Warum uns Israel fasziniert -  - E-Book

Warum uns Israel fasziniert E-Book

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Beschreibung

Israel bewegt und fasziniert viele Menschen. Gleichzeitig gibt es keine Nation, über die so heiß diskutiert wird. Doch warum eigentlich? Was steckt hinter diesen Emotionen? Jetzt offenbaren 15 Menschen ihre persönliche Geschichte mit Israel: Die deutsche Frau eines Palästinensers, die auf der anderen Seite der Mauer im Westjordanland lebt. Die deutsche Journalistin für die Jerusalem eine zweite Heimat geworden ist. Oder der Pastor, der sich jedes Jahr auf ein Date mit Gott im Land trifft. Sie alle erzählen, was sie mit den Juden verbindet. Und was ihnen die Motivation gibt, sich für Israel zu investieren - über so manche Hindernisse hinweg. Mit Beiträgen von Mirjam Holmer, Tobias Teichen, Assaf Zeevi oder Marlene Shahwan.

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ANNA MÜLLER(Hrsg.)

Warum uns ISRAELfasziniert

15 Geschichten

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-775-17589-0 (E-Book)

ISBN 978-3-775-16124-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2023 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

Alle Internetlinks wurden am 03.08.22 auf Ihre Aktualität überprüft.

Die Bibelverse wurden folgenden Ausgaben entnommen:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT 17)

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002

und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen. (NLB)

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen. (ELB)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart. (EÜ)

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis - Brunnen Basel. (HFA)

Bibeltext der Schlachter Bibelübersetzung. Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft.

Wiedergegeben mit der freundlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Anna Müller

Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter, www.grafikbuero-sonnhueter.de

Titelbild: shutterstock: 188742710, 1083293714; unsplash: Yousef Espanioly

Autorenfoto, S.8: © Christina Maiwald

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

INHALT

Vorwort

»Ich ringe jeden Tag darum, Israel zu lieben.«Marlene Shahwan über ihr Leben auf der anderen Seite der Mauer

»Israel ist für mich ein prophetischer Ort.«Tobias Teichen reist einmal im Jahr nach Israel, um auf Gott zu hören

»Der Staat Israel ist für mich wie ein Kind.«Assaf Zeevi über seine Kindheit in Israel

»Meine Hoffnung ist, dass wir Christen irgendwann von Juden als Menschen wahrgenommen werden, die zu Israel stehen.«Mirjam Holmer: Was Israel und die Juden einzigartig macht

»Es ist egal, zu welchem Volk du gehörst, Jesus kann deine geistliche Genetik ändern.«Anatoli Uschomirski: Warum Juden und Christen zusammengehören

»Wofür das Herz meines Gottes schlägt, dafür soll auch mein Herz schlagen.«Timon Kaiser über seine ersten Schritte mit Israel

»Eine faire und hintergründige Berichterstattung über Israel ist mir ein Anliegen.«Dana Nowak über ihren Platz an der Seite Israels

»Wer seine Bibel liebt, wer unsere Sprachen liebt, sollte hin und wieder dankbar nach Jerusalem blicken.«Michael Blume über das Land von Alphabet, Bildung & Christus

»Muss mir Israel als Christ wichtig sein?«Johannes Gerloff auf der Suche nach Antworten

»Nach Israel auszureisen, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.«Steffi Baltes lebte dort, wo andere Urlaub machen

»Wehe dem, der Gottes Augapfel antastet!«Ulrich Parzany über wegweisende Begegnungen in Israel

»Ein modernes Volk mit biblischen Wurzeln, das neue Städte auf alten Ruinen baut.«Doron Schneider über ein Volk, das eigentlich nicht existieren sollte

»Die Begegnungen mit Holocaustüberlebenden haben mich sehr geprägt.«Timo Roller: Zwischen Gottes Verheißungen und unermesslichem Leid

»Israel öffnet uns eine Tür, die Zeilen der Bibel live und in Farbe zu erleben.«Wie sich Josias Terschüren in der Welt der Politik für Israel starkmacht

»Ich ermutige jeden, sich selbst ein Bild von Israel zu machen!«Christian Seebauer wanderte 1 000 Kilometer durch ganz Israel

Bildnachweis

Anmerkungen

VORWORT

Hallo, mein Name ist Anna. Ich bin keine Theologin, keine zertifizierte Nahostexpertin, weder Jüdin noch bin ich in Israel aufgewachsen. Aber wie allen Menschen in diesem Buch ist mir Israel wichtig. Warum? Weil Israel meinem Gott wichtig ist.

Unser Gott, an den wir glauben, hat sich nahbar gemacht, weil er uns Menschen so unbeschreiblich liebt. Er ist ein Gott, der sich nicht zu schade war, sich für uns verletzlich zu machen. Ein Gott, der seit der Erschaffung der Welt immer nur das Ziel hatte, Gemeinschaft mit uns zu haben.

Um uns sein Herz zu zeigen, hat er sich ein kleines, unscheinbares Volk ausgesucht. Dieses Volk ist heute zu einer Nation herangewachsen, auf die die ganze Welt blickt.

Israel ist nicht perfekt. Ist es noch nie gewesen. Auch davon spricht die Bibel. Aber am Beispiel Israels wird deutlich, wie Gott uns Menschen trotz unserer Unvollkommenheit treu bleibt. Seinem Volk – und allen, die an ihn glauben. Bis heute.

Deswegen ist mir Israel wichtig. Nicht, weil das Meer dort so blau, der Hummus so lecker, die Märkte so bunt, die Landschaft so vielseitig und die Menschen so temperamentvoll sind. Das alles ist ein Teil von Israel – ein sehr attraktiver Teil –, der das Land zu einem meiner Lieblingsreiseziele macht. Aber ich würde mich heute nicht so viel mit Israel beschäftigen, wenn die Juden nicht Gottes auserwähltes Volk wären.

Das war nicht immer so. Meinen ersten Berührungspunkt mit Israel hatte ich, als ich mich nach dem Abitur dafür entschied, für neun Monate nach Israel zu gehen, um ein FSJ in einem Altersheim zu machen. Damals war mir noch nicht klar, welche Bedeutung Israel für mich und meinen Glauben hat. Ich nahm viele Eindrücke von Kultur, Politik, dem gesellschaftlichen Zusammenleben mit und lernte viel über die Geschichte Israels und das Judentum. Dass die Wurzeln meines Glaubens im Judentum verankert sind, war mir damals nicht so bewusst. Aber die Vielseitigkeit des Landes und der Menschen begeisterten mich – all die Kulturen, die hier aufeinandertrafen. Israel vereinte die Menschen auf ganz verschiedene Weise. Und es war ein besonderes Privileg, für eine kurze Zeit, ein Teil davon zu sein.

Dann erreichte mich einige Jahre später Gottes Liebe für dieses Volk – und mein Herz wurde noch mal auf einer tieferen Eben angesteckt. Mit diesem Wissen die Bibel zu lesen, hat mir seither viele Aha-Erlebnisse geschenkt. Ich staune über Gott und die großartige Geschichte, die er mit Israel – und mit mir – schreibt.

In diesem Buch erzählen ganz unterschiedliche Personen von ihren Aha-Erlebnissen und Erfahrungen, die sie über Israel staunen lassen. So unterschiedlich ihr Kontext ist, so unterschiedlich sind auch ihre persönlichen Geschichten. Der Israeli, der auf seinen Reisen die Faszination vieler Touristen für sein Land weckt. Der Pastor, der in Israel von Gott überrascht wurde. Die Theologin, die in Jerusalem zwischen zwei Welten lebte. Die Journalistin, die hautnah aus dem Land berichtet. Oder der Politiker, der sich für die Juden und gegen Antisemitismus starkmacht. Sie alle erzählen, was sie an Israel fasziniert, obwohl es nicht perfekt ist. Und wie Gott sie berührte und ihnen sein Herzensthema zu eigen machte.

Viele dieser Menschen haben mir dabei geholfen, die Bedeutung Israels und Gottes Plan mit den Juden besser zu verstehen. Ich hoffe, dass es dir auch so geht, wenn du ihre Geschichten liest. Und dass sie auch dein Herz berühren.

Anna Müller (Jg. 1995) liest und arbeitet leidenschaftlich gerne mit Texten. Sie hat Religions- und Kulturwissenschaft in Marburg studiert. Ein freiwilliges soziales Jahr in Israel hat sie erstmals mit Land und Menschen in Berührung gebracht und lässt sie seitdem nicht mehr los.

»ICH RINGE JEDEN TAG DARUM, Israel zu lieben.«

Marlene Shahwan über ihr Leben auf der anderen Seite der Mauer

»Sollen wir es wirklich wagen?«, hatte ich meinen Mann mehr als einmal gefragt. Schon lange brauchten wir einen Urlaub. Der Druck der letzten Wochen lag schwer auf unseren Seelen. Wir brauchten Abstand, mussten raus aus unserem Alltag. Raus aus der Provinz Bethlehem. Die Mauern und Zäune, die unser Zuhause umgeben, verlassen. Mal ein bisschen Freiheit genießen. Wenigstens für ein paar Tage. Doch wohin sollten wir fahren? »Außer Jericho gibt es in den palästinensischen Gebieten nichts!«, überlegten wir gemeinsam. »Und da ist es viel zu heiß!« »Wir fahren an den See Genezareth!«, entschied Johnny. »Das ist der einzige Ort, an dem wir ein bisschen entspannen können!«

Mit klopfendem Herzen fuhr ich in Richtung Checkpoint. Eigentlich darf ich mit meinem Visum nicht nach Israel. Als Ehefrau eines Palästinensers habe ich in diesem Land weniger Rechte als jeder Tourist. »Hoffentlich werden wir nicht kontrolliert!«, wiederholte ich zum tausendsten Mal, während wir uns dem Kontrollhäuschen näherten. Das Auto vor uns wurde gestoppt. Ich sah, wie der Fahrer seinen Ausweis durch die offene Scheibe reichte. Die junge Soldatin schaute sich das Papier ausgiebig an und redete dann händefuchtelnd mit den Insassen des Fahrzeugs. Die Sekunden kamen mir wie eine Ewigkeit vor. »Warum dauert das so lange? Was passiert, wenn sie uns anhält?« Ich konnte die Anspannung kaum noch ertragen. »Johnny, ich habe Angst!« Flehend schaute ich zu meinem Beifahrer hinüber, als könnte er mich aus dieser brenzlige Lage retten. »Du brauchst keine Angst zu haben!«, versuchte mein Mann mich zu beruhigen. »Es wird alles gut!« Endlich bekam der Fahrer vor mir seine Papiere zurück und setzte sich in Bewegung. Auch ich fuhr langsam los und versuchte so zu wirken, als wäre es für mich die allergrößte Selbstverständlichkeit, diesen Checkpoint zu passieren. Mit freundlichem Lächeln winkte mich die Soldatin durch die offene Schranke. Behutsam fuhr ich über die Straßenschwelle und atmete auf. Geschafft! Wir hatten es tatsächlich geschafft! Das weite, offene Land lag uns nun zu Füßen. Jetzt werden wir alles Schwere für ein paar Tage hinter uns lassen und einfach nur unsere Freiheit genießen!

Ein neues Leben im Land der Bibel

Schon mehr als dreißig Jahre ist die Provinz Bethlehem nun mein Zuhause. Hier in der Stadt Beit Jala lebt Johnnys Familie seit über 400 Jahren als orthodoxe Christen. »Wir gehören zur Urgemeinde!«, erzählte Johnny mir stolz, als wir uns im Jahr 1987 in Deutschland kennenlernten. Ich hatte damals keine Ahnung von Land und Leuten. Ich interessierte mich weder für Israel noch wusste ich, wer die Palästinenser sind. Doch ich verliebte mich Hals über Kopf in Johnny und kam auch nicht mehr von ihm los, als er den ganzen Nahostkonflikt mit in unsere Beziehung brachte. Ich wusste einfach: Das ist der Mann meines Lebens! Seine Begeisterung für Jesus faszinierte mich. Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich auf dem richtigen Weg. Das änderte sich auch nicht, als Gott ihn zurück in seine Heimat nach Bethlehem rief. Ich folgte ihm, weil es für mich das einzig Richtige war.

Doch ich hatte auch die Worte meines Vaters im Ohr. »Wer sich mit den Feinden Israels verbündet, der stellt sich gegen Gott!« Das war etwas, was ich auf keinen Fall wollte. Ich wollte mich nicht gegen Gott stellen und ich hatte auch nichts gegen Israel. Doch sind die Palästinenser wirklich Israels Feinde? Sind sie nicht vielmehr Brüder? Haben sie nicht denselben Vater? Ich wusste es nicht. Für mich war nur wichtig, dass mein Mann ein Nachfolger von Jesus ist. Sollte das nicht ausreichen? Sind wir nicht durch Jesus auf der Seite Gottes? Ich begann, die Bibel mit ganz anderen Augen zu sehen. Viele Geschichten wurden lebendig in diesem Land. Doch es kamen auch Fragen auf, die unbeantwortet blieben.

Es war auf jeden Fall spannend, im Land der Bibel zu leben. Unsere Wohnung war nur zwei Kilometer von der Geburtskirche entfernt. Besonders um die Weihnachtszeit schaute ich oft von unserem Esszimmerfenster auf das Panorama von Bethlehem und dachte mir: »Was für ein Vorrecht, in derselben Stadt zu leben, in der Jesus geboren wurde!« Bethlehem war jetzt mein Zuhause. Heimweh nach meiner Heimat in Norddeutschland kannte ich nicht. Ich wusste, dass Gott mich an diesen Platz gestellt hatte, und das war mein größtes Glück.

Die ersten Jahre in Beit Jala waren nicht leicht. Wir hatten bereits vier kleine Kinder, als wir im Jahr 1992 hier ankamen, und die füllten meinen Alltag eigentlich komplett aus. Doch es kam vieles Neue auf mich zu. Ich musste mich an die Kultur gewöhnen und die arabische Sprache lernen. Unser Haus war immer voll. Johnny hatte viele Freunde und Verwandte, die uns jetzt besuchen kamen. Sie wollten wissen, warum er mitten in der Intifada (Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Militärbesatzung) mit seiner Familie in dieses Land gekommen war. »Warum bist du nicht in Deutschland geblieben?«, fragten sie ihn verständnislos. »Gott hat mich hierhergesandt. Er möchte, dass ich euch sage, wie man ein neues Leben durch Jesus finden kann«, erzählte Johnny seinen Besuchern dann. Er berichtete ihnen, wie er in Kanada zum Glauben gekommen war und wie Gott sein Leben seitdem verändert hatte. Die Leute hörten interessiert zu. Doch viele suchten ihr neues Leben lieber irgendwo im Ausland als in der Bibel. Wer die Möglichkeit dazu bekam, wanderte aus. Vor allem junge Leute sahen für sich keine Zukunft mehr in ihrer Heimat. Der politische Konflikt beherrschte das ganze Leben.

Auch für mich war es befremdlich, was ich in dieser Zeit erlebte und hörte. Die Provinz Bethlehem war von israelischem Militär besetzt. Jeden Tag sahen wir Soldaten mit Maschinengewehren Patrouille fahren. Manchmal kam es zu Schießereien. Menschen kamen ums Leben. Es gab Streiktage, an denen keiner zur Schule oder zur Arbeit ging und alle Geschäfte geschlossen blieben. Die wirtschaftliche Lage war sehr schwierig. Man wusste nie, was der nächste Tag bringt, und an allem gab man der Besatzungsmacht die Schuld.

Doch ich sah die israelischen Soldaten nicht nur als Feinde. Ich sah auch die Menschen hinter ihren Uniformen. Junge Männer und Frauen, die versuchten, ihre Pflicht zu tun. Bestimmt hatten auch sie manchmal Angst, wenn sie in den palästinensischen Gebieten unterwegs waren. Auf der einen Seite verstand ich den Konflikt. Die Lebensbedingungen der Palästinenser waren alles andere als gut. Ich verstand ihren Kampf um Anerkennung und Freiheit. Doch ich verabscheute auch die schrecklichen Attentate und war erschüttert über die vielen unschuldigen Opfer. Wie erleichtert war ich, als die Intifada im Herbst 1993 endete und sich das Leben in unseren Gebieten langsam wieder normalisierte.

Die gute Seele der Stadt

In den darauffolgenden Jahren ging es uns richtig gut. Wir hatten ein Auto, mit dem wir Ausflüge nach Jerusalem und in die nähere Umgebung machten. Es gab keine Grenzen und keine Checkpoints. Man setzte sich einfach hinters Steuer und fuhr los. Unser missionarischer Dienst in der Stadt wuchs. Wir mieteten Räume und begannen mit einer Teestubenarbeit, die wir Beit Al Liqa’ (dt. Haus der Begegnung) nannten. Wir übernahmen eine Kindertagesstätte, gründeten einen Jugendkreis und hatten überfüllte Kinderstunden. In den Sommerferien führten wir Kindercamps in unserem kleinen Zentrum durch. Die Arbeit platzte aus allen Nähten und schon bald dachten wir über größere Räumlichkeiten nach. Im Jahr 2000 kauften wir ein Grundstück mitten in Beit Jala und legten hier als erstes einen Kinderspielplatz an. Unser Zentrum wurde schon bald die Seele der Stadt genannt.

Als wir dann im Herbst 2000 mit dem Bau des neuen Zentrums beginnen wollten, brach die zweite Intifada aus. Wieder ging alles den Bach hinunter. Wir erlebten richtigen Krieg. Kugeln und Raketen flogen uns um die Ohren. Es waren furchtbare Jahre. Doch mitten in dieser schweren Zeit erlebten wir Gottes Segen wie niemals zuvor. Wir bauten ein vierstöckiges Gebäude als neue Heimat für das Beit Al Liqa’, halfen vielen Menschen in Not und setzten uns überall ein, wo wir konnten. Dabei brachten wir uns oft selbst in Gefahr. Wir erlebten die Brutalität der israelischen Besatzungsmacht und sahen die fürchterliche Gewalt der selbst ernannten palästinensischen Freiheitskämpfer.

Durch unseren unermüdlichen Einsatz in der Intifada gewannen wir das Vertrauen vieler Menschen. Nach Ende des Krieges wuchs unsere Arbeit in rasantem Tempo. Wir kauften mehr Land und bauten weitere Gebäude. Neue Arbeitsbereiche und Mitarbeiter kamen hinzu. Gott schenkte uns viele offene Türen. Heute beherbergen wir in unserem Zentrum eine Kindertagesstätte mit knapp hundert Kindern, wir haben wöchentliche Programme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Im Sommer führen wir Kindercamps mit über 100 Kindern durch. Unser Garten und der Innenspielplatz sind beliebte Treffpunkte für viele Familien. Wir haben Sportaktivitäten und ein Gästehaus. All diese verschiedenen Bereiche und Entwicklungen in unserer Arbeit machen uns sehr viel Freude. Auch wenn es manchmal zu viel für uns wird, beflügelt der Segen, den wir erleben, uns immer wieder aufs Neue und lässt uns zur Höchstform auflaufen.

Illegal im Land

Doch es gab in all den Jahren auch viele Probleme. Eines davon war mein Visum. Obwohl ich mit einem Palästinenser verheiratet bin, bekam ich keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Immer wieder musste ich bei den israelischen Behörden einen Antrag auf Visumsverlängerung stellen. Oft wurde dieser Antrag aber gar nicht bearbeitet. Dann blieb mir nichts anderes übrig, als das Land für ein paar Tage zu verlassen, in der Hoffnung, bei der Einreise wieder ein dreimonatiges Visum zu erhalten. Manchmal wurde mir aber schon bei der Ausreise gesagt, man würde mich nicht wieder ins Land lassen. Jedes Mal stand ich fürchterliche Ängste aus, bis ich wieder bei meinem Mann und meinen Kindern war. Später hatte ich das Vorrecht, einige Male ein Jahresvisum als Volontärin für unsere Organisation zu bekommen. Danach erlaubte es das Gesetz, dass Johnny für mich ein Ehefrauenvisum beantragen durfte, das ich jeweils für ein Jahr erhielt. Doch mein Glück hielt nicht lange an. Schon nach kurzer Zeit wurde das Visum nur auf die palästinensischen Gebiete begrenzt. Ich durfte nicht mehr nach Israel. Nicht mehr zum Einkaufsbummel in das nahe gelegene Jerusalem, keinen Ausflug mehr ans Meer und erst recht keinen Urlaub am See Genezareth. Meine Freiheit wurde total eingeschränkt und das Leben ohne diese kleinen Auszeiten wurde für mich immer unerträglicher. Doch es kam noch schlimmer. Ich wurde vom israelischen Innenministerium vorgeladen und sollte unterschreiben, dass ich nie wieder nach Israel gehe. Als ich mich weigerte, das zu tun, bekam ich kein Visum mehr. Über drei Jahre war ich illegal im Land, bis ich wie durch ein Wunder wieder ein Visum bekam – doch natürlich war das nur für die palästinensischen Gebiete!

Was für eine Ungerechtigkeit! Was für ein Kampf all die Jahre! Wie oft war ich müde von alldem?! Wie oft wurde ich an der Grenze oder bei den israelischen Behörden schlecht behandelt, nur aus dem einen Grund, weil ich mit einem Palästinenser verheiratet bin. Warum dürfen Touristen sich im ganzen Land bewegen und ich nicht? Warum bekommen Palästinenser zu bestimmten Zeiten Erlaubnisse für die israelischen Gebiete und ich nicht? Warum dürfen Palästinenserinnen, die über 50 Jahre alt sind, über den Checkpoint gehen und ich nicht? All diese Fragen belasteten mich sehr und raubten mir die Kraft. Wann werde ich endlich meine Einbürgerung erhalten? Ein palästinensischer Pass würde mir erlauben, mich auch in Israel aufzuhalten, und mir könnte niemand mehr die Einreise in das Land verwehren. Das wäre eine große Erleichterung für mich. Leider warte ich immer noch auf eine Antwort.

Währenddessen schleiche ich mich von Zeit zu Zeit über den Checkpoint und fühle mich dabei fast wie eine Verbrecherin. Doch diese wenigen Tage in Freiheit geben mir Kraft für meinen Alltag. Und die vielen Fotos, die ich bei unseren Ausflügen in die herrliche Natur dann mache, dienen mir als Vorlage für meine Malerei.

Ich kann lieben, weil Gott liebt

Ich blicke auf den See Genezareth. Er hängt als Gemälde über unserem Bett. Die untergehende Sonne spiegelt sich warm auf dem glatten Wasser. Wie viel Freude und Frieden erfüllte mein Herz, als ich dieses Bild malte! Ich fühlte mich Jesus ganz nahe. Es war fast, als würde er neben mir sitzen und mir die Hand auf die Schulter legen. Gemeinsam sahen wir uns den Sonnenuntergang an und genossen das bunte Farbenspiel am Himmel. Ich liebe den See Genezareth. Ich liebe dieses Land. Ich liebe die wunderbare Natur. Die Vielfalt der Landschaftsformen. Die unterschiedlichen Farben, die die Jahreszeiten mit sich bringen. Als Künstlerin finde ich immer wieder neue Blickwinkel, um die Schönheit dieses Landes festzuhalten. Doch kann ich ein Land lieben und seine Einwohner nicht? Kann ich einen Teil meines Körpers lieben und den anderen hassen? »Das sei ferne von mir!«, wie der Apostel Paulus sagen würde. Ja, mein Herz schlägt für die Palästinenser. Sie sind das Volk, zu dem Gott mich gesandt hat. Doch ich liebe auch die Israelis. Wir haben zwar nur wenige Kontakte zu den Menschen auf der anderen Seite der Mauer, doch mit einigen verbindet uns eine tiefe Freundschaft. Manche sind unsere Brüder und Schwestern im Glauben an Jesus Christus. Diese Leute zu lieben, ist nicht schwer. Aber was ist mit den anderen? Den Israelis in den Behörden, an den Checkpoints und am Flughafen? Menschen, die mir das Leben mehr als einmal schwer gemacht haben, mich ungerecht behandelten und manchmal extra gemein zu mir waren? Was ist mit den Soldaten in der Intifada? Sie haben uns Angst und Schrecken eingejagt, unsere Familie in ein Zimmer gesperrt, unsere Wohnung besetzt, viele Häuser in unserer Stadt zerschossen und Menschen verletzt und getötet. Was ist mit denen? Wie kann ich sie lieben?

Die Antwort ist, ich kann es nicht. Aus mir heraus ist das unmöglich. Nur durch Gottes Liebe in mir kann ich meine Feinde lieben! Nur er gibt mir die Kraft, die zu segnen, die mir etwas Böses tun. Aber warum ist es mir denn so wichtig, die Israelis zu lieben? Ganz einfach, weil Gott sie liebt. Weil er sie auserwählt hat, um uns seine Liebe an ihnen zu zeigen. Nicht etwa, weil sie so gut und großartig waren, sondern weil sie so schwer zu lieben sind. Weil sie ein stolzes, eigensinniges und ungehorsames Volk waren, erwählte Gott sie. Dadurch bewies er seine Liebe in noch viel größerer und einzigartiger Weise. So groß, dass er seinen einzigen Sohn auch für sie sterben ließ.

Wenn ich nun wirklich als Christ leben will, dann muss ich Israel nicht nur lieben, sondern auch segnen. Vor allem hier in diesem Land. Ich kann die Menschen, die Gott mir vor die Haustüre gesetzt hat, nicht einfach ignorieren. Ich ringe jeden Tag darum, ihnen gegenüber die richtige Einstellung zu haben. Das ist nicht einfach. Doch ich muss immer wieder lernen, ihre Taten zwar zu verurteilen, sie als Menschen aber zu lieben. Nur so kann ich in diesem Land leben und nicht bitter werden. Nur so kann ich 30 Jahre lang Unrecht ertragen und trotzdem geduldig bleiben. Nur so kann ich in der Spannung zwischen Palästinensern und Israelis leben und sie als ein Volk lieben. Ich bete für den Frieden Israels und ich arbeite dafür. Hier im Beit Al Liqa’ erziehen wir schon die kleinsten Kinder zum Frieden. Viele Menschen sind in den letzten 30 Jahren durch unseren Dienst in Bethlehem zum Glauben gekommen. Sie haben Frieden mit Gott gefunden und sind nun dadurch in der Lage, in Frieden mit ihren Feinden zu leben. So dienen wir in unserer Arbeit nicht nur den Palästinensern, wir erweisen Israel den größten Liebesdienst.

Ja, ich liebe Israel. Alle Menschen in diesem Land. Die Israelis und die Palästinenser. Und ich liebe Gottes Söhne und Töchter auf beiden Seiten der Mauer in ganz besonderer Weise.

Marlene Shahwan

(Jg. 1963) ist in Norddeutschland geboren. Sie ist verheiratet, Mutter von vier erwachsenen Kindern und sechs Enkelkindern. Sie ist Mitarbeiterin der »DMG interpersonal« und hat gemeinsam mit ihrem Mann Johnny das Begegnungszentrum »Beit Al Liqa’« in der Nähe von Bethlehem gegründet. Marlene malt Acrylbilder aus dem Heiligen Land.

»ISRAEL IST FÜR MICH EIN prophetischer Ort.«

Tobias Teichen reist einmal im Jahr nach Israel, um auf Gott zu hören

»Tobi! Predige doch mal über Israel und über die Wurzeln unseres Glaubens!« Vor einigen Jahren habe ich es oft erlebt, dass Menschen mich mit dieser Bitte bestürmten. Wenn ich ehrlich bin, haben mich damals diese Anfragen etwas genervt, und oft dachte ich: »Lasst mich mit diesem Thema einfach in Ruhe!« Doch gefühlt traf ich in dieser Zeit überall nur noch auf Christen, die Israel auf dem Herzen hatten und mich überzeugen wollten, dass ich das als guter Christ auch haben muss! Ich fühlte mich fast verfolgt von Flaggen schwenkenden Menschen, die in meiner Wahrnehmung alle Folgendes dachten: »Da ist Pastor Tobi! Jungs, Mädels, Fahnen raus und Spalier stehen, damit er das Thema auch in den Mittelpunkt stellt!« Um meinen damaligen Eindruck mal ein bisschen übertrieben zu formulieren, verzeiht es mir, denn heute weiß ich nämlich, dass diese Menschen eine große Leidenschaft für diesen Plot hatten. Und es gibt ein weitverbreitetes Phänomen: Wofür du brennst, darüber sprichst du gern.

Übertragen wir das mal auf einen anderen Bereich: Ich bin bald Hundebesitzer und vor mir tut sich eine neue Welt auf! Es gibt so viele Trainingsmethoden: Clickertraining, Kynologie, Persönlichkeit statt Futterbelohnung, Rudelkonzept usw. Der Trainer, dessen Bücher ich gerade lese, arbeitet sehr individuell und passt das Training an den jeweiligen Hund an. Das ist ein Riesenfeld und aktuell hochinteressant für mich! Aber nicht für Menschen, die kein Interesse an Hunden haben. Im Gegenteil: Je mehr ich ihnen erzähle, wie krass die positive Bestärkung bei einem Hund funktionieren kann, desto genervter nicken sie und wenden sich ab. Mancher denkt sich vielleicht: »Ich kann es nicht mehr hören! Dieses Hundegelaber! Anstrengend! Egal, wie großartig diese Tiere (für dich) auch sind! Ich will keinen haben und mich auch nicht mit seiner Erziehung beschäftigen – lass mich doch einfach in Ruhe damit!« So ähnlich dachte ich leider auch damals, wenn mich Menschen mit ihrer »Israel-Begeisterung« zutexteten.

Was mich genau störte