Weihnacht - Karl May - E-Book

Weihnacht E-Book

Karl May

4,5

Beschreibung

Ein Weihnachtserlebnis aus der Jugend Old Shatterhands mit seinem Freund Carpio findet nach langen Jahren seine Fortsetzung im "Wilden Westen" bei seinem Blutsbruder Winnetou. Im winterlichen Schnee der Rocky Mountains erfüllt sich am Ende das Schicksal des armen Carpio. Für viele eine der schönsten Karl-May-Geschichten! Die vorliegende Erzählung spielt Mitte der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts.

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 24

WEIHNACHT

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1953 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1524-6

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

1. ‚Aus der Jugendzeit‘

Weihnacht!

Welch ein liebes, inhaltsreiches Wort! Ich behaupte, dass es im Sprachschatz aller Völker und aller Zeiten ein zweites Wort von ebenso tiefer wie beseligender Bedeutung weder je gegeben hat noch heute gibt. Dem gläubigen Christen ist es der Inbegriff der heiß ersehnten Erfüllung langen Hoffens auf die Erlösung aller Geschöpfe und auch für den Zweifler bedeutet es eine alljährlich wiederkehrende Zeit allgemeiner Festlichkeit, einer Zeit der Familienfreude und der strahlenden Kinderaugen. Dem einen leuchtet in der tiefsten Tiefe seines Herzens der Wahrspruch: „Jesus Christus gestern und heut und derselbe in alle Ewigkeit!“, der andere stimmt wohl unwillkürlich mit ein oder lässt wenigstens seine Kinder einstimmen in den Frohgesang

„Welt ging verloren,

Christ ward geboren;

freue dich, o Christenheit!“

Unter Palmen sprosste der längst erwartete Zweig Isais des Bethlehemiten, und über Bethlehem strahlte der Stern, der die Weisen aus dem Morgenland zu der Weihnachtskrippe leitete. „Ehre sei Gott in der Höhe!“, sangen die himmlischen Heerscharen über dieser Stadt, von der ein Strahl des Lichts ausgegangen ist, das alle Welt erleuchten und beglücken soll. „Friede auf Erden!“, erklang es nach dem himmlischen Gloria, und der Friede, dessen Sinnbild noch heute die Palmen sind, hat sich von dorther ausgebreitet über alle Länder und in alle Herzen, die seinem Einzug offen standen. Und im Norden, wo keine Palmen wehen, da haben ihre Wedel sich in Tannenzweige verwandelt, die Sterne und Lichte tragen in der schönen seligen Zeit, der die Worte des Propheten gelten: „Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht über dir auf!“ Da glänzt der Weihnachtsbaum im Palast und in der Hütte; da schallen Glockenklänge durch die stille Nacht, um die Geburt des Erlösers zu verkünden, und von allen Kanzeln und Altären, von Mund zu Mund erklingt der Engelsruf: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allen Völkern widerfahren wird, denn euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Davidsstadt!“

Zwei Bibelworte sind es vorzugsweise, die, als ich noch ein kleiner Knabe war, aus dem Mund der alten, frommen Großmutter einen unauslöschlichen Eindruck auf mich machten. Lag es an der Erzählerin oder am Inhalt dieser Worte selber, ich weiß es nicht, aber Tatsache ist, dass diese Verse noch heute zu meinen Lieblingsbibelsprüchen zählen. Der eine Spruch lautet Hiob 19,25: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und er wird mich aus dem Grab auferwecken“, und der zweite ist eben die Verkündung des Engels: „Siehe, ich verkünde euch große Freude – denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Der Eindruck dieser Stellen auf mich war so groß, dass ich – in noch ganz unreifem Alter – beide vertont und über die zweite auch noch ein Gedicht – fast möchte ich sagen, verbrochen habe.

Dass ich das hier nicht etwa erwähne, um mich zu brüsten, habe ich durch die Altersangabe und das Wort ‚verbrochen‘ bewiesen, und meine lieben Leserinnen und Leser werden bald merken, dass diese Erwähnung einen ganz anderen, und zwar tieferen Zweck verfolgt. Einstweilen sei nur gesagt, dass die Worte „Ich verkündige euch große Freude“ mir damals auch in ganz besonderer Beziehung zu einer wahren Weihnachtsbotschaft wurden.

Ich, der Ärmste unter den Schülern meiner Klasse, liebte die Musik glühend und nahm außer dem gewöhnlichen Unterricht noch Einzelstunden in der Harmonielehre, was mich auf trockenes Brot setzte, denn ich ernährte mich durch Unterrichtgeben, bekam für die Stunde fünfzig Pfennig und musste die gleiche Zeit der erhaltenen Nachhilfe zu einem Taler mit sechs Stunden meiner Freizeit bezahlen. Das tat ich aber gern und der Hunger von damals hat mir bis heute nichts geschadet.

In der Theorie – nicht etwa praktischen Komposition – bei der Motette angelangt, setzte ich mich eines Tages hin, um über meine Lieblingsworte „Ich verkündige euch große Freude“ eine Weihnachtsmotette zu verfassen. Ich weiß heute, dass nur die Besessenheit der Jugend mein Beginnen entschuldigt. Das Opus operatum sollte tiefes Geheimnis bleiben, war aber schon bald nach seiner Vollendung aus meinem Kasten verschwunden. Später erfuhr ich, dass es ein mir übel wollender Mitschüler wegstibitzt und, um mich lächerlich zu machen, meinem Lehrer, einem alten, braven Kantor, durch die Post zugeschickt hatte. Ich suchte lange nach der verlorenen Schöpfung, gab dann aber die Hoffnung auf, sie jemals wieder zu finden.

Wie nun selten ein Unglück allein kommt – und das eigenmächtige Überschreiten der einem Schüler gezogenen geistigen Grenzen kann leicht zum Unglück für ihn werden –, kam mir gerade zu jener Zeit ein Unterhaltungsblatt zu Gesicht, worin sich ein Preisausschreiben für ein Weihnachtsgedicht mit drei Preisen zu dreißig, zwanzig und zehn Talern befand. Mein Lieblingstext, meine Armut und wer weiß was sonst noch für Gründe, ‚drückten mir‘, wie berufene Dichter zu sagen pflegen, ‚die Feder in die Hand‘; ich setzte mich abermals hin und brachte ein Gedicht von vierundzwanzig, sage und schreibe: vierundzwanzig vierzeiligen Strophen zu Papier. Es ist jedermann, besonders aber jedem Schriftleiter bekannt, dass ein Gedicht, je länger es ist, desto schneller in den Papierkorb wandert, und auch ich wusste wenigstens, dass der Wert einer Dichtung nicht mit ihrer Länge zu wachsen pflegt; aber nach der Anordnung, die dem Ganzen zu Grunde lag, hatte es eben nicht kürzer werden können; im Gegenteil, wenn ich alle Gedanken, die mir gekommen waren, niedergeschrieben hätte, wären es wohl tausend Zeilen geworden. Ich fertigte also den verlangten Kennspruch an, steckte ihn mit dem Gedicht in einen Umschlag für drei Pfennig, siegelte es mit dem Rotlack für fünf Pfennig zu, klebte mein letztes Geld in Gestalt von Briefmarken in die Ecke rechts über der Anschrift der Schriftleitung und trug das Schreiben in feierlicher Stimmung bis zur übernächsten Straße, wo der Briefkasten hing. Als es mit hohlem Geräusch hineingefallen war, sah ich den Kasten noch lange an. Er kam mir jetzt ganz anders vor, als er früher ausgesehen hatte. Das war aber auch leicht zu erklären, denn vierundzwanzig Strophen auf einmal zu verschlingen, das hatte wohl noch kein vernünftiger Mensch von ihm verlangt.

Aber auch mit mir ging eine Veränderung vor. Wer mich beobachtete, der musste mir anmerken, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte. Meine Haltung kam mir unmännlich und mein Gang schlottrig vor; die Augen verloren ihre Richtung nach vorn und begannen verstohlen bald nach rechts und bald nach links zu blinzeln, ob mir die vierundzwanzig Strophen vielleicht anzusehen seien. Kein Brot wollte mir mehr schmecken; der Schlaf streikte, und wenn er seine Pflicht einmal tat, so träumte ich von allerlei Ungeheuerlichkeiten, z. B. von einem großen Briefkasten, der in Gestalt einer blauen Riesenkröte auf mein Bett gekrochen kam und mich so lange drückte, bis ich mit einem Schrei erwachte.

Meine Arbeiten fertigte ich mit derselben Gewissenhaftigkeit wie vorher, aber sie wurden mir schwerer als früher. Meine roten Wangen wurden blass; ich magerte ab und wurde wortkarg wie eine Stimmgabel, die auch nur dann erklingt, wenn man ihr einen Stoß versetzt. Es war eine schlimme Zeit. Und sie dauerte übermäßig lang. Ende Juli hatte ich dem Briefkasten mein Schicksal vorzeitig anvertraut und die ‚Galgenfrist‘ ging erst am 1. Oktober zu Ende. Am 1. November sollte die Entscheidung fallen. Wenn ich doch meine ‚Vierundzwanzig‘ wieder hätte; ich wollte nicht nur auf jeden Preis verzichten, sondern das heilige Versprechen ablegen, nie wieder einen Reim zu schreiben. Das war viel gesagt, weil Reime mir nicht die geringste Schwierigkeit bereiten und mir auch der dritte Preis, zehn blanke Taler, als ein kleiner Schatz erschienen wäre.

Dass mir nichts beschieden wäre, davon war ich vollständig überzeugt, aber diese Angelegenheit konnte auch eine sehr unangenehme Wirkung für mich haben. Ich vermochte nämlich den Gedanken nicht loszuwerden, dass die ‚löbliche‘ Schriftleitung mein Gedicht nicht an mich zurücksenden, sondern es mit einigen besonderen Randbemerkungen unserem strengen ‚Alten‘ zur Nachachtung zustellen würde. Ein jeder weiß aus seiner Schulzeit, wen ich mit diesem ‚Alten‘ meine, und wird mein heimliches Grauen ahnen. Seine Gestrengen hatten mir zwar immer wohl gewollt und manche Härten meiner Lage zu mildern gesucht; er ließ mich sogar seinem Sohn wöchentlich zwei Stunden Nachhilfeunterricht erteilen, wofür ich sonnabends in der Küche Reis mit Rindfleisch bekam und dann als Nachgenuss der Lieblingskatze seiner Frau den Rücken krabbeln durfte; aber falls die ‚Löbliche‘ meine Befürchtung Wahrheit werden ließ, so war für nichts mehr einzustehen, weder für den Reis noch für die Katze.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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