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Heil sein ist mehr als nur gesund und fit zu sein. Das Heil berührt den ganzen Menschen. Dazu gehört die leiblich-seelische und die geistig-spirituelle Gesundheit und Harmonie, die erst Sinn und Zufriedenheit in sich selbst verleiht, wie auch die Gesundung des sozialen Lebens und die Heilung der Erde. Das Heil kommt letztlich aus einem höheren Sein, das durch religiöse, spirituelle und meditative Wege gefunden werden kann. So wird in dieser Schrift ein Weg beschrieben, der von einem Erkennen der Zeitlage ausgeht, der im weiteren allmählich zu einem individuellen Heilungsweg heranführen soll, wodurch wiederum Impulse auftreten, die in das soziale Leben der Menschheit und der Erde einmünden können.
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Seitenzahl: 174
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Vorwort
Die Gesundung und Heilung des sozialen Organismus
West-östliche Gegensätze
Zeitenwende – vom Wandel des Bewusstseins
Ebenen des Heils
Helfer in der Not
Geistige Heilweisen
Geistige Schulungswege
Himmlische Macht
Heilende Kraft
Heilung des Ich
Alchimie der Seele
Die Dreiheit in der Liebe
Die Wunden heilen
Neue Werte
Die Erde heilen
Neue Rechte für die Menschlichkeit
Im Tempel des Lebens
Wird das Gute siegen?
Literaturverzeichnis
Jeder wünscht sich und anderen viel Gesundheit. Das ist nur natürlich, denn niemand will gerne krank sein. Gesundheit ist folglich die Abwesenheit von Krankheit, wenn wir uns also in unserem Leib wohl und vital fühlen, wenn unser Körpergefüge von Leib, Seele und Geist in einem harmonischen Zustand ist.
Krankheit entsteht erst durch eine Disharmonie; entweder im Leiblichen, in der Lebenskonfiguration, sprich Vitalität oder im seelisch-geistigen Empfinden. Vom gesunden Zustand aus kann sich folglich Krankheit ereignen, wenn eine Disharmonie in die Richtung einer Verhärtung, Sklerose, in die Kälte und Verengung oder andererseits in die Auflösung, Entzündung und Hitze übergeht. In diese beiden Kategorien können alle Krankheiten eingeteilt werden, entweder zu viel Yin, Kälte, Verengung oder zu viel Yang, Hitze, Auflösung. Gesundheit entsteht immer im Ausgleich von Extremen. Doch ist Gesundsein gleichbedeutend mit dem Heil?
Heilsein ist mehr. Wir können kranke Symptome kurieren, dann nennen wir den Menschen gesund, wenn er also beschwerdefrei ist. Heilsein betrifft den ganzen Menschen nach Körper, Seele und Geist und meint ein Ganzsein, ein Sein also, das den ganzen Menschen erfordert, der eingebettet ist, nicht nur im Leib und in seinem Seelischen, sondern vor allem auch im Geist, der also mit seinem geistigen Ursprung, mit seinem höheren Ich in Einklang ist. Erst in der Wiederverbindung mit seinem göttlichen Ursprung wird der Mensch ganz, wird er heil.
Der Heilige ist nicht unbedingt ein Mensch, der nach physischer Gesundheit strebt, sondern nach leiblich-seelischer und geistiger Ganzheit. Daraus kann natürlich auch eine leibliche Gesundheit erwachsen. Der Heilige ist deshalb heil, weil er in Resonanz mit, in und aus seinem höheren Selbst leben kann.
Zu diesem Selbst, das der Mensch durch einen spirituellen Schulungsweg in sich erreichen kann, kommt die Seele durch Reinigung und Läuterung oder durch die Verbindung mit dem Christus, der das Selbst aller Selbste ist. In Ihm urständet unser aller höheres Sein. Darum wird er auch der Heiland genannt. Er ist das Heil für uns Menschen.
Doch auf diesem langen Weg zum Heil gibt es verschiedene Etappen und Stufen, die erklommen sein wollen. Dafür wollen die folgenden Gedanken eine Hilfe anbieten.
Der „kleine Arzt“ kuriert die Symptome, der „mittlere Arzt“ heilt den Menschen, der „große Arzt“ heilt die Gesellschaft, so lautet sinngemäß ein altes chinesisches Sprichwort. So müssen zu gesunden Menschen beziehungsweise für diese, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein, damit auch im sozialen Leben der Menschheit Gesundheit, Wohlstand, Freiheit, Sicherheit und Frieden gedeihen können.
Ohne die Liebe zum Ganzen, zum Heil, wird dies nicht gelingen. Die Liebe kann in uns zur treibenden Kraft werden, in mir, im eigenen Herzen, um damit die Welt annehmen und verwandeln zu können. Die Liebe verbindet alles, sie schließt nichts aus, in ihr ist die Kraft zum Heil gegeben.
Mit dieser Kraft wollen wir im Folgenden verschiedene Bereiche des menschlichen Seins betrachten lernen.
Der Mensch hat im Leben auf der Erde drei grundverschiedene Bedürfnisse in sich, die er befriedigen muss, um zufrieden und erfüllt sein Leben meistern zu können. Da sind zunächst die materiellen Bedürfnisse, das Essen, die Wohnung, woraus die Arbeit an der Erde entspringt. Daran schließt sich alles an, was wir das Wirtschaftsleben nennen.
Im Zusammenleben mit anderen Menschen, in Beziehungen und Arbeitszusammenhängen, aber auch im Umgang mit der Tier- und Erdenwelt braucht es Vereinbarungen, damit ein soziales Leben sich ereignen kann. Aus diesem Bedürfnis, in diesem Ringen um ein sozialverträgliches Miteinander erwächst, gesellschaftlich gesehen, das Rechtsleben, wie es die staatliche Hoheit vorgibt.
Zudem leben im Menschen individuelle geistige Impulse und Bedürfnisse, wie religiöse, künstlerische oder wissenschaftliche Interessen, die er selbstbestimmt und freiheitlich angehen will. Hieraus bildet sich gesamtgesellschaftlich das Kultur- und Geistesleben aus.
So wie im einzelnen Menschen eine Gliederung in Haupt, Herz und Hand beziehungsweise in Geist, Seele und Körper, in Denken, Fühlen und Wollen durchgeführt werden kann, so auch im Gesellschaftlichen.
Es lassen sich also folgende drei Bereiche finden, die wiederum in sich selbst dreigegliedert sind. Dies kann hier aber nur sehr fragmentarisch aufgezeigt sein.
Das Kultur- und Geistesleben enthält die Gebiete der Wissenschaft, Kunst und Religion. Das Rechtsleben umfasst bekanntlich die Judikative, die Legislative und die Exekutive, also das rechtsprechende, das gesetzgebende und das ausführende Element. Das Wirtschaftsleben setzt sich zusammen aus Produktion, Handel und Konsum von Waren und Dienstleistungen.
Eine Heilung von Gesellschaft, Erde und Mensch muss folglich diese drei Bereiche gleichermaßen und gleichberechtigt berücksichtigen.
Das Geistesleben dient dem Ausbilden und Ausüben individueller Fähigkeiten. Hier muss Freiheit walten, keine staatliche Willkür darf zu Einschränkungen führen. Die geistige Freiheit ist das höchste Gut des Menschen.
Durch das Rechtsleben soll das soziale Leben der Gesellschaft so gestaltet sein, dass Gleichheit vor dem Gesetz wirklich für alle gilt.
Das Wirtschaftsleben soll der Bedürfnisbefriedigung von Mensch und Umwelt dienlich sein. Hier ist ein geschwisterliches beziehungsweise ein solidarisches Handeln angesagt, was zum Beispiel den Umgang mit Rohstoffen, ein nachhaltiges Produzieren und ein gerechtes Verteilen der Überschüsse betrifft.
Sofort kann hier jeder sehr leicht erkennen, dass gerade im Wirtschaftlichen, statt Brüderlichkeit, heute der Geist des Egoismus, der persönlichen Raffgier Einzug gehalten hat. Eine neoliberale Wirtschaft, also das Freiheitsprinzip im Wirtschaftlichen, führt letztlich immer mehr dazu, dass sich dieser Egoismus noch weiter steigern wird.
So kann schließlich ersichtlich werden, dass jedes Gebiet, die Kultur, das Staats- und Wirtschaftsleben sich zwar selbst verwalten und strukturieren muss, es aber auch Rahmenbedingungen benötigt, damit keine einseitigen Übertretungen möglich werden, zum Beispiel durch einen Arbeits- und Umweltschutz, durch Kündigungsgesetze, aber auch durch humane Grenzen bei der Forschung oder bei totalitären Religionssystemen.
Entscheidend wird hier die Rechtssphäre, das politische Leben sein. Dies ist letztlich eine Frage der Demokratie. Demokratie – Volksherrschaft – nicht nur durch Wahlen, sondern auch durch Abstimmungen und Volksentscheide bei Fragen, die alle Bürger betreffen, wie zum Beispiel die Gesundheit, den Frieden, die Bildung, die Altersversorgung etc..
Dies sind Gedanken, wie sie in der sozialen Dreigliederung von Rudolf Steiner angelegt und entwickelt wurden, jedoch, so denke ich, in einer komplexer gewordenen Zeit einiger Erweiterungen bedürfen. Diese sollen im Folgenden mehr stichwortartig als Anregung vorgenommen werden.
Die Bildung, also Schulen und Universitäten, unterstehen heute der staatlichen Obrigkeit, obwohl sie nach der Dreigliederung zum Geistesleben und daher in den Bereich der Freiheit beziehungsweise der Selbstverwaltung gehören. Auf der anderen Seite muss jeder ein gleiches Recht auf Bildung haben, zum Beispiel durch einen Bildungsgutschein, so dass sich daraus ein Zwischenbereich aus Kultur- und Rechtsleben ergibt.
Ähnliches gilt für die Medien-, Rundfunk- und Pressefreiheit. Sie gehört ins Kultur- und Geistesleben, darf aber nicht dazu führen, dass durch wirtschaftliche Zuwendungen bestimmte Bereiche gefördert werden, andere dagegen nicht. Also muss Pressefreiheit auch beinhalten, dass alle Meinungen, sofern sie nicht die Menschenrechte verletzen, auch publiziert werden. Gerade bei Volksabstimmungen sind sonst durch die Mediengewalten zahlreiche Manipulationen möglich. Folglich ist auch hier ein Bereich besonders ins Auge zu fassen, der zwischen Rechts- und Geistesleben angesiedelt werden kann.
Was das Bankenwesen für einen Schaden anrichten kann, wenn es nach reinen Marktmechanismen agiert, konnten wir bereits genügend feststellen. So braucht es auch hier einen eigenen Bereich, der zwischen Wirtschafts- und Rechtsleben angesiedelt ist, die sogenannte Monetative, wo der Geldverkehr, wie der Blutkreislauf im Menschen, die ganze Gesellschaft fördert, also auch als Rechtsgrundlage eingefordert werden muss, wie dies zum Beispiel in einem gemeinnützigem Status der Banken möglich wird.
Und schließlich der Bereich der Landwirtschaft, der, wenn er nur den Marktgesetzen unterliegt, zu ausgelaugten Böden, Massentierhaltung und ungesunden Nahrungsmitteln führt. Ebenso sind grundelementare Lebensbereiche wie die Wasserversorgung, die Ausbeutung von Rohstoffen und die Energiegewinnung nicht nur wirtschaftlichen Prinzipien wie der Gewinnmaximierung zu unterwerfen, sondern als Rechtsprinzip so zu behandeln, dass jeder und dann auch die nachkommenden Generationen, eine gesunde Erde erhalten können.
So ist schließlich aus der Dreigliederung eine erweiterte Siebengliederung entstanden, die natürlich in der Praxis einer detaillierten Ausarbeitung bedarf. Die Dreiheit stellt natürlicherweise das Urprinzip dar, so wie im Makrokosmos dies der Trinität entspricht.
Die Siebenheit vollendet in der Zeit, denn die vier zusätzlichen Bereiche können als eine Art Zwischenstufen angesehen werden, wo sich die drei grundlegenden Bereiche begegnen, ergänzen und befruchten, damit das Ganze, das Wohl der Gesellschaft wachsen und gedeihen kann.
So sollen diese Gedanken zum eigenständigen Weiterforschen anregen und hier nicht vertiefend ausgeführt werden, da sie in früheren Schriften von mir immer wieder angesprochen worden sind.. Zum besseren Verständnis ist hier noch eine zusammenfassende Übersicht angeführt.
Die soziale Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens:
Was sich im Weltganzen als Polaritäten, als Gegensätze, zum Beispiel in den geistigen Haltungen einiger Religionen und Geistesströmungen äußert, ist in analoger Weise auch in der menschlichen Seele zu finden.
Jeder Mensch, auch wenn dies bei vielen noch unbewusst ist, hat irgendwo eine Sehnsucht in sich nach Erlösung, nach Einheit und Verbundenheit, nach wahrer Heimat, nach Erleuchtung und innerem Glück. Gerade in den östlichen Religionen wird verstärkt versucht, diese Sehnsucht stillen zu können.
Auf der anderen Seite erleben wir im Seelischen jedoch auch einen inneren Drang nach Gestaltung, nach dem Ergreifen einer Aufgabe, nach dem persönlichen Wirken und Gestalten in der Welt. Dies hat sich geistesgeschichtlich gesehen vor allem im Okzident geäußert.
Platon war noch mehr der östlichen Geisteshaltung zugetan. Sein Schüler Aristoteles hat dagegen sehr stark mitgewirkt, um die geistigen Grundlagen zum Erforschen der Materie und damit der physischen Welt auszuarbeiten.
Die Gestaltung des Staates bei den Griechen, die Formulierung und Ausgestaltung des Rechtslebens bei den Römern, die Städtegründungen im Mittelalter, sowie die Welterkundungen und wissenschaftlichen Forschungen, beruhten letztlich auf diesem inneren Drängen nach persönlichem Wachstum, Wissen, Weisheit und Können. Große Geister und Eingeweihte wie zum Beispiel ein Pythagoras oder ein Leonardo da Vinci begnügten sich nicht mit einer Selbsterlösung und Erleuchtung, denn gerade eine geistige Erweckung macht die Notwendigkeit sichtbar, diese beiden Pole beziehungsweise diese beiden Sehnsüchte im Innern, die nach dem Einheitsstreben und die nach Weltverwirklichung in sich zu vereinigen.
Doch wie kann dies praktisch geschehen?
Gegensatz oder Ergänzung, dies in der rechten Art und Weise anzuschauen, ist eine grundsätzliche Bedingung für ein gesundes geistiges Wachstum. So hat sich auch im Buddhismus in nachchristlicher Zeit der Mahayana-Weg herausgebildet, wo erst mit der Erlösung aller Seelen der buddhistische Pfad zu Ende geht. Im Christentum wird zudem die Erlösung der ganzen Erde mit aller Kreatur angestrebt. Ja, wir können heute tief empfinden, daß die Menschheit mit Gedeih oder Verderb an die Erdenaufgabe gebunden ist. So wie dies auch schon der Dichter Novalis vermächtnishaft aussprach: „Wir sind auf einer Mission, zur Bildung der Erde sind wir berufen“. Eine Heilung der Menschheitsprobleme wird es folglich auch nur noch im Zusammenhang mit unserer Erde geben können.
Nun gibt es grundsätzlich drei Ebenen oder Wege, um Polaritäten miteinander in Verbindung beziehungsweise in eine Aussöhnung bringen zu können. Die unterste Ebene ist die Mischung. Wollen wir die Sehnsucht nach Erlösung mit der nach Gestaltung mischen, so werden wir feststellen müssen, daß beide Pole verwässert werden. Wollen wir aber nur einen Pol leben und den anderen negieren, entsteht eine Einseitigkeit, die sich mit der Zeit in einem Ungleichgewicht äußern muß. So ist der Westen heute zu materialistisch geworden, der Osten hingegen schaffte es zu wenig, die materiellen Bedürfnisse und Anforderungen zu erfüllen. Einseitigkeiten führen mit der Zeit zwangsweise in eine Krankheit hinein.
Die nächste Ebene eines Ausgleichs wäre der Kompromiß; man findet sich irgendwo in der Mitte. Mal geht man ins religiöse Leben, mal in die Welt. Da kann sich die Seele aber auch innerlich widersprüchlich oder zerrissen fühlen – doch als ein Anfangsweg, hin zu einer Versöhnung, ist diese Ebene für viele sicherlich brauchbar, wenn man nicht in eine Einseitigkeit oder Verwässerung hinein kommen will. Ora et labora – bete und arbeite, war dann auch ein Spruch, mit dem geistiges und weltliches Leben verbunden werden sollte und kann. Zeiten des Gebets und Zeiten der Arbeit wechseln sich ab.
Die höchste Ebene sucht eine tatsächliche Vereinigung der Gegensätze. Dies hat zum Beispiel Goethe in seinen Farbstudien wissenschaftlich aufgezeigt, wo Polaritäten sich so steigern können, dass sie auf einer höheren Ebene wieder verbunden sind beziehungsweise eine Einheit bilden. Hegel zeigte dies philosophisch auf mit seiner These – Antithese und der Synthese, die alles umfassen kann.
Im Christuswirken ist diese Synthese für die Menschheit Wirklichkeit geworden, zumindest als eine Möglichkeit, als eine schöpferische Potenz, die jeder aber erst eigenständig ergreifen muß.
Christus ist der Erlöser, in ihm finden wir das göttliche Leben. Er erlöst aber auch die Welt. Im christlichen Auftrag, in der Arbeit an und für die Welt können wir daher selbst eine Erlösungstat erblicken. In der Arbeit am Mitmenschen, an der Erde und den Wesen der Natur können wir selbst erlöst, können wir selbst heil werden.
Nicht in einem fernen Himmel, nicht in der Abkehr von der Welt, aber auch nicht im sich Verlieren darinnen ist das Heil, sondern in der Verbundenheit von Auftrag und Erlösungswunsch, letztlich in der Einheit der Himmelswelten mit den Erdenreichen, die der Christus durch sein Wirken in einem Menschen miteinander verbunden hat. Christus können wir eben nicht nur als Gottessohn, als Avatar begreifen, sondern auch als Menschensohn, in Jesus, als Mensch, der das Göttliche in sich entfaltet hat und schließlich können wir den Christus sehen lernen als kosmischgöttliches Wesen, das alles Seiende, alle Schöpfung durchwirkt und belebt. Hier erst, in dieser Zusammenschau des dreifaltigen Christus ist Heil, ist Erlösung, ist Sinn.
Dies zu Erfassen ist nicht nur die Aufgabe des Westens beziehungsweise des Christentums. Der zukünftige Buddha, der Maitreya, hat die Aufgabe übernommen, den spirituellen Strom des Ostens mit dem christlichen Strom des Westens zu verbinden. Ein Sri Aurobindo hat sich zum Beispiel mit seinem Integralen Yoga in diese Richtung eingearbeitet. Sicherlich sind hierfür noch einige Hürden zu überwinden, was zum Beispiel die Frage nach der Ausgestaltung, Reifung oder Auflösung des Ichs betrifft. Da gibt es heute noch viele Hindernisse und Verständnisschwierigkeiten, die zu meistern sind. Doch zahlreiche Begegnungen sind auch heute schon möglich und finden an manchen Orten statt, wo es zunächst darum geht, die Gemeinsamkeiten, gemeinsame Werte und Wege auszutauschen.
Für eine tiefergehende Betrachtung wird es zukünftig aber notwendig sein, sich eine genauere Kenntnis der Entwicklung und Reifung des menschlichen Ichs sowie des höheren Ichs anzueignen. Rudolf Steiner gab in seiner Anthroposophie dafür wertvolle Hinweise. Ich bin dieser Frage in früheren Schriften nachgegangen, so dass ich hier nur darauf hinweisen kann (zum Beispiel in der Schrift: Ich und Welt – Mensch und Gott).
Das Ich ist aber etwas so Besonderes, es macht uns erst zu dem, was wir als ein sich selbst bestimmendes, bewußtes Wesen sind. Daher ist dieses Ich natürlich auch sehr umkämpft und einer vielfachen Versuchung ausgesetzt. Doch daran kann es wachsen und reifen. Oder aber es versinkt im Egoismus, in Leerheitsgefühlen, in Ängsten und in der menschlichen Hybris. Eine Selbstlosigkeit leben, sich also für diese Selbstlosigkeit entscheiden zu können, bedingt ein starkes Ich, wie auch für das Wirken und Gestalten in der Welt. Im Sozialen, wie auch im geistigen Üben, muß es sich dagegen beschränken, es muß zur „Schale“ für die Kräfte des Edlen, Hohen und Schönen werden, bis dahin, daß es mit Paulus sprechen kann: „Nicht ich, sondern der Christus in mir“.
Ich - Jesus Christus
Ich – Licht
„Ich bin der ich bin“ - diese Worte aus dem brennenden Busch an Moses waren der Beginn für das Wirken dieser „Ich bin“-Gottheit in der Erdenwelt. Die sieben „Ich bin – Worte“ des Christus helfen dem menschlichen Ich, über sich hinaus zu wachsen, hin zum großen Ich – zu Christus. In ihm sind alle Menschen, Religionen und Geistesströmungen verbunden. Eine neue Religion will und kann daraus erstehen. Eine Religion des Geistes, des heiligen, heilenden Geistes, so wie dies zum Beispiel ein Joachim von Fiore schon vor Jahrhunderten voraussagte. Ein Zeitalter des Geistes sucht diesen alles belebenden und verbindenden Geist in sich und in der Welt.
In allem ist Geist. In diesem Geist sind wir alle verbunden, Ost wie West, Orient und Okzident. Im Pfingstereignis wurde diese Zeit urbildlich vorweggenommen. Diese „neue Religion“ braucht keine Institutionen, Kirchen und Tempel mehr. Jeder Einzelne findet darin seine Erweckung, Erleuchtung und Wiedergeburt.
Doch bevor es Pfingsten werden kann, müssen bestimmte Stationen und Stufen eines geistigen Weges durchschritten worden sein. Dies geschieht heute menschheitlich. Die Menschheit steht vor großen Prüfungen und Ereignissen, die alle das Ziel haben, sich von alten, überkommenen Anschauungen, Traditionen und Verhaltensweisen, auch von überholten religiösen Bräuchen, Dogmen und Gesetzen, lösen zu können.
Sodann, es kann der Westen den Osten befruchten und umgekehrt. Zusammen, wenn alle Religionen und Geistesströmungen sich aufeinander zubewegen und sich weiterentwickeln, kommt man zu einer universellen Geistigkeit, die individualistisch, freiheitlich, unabhängig und selbstbestimmt erreicht werden kann. Jeder Einzelne muß darin seinen eigenen Weg finden und gehen können. In diesem Sinne können Gegensätze und Unterschiede in der Berührung mit dem Andersartigen zu einem Aufweichen erstarrter Festlegungen, Meinungen und Standpunkte führen.
Ein esoterisches Christentum vermag es daher, die einzelnen Geistesströmungen so anzuschauen, daß es ihre unterschiedlichen religiösen und weltgeschichtlichen Bedeutungen zu erkennen und einzuordnen vermag. Darum wird diese Geisteshaltung in der Zukunft eine immer größere Bedeutung erlangen müssen. Das esoterische Christentum ist das johanneische Christentum. Die Grundlagen dazu bilden die Erweckung des Lazarus zum Jünger Johannes, das Johannes Evangelium, die Apokalypse und die vielen esoterischen Strömungen, die daraus hervorgegangen sind, wie die Templer, die Gralsritter, die Rosenkreuzer, die Martinisten, die Anthroposophen und die christlichen Hermetiker. Darauf läßt sich aufbauen. Führende Meister und Boddhisattvas in Ost und West bringen von Zeit zu Zeit neue Impulse und Sichtweisen, damit geschehen kann, was geschehen soll. Nur offen müssen wir dafür sein, denn der Geist weht bekanntlich wo er will und nur der, der „Ohren“ hat, wird seine Worte hören und verstehen.
Wenn auch in östlichen, mystisch ausgerichteten Geistesströmungen gesagt wird, alles Zeiterleben ist Maja, ist eine Illusion, da die menschliche Seele letztlich eine Einheit bildet mit dem universellen Geist, so muß man in einem christlichen Verständnis doch noch eine andere Komponente hinzuziehen. Denn es ist ja nicht gleichgültig, ob oder wann der Christusgeist in einem menschlichen Wesen erschienen ist. Beziehungsweise kann man auch sagen, das Ewigkeitswesen Gottes ist in einem zeitlichen und biographischen Menschenwesen inkarniert gewesen, so dass Ewiges und Zeitliches miteinander eine Verbindung eingegangen sind. Das heißt mit anderen Worten, das Zeitliche wurde wesensgemäß, ist also nicht mehr nur Maja. Dadurch ist überhaupt Entwicklung möglich, individuell und persönlich. Der Mensch entwickelt sich somit vom Geschöpf, vom Geschaffenen selber zu einem schöpferischen Wesen.
Der Mensch, er ist nicht Gott, so wie es die Erleuchteten der Advaita-Schule manchmal behaupten, wenn also die „Welle zum Meer“ wird beziehungsweise wenn der Tropfen Wasser im Meer vergeht, denn in einem christlichen Sinne ist der Mensch Gottes Gegenüber, Gottes Du.
„Und ihr werdet Gott sehen von Angesicht zu Angesicht“. Das ist die christliche Zukunftsverheißung.
Aber nicht nur durch den Christuseinschlag in die Menschheitsgeschichte hat sich das menschliche Bewußtsein verändert, sondern ganz allgemein durch die fortschreitende Menschheitsentwicklung, wie sie sich durch die großen Kulturepochen geschichtlich vollzieht. Dies hängt vor allem mit der Einwohnung des menschlichen Ichs, also mit seiner allmählichen Individualisierung zusammen.
So hat sich zum Beispiel in der alten ägyptischen Kulturepoche langsam die sogenannte Empfindungsseele herangebildet. Vorher erlebte sich der Mensch nur im Gruppenzusammenhang, noch nicht als Einzelwesen.
Die Empfindungsseele kennt noch keine klare Grenze zwischen Innen und Außen, Oben und Unten. Ein mehr traumhaftes Selbst- und Welt-Erleben schafft erste Regungen des Empfindens der eigenen Person. Vorher war ein Einzelner Teil des Ganzen.
Der alte Ägypter erlebte sich seelisch mit, zum Beispiel in den Taten und Anweisungen des Pharaos oder in den Göttergeschichten, später in den Königen und Volksführern. Ein eigenes Ich war nur keimhaft entwickelt, zum Beispiel im Erleben der Farben, Töne, Stimmungen, die diese durch Resonanz im Innern erzeugten.
Mit der Entwicklung der sogenannten Verstandes- und Gemütsseele in der griechisch-römischen Kulturepoche, astrologisch entspricht dies der Widder-Zeit, begann durch das Ausbilden des Verstandes eine allmähliche Objektivierung der äußeren Welt. Die Außenwelt wird Objekt, so wie dies in unserem naturwissenschaftlich geschulten Denken alleine maßgebend ist für die Betrachtung und Beherrschung der Welt. Die Gemütsseele bedingt im Gegensatz dazu unser inneres Selbsterleben. Das Innere, das Ich-Erleben wird zum Subjekt. Gefühle, Empfindungen und Emotionen werden als das eigentlich Persönliche angesehen. Auf der Entwicklung der Verstandes- und Gemütsseele beruht schließlich unser heutiges Selbstbewußtsein und unsere Ich-Entwicklung, wo jeder sich nun einmal selbst der Nächste ist.