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Beschreibung

Acht Geschichten von Menschen, deren Leben von der Suche nach Glück, dem Scheitern und Leiden und den wenigen Momenten vergänglicher Lust geprägt ist.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2015

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JHD Spreemann

Was Leiden schafft

Liebe, Lust und Leidenschaft

Meiner Muse, Testleserin und schärfsten Kritikerin VeraBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

Acht Geschichten

 

Was Leiden schafft

Die Geschichte eines Arztes, der seine Jugendliebe verliert, weil er von einem Kollegen, der mit unredlichen Mitteln arbeitet, ausgestochen wird.

 

Ich will nicht

Der Anlass einer Jagd bringt die Spannung zwischen Vater und Sohn zum Höhepunkt. Es kommt zu einer dramatischen Situation, durch welche der Konflikt einer unerwarteten Lösung zugeführt wird. Die Handlung spielt im 16. Jahrhundert und bezieht sich auf das Bild "Die Jäger im Schnee" von Pieter Breughel.

 

Die Locke

Christian glaubt in der Französin Claudine die Frau gefunden zu haben, der er auf ewig die Treue schwören kann. Nach einer Weile bemerkt er aber, dass sie zu manchem, besonders zur Sexualität, eine ganz andere Einstellung hat als er selbst. Das führt zu Problemen, mit denen er nicht gerechnet hatte, und bewirkt einen totalen Umschwung in seinem Leben.

 

Das schwarze Geschenk

Espen lebt mit seinem Vater auf einem einsamen Hof in Norwegen. Sein Vater, der abergläubisch ist, glaubt, vom Unglück verfolgt zu sein. Es ist der 24. Dezember des Jahres 1810. An diesem Tag wird Espen ein Geschenk bekommen, welches sein ganzes Leben verändern wird.

 

Wiedersehen nach 33 Jahren

Markus kehrt aus Norwegen zurück, um die Frau wiederzufinden, die er einst, vor 33 Jahren, geliebt hatte. Doch ihn erwarten einige Überraschungen, und alles entwickelt sich anders, als er es sich ausgemalt hatte. - Die Handlung spielt in Mainz im Jahre 1510.

 

Nadja

Eros, das Verlangen nach Liebe, nach Berührung, nach Bestätigung, das ist es, was das Handeln der Menschen bestimmt. Unerfülltes Verlangen aber kann Menschen zu unbedachten Handlungen hinreißen. Wie in dem Fall der hier dargestellten jungen Frau namens Nadja, die sich aus lauter Verzweiflung einer revolutionären Gruppe anschließt und ihr Leben im Freiheitskampf riskiert. Aber gerade dort, im Angesicht des Todes, ereignet sich etwas, was sie der Erfüllung ihrer Träume nahebringt. So sind Tod und Eros oft nahe beieinander.

 

Mignon Sanschaussures

Die Geschichte spielt in einem der armen Länder Mittelamerikas, die gekennzeichnet sind von dem Gegensatz zwischen Arm und Reich, den unteren sozialen Schichten, die sich ihren Lebensunterhalt mit unterbezahlter Arbeit, Kriminalität oder Prostitution verdienen müssen, und den oberen Schichten, die ihren Reichtum, der aus unbekannten Quellen stammt, in ihren Palästen hinter hohen Zäunen verbergen. Sie handelt von einem Missverständnis zwischen einem reichen, älteren Mann und einem verarmten, jungen Mädchen, das fatale Folgen hat, aber auch von der Chance zu gegenseitigem Verständnis, das sich entwickeln könnte, wenn die Menschen lernen würden, miteinander zu kommunizieren.

 

Josef, der arme Zeitungsmann

Dies ist ein modernes Märchen von einem in Not geratenen Vater von vier Kindern, der sich gezwungen sieht, die Familie durch das Austragen von Zeitungen über Wasser zu halten. Er muss sehr früh aufstehen und einen täglichen Weg durch ein dunkles Viertel machen. Dort begegnen ihm merkwürdige Gestalten und es ereignen sich mystische Dinge. Am Ende gerät er in akute Gefahr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was Leiden schafft

 

Vor einigen Jahren lebte in Kleve im Rheintal der Arzt Felix Gluck, der, nachdem er vor kurzem erst seine Praxis eröffnet hatte, voll Freude seiner Hochzeit mit Diana Heister, der Tochter des berühmten Klinikarztes Hermann Heister, entgegensah. Der Vater von Diana war nicht nur wegen seiner erfolgreichen Tätigkeit an der Klever Klinik berühmt geworden, sondern auch als Vorstand und Leiter des Klever-Heister-Fonds, welchen er nach seiner frühzeitigen Pensionierung gegründet hatte. Dieser Fonds unterstützte die medizinische Forschung und vergab bedeutende Mittel an Ärzte, die durch ihre Forschung zur Verbesserung des medizinischen Kenntnisstandes und zur Entdeckung neuer Behandlungsmethoden beitrugen.

Felix und Diana waren sehr vertraut miteinander, denn sie waren zusammen in Kleve groß geworden und hatten gemeinsam die Schule besucht. Da ihre Elternhäuser nicht weit voneinander entfernt lagen, waren sie als Kinder oft zusammengekommen und hatten am Ufer des Kermindahls und in dem an das Ufer angrenzenden Wald miteinander gespielt. Als sie grösser wurden und gemeinsam die Oberstufe des Johanna-Sebus-Gymnasiums besuchten, hatte Felix feststellen müssen, dass seine Freundin sich zu einer jungen Frau entwickelt hatte, welche die Augen der anderen Jungen auf sich zog. Mit ihrem wunderschönen Gesicht, dessen weißer Teint angenehm mit ihrem goldgelockten Haarschopf harmonierte, mit ihren vollen Brüsten und ihrer kurvenreichen Figur, die alle weiblichen Reize zu einem göttlichen Kunstwerk verband, erinnerte sie an die Frauen auf Botticellis Gemälden, besonders die berühmte Simonetta Vespucci, der sie tatsächlich ähnlich sah. In ihren verträumten Augen konnte man sich verlieren, so dass, wenn man im Gespräch mit ihr die Gelegenheit bekam, sich eine Weile in diese zu versenken, man das Gefühl hatte, in die Welt mythischer Wesen einzutauchen. Wegen ihrer Schönheit war sie in der Fünfzigtausend-Seelen-Stadt Kleve berühmt geworden und man nannte sie allgemein nur „die Prinzessin von Kleve“.

Dieser Name war nicht nur wegen ihrer Schönheit berechtigt oder wegen des berühmten Romantitels der Madame de Lafayette, sondern auch, weil sie auf Grund des Reichtums ihres berühmten Vaters ein Leben wie eine Prinzessin führte. Die Familie bewohnte ein palast-ähnliches Haus in Kleves bestem Stadtteil, welches den Mittelpunkt eines riesigen, naturbelassenen und teilweise bewaldeten Grundstückes bildete, das von Fasanen, Eichhörnchen und Kaninchen bewohnt war. Hier fanden die berühmten Tanzbälle statt, zu welchen der Vater Hermann Heister einlud, und zwar nicht nur seine Kollegen vom Krankenhaus, sondern auch andere bekannte und hochstehende Persönlichkeiten aus Kleve und Umgebung. Wer etwas auf sich hielt, bemühte sich darum, zu einem dieser Tanzbälle eingeladen zu werden. Getanzt wurde dann entweder in dem großen Saal des Hauses, dessen drei Doppeltüren sich zu dem Garten hinaus öffneten, oder auf der Terrasse davor, welche zu diesen Anlässen stets mit einer bunten Lampionkette geschmückt wurde.

Dadurch, dass Felix der langjährige Freund und Spielkamerad von Diana gewesen war, kannte er die privaten Verhältnisse der Familie. Er war von der Familie so akzeptiert und integriert worden, als ob er dazugehöre, und konnte gewissermaßen aus- und eingehen, wie er wollte. Felix selbst aber musste sich dennoch fremd darinnen fühlen, da seine Eltern eher zu der ärmeren Mittelschicht der Stadt gehörten. Die Einkünfte seines Vaters, eines Arbeiters in der in der Nähe gelegenen Margarine-Fabrik, reichten gerade aus, der Familie eine größere Wohnung und einen anständigen Lebensunterhalt zu sichern und seinem Sohn eine gymnasiale Ausbildung zu ermöglichen.

Auch Felix’ Augen waren für Dianas ungewöhnliche Schönheit nicht blind, und als ihr ursprünglicher und längster Spielkamerad und Freund glaubte er eine Art Erstlingsrecht auf ihre Liebe zu haben. Sein Werben fiel bei Diana nicht auf taube Ohren, kannte sie Felix doch nur zu genau und wusste, welch ein herzensguter Mann er war, auf den man sich absolut verlassen konnte. Felix hatte sich ebenfalls zu einem gut aussehenden, jungen Mann entwickelt, und es war wie das Natürlichste der Welt, dass die freundschaftliche Zuneigung, die sie als Kinder füreinander empfunden hatten, sich allmählich in stärkere Gefühle wandelte, je älter beide wurden.

Sie hielten dann auch während des Studiums zusammen, was nicht so schwierig war, weil Felix sich klugerweise für das gleiche Fachgebiet und den gleichen Studienort wie Diana entschied, nämlich Medizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Nur als Arzt konnte er in den Augen von Dianas Vater eine gewisse Geltung erlangen, was ihm in den letzten Jahren schmerzlich klar geworden war, so dass er sich, obwohl er sich für Krankheit und Heilung überhaupt nicht interessierte, dennoch dazu entschied, die Laufbahn eines Arztes einzuschlagen.

So war es gekommen, dass Felix Gluck nach erfolgreich bestandener Prüfung und kurz vor seiner Niederlassung als praktischer Arzt in Kleve bei dem berühmten und reichen Hermann Heister um die Hand der Tochter anhielt und von diesem die Zustimmung erlangte. Wäre er ein Unbekannter gewesen, hätte er sie sicher nicht bekommen, da Hermann Heister sich eigentlich einen Arzt zum Schwiegersohn wünschte, der sich auf dem Gebiete der medizinischen Forschung hervorgetan hätte. Aber er respektierte die Wahl seiner Tochter, welche behauptete, dass sie Felix Gluck liebe, und vertraute auf seine langjährige Kenntnis dieses Mannes, der sich als charakterfest und solide erwiesen hatte. Die Hochzeit stand also nun kurz bevor.

 

Es war etwa vier Wochen vor diesem geplanten, bedeutsamen Ereignis, dass Dianas Vater mal wieder einen seiner Tanzbälle gab. Es war Frühsommer und  die Abende waren schon so warm, dass man sich ohne zu frieren draußen aufhalten konnte.  Zu diesem Abend waren die Honoratioren der Stadt eingeladen, aber auch einige von den jungen Ärzten an der Klinik, die dort erst vor kurzem ihren Dienst angetreten hatten. Unter ihnen war auch ein gewisser Johann Suder, welchen Felix von seinem Studium in Bonn her flüchtig kannte. Es wurde behauptet, dass er an einer Forschungsarbeit zur Tonsillitis beteiligt sei und für diese aus dem Kleves-Heister-Fonds bedeutende Mittel erhalten habe. Um was es sich genau handelte, konnte Felix aber nicht in Erfahrung bringen. Er hatte nur gehört, dass Dianas Vater diesen Namen bei Tisch mehrfach erwähnt und sich lobend über ihn und seine Forschung ausgesprochen hatte.

Die bunte Lampion-Kette wurde also entzündet und sanfte Tanzmusik von einer eigens herbestellten Band gespielt. Zuerst waren es nur einige wenige Paare, die zögernd die Tanzfläche betraten, doch allmählich, je länger der Abend wahrte und je heißer die Musik wurde, füllte sich die Tanzfläche, so dass sich schließlich an die fünfzig Menschen gleichzeitig auf ihr tummelten. Unter ihnen der alte Hermann Heister, der sich an die Damen seines Alters wandte, aber auch manch ein junger Arzt, welcher eher die Damen der jüngeren Generation zum Tanz aufforderte. Zu dieser jüngeren Generation gehörte natürlich auch Diana Heister, deren Botticelli-Schönheit allgemein bewundert wurde. Johann Suder, der junge Forscher, ließ es sich nicht nehmen, diese einzigartige Schönheit mehrfach um einen Tanz zu bitten, und, wie man nach einer Weile beobachten konnte, gelang es ihm, mit seinem Charme und seiner angenehmen Unterhaltung die junge Diana köstlich zu amüsieren.

Felix stand an der Bar und beobachtete das Verhalten seiner Verlobten zunächst argwöhnisch, dann eifersüchtig. Obwohl er kein Freund des Tanzens und auch kein sehr begabter Tänzer war, glaubte er, sein Eigentum hier verteidigen zu müssen und versuchte mehrmals, Diana zum Tanz aufzufordern. Aber auf Grund des Gedränges auf der Terrasse kam er fast jedes Mal zu spät und sah seine Verlobte in den Armen von Johann Suder auf der Tanzfläche verschwinden. Nach mehreren solchen Misserfolgen wurde er mehr als missmutig und suchte Trost in den Cocktails, die an der Bar zu erhalten waren.

Endlich nahm der Ball ein Ende und die Gäste brachen zur Heimkehr auf. Diana erschien neben Felix, der als einziger noch an der Bar saß und ein Bild des Elends abgab.

„Was ist denn mit dir los?“ fragte Diana, als sie die missmutige Stimmung, in welcher ihr Verlobter sich befand, bemerkte.

„Was soll sein?“ erwiderte Felix, „Es gibt keinen Grund zur Trauer. Du hast dich doch köstlich amüsiert.“

„Ja und?“ lachte Diana, „Ist das nicht der Sinn eines solchen Tanzballes?“

„Sicherlich“, brummte Felix, „aber mancher von den Gästen wird nun sicher meinen, dass du mit Johann Suder verlobt bist und nicht mit mir.“

„So ein Unsinn“, sagte Diana nur, schüttelte den Kopf und ließ Felix allein an der Bar zurück, ohne ihm eine gute Nacht zu wünschen. Also musste Felix, leicht schwankend, seinen Weg zu seiner Heimstatt allein antreten. Man muss wissen, dass die beiden Verlobten nach wie vor getrennt lebten, Diana im Hause des Vaters, und Felix in einer Wohnung, die er erst vor kurzem gemietet hatte. Der Plan war ja, sobald die Praxis eröffnet war und genügend Einkünfte vorhanden waren, für ein eigenes Haus zu sparen. Diana aber hatte eine Arbeit als Fachärztin an der Klinik bekommen und wohnte derweil im Hause ihrer Eltern. Nach der Hochzeit aber – so hatte sie versprochen – wollte sie zu Felix in seine Wohnung ziehen.

Nach diesem Tanzball war die Stimmung zwischen Diana und Felix nicht wie vorher. Diana wirkte ein wenig abwesend, ja fast fremd, während es Felix nicht gelang, zu seiner guten Laune zurückzufinden. In diesen Wochen vor der Hochzeit hatten sie ja gemeinsam genug zu planen, aber die rechte Freude wollte nicht aufkommen. Felix begann, sich Sorgen zu machen.

Nun hatte Felix seine Praxis eröffnet und die ersten Patienten kamen zu ihm. Es gelang Felix, bei seinen Patienten Vertrauen zu erwecken, und schon nach wenigen Wochen war er als Arzt so gut etabliert, dass er sich keine Sorgen um seine Zukunft machen musste. Doch es war durchaus eine anstrengende Sache, seinen Patienten immer geduldig zuzuhören, die nötigen Untersuchungen durchzuführen und stets die richtige Diagnose zu stellen. Felix spürte, dass er einen verantwortungsvollen Beruf hatte, in welchem man nichts geschenkt bekam.

Eines Abends – er hatte mal wieder einen anstrengenden Tag gehabt – entschloss sich Felix, noch einen Abendspaziergang zu machen, bevor er zu Bett ging. Vom Kermindahl stieg Nebel auf und legte sich über den ganzen Ort. Felix ging zunächst ein Stück durch den angrenzenden Wald und schlug dann die Richtung zur Klinik ein. Es begann, leicht zu nieseln, und er überlegte, ob er umkehren solle, entschloss sich aber weiterzugehen. Als er zur Klinik kam, sah er in der unteren Etage, dort, wo die wachhabenden Ärzte ihre Zimmer hatten, Licht. In einem der Zimmer, welches Felix für das von Johann Suder hielt, sah er zwei Gestalten und wurde neugierig. Er schlich sich über die Parkanlage näher heran und, da das Fenster etwa zwei Meter über dem Erdboden war, kletterte er an der Fassade ein Stück empor und fand für seine Füße Halt auf einem schmalen Mauervorsprung. So konnte er über die Unterkante des Fensters gerade hineinschauen.

Was er dann sah, ließ ihn zu Eis erstarren. Da stand seine Verlobte Diana vor Johann Suder und ließ ihr Kleid langsam zu Boden fallen. Lächelnd öffnete sie ihren Büstenhalter, zog dann ihren Slip aus und stand so nackt, mit leicht wiegenden Hüften, vor dem Manne. Dieser zog sie an sich heran und begann sie leidenschaftlich zu küssen. Dann zog auch er sich aus, legte die Frau auf das Bett und drang in sie. Wie hypnotisiert beobachtete Felix das Geschehen. Als er Dianas Gesicht sah, auf dem sich Hingabe und Lust ausdrückten, bis es mehr und mehr den Ausdruck der Wollust bekam, mit geschlossenen Augen, offenem Mund, gleichsam wie Schmerz empfindend, dabei aber nur den nahenden Orgasmus ankündigend, wurde es Felix schlecht. Schließlich konnte er sich nicht mehr halten und glitt hinunter, so dass er das Letzte, nämlich Dianas vollendeten Orgasmus, nicht mehr mitbekam. Er war ungeschickterweise auf das nasse Gras unter dem Fenster gefallen und saß dort einige Minuten unbeweglich, während die Nässe seine Kleider durchdrang. Nach einer ganzen Weile erhob er sich, erstarrt und erfroren in seinen Gliedern ebenso wie in seiner Seele, und ging langsam den Weg hinunter zum Wald.

 

Am nächsten Tag kam Diana in seine Wohnung und begrüßte ihn, als ob nichts gewesen wäre. Felix wurde zornig und platzte heraus mit dem, was er am Abend zuvor gesehen hatte. Als er ihr vorhielt, wie schamlos sie sich zu solch einem Betrug eine Woche vor ihrer Hochzeit hatte bereitfinden können, hatte sie zu ihrer Verteidigung nicht viel vorzubringen. Sie gestand, dass sie Johann Suder liebe und dass sie, so wie die Lage nun war, die geplante Hochzeit absagen müsse. Sie könne an eine gemeinsame Zukunft mit ihm, Felix, nun nicht mehr glauben. Johann Suder würde in ihr Empfindungen von solcher Intensität wachrufen, wie sie ihr bislang unbekannt geblieben seien. Offenbar habe sie Seiten in sich, die sie nur an der Seite dieses Mannes ausleben könne. Diana bat Felix um Verzeihung und wünschte, dass sie beide trotz dessen, was zwischen ihnen vorgefallen sei, Freunde bleiben könnten. Felix, der sah, dass er hier nichts mehr zu fordern hatte, gab endlich auf. Er hatte geglaubt, dass er Diana in all den Jahren so gut kennengelernt hatte, dass ihm nichts mehr verborgen sei, musste sich aber nun eingestehen, dass Diana ihm in diesen Augenblicken wie eine völlig Fremde gegenüberstand. Seine verletzte Eitelkeit, sein Stolz und seine Eifersucht wollten ihm in dieser Situation aber nicht gestatten, ihr zu verzeihen und ihr Freundschaftsangebot anzunehmen. Er wies sie schließlich wortlos und bitter zur Tür hinaus.

Wenige Monate später wurde die Hochzeit zwischen Diana Heister und Johann Suder prachtvoll gefeiert. Felix Gluck, der auch eingeladen war, tat sich den Schmerz nicht an, das Glück seiner einstigen Verlobten mit eigenen Augen anzuschauen. Er blieb zu Hause, leckte seine Wunden und überlegte sich, was er nun mit seinem Leben anfangen solle. Den Gedanken, in eine andere Stadt zu ziehen, verwarf er, denn er musste sich eingestehen, dass er Diana immer noch liebte, obwohl sie ihn so verletzt hatte. Eine Woche nach der Hochzeit schrieb er eine kurze Karte an sie, in welcher er ihr Glück für ihr neues Leben wünschte und ihr mitteilte, dass er, wenn sie es immer noch erachte, ihn zum Freunde zu haben, dazu bereit sei.

Inzwischen hörte er Neues von dem Forschungsprojekt des Johann Suder. Er war offenbar nicht nur neben anderen Ärzten daran beteiligt, sondern war der Initiator und Leiter dieses Projektes selbst. Einige Monate später war in einer medizinischen Fachzeitschrift ein Artikel von ihm zu lesen, worin von einem Medikament die Rede war, das bei Mandelentzündungen anzuwenden sei und das Operationen überflüssig machen würde. Das Resultat dieser Forschung sei wissenschaftlich abgesichert, zum einen, weil es auf einem reichen Material fuße, welches Erhebungen an über fünfhundert Patienten miteinschloss, zum anderen, weil es von einem unabhängigen Forschergremium überprüft worden sei. In diesem Artikel empfahl man die Anwendung von „Acetaminoforte“, einem Medikament, das Suder selbst entwickelt hatte. Die großen Firmen machten Angebote an Suder und wollten dieses Medikament gern in ihre Produktpalette übernehmen, Suder lehnte aber ab. Stattdessen gründete er in Kleve ein eigenes Labor, welches die Produktion übernahm. Die nötigen Gelder bekam er nicht nur von dem Klever-Heister-Fonds, sondern auch von amerikanischen Stiftungen, die von der Sache gehört und Interesse an ihr gefunden hatten. Man kann sich denken, dass die von Suder gegründete Arzneimittelfirma trotz ihrer Kleinheit doch erhebliche Gewinne abwarf, denn das Medikament fand rasche Verbreitung nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland.

So stand also der „Prinzessin von Kleve“ auf Grund ihrer Verheiratung mit diesem national und international bekannten Arzt und Forscher eine sichere und rosige Zukunft bevor, und sicher war auch Hermann Heister sehr zufrieden mit dieser Entwicklung, da er nun endlich einen Forscher zum Schwiegersohn hatte und zusätzlich auch für seinen von ihm gegründeten Fonds auf dem internationalen Parkett Lorbeeren ernten konnte. Die überaus positive Entwicklung, welche der Heister-Suder-Clan durchmachte, war auch im Stadtbild von Kleve nicht zu übersehen, nicht nur wegen der Tanzbälle, die nun noch eifriger als je zuvor besucht wurden, sondern auch wegen der zwei silberglänzenden, teuren Autos der Firma Bentley, die zuweilen in gekonnter Langsamkeit durch die Innenstadt von Kleve fuhren und Aufmerksamkeit erregten, und auch wegen der baulichen Veränderungen, die vorgenommen wurden, nicht nur auf dem privaten Gelände von Hermann Heister, sondern auch auf dem Gelände der Klinik. Auf ersterem mussten die Fasane, Eichhörnchen und Kaninchen einem Prachtbau sondergleichen weichen, welcher die Familie Suder und ihre geplanten Kinder aufnehmen sollte, auf dem zweiten gab es notwendige Erweiterungsbauten, die dem gestiegenen Ansehen der Klinik und den höheren Besucherzahlen entgegenkamen.

Felix Gluck aber saß in seiner Praxis, behandelte Erkältungen und Mittelohrentzündungen, empfahl alten Leuten Bäder und Einreibungen, jüngeren verschrieb er Vitamine oder andere stärkende Pillen.