Was hat AD(H)S mit Quantenphilosophie zu tun? - Miriam Bruderer - E-Book

Was hat AD(H)S mit Quantenphilosophie zu tun? E-Book

Miriam Bruderer

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Beschreibung

Gelingt es einer Person nicht, sich gemäss gesellschaftlichen Normen zu verhalten, wird diese als störend und problematisch erlebt, vielleicht ausgegrenzt oder gar ausgeschlossen. Entweder werden diese Menschen dann von ihrer Umgebung zu einer Diagnose gedrängt oder es drängt sie selber, für dieses Phänomen einen Namen zu bekommen. Doch: die Quantenphysik scheint unser gewohntes, normiertes Denken in vielen Bereichen auf den Kopf zu stellen. Und so kann oder vielleicht gar muss die Frage gestellt werden: was hat AD(H)S mit Quantenphilosophie zu tun? In diesem Buch werden im Zusammenhang AD(H)S verschiedene Disziplinen miteinander verglichen und so auch die integrale und spirituelle Sicht einbezogen.

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sollte in allen Lebensbereichen das Credo sein und sicher, ja ganz sicher im zwischenmenschlichen Bereich.

Miriam Bruderer

Miriam Bruderer ist mit laufend-inne-halten.ch unterwegs.

Das System Schule erlebte Miriam Bruderer zuerst als Mutter. Für sie war der Fall immer klar: wenn die Lehrpersonen dies und jenes tun oder eben nicht tun würden, dann… Als Lehrperson sowohl auf der Oberstufe wie in der beruflichen Bildung wurde ihr vor Augen geführt: so einfach ist es doch wieder nicht. Die Schülerinnen und Schüler sind nicht wirklich immer so brav, wie man dies als Mutter gerne glaubt. Die Rolle als Schulleiterin zeigt nun wiederum eine neue Facette des Systems Schule auf.

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

1.1. F

ÜR WEN IST DIESES

B

UCH GESCHRIEBEN

1.2. P

ROBLEMSTELLUNG UND

R

ELEVANZ DES

T

HEMAS

1.3. E

INBETTUNG IN DEN

S

CHULALLTAG

1.4. Z

IELSETZUNG UND

F

RAGESTELLUNG

1.5. M

ETHODIK

1.5.1. Literaturrecherche

1.5.2. Begründete Auswahl der Autorinnen und Autoren

1.6. A

UFBAU DES

B

UCHES

2. DIMENSIONEN DER AUFMERKSAMKEIT

2.1. A

UFMERKSAMKEIT

2.1.1. Definitionen

2.1.2. Erklärungsversuche für die Aufmerksamkeit

2.1.3. Formen der Aufmerksamkeit

2.1.4. Diagnostik der Aufmerksamkeit

2.2. S

TÖRUNG DER

A

UFMERKSAMKEIT

2.2.1. Mögliche Ursachen einer Aufmerksamkeitsstörung

2.2.2. Formen von Aufmerksamkeitsstörungen bei AD(H)S

2.2.3. Vorbeugung von Aufmerksamkeitsstörungen

2.3. A

UFMERKSAMKEITSMANAGEMENT

2.4. A

UFMERKSAMKEIT IM

K

ONTEXT

S

CHULE

2.4.1. Verbesserungsmöglichkeiten von Aufmerksamkei im Kontext Schule

3. NORMALITÄT VERSUS VERHALTENSAUFFÄLLIGKEIT

3.1. K

ULTUR DES

A

UFMERKSAMKEITSDEFIZITS

4. AUFMERKSAMKEITSDEFIZIT(-HYPERAKTIVITÄTS) SYNDROM AD(H)S

4.1. (F

ÖRDER

-)

DIAGNOSTIK

AD(H)S

4.2. S

YMPTOME UND

R

ESSOURCEN VON

AD(H)S

4.3. A

BGRENZUNG ZU ANDEREN

S

TÖRUNGSBILDERN

4.4. K

OMORBIDITÄTEN

5. AUFMERKSAMKEITSDEFIZIT AD(H)S: MEHRPERSPEKTIVISCHER BLICK

5.1. B

IOLOGIE

/M

EDIZIN

5.2. (S

OZIAL

-)

PSYCHOLOGIE

5.3. (S

ONDER

-)

PÄDAGOGIK

5.4. J

URISPRUDENZ

5.5. Ö

KONOMIE

5.6. M

EHRWERT DER MEHRPERSPEKTIVISCHEN

B

ETRACHTUNGSWEISE

5.7. T

HEORETISCHE

E

RKLÄRUNGSMODELLE

5.7.1. Soziologisches Erklärungsmodell – Systemtheorie

5.7.2. Soziologisches Erklärungsmodell – Etikettierungstheori (Labeling-Approach)

5.7.3. Psychologisches Erklärungsmodell – Psychoanalyse

6. ANTWORTEN AUF DIE FORSCHUNGSFRAGE

6.1. I

NTEGRALE UND SPIRITUELLE

S

ICHT

6.2. I

NTEGRALE UND SPIRITUELLE

E

RKLÄRUNGSMODELLE

6.2.1. Integrale Psychologie

6.2.2. Spiral Dynamics

6.2.3. Quantenphilosophie

6.2.4. Mehrwert der integralen und spirituellen Betrachtungsweise

6.3. A

WARENESS

6.3.1. Bewusstsein

6.3.2. Unterbewusstsein

6.3.3. Awareness als Zielvorstellung idealer Aufmerksamkeit

6.4. K

ONKLUSION

: W

AS WISSEN WIR JETZT

N

EUES

?

6.4.1. Aufmerksamkeit

6.4.2. Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S – ein Puzzlekonstrukt

6.4.3. Diagnose

6.4.4. Ursachen

6.4.5. Prävention und Intervention

6.4.6. Erklärungsmodelle

6.4.7. Objektivität

6.4.8. Bewusstsein – Unterbewusstsein

6.4.9. Selbstreflexion (Überfachliche Kompetenzen)

6.4.10. Awareness

6.5. M

EHRWERT FÜR DEN

K

ONTEXT

S

CHULE

6.6. S

CHLUSSFOLGERUNGEN FÜR

S

CHULEN

7. GRENZEN DES BUCHES

8. REFLEXION UND OFFENE FRAGEN

8.1. R

EFLEXION DES

V

ORGEHENS

8.2. R

EFLEXION DER

E

RKENNTNISSE

8.3. R

EFLEXION DER

F

RAGESTELLUNG

8.4. O

FFENE

F

RAGEN

9. PERSÖNLICHER ERKENNTNISGEWINN

10. BIBLIOGRAFIE

10.1. L

ITERATUR

10.1.1. Internet

10.1.2. Zeitungen und Zeitschriften

10.2. A

BBILDUNGSVERZEICHNIS

10.3. T

ABELLENVERZEICHNIS

11. BEGRIFFSVERZEICHNIS

11.1. A

UFMERKSAMKEITSDEFIZIT

: T

HEORETISCHE

E

RKLÄRUNGSMODELLE IM

Ü

BERBLICK

1. Einleitung

«Denken ist schwer, darum urteilen die meisten…» (C.G. Jung).

Die Phänomene „Zappel-Philipp“ (ADHS) oder „Hans-Guck-in-die-Luft“ (ADS) mit Aufmerksamkeitsstörungen, später als Psychoorganisches Syndrom (POS) und heute als Aufmerksamkeitsdefizit-(hyperaktivitäts) Syndrom, abgekürzt AD(H)S, bezeichnet, gehen bis ins Jahr 1844 zurück und werden vom Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann im berühmten Buch „Struwwelpeter“ thematisiert. Die Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S von Schülerinnen und Schülern, die oft Unterrichtsstörungen nach sich zieht, ist an Schulen ein omnipräsentes Thema, das Emotionen und Vorurteile auslöst.

In der Öffentlichkeit scheint eine Art „Krieg“ ausgebrochen zu sein, denn die einen Parteien bezeichnen AD(H)S als mit dem Betäubungsmittel Ritalin zu therapierende Störung, andere wiederum bezeichnen diejenigen, welche zu solchen Diagnosen und Mitteln greifen, als eine Art „Verbrecher“ (vgl. Feuser 2009). In „Fakten über ADHS“ (Bürgerkommission Schweiz für Menschenrechte in der Psychiatrie 2013) ist zu lesen, dass sämtliche alternativen Methoden zur Behandlung von AD(H)S nie irgendwelche positiven Wirkungen gezeigt hätten. In einer von Novartis gesponserten Broschüre bekundet derselbe Psychiater, welcher auch für das Bundesamt für Gesundheit arbeitet, dass nur Methylphenidat oder Psychopharmaka Heilungserfolge erzielen können (ebd. 13).

Als Kontrast dazu, steht in derselben Veröffentlichung, dass es eine Stigmatisierung sei, ein Kind durch eine Diagnose als psychisch krank zu bezeichnen. Somit stelle die Vergabe eines Psychopharmakons eine Vergiftung und keine Behandlung dar (ebd. 28).

Diese gegensätzlichen Aussagen zeigen auf, wie brisant einerseits eine Diagnose und andererseits eine Therapie dieses sogenannten „Störungsbildes“, das sich immer durch eine mangelnde Aufmerksamkeit bemerkbar macht – besonders für Schulen – ist und welche Interessensgruppen dahinterstehen könnten. Wichtig dabei ist, dass die Betroffenen meist noch kleine Kinder sind. Erwachsene entscheiden jedoch aus verschiedenen Perspektiven und Interessen über deren Schicksal. Daher bedürfen diese jungen Menschen sicherlich eines besonderen Schutzes.

In diesem Buch wird die Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S beleuchtet. Die Begriffe werden wie folgt unterschieden: Bei ADS, also ohne H, liegt nebst der Aufmerksamkeitsstörung eine Hypoaktivität und bei ADHS eine Hyperaktivität vor. Diese Unterscheidung zwischen Hypo- und Hyperaktivität ist nicht Thema dieses Buches, weshalb jeweils die Abkürzung AD(H)S verwendet wird. Der Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S widmen sich durch eine mehrperspektivische Betrachtungsweise die Disziplinen der Biologie und Medizin, der (Sozial-)psychologie, der (Sozial-)pädagogik, der Jurisprudenz und der Ökonomie. Zusätzlich werden unter anderem Diagnose, Gründe, theoretische Erklärungsmodelle sowie die Therapie von AD(H)S durch einen Vergleich aller untersuchten/einbezogenen Disziplinen mehrperspektivisch unter die Lupe genommen.

1.1. Für wen ist dieses Buch geschrieben

«Wenn nun Hunter-Kinder in Schulen gesteckt werden, die ganz dem Farmer-Modell entsprechen, und dort versagen, so ist der folgerichtige nächste Schritt, dass man herauszufinden versucht, was wohl mit ihnen „nicht stimmt“ (Hartmann 2013, 44).

Die ursprüngliche, nun etwas abgeänderte Version dieses Buches entstand im Rahmen der Masterarbeit Bildungsmanagement an der PH Zürich.

Da vor allem im Kontext Schule auf eine Früherkennung von Auffälligkeiten ein besonderes Augenmerk gerichtet wird, sollte die Auseinandersetzung mit dem sogenannten Störungsbild AD(H)S von allen in der Schule agierenden Personen – Lehrpersonen, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sowie Eltern, Schulleitenden und Sozialarbeitenden – differenziert betrachtet werden. Dabei ist es ratsam, sich immer wieder die Frage zu stellen, welche Komponenten – Sensibilität, Ernährung, Intelligenz, soziale Umgebung usw. – bei Kindern welche Verhaltensweise auslösen können.

1.2. Problemstellung und Relevanz des Themas

«Wenn die Materie durch Nichtgleichgewichtsbedingungen gestört wird, strukturiert sie sich selbst; sie wacht auf. Tatsächlich stellt unsere Welt ein Nichtgleichgewichtssystem dar» (Prigogine In: Weber 2012, 77).

Die aktuelle Fachliteratur zur Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S (siehe Bibliographie) widerspiegelt die Brisanz des gewählten und fokussierten Themas dieses Buches. Eine Aufmerksamkeitsstörung macht sich vor allem im Kontext Volksschule negativ bemerkbar und beschäftigt somit Lehrpersonen, Schulleitende, Schulsozialarbeitende, Eltern, externe Fachleute und vor allem die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst.

Lehrpersonen empfinden ihren Beruf wegen der steigenden Zahl verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler und fehlender Ressourcen als zunehmend belastend (vgl. Cina 2016; Aussagen vonseiten Lehrpersonen). In der Gesellschaft spielt die Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S eine immer bedeutendere Rolle. Einerseits fallen betroffene Kinder und Jugendlichen oft negativ auf und benötigen Sondermassnahmen, die hohe Kosten verursachen. Andererseits wird das Schweizer Bildungssystem der Forderung der UNO nach inklusiver Bildung immer noch nicht vollständig gerecht. Ausweg aus diesem Dilemma ist für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und deren Eltern in vielen Fällen die Verabreichung des Betäubungsmittels Methylphenidat Ritalin (vgl. Kap. 5.5).

1.3. Einbettung in den Schulalltag

«Die Realität ist keine Wahrnehmung, sondern eine Vorstellung» (Wilber 2007, 316).

Die sich oft erst im Kontext Schule bemerkbar machende Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S ist unter anderem von Interesse, weil die Anzahl diagnostizierter Fälle mit anschliessender spezifischer Integration durch Medikation zunimmt (vgl. Klöckner u. Lüdemann 2013). Eltern werden vonseiten der Schule aufgefordert, ihre im Schulunterricht auffälligen Kinder auf AD(H)S untersuchen zu lassen. Wenn sich die Vermutung von AD(H)S bestätigt, wird oft zur Medikation mit dem Betäubungsmittel Ritalin gegriffen, um die Aufmerksamkeit der Kinder und Jugendlichen zu fördern, bzw. zu normalisieren. Bei AD(H)S kann entweder das Kind und dessen Familie in den Fokus gestellt werden oder ebenso gut andere Systeme, welche aus einer Diagnose AD(H)S Gewinn ziehen können. Auch im System Schule müssen allfällige Defizite, die Schülerinnen und Schüler unaufmerksam werden lassen, zur Debatte stehen. Eine systemische bzw. integrative Betrachtungsweise drängt sich für die Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S auf. Die überfachlichen Kompetenzen des Lehrplans 21 bilden diese Notwendigkeit ab (vgl. Kap. 1.3).

Die intensive Lektüre zu AD(H)S allgemein und spezifisch zum Thema Aufmerksamkeit liess gar die Vermutung aufkommen, dass es möglicherweise weniger sogenannte „Problemkinder“ unter optimalen Bedingungen geben könnte. Dazu zählen zum Beispiel ein gutes Unterrichts- und Klassenmanagement mit individualisiertem und differenziertem Unterricht sowie eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass selbst verschiedene Disziplinen die Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S nicht genau definieren und beschreiben können. Ob diese Annahme stimmen könnte, wird in diesem Buch geprüft. Das nachfolgende Kapitel thematisiert die Zielsetzung des Buches und die Fragestellung mit ihren Unterfragen.

1.4. Zielsetzung und Fragestellung

«Es hört doch jeder nur, was er versteht» (Johann Wolfgang von Goethe).

Die Grundlagen des neuen Lehrplans 21 beinhalten neben fachlichen auch „Überfachliche Kompetenzen“, d.h. personale, soziale und methodische Kompetenzen. Bei den „Personalen Kompetenzen“ ist zu lesen, dass die Selbstreflexion ein wichtiger Bestandteil der Volksschulen von 21 Schweizer Kantonen bildet. Die Selbstreflexion wird weiter unterteilt in: «Fehler analysieren und über alternative Lösungen nachdenken, eigene Einschätzungen und Beurteilungen mit solchen von aussen vergleichen und Schlüsse ziehen (Selbst- und Fremdeinschätzung), aus Selbst- und Fremdeinschätzungen gewonnene Schlüsse umsetzen» (vgl. Lehrplan 21 2016). Die geforderten Kompetenzen haben Gültigkeit für alle in einer Schule involvierten Personen. Sie in der Praxis umzusetzen ist Aufgabe der Schülerinnen und Schüler und natürlich auch der Lehrpersonen, Heilpädagoginnen und -pädagogen, der schulischen Sozialarbeit und der Schulleitenden. In der Mathematik müssen beispielsweise Lehrpersonen den Stoff, welchen sie vermitteln, auch verstehen und anwenden können. Anknüpfend an die überfachliche Kompetenz Selbstreflexion, verfolgt dieses Buch das Ziel, dass am System Schule arbeitende Personen sowie Eltern und Erziehungsberechtigte einerseits über die Aufmerksamkeit und andererseits über die ungenügende Aufmerksamkeit bei AD(H)S reflektieren, um ihren und den Anteil des Gegenübers erahnen zu können. Erahnen zu können deshalb, weil die Aufmerksamkeit eng an das Bewusstsein geknüpft und das Bewusstsein wiederum eng mit dem Unterbewusstsein gekoppelt ist (vgl. Ayan 2018, 14).

Da das Unterbewusstsein – wie der Name ausdrückt – noch im Unbewussten liegt, ist es somit (noch) unbekannt/unbewusst, also kognitiv nicht erfassbar. Die Fragestellung dieses Buches verfolgt weiter die Absicht, wissenschaftliche Erkenntnisse mit der im Lehrplan 21 (vgl. D-EDK 2016) erwähnten „Überfachlichen Kompetenz Selbstreflexion“ in Einklang zu bringen, was einer integralen Betrachtungsweise einen Schritt näherkommt.

Und weiter ist die Intention, Klarheit hinsichtlich Diagnose, Diagnosestellung, Ursachen, Erklärungsmodellen und Therapie der mangelnden oder gestörten Aufmerksamkeit zu bringen, dies sowohl beim Aufmerksamkeitsdefizit Syndrom ADS und beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts Syndrom ADHS.

Der Mehrwert der beschriebenen Vorgehensweise ist eine Wissenserweiterung zu AD(H)S, die unter Umständen auch zu mehr Verständnis für betroffene Kinder und Jugendliche führen könnte (und müsste). Und weil das vorliegende Buch aus der Optik einer Schulleiterin geschrieben wird, lautet die zentrale Fragestellung:

Welche Auswirkungen haben für Schulen die Erkenntnisse des mehrperspektivischen Vergleichs von Theorien zur Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S im Bereich der Schul- und Unterrichtsentwicklung?

Mehrperspektivisch verglichen wird zwischen den Wissenschaftsdisziplinen Biologie/Medizin, (Sozial-)psychologie, (Sozial-)pädagogik, Jurisprudenz und Ökonomie hinsichtlich Diagnose, Diagnosestellung, Ursachen und Erklärungsmodellen.

Mit welcher Methodik die zentrale Frage in diesem Buch beantwortet wird, ist Thema des nächsten Kapitels.

1.5. Methodik

«Man kann annehmen, dass die letzte Quelle unermesslich ist und sich nicht von unserem Wissen her fassen lässt» (Bohm In: Weber 2012, 147).

Aufgrund der Fragestellung und inspiriert durch das Referat am Schulleitersymposium der PH Zürich im Jahre 2016 von Frau Prof. Anna Maria Pircher Friedrich „Was wirklich zählt“, basiert dieses Buch auf der Forschungsmethode Literaturvergleich. Was wirklich zählt, könnte dahingehend hypothetisch ergänzt werden, dass all jenes, was zählt, nicht zählbar, bzw. messbar ist (vgl. Begriff „Unterbewusstsein“).

Im adaptierten St. Galler-Managermodell von Rüegg (siehe Abb. 1 und vgl. Dubs 2005, 24) steht das System Schule und deren Führung im Fokus der Betrachtung.

Abb.1: Dubs 2005, 24: Modell zur Führung einer Schule (Adaption des St. Galler Management-Modells von Rüegg-Stürm, 2002)

Zur Betrachtung des Themas Aufmerksamkeitsstörungen bei AD(H)S werden anstelle des Systems „Schule“ als Ganzes einerseits die Optik der Anspruchsgruppe „Lehrperson“ und schliesslich betreffend Unterrichtsgestaltung auch diejenige der Anspruchsgruppe „Kinder und Jugendliche“ in den Fokus gestellt.

Lehrpersonen erleben das System Schule aufgrund ihrer persönlichen Geschichte und ihren durch Sozialisation verinnerlichten Normen und Werte. Schülerinnen und Schüler sind im Vergleich zu den Lehrpersonen noch weniger von eigenen Normen und Werten geprägt, auch wenn eine Schule mit ihrer Schulpflicht und einem Lehrplan solche laufend ausformt und prägt. Mit der Einführung des Lehrplans 21, in welchem die „Überfachlichen Kompetenzen“ (personale, soziale Kompetenzen sowie Methodenkompetenzen) eine Art Grundgerüst oder Basis sind, kann davon ausgegangen werden, dass diese auf eine andere Art als bisher normierend wirken. Durch die „Personale Kompetenz“ Selbstreflexion werden Schülerinnen und Schüler und damit auch Lehrpersonen wie Schulleitende aufgefordert, sich immer wieder zu fragen, was Wahrgenommenes und Erlebtes bei sich selbst auslöst und weshalb. Der Fokus richtet sich vom Du weg aufs Ich.

Die Segmente der nachfolgenden Abbildungen zeigen eine Auswahl von Einflussfaktoren der jeweiligen Anspruchsgruppe ohne die Erwartung auf Vollständigkeit. Die Pfeile stehen für die verschiedenen Elemente in einem laufenden gegenseitigen – bewussten oder unbewussten – Austausch und daher in unmittelbarer und indirekter gegenseitiger Beeinflussung.

Abb. 2a: Bruderer 2019: Anspruchsgruppe Lehrperson

Abb. 2b: ebd.: Anspruchsgruppe Schülerin/Schüler

Der Beobachtungsrahmen des vorliegenden Buches stellt im Kontext Volksschule Schweiz die bei der Anspruchsgruppe „Schülerin/Schüler“ mit einem AD(H)S vonseiten Anspruchsgruppe „Lehrperson“ feststellbare mangelnde Aufmerksamkeit in den Fokus. Sie bedeutet, dass betroffene Kinder und Jugendliche dem Unterrichtsgeschehen meist weniger aufmerksam folgen können, was dann beispielsweise zu Unterrichtsstörungen, mangelndem Schulerfolg, Frustration für die Klasse, die Lernenden und die Lehrperson, aber auch zu Mobbing führen kann. Eine Lehrperson betrachtet eine Haltung und die oft damit gekoppelte Leistung einer Schülerin, eines Schülers. So entscheiden Lehrpersonen, ob sie ein Kind oder einen Jugendlichen als unaufmerksam bewerten, weil sie/er zum Fenster hinausschaut oder den Pultnachbarn drangsaliert, währenddem sie/er höchst aufmerksam auf die Reaktion der Lehrperson achtet. Ebenso kann es vorkommen, dass beispielsweise ein strebsames Kind der Lehrperson an den Lippen hängt und gleichzeitig trotzdem voll darauf fokussiert ist, wie das wohl vorbildliche Folgen des Unterrichtsgeschehens auf die Lehrperson wirkt. Somit muss davon ausgegangen werden, dass meist die Anspruchsgruppe „Lehrperson“ bestimmt, welche Kinder und Jugendlichen sie im Unterricht als aufmerksam oder unaufmerksam bewertet. Schülerinnen und Schüler hingegen reagieren auf die Interaktionen mit den Lehrpersonen.

Eine Art Grundannahme des Buches bildet die Aussage eines Bekannten, der Biologe studiert hat. Dieser vergleicht die Schülerinnen-/Schüler-Lehrerbeziehung mit folgendem Bild: Schülerinnen und Schüler können mit einer Wirtzelle verglichen werden, welcher die Informationen (Inhalte des Lehrplans) mittels Virus (Lehrperson) eingeimpft werden soll. Empfindet eine Schülerin, ein Schüler eine solche Information für sich selbst als irrelevant, kommen Abwehrmechanismen, wie zum Beispiel eine mangelnde Aufmerksamkeit zum Zug. Dieses Wirt-Virus-Beispiel zeigt die Brisanz auf und wie störanfällig Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrperson sein können. Aus diesem Grunde ist es wichtig, das Vorwissen von Schülerinnen und Schülern zu aktivieren und ihnen aufzuzeigen, weshalb das neue Wissen von Bedeutung ist.

Im vorliegenden Buch kommen erwähnte Wissenschaftsdisziplinen durch einen Vergleich zu Wort. Der Fokus richtet sich auf die Aufmerksamkeitsstörung beim Konstrukt AD(H)S. Interpersonelle Vorgänge stehen ebenso im Vordergrund wie auch die spezifischen intrapersonellen, welche besagtes Störungsmuster bestimmen. Autorinnen und Autoren werden einander gegenübergestellt, die einerseits die mangelnde Aufmerksamkeit bei AD(H)S als Störung einstufen und andererseits solche, welche das Syndrom als Ressource betrachten.

Die Methodik des Buches ist so gewählt, weil das Literaturstudium aufzeigt, dass über AD(H)S zwar eine enorme Fülle an Material vorliegt, jedoch keine Quelle das Konstrukt wohl in seiner ganzen Tiefe oder Breite zu erfassen vermag. Deswegen wird eine Vorgehensweise gewählt, zum Schluss (vgl. Diskussion) komplexe Modelle und Theorien sehr stark vereinfachend vorzustellen, um mit dem Einbezug der Selbstreflexion (vgl. „Überfachliche Kompetenzen“ des Lehrplans 21) zu einer Antwort auf die Fragestellung zu gelangen.

1.5.1. Literaturrecherche

«In einer literaturbasierten Arbeit setzen sich die Verfasser/innen eingehend und vertieft mit der bestehenden Literatur zu einem Themenbereich auseinander» (Lanz et al. 2009, 11). Diese Methode wurde wegen des Themas mit einem Vergleich des Ist-Zustandes mehrerer Disziplinen gewählt. Ausserdem muss einbezogen werden, dass empirische Arbeiten eine Aussagekraft haben können, welche jedoch immer wieder durch die Tatsache zu relativieren ist, dass es vorwiegend im psychologischen und pädagogischen Bereich keine Objektivität gibt.

1.5.2. Begründete Auswahl der Autorinnen und Autoren

Die Literatur wurde so ausgewählt, dass möglichst alle Facetten – pro und contra – abgebildet werden. Es kann festgestellt werden, dass zum Thema Aufmerksamkeitsstörung AD(H)S mehr Literatur vorhanden ist, welche rein defizitäre und daher wohl gängige Annahmen in den Fokus stellen, auch wenn hier ein Gleichgewicht an Annahmen und Gegenannahmen angestrebt wird.

1.6. Aufbau des Buches

Der Aufbau des Buches ist gemäss folgendem Ablauf strukturiert: Auf die Einleitung (1) folgen die Theoretischen Grundlagen mit den Kapiteln (2) Dimensionen der Aufmerksamkeit, Normalität versus Verhaltensauffälligkeit (3) und Aufmerksamkeitsdefizit(-Hyperaktivitäts) Syndrom (4). Die Literaturanalyse widmet sich der mehrperspektivischen Betrachtungsweise von AD(H)S mit deren Diagnostik, Kernsymptomen, Ressourcen und die mehrperspektivische Betrachtungsweise und deren Mehrwert (5), worauf die abschliessende Diskussion mit Antworten auf die Forschungsfrage (6), Grenzen des Buches (7) sowie das Kapitel mit der Reflexion und offene Fragen (8) folgt. Das Kapitel (9) beinhaltet den persönlichen Erkenntnisgewinn und das folgende die Bibliografie (10). Das Begriffsverzeichnis befindet sich im Kapitel (11). Aufmerksamkeitsdefizit: theoretische Erklärungsmodelle im Überblick befinden sich im Anhang.

2. Dimensionen der Aufmerksamkeit

«Man sieht nur, was man glaubt» (Joas 2007, 293).

Wenn man nur dasjenige sieht, was man glaubt, könnte die Schule im Zeitalter der Digitalisierung mit immer grösserem Einbezug der künstlichen Intelligenz KI unter Umständen vielleicht nicht das Aktuelle sehen und daher auch nicht das Passende bieten, was sich Schülerinnen und Schüler von ihren Smartphones gewohnt sind und daher ihre Aufmerksamkeit fesselt. Lehrpersonen ihrerseits sehen, dass Schülerinnen und Schüler ihrem Unterricht nicht (mehr) folgen, also unaufmerksam sind. Das nachfolgende Kapitel widmet sich der Aufmerksamkeit gefolgt von der Beschreibung des Gegenteils, der Unaufmerksamkeit.

2.1. Aufmerksamkeit

«Aufmerksamkeit ist [...] eine sich ändernde Vorstellung, ein sich ändernder Begriff für ein sich änderndes Phänomen» (Reh In: Reh et al. 2015, 71).

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Schulpflicht eingeführt wurde, geriet die Aufmerksamkeit in den Fokus von Schuldebatten. 1925 erwähnte Hans Hennig, dass sich eine Definition der Aufmerksamkeit allgemein halte und ein Sammelbegriff, weiter noch als die Intelligenz sei: «Man pflegt zu definieren: Aufmerksamkeit ist die gedachte Ursache oder Bedingung für das Klarwerden und Hervortreten seelischer Inhalte» (3). In der Schule war trotz dieses Sammelbegriffes „Aufmerksamkeit“ zuerst von einer didaktischen Aufgabe vonseiten der Schule die Rede, welche dann zum „Kinderfehler“ mit einer Disposition des Kindes, also einem begründeten Verhaltensproblem wurde (vgl. ebd. 72). Auch wenn eine fokussierte Aufmerksamkeit nicht nur von Seiten der Schule eine erwünschte und geforderte Eigenschaft ist, sondern auch von diversen Berufen, wie zum Beispiel bei Fachkräften im chirurgisch medizinischen Bereich, im öffentlichen Verkehr usw. verlangt wird, gibt es im Kontrast dazu Tätigkeiten, bei welchen eher eine weite, bzw. geteilte Aufmerksamkeit hilfreich sein kann. Beispiele dafür sind Berufe im zwischenmenschlichen Bereich, wie Psychotherapie und der Lehrerberuf. Genau dem oben zitierten Tatbestand, dass Aufmerksamkeit eine sich ändernde Vorstellung ist, wird in dieser Arbeit Rechnung getragen. Im Folgenden werden somit „Aufmerksamkeit“ zuerst allgemein und anschliessend im Zusammenhang AD(H)S besprochen.

Im „Praxishandbuch ADHS“ ist zu lesen, dass es sich bei „Aufmerksamkeit“ um ein sehr komplexes Konstrukt handle (Kahl et al. 2012, 15). Und so sind je nach Quellen bei dieser Begriffsbestimmung Nuancen feststellbar. Um diesen Begriff für den Zweck dieses Buches so gut wie möglich eingrenzen zu können, dienen ausgewählte Quellen und dies im Bewusstsein, dass davon ausgegangen werden muss, dass keine die ganze Wahrheit abzudecken vermag.

Eine klassische Definition des Begriffs „Aufmerksamkeit“ lautet:

«Aufmerksamkeit ist [...] ein Zustand konzentrierter Bewusstheit, begleitet von einer Bereitschaft des zentralen Nervensystems, auf Stimulation zu reagieren. Man kann sich Aufmerksamkeit als eine Brücke vorstellen, über die Informationen aus der äusseren Welt – diejenigen ausgewählten Aspekte, auf die die Aufmerksamkeit konzentriert ist – in die subjektive Welt des Bewusstseins gebracht werden, so dass die Person ihr Handeln darauf einstellen kann (Carver und Scheiner 1981)» (Zimbardo u. Gerrig 1999, 166).

Folgende Definition betont, dass Aufmerksamkeit dem Bewusstsein zugeordnet wird. Stangl (2018) besagt:

«Aufmerksamkeit bezeichnet [...] die Konzentration der Wahrnehmung auf bestimmte Reize unserer Umwelt, wobei es dabei zu einer Auswahl von Informationen (Selektion) kommt, um sie dem Bewusstsein zugänglich zu machen und das Denken und Handeln zu steuern. In jeder Situation sind Menschen von einer Vielzahl von Objekten und Ereignissen umgeben, und zwar stets mehr, als sie zeitgleich wahrnehmen können, aber es sind auch mehr Aktivitäten möglich, als tatsächlich ausgeführt werden können. Es sind daher Aufmerksamkeitsprozesse (ohne Hervorhebung durch die Autorin) notwendig, die in jedem Augenblick immer wieder aufs Neue auswählen müssen, was wahrgenommen wird, welche Gedächtnisinhalte aktiviert werden und was getan werden soll».

Weiter wird Aufmerksamkeit – gemäss Sprechzimmer.ch by mediscope (vgl. Grossenbacher. 2017) – definiert als «die Fähigkeit, Informationen und Reize aus dem Umfeld wahrzunehmen, sie auszuwählen, aufzunehmen und angemessen zu verarbeiten». Die Aufmerksamkeit nimmt im Laufe eines anstrengenden Tages immer mehr ab und ist auch Schwankungen unterworfen. Zudem ist die Aufmerksamkeit stark vom allgemeinen Wachheitsgrad abhängig. Für nahezu alle praktischen wie intellektuellen Tätigkeiten ist ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit erforderlich.

Fürs korrekte Wahrnehmen und fürs Gedächtnis, um zu planen und zu handeln, zu verstehen und zu sprechen sowie für die räumliche Orientierung und die gezielte Problemlösung ist meist eine normale Aufmerksamkeit erforderlich.

Zusammenfassend wird Aufmerksamkeit im nachfolgenden Kapitel durch verschiedene Quellen definiert.

2.1.1. Definitionen

Definition nach...

Aufmerksamkeit

Vgl. Zimbardo u. Gerrig 1999, 166

• Zustand konzentrierter Bewusstheit,