug, der ihr Tempo bremste.

»Wir haben Montag«, sagte sie, als müsste ich wissen, was das bedeutete. Zoey drehte sich zu mir und sah wohl die Fragezeichen, die mir ins Gesicht geschrieben standen. »Wir haben montags geschlossen.«

»Oh, ach so.« Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Das hätte ich wissen müssen. Warum wusste ich das nicht?

»Das hier ist kein Test, den du bestehen musst, Tara.« Zoeys freundliche Stimme beruhigte mich, auch wenn sich das Ganze tatsächlich wie eine Prüfung anfühlte. Eine, in der ich von Sekunde eins an kläglich versagte.

»Also, warum bist du eigentlich hier? Du und Beth, ihr kennt euch?« Ich folgte Zoey um die Kurve und warf das erste Mal einen Blick in eines der großen Gehege. Sie sah erst mich an und trat dann näher an den Zaun.

»Na ja, so halb. Sie ist mit meiner Mutter zu Schule gegangen und ist … sagen wir einfach wie eine Tante für mich.« Ich stellte mich neben Zoey an die hölzerne Absperrung, die einen knappen Meter hinter dem Zaun angebracht war. In ihrer Gegenwart setzten sich die englischen Sätze viel leichter zusammen als noch vor wenigen Tagen am Flughafen. »Ich habe sie aber eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Das letzte Mal war ich glaube ich sieben. Seitdem haben wir nur hin und wieder telefoniert.« Ich schluckte bei dem Gedanken daran, wie viel Zeit vergangen war, seit Beth uns das letzte Mal besucht hatte. Es war verständlich, dass sie nicht mehrfach im Jahr einfach mal rüber fliegen konnte. Aber irgendwann waren die Leben von Beth – die eigentlich Bettina hieß – und meiner Mutter so voll und verplant gewesen, dass die beiden, abgesehen von ihren monatlichen Telefonaten, kaum noch Zeit füreinander fanden. Und selbst die Telefonate wurden irgendwann von einer regelmäßigen Verabredung zu erfreulichen Überraschungen. Mila hatte immer gesagt, dass wir ganz sicher nicht so werden würden. Ich schluckte schwer bei dem Gedanken an meine beste Freundin. Das hatten Beth und meine Mutter sicher auch gesagt, und dann war Beth ans andere Ende der Welt geflogen. Genau wie ich.

»Also wird sie dir jetzt gleich in die Wange kneifen und überrascht feststellen, wie groß du geworden bist?« Ich hörte Zoeys Lachen und grinste ebenfalls, während ich Ausschau nach dem Schwarzbären hielt, der laut Informationsschild hier leben sollte.

»Ich hoffe nicht.« Kopfschüttelnd sah ich Zoey an, die ihren Blick recht plötzlich von mir abwandte.

»Da!« Mit dem Blick folgte ich ihrem ausgestreckten Arm, der auf einen kleinen schwarzen Punkt in der hinteren Ecke des weitläufigen Geheges zeigte. Einen kleinen schwarzen Punkt, der sich bewegte. »Das ist Dawson.« Zoey stieg auf die untere Querstrebe der Absperrung und stützte sich entspannt auf dem dunklen Holz ab. »Er war Beths erste Rettung.« Zoey schmunzelte und legte ihr Kinn auf den verschränkten Armen ab »Ihr Ich-nehme-ihn-nur-zum-Übergang-auf-aber-eigenlich-habe-ich-kein-Wildlife-Center.« Sie stieß sich kraftvoll ab und stützte die Hände in die Hüften. »Wie gut das geklappt hat, siehst du selbst.« Zoey bog nach rechts ab, und ich folgte ihr unaufgefordert. Mein Blick hing noch ein paar kurze Sekunden an Dawson, während ich mir die junge Beth vorstellte. Der Kies knirschte unter meinen Füßen, immer wieder zweigten kleine Seitenwege ab, die zusammen ein großes Labyrinth bildeten.

»Wohin gehen wir?«, fragte ich, weil ich mich immer wohler fühlte, wenn ich wusste, was als Nächstes passierte.

»Zu Beth«, antwortete Zoey nur. Mir entging nicht, dass sie einen flüchtigen Blick in jedes Gehege warf, an dem wir vorbeikamen. Vermutlich wusste sie genau, worauf sie achten musste, und konnte so in wenigen Sekunden sicher sein, dass es allen gut ging. Im Gegensatz zu mir. Aber ich würde es so schnell es ging lernen und jeden Tipp von Zoey dankend annehmen.

»Na gut, das war eine blöde Frage.« Kurz war ich froh, einen halben Schritt hinter Zoey zu laufen. So konnte sie nicht sehen, wie ich sie musterte. Ich hoffte einfach, dass das Mädchen mit den blauen Strähnen mich nicht für die doofe Touristin hielt, die ich vielleicht sogar war. »Wo ist Beth?«, fragte ich stattdessen schnell hinterher. Zoey zuckte wieder locker mit den Schultern, und ich bekam das Gefühl, dass sie das den lieben langen Tag tat. Warum genaue Antworten geben, wenn man auch mit den Schultern zucken konnte?

»Ich weiß es selbst nicht«, schob sie nach, weil sie vermutlich gemerkt hatte, dass ihr Schulterzucken mir nicht weiterhalf. »Das kann man nie so genau wissen.« Sie drehte sich zu mir und lief rückwärts weiter. »Sie ist hier und da. Wo sie eben gerade gebraucht wird. Wir haben zwar die hier …« – Zoey löste das Walkie-Talkie von ihrem Gürtel und drückte einen seitlichen Knopf. »Hat jemand von euch Beth gesehen?« Sie ließ den Knopf los und sah mich wieder an – »… aber meistens lässt sie das irgendwo liegen.« Das Funkgerät rauschte kurz, bevor eine fremde Stimme erklang.

»Absolut keine Ahnung, aber ihr Walkie-Talkie liegt hier auf der Arbeitsplatte im Futterhaus.« Zoey bedankte sich und sah mich danach mit schief gelegtem Kopf an. Ein ganz klares Siehst du. Fehlte nur noch, dass sie erneut mit den Schultern zuckte.

»Tara!« Beth stürzte auf mich zu und schlang ihre Arme um mich. Nach knappen zehn Minuten, die wir über das Gelände geirrt waren, hatten wir den entscheidenden Tipp bekommen und sie endlich neben ihrem Werkzeugkasten kniend vor einem Gehege gefunden.

»Beth!« Ich erwiderte die Umarmung, aus der sie sich direkt wieder löste, um mich an den Schultern zu halten.

»Lass dich ansehen, mein Kind!« Ihr Blick glitt einmal über mich, während ich nur zu Zoey schielte, die das Ganze grinsend verfolgte. »Bist du gut hergekommen? Wie gefällt dir das schönste Land der Welt? Waren alle nett zu dir?« Beth löcherte mich mit Fragen und zog mich an der Hand mit sich, zurück zur Umzäunung, an der sie eben noch gekniet hatte.

»Ja, es hat alles gut geklappt.« Beth griff nach der spitzen Zange und ließ sie einmal in ihrer Hand rotieren.

»Kind, ich brauche da ein paar mehr Details.« Mit leicht vorwurfsvollem Blick sah sie mich an.