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Der Biber Wastl ist einsam, bis er einen Freund findet, und zwar einen ziemlich seltsamen... Das Leben als eigenständiger Biber wartet! Seine Eltern werfen ihn aus dem Bau, weil er ihn nicht freiwillig verlassen will. Wastl schwimmt die Donau abwärts, um irgendwo ein Revier zu gründen. Zwei Schwäne machen ihn auf einen Weiher im Westen von Regensburg aufmerksam. Nachdem die eigene Burg fertiggestellt ist, kehrt Langeweile ein. Und Wastl spürt die Einsamkeit. Ein Annäherungsversuch an eine Ente schlägt fehlt. Dann trifft er auf den Schwan Isidor, dessen Eigenständigkeit ihn fasziniert. Isidor betreibt eine Schule für junge Enten. Gegen Futterportionen lehrt er seine Weltsicht. Auch Wastl wird sein Schüler und Freund ... und beginnt ungeheuerliche Thesen zu glauben. Verpackt in eine idyllisch anmutende Geschichte, erzählt der Autor die Entwicklung seines arglosen Protagonisten, der sich in das Weltbild eines vermeintlichen Freundes ziehen lässt und dadurch allmählich den Boden unter den Füßen verliert. Eine satirische Fabel über Verführer und Mitläufer, Abhängigkeit und Dummheit; aber auch über den Absprung in ein selbstbestimmtes Leben.
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Seitenzahl: 32
oder was nur ausgewählte Tiere über Schwäne wissen dürfen
Eine Erzählung von Rolf Stemmle
Das Leben bei Mama und Papa war so schön gewesen, aber die Eltern hatten es oft angedroht, und nun war es soweit.
„Wastl“, sagte die Mama, als er mit den Eltern und den drei Geschwistern aus dem letztjährigen Wurf im Bau eines Abends zusammensaß, „Wastl, du musst endlich dein eigenes Revier gründen! Ich bekomme im Mai Junge, und bis dahin müssen alle raus.“ Sie deutete auf Margit, Emil und Luise, die im letzten Jahr auf die Welt gekommen waren. „Die drei können noch bis Mai bleiben, aber du, Wastl, du bist überfällig! Nach zwei Jahren sind Papa und Mama einfach nicht mehr für dich zuständig!“
Papa nickte zustimmend. Wastl spürte, dass es ihm leidtat, dass Mama so sprach, aber Wastl wusste auch, er stand im Grunde auf ihrer Seite. Und wenn Wastl ehrlich in sich hineinhorchte, dann musste er seinen Eltern sogar Recht geben. Ja, er wurde in fünf Wochen zwei. Gewöhnliche Biber haben in diesem Alter schon längst der Burg der Eltern den Rücken gekehrt und mit der Suche nach einem Partner begonnen.
Da Wastl durch nichts zu erkennen gab, dass er die Aufforderung befolgen wollte, wurde Mama deutlicher: „Du weißt, Wastl, wir waren immer in Sorge, dass aus dir nichts werden könnte! Wir haben dir ganz bewusst etwas mehr Zeit gegeben, damit du dich entwickeln kannst und beginnst, Pläne für deine Zukunft zu schmieden. Und was ist daraus geworden?“
Wastl sah betreten hinüber zu seinen Geschwistern und schwieg.
„Also! Nichts ist daraus geworden! Du lässt es dir bei uns gutgehen, nagst von den Bäumen, die wir dir zeigen, schwimmst verträumt durch unser Altwasser, aber du glaubst nach wie vor, dass das immer so bleiben wird. Wastl, du sagst jetzt uns allen Lebewohl und kommst frühestens im Herbst zu Besuch!“
Ja, Mama hatte Recht, wenn sie ihn als kraftlos und verträumt beschrieb. Aber so war er nun mal! Er liebte es, den Libellen zuzusehen. Und wie gerne sprang er durch den Regen, ließ sich das Fell von den Tropfen massieren. Er wollte nicht akzeptieren, dass ihn die Natur zu einem Fortschreiten, zu Veränderungen nötigte. Wieso? Es passte doch alles. Und war es nicht besser zu verharren, wenn man ohnehin zu nichts taugte.
„Ich bring dich an die Grenze“, sagte Papa leise und stupste Wastl auf das Hinterteil.
Da er den Rauswurf noch immer eher für einen schlechten Scherz als für bittere Wahrheit hielt, winkte Wastl seinen Geschwistern nur beiläufig zu; die Mama ignorierte er. Dann bewegte er sich Richtung Ausgang und schwamm mit Papa an die Engstelle zwischen Festland und Donauinsel, an der das Altwasser und das Revier endeten.
„Schwimm eher donau-abwärts“, riet Papa. „Richtung Regensburg. Aufwärts sind die Reviere von Klaus, Simon und Gustav. Da ist lange kein freies Ufer. Dein Bruder Xaver ist letztes Jahr ebenfalls abwärts geschwommen. Vielleicht triffst du ihn ja.“
„Gegen die Strömung, das wäre mir ohnehin zu anstrengend.“ Und noch eine Überlegung ging durch seinen Kopf: Er wollte ja nicht unnötig weit wegziehen. Womöglich bereuten die Eltern ja den Rauswurf und suchten nach ihm. Dann musste er zu finden sein.
Papa standen Tränen in den Augen. „Du bist zwar mein schwierigstes Kind, aber ein Abschied tut einem Vater immer weh!“
„Ich mach das schon!“, entgegnete Wastl mutig. Dann tauchte er ab, um ein gutes Stück des Weges unter Wasser voranzukommen.
Nach einer Viertelstunde musste er an die Oberfläche. Er hatte eine Flussbiegung hinter sich gelassen, sodass, als er zurückblickte, vom Elternrevier nichts mehr zu sehen war. Der Mond strahlte über die Landschaft. Ein ruhiger Abend, die beste Reisezeit für einen dämmerungs- und nachtaktiven Biber.
Wastl war bisher fast ausschließlich in stehendem Gewässer unterwegs gewesen. Die Strömung machte ihm zu schaffen. Die Schneeschmelze hatte die Donau ansteigen lassen, weshalb sie schneller floss als gewöhnlich. Und sie führte Treibgut. Äste und Zweige, die sie vom Ufer gespült hatte.
„Verflixt“, fluchte Wastl. Da war wieder eins! Ein Stock überholte ihn und kratzte entlang seiner rechten Seite.