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Winter, Weihnachten und die Liebe: Wunderschöne Geschichten für die schönste Zeit des Jahres in einem eBook.
WEIHNACHTEN WIE IM BILDERBUCH
Die schneebedeckten Berge reflektierten das Mondlicht. Es lag wie ein silberner Pfad auf dem See, der unbeweglich wie Glas zu ihren Füßen ruhte.
Die Wege der Liebe sind unergründlich: Ein Cottage entpuppt sich im Schneesturm als unverhofftes Liebesnest. Die Herausforderungen eines Festtagsmenüs bringen unerwartet neuen Schwung in die Beziehung. Und eine gute Tat wird mit einer Essenseinladung belohnt ...
WEIHNACHTEN AM KAMINFEUER
»Das mit Puderzucker bestäubte und von innen beleuchtete Lebkuchenhaus trug sehr zur festlichen Atmosphäre bei. Es sah einfach spektakulär aus.«
Die Wege der Liebe sind unergründlich: Am prasselnden Kaminfeuer knistert es gewaltig. Weihnachtseinkäufe nehmen einen überraschenden Ausgang. Und bei Rosé-Sekt und Makronen lässt es sich wunderbar verkuppeln ...
WEIHNACHTEN IN DER FERNE
»Spät in der Nacht hängte Miranda vier prall gefüllte Socken an den Kaminsims und bewunderte die Wirkung. Sie lächelte. Morgen wäre alles ganz anders als sonst ...«
Die Wege der Liebe sind unergründlich: Das Weihnachtsfest in der Ferne entwickelt sich zu einem traditionellen Familienfest. Ein Picknick öffnet die Augen für eine Welt voller Köstlichkeiten. Und ein Undercover-Einsatz offenbart unentdeckte Leidenschaften ...
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 362
Digitale Erstausgabe - Sammelband
beHEARTBEAT in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2023 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock/iana; © shutterstock/metwo; © shutterstock/Prucsike; © shutterstock/S_Photo; © shutterstock/Melica; © shutterstock/Elena Schweitzer; © shutterstock/melima; © shutterstock/gkrphoto; © shutterstock/Africa Studio; © shutterstock/Kim Reinick
ISBN 978-3-7517-5972-4
Katie Fforde hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht, die in Großbritannien allesamt Bestseller waren. Ihre romantischen Beziehungsgeschichten werden erfolgreich für die ZDF-Sonntagsserie "Herzkino" verfilmt. Katie Fforde lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und verschiedenen Katzen und Hunden in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England.
Offizielle Website: http://www.katiefforde.com/.
Winter, Weihnachten und die Liebe: Wunderschöne Geschichten für die schönste Zeit des Jahres in einem eBook.
WEIHNACHTEN WIE IM BILDERBUCH
Die schneebedeckten Berge reflektierten das Mondlicht. Es lag wie ein silberner Pfad auf dem See, der unbeweglich wie Glas zu ihren Füßen ruhte. Die Wege der Liebe sind unergründlich: Ein Cottage entpuppt sich im Schneesturm als unverhofftes Liebesnest. Die Herausforderungen eines Festtagsmenüs bringen unerwartet neuen Schwung in die Beziehung. Und eine gute Tat wird mit einer Essenseinladung belohnt ...
WEIHNACHTEN AM KAMINFEUER
»Das mit Puderzucker bestäubte und von innen beleuchtete Lebkuchenhaus trug sehr zur festlichen Atmosphäre bei. Es sah einfach spektakulär aus.« Die Wege der Liebe sind unergründlich: Am prasselnden Kaminfeuer knistert es gewaltig. Weihnachtseinkäufe nehmen einen überraschenden Ausgang. Und bei Rosé-Sekt und Makronen lässt es sich wunderbar verkuppeln ...
WEIHNACHTEN IN DER FERNE
»Spät in der Nacht hängte Miranda vier prall gefüllte Socken an den Kaminsims und bewunderte die Wirkung. Sie lächelte. Morgen wäre alles ganz anders als sonst ...« Die Wege der Liebe sind unergründlich: Das Weihnachtsfest in der Ferne entwickelt sich zu einem traditionellen Familienfest. Ein Picknick öffnet die Augen für eine Welt voller Köstlichkeiten. Und ein Undercover-Einsatz offenbart unentdeckte Leidenschaften ...
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Cover
Titel
Impressum
Über die Autorin
Über das Buch
Inhalt
Weihnachten am Kaminfeuer
Cover
Titel der Autorin
Titel
Vorwort
Weihnachtsmenü
Weihnachtseinkäufe
Rosé-Sekt und Makronen
Eheferien
Weihnachtsrezepte
Weihnachten in der Ferne
Cover
Titel der Autorin
Titel
Vorwort
Weihnachten in der Ferne
Liebe am Nachmittag
Die Undercover-Köchin
Der Benefiz-Lauf
Weihnachtsrezepte
Weihnachten wie im Bilderbuch
Cover
Titel der Autorin
Titel
Vorwort
Liebesgrüße aus Schottland
Weihnachten wie im Bilderbuch
Frühstück mit Mr. Gillyflower
Du bist der Richtige
Weihnachtsrezepte
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Contents
Rendezvous zum Weihnachtsfest:
Weihnachten am Kaminfeuer
Weihnachten in der Ferne
Weihnachten wie im Bilderbuch
Begegnung im Mondscheingarten
Botschaften des Herzens
Cottage mit Aussicht
Das Glück über den Wolken
Das Paradies hinter den Hügeln
Eine glückliche Fügung
Eine kostbare Affäre
Eine Liebe am Meer
Eine Liebe in den Highlands
Eine perfekte Partie
Eine unerwartete Affäre
Eine ungewöhnliche Begegnung
Festtagsstimmung
Fünf Sterne für die Liebe
Geschenke aus dem Paradies
Glücklich gestrandet
Glücksboten
Im Garten meiner Liebe
Rosenblütensommer
Sommer der Liebe
Sommerhochzeit auf dem Land
Sommerküsse voller Sehnsucht
Sommernachtsgeflüster
Wellentänze
Wilde Rosen
Weitere Titel in Planung.
Katie Fforde
Weihnachten am Kaminfeuer
Aus dem britischen Englisch von Ulrike Werner-Richter
Liebe Leserin,
Weihnachten ist zwar ein schönes, manchmal aber auch stressiges Fest. Man hat unendlich viel zu erledigen und viel zu wenig Zeit dafür. Karten sind zu schreiben (seit vielen Jahren basteln wir unsere eigenen Weihnachtskarten, doch manchmal sehne ich mich danach, sie einfach irgendwo zu kaufen!), Geschenke müssen ausgesucht und hübsch verpackt werden, Einkaufen und Kochen stehen auf der Tagesordnung, und dann gibt es noch die anderen hunderttausend Dinge, die man keinesfalls vergessen darf.
Also bleibt auch keine Zeit zum Lesen, höre ich Sie sagen. Nun, die Besonderheit dieses literarischen Festmahls zur Weihnachtszeit ist die Vielzahl kleiner Leckereien – Geschichten, die man in der Zeit lesen kann, in der man darauf warten muss, dass die Plätzchen genau den richtigen Bräunungsgrad annehmen, oder während man sich ein Bad einlässt.
Eigentlich sollte für jeden etwas dabei sein, und mit etwas Glück können Sie die Zeit erübrigen, es herauszufinden. Dies ist mein Weihnachtsgeschenk für Sie.
Alles Liebe und fröhliche Weihnachten!
Katie Fforde
I mogen legte die Bläschenfolie hin, aus der sie gerade einen Spiegel ausgepackt hatte, und lauschte. Es war der Tag vor Heiligabend. Sie war dabei, die paar Kleinigkeiten auszupacken, die sie im Kastenwagen ihres Bruders in ihr gerade angemietetes Cottage gebracht hatte. Tatsächlich, vor dem Haus waren Weihnachtssänger. Ihr war klar, dass die meisten anderen die Sänger vermutlich ignoriert hätten, doch sie stand bereits an der Tür, als die Sänger gerade erst klopfen wollten. Imogen konnte nicht anders, denn sie war Musiklehrerin, und die Weihnachtssänger brauchten unbedingt Nachhilfe.
Vor ihr standen drei Mütter mit ihren noch recht kleinen Kindern. Die Frauen schienen etwas älter zu sein als sie selbst – Anfang dreißig. Sie waren in bunte Mützen und Schals gegen die Kälte gehüllt und hielten Laternen und Notenblätter in den Händen. So wie sie aussahen, hätten sie geradewegs einer Weihnachtskarte entsprungen sein können, hätte wenigstens ein Hauch Schnee gelegen und wären sie nicht so miserable Sängerinnen gewesen.
»Oh, da ist aber noch Luft nach oben«, sagte Imogen mit einem breiten Lächeln, damit man sie nicht für schlecht gelaunt hielt. Sie glaubte nicht, dass sie mit ihrem unordentlichen Pferdeschwanz, der alten Jeans und den Hüttenschuhen Furcht einflößend aussah, doch sie wollte es auch nicht darauf anlegen.
Nervöses Lachen antwortete ihr. Betreten scharrten die drei Damen mit den Füßen.
»Entschuldigung«, sagte eine der Mütter. Sie klang müde, schien aber erfreut zu sein, ein freundliches Gesicht zu sehen. In ihrer Schaffellmütze und den Fellstiefeln sah sie zum Anbeißen aus. »Unsere besten Sänger sind dieses Jahr zu Weihnachten nicht da, deshalb müssen Sie mit uns vorliebnehmen.«
»Aber wenn keine von Ihnen die Lieder kennt, geschweige denn den richtigen Ton trifft, wieso singen Sie dann öffentlich Weihnachtslieder?«, fragte Imogen.
»Wegen der Tradition«, erklärte eine andere hübsche Mami. Sie trug eine Trappermütze mit Ohrenklappen und einen knallroten Schal. »Das Dorf singt schon seit jeher Weihnachtslieder für Miss Wentworth. Sie wohnt übrigens gleich neben Ihnen.«
»Und warum tun Sie das?«, hakte Imogen nach. Sie fand die Idee wirklich sehr charmant.
»Sie war gefühlte hundert Jahre Musiklehrerin hier im Dorf. Inzwischen schafft sie es nicht mehr zur Kirche, um Weihnachtslieder zu hören. Irgendein netter Mensch«, die Mutter klang, als hätte sie lieber idiotisch gesagt, »hatte die Idee, die Musik zu ihr zu bringen. Und das machen wir schon seit Jahren.«
»Aber wieso singen Sie auch vor meiner Tür?«
»Zum Üben«, erklärte die am schlichtesten gekleidete Mutter, die eine Fleecejacke und eine Beaniemütze trug und ein Kleinkind an sich drückte. Das Kleinkind war ganz ähnlich angezogen wie seine Mutter und sah ziemlich schwer aus.
»Also, ich finde es total nett, dass Sie hingehen und einer alten Dame Weihnachtslieder vorsingen.« Obwohl dies der Wahrheit entsprach, argwöhnte Imogen, dass noch etwas anderes hinter der freundlichen Geste steckte.
Die Frauen blickten einander an. »Sie ist nicht etwa eine freundliche alte Dame, der wir ein weihnachtliches Ständchen bringen«, sagte eine von ihnen. »Sie ist eine alte Hexe, und wir alle haben Angst vor ihr. Aber wir müssen es tun. Die Dorftradition verlangt es.«
Das war wirklich interessant! »Am besten, Sie kommen erst einmal rein«, meinte Imogen und hielt die Tür weit auf. »Draußen ist es bitterkalt, und Sie brauchen Hilfe. Hier ist eine Menge Platz. Ich habe noch kaum Möbel.«
Die kleine Truppe betrat Imogens erst vor wenigen Stunden bezogenes neues Heim. Die Luft draußen glitzerte vor Frost, und obwohl niemand mit Schnee rechnete, wirkte alles sehr weihnachtlich und hübsch. Imogen freute sich, dass die Heizung in ihrem Häuschen offenbar ausgezeichnet funktionierte.
»Ich dachte immer, hier wohnt eine Familie«, sagte die Frau mit der Fellmütze und blickte sich um. »Die Smiths. Ich wusste zwar, dass sie ausziehen wollten, aber nicht unbedingt unmittelbar vor Weihnachten.«
»Sie sind schon vor über einem Monat weggezogen«, sagte Imogen.
»Oh!« Die Frau blickte schuldbewusst drein. »Mir war aufgefallen, dass ich Mrs. Smith einige Zeit nicht in der Schule gesehen hatte, doch man trifft die Leute ja nicht ständig.«
»Hübsch hier«, stellte die Frau mit der Trappermütze fest, während sie sich umschaute. »Ein paar Relikte aus der guten alten Zeit. Könnte echt ein Schmuckstück werden. Und einen wirklich tollen Kamin haben Sie da. Er sieht aus, als funktionierte er tatsächlich.«
»Der hat mir auch sofort gefallen«, stimmte Imogen zu. »Als Mieter darf man nicht zu hohe Ansprüche stellen, doch der Kamin ist wirklich perfekt. Ich werde ihn einheizen, sobald ich mit den gröbsten Arbeiten durch bin. Die Vermieter haben versprochen, dass er funktioniert.« Sie hatte eigens ein paar Holzstücke und Kaminanzünder mitgebracht.
»Also, wie meinen Sie, uns helfen zu können?«, erkundigte sich die Frau in der Fleecejacke. Sie hatte ihr Kind abgesetzt und die Mütze abgenommen.
»Damit«, erklärte Imogen und holte ihre Flöte hervor, setzte sie zusammen, drehte den Flötenkopf zurecht und hielt sie an die Lippen. Nach ein paar Probetönen war sie bereit. »Also? Was haben Sie gerade gesungen? Kling, Glöckchen, klingelingeling ? Ich glaube, das kann ich auswendig.«
Sekunden später klang das bekannte Weihnachtslied durch den Raum. Sogar die Kinder, die zu schwatzen begonnen hatten, verstummten und hörten andächtig zu.
»Das war wundervoll«, sagte die Mutter mit der Fellmütze. »Ich heiße übrigens Fenella. Könnten Sie es vielleicht noch ein paarmal vorspielen, dass wir uns einhören können?«
»Ich habe etwas anderes vor«, lachte Imogen. »Wir üben das Ganze jetzt zusammen, und dann komme ich mit zu Miss Wentworth. Ich wollte mich ohnehin bei ihr vorstellen. Ich heiße Imogen. Und ich bin Musiklehrerin.«
»Das ist ja ein Zufall! Ich bin Samantha und die Mutter von diesen beiden hier, Teddy und Annabelle«, sagte die Frau mit der Trappermütze.
Die Frau in der Fleecejacke stellte sich ebenfalls vor. »Ich heiße Susie, und das hier ist Rodney. Ich weiß, ich weiß, es ist ein Familienname. Wir rufen ihn Rodders.«
»Okay«, Imogen nickte, »ich hole jetzt schnell ein paar Kekse für die Kinder, und dann machen wir uns an die Arbeit.« Sie ging in die Küche und kehrte mit einem Paket Schokoladenplätzchen zurück. »Ist Schokolade in Ordnung?«
»Es ist ja Weihnachten«, sagte Fenella, »da wollen wir mal nicht so streng sein.«
Während die Kinder die Schokoladenkekse auspackten, die Imogen eigentlich für ihre Nichten und Neffen vorgesehen hatte, schlug Imogen den Müttern gegenüber einen geschäftsmäßigen Ton an. »Tut mir leid, wenn ich vielleicht jetzt manchmal ein bisschen herrisch klinge, doch wir haben schließlich nicht viel Zeit. Welche Weihnachtslieder können Sie am besten?«
Glücklicherweise hatte Imogen bei ihrer ersten Anstellung Erfahrungen damit gesammelt, mit den Schulkindern auf Fluren oder in anderen ungeeigneten Räumen zu üben. Die Frauen, die alle kleine Kinder hatten, waren ähnlich flexibel. Nach einer halben Stunde legte Imogen die Flöte beiseite. »Wissen Sie, eigentlich haben Sie alle sehr hübsche Stimmen. Mit ein paar Stunden Unterricht könnten Sie richtig gut sein.«
»Oh, vielen Dank«, erwiderte Fenella. »Zu Hause singe ich nie, weil mein Mann sich sonst beschwert. Aber Sie machen uns Mut.«
»Glauben Sie, dass wir jetzt so weit sind, für Miss W. zu singen?«, erkundigte sich Susie. »Ich muss nämlich bald nach Hause. Ich habe noch eine so lange Liste abzuarbeiten, dass ich damit die Gästetoilette tapezieren könnte.«
»Geht mir ähnlich«, stimmte Samantha zu. »Ich kann Martins Familie nicht schon wieder einen Kuchen ohne Glasur vorsetzen. Sie halten mich ohnehin schon für eine miese Hausfrau, weil ich keinen Plumpudding zubereite. Außerdem denke ich, dass auch Imogen noch genug zu tun hat.«
Imogen nickte. »Versuchen wir es! Danach können Sie nach Hause gehen, und ich mache mir eine Flasche Wein auf.«
»Was haben Sie zu Weihnachten vor?«, wollte Fenella wissen. »Kommt Ihre Familie? Oder fahren Sie hin?«
»Ich besuche meine Familie, allerdings erst nach Weihnachten. Aber Sie brauchen mich nicht zu bemitleiden. Den Gedanken, noch ein paar Tage Zeit zu haben, um alles auszupacken und mich zu bewegen, ohne dass Kinder um mich herumwuseln – obwohl ich Kinder wirklich mag –, finde ich sehr angenehm.«
Fenella warf ihr einen zweifelnden Blick zu. »Sind Sie ganz sicher?«
»Und wie! Jede Wette, dass ich für die Weihnachtstage mehr Einladungen abgelehnt habe, als Sie drei zusammen je Truthähne zubereitet haben? So, und jetzt gehen wir rüber!«
»Erst sollten wir die Kinder einigermaßen von Schokoladenspuren befreien«, riet Samantha. »Sonst bekommen wir nämlich von Miss W. einen saftigen Kommentar zu hören.«
»Dann ist sie also wirklich keine süße alte Dame mit Apfelbäckchen und Zwinkeräuglein?«, erkundigte sich Imogen, während sie Küchenrolle mit Weihnachtsmotiven verteilte.
»Im Gegenteil«, antwortete Samantha. »Stellen Sie sich Miss W. als scharfäugige, Furcht einflößende alte Dame mit spitzen Fingern vor, die durchdringend nach Pfefferminz riecht.«
»Man kann nach schlimmeren Dingen riechen«, stellte Fenella fest. »Liebling«, wandte sie sich an eines ihrer Kinder, »wenn du mich die Schokolade nicht abwischen lässt, wird Miss Wentworth dich für einen Schokoladenkuchen halten und in dich hineinbeißen wollen.«
Die Drohung hatte den erwünschten Erfolg. Das Grüppchen setzte sich in Bewegung. Imogen nahm ihren Mantel und die Wollmütze vom Haken.
Sie war ein wenig nervös. Zwar hatte ihr kleiner Chor in der letzten Stunde ganz gute Fortschritte gemacht, doch perfekt waren die Damen noch lange nicht. Außerdem missfiel ihr der Gedanke, das Weihnachtsfest Tür an Tür mit der Dorfhexe verbringen zu müssen. Andererseits war sie gespannt, diese offenbar eindrucksvolle Frau kennenzulernen, die eine neue Tradition geschaffen hatte.
Vor Miss Wentworths Haus stellten sie sich im Halbkreis auf. Das Haus im viktorianischen Stil war groß, weiß getüncht und sah tatsächlich ein wenig verwunschen aus, wie Imogen fand, doch vielleicht war dieser Eindruck auch nur ihrer lebhaften Fantasie geschuldet. Ringsherum stand eine wild wuchernde Lorbeerhecke, die es trotz der weißen Farbe düster wirken ließ.
Es überraschte niemanden, dass ihr fröhlicher Gesang zunächst nicht beachtet wurde. Der Chor hatte sein gesamtes Repertoire von Kling, Glöckchen über Zu Bethlehem geboren bis hin zu Stille Nacht (auf Deutsch mit starkem englischem Akzent, weil Miss Wentworth es auf Deutsch bevorzugte) zum Besten gegeben, ehe endlich die Tür geöffnet wurde und Imogen zum ersten Mal ihre neue Nachbarin zu Gesicht bekam.
Hm, dachte sie. Interessant! Sie verstand sofort, warum man ihr die alte Dame als Hexe beschrieben hatte. Miss W. war sehr dünn und früher sicher einmal recht groß gewesen, ging jetzt aber gebückt. Ihr weißes Haar war zu einem von Haarnadeln gehaltenen Knoten geschlungen. Über einer hochgeschlossenen Bluse trug sie eine Strickjacke, über die sie einen Umhang gelegt hatte, und ihr Rock reichte beinahe bis zum Boden. Imogen verstand sofort, warum die Dorfbewohner etwas nervös auf Miss Wentworth reagierten, denn sie schien aus einem vergangenen Jahrhundert zu stammen. Außerdem ertappte sie sich bei einer gewissen Erleichterung, dass ihr neues Leben als Musiklehrerin an der örtlichen Grundschule und hoffentlich auch mit ein paar Privatschülern ihr wenig Zeit für die betagte Nachbarin lassen würde.
Fenella räusperte sich. »Frohe Weihnachten, Miss Wentworth!«, sagte sie.
»Wir sind gekommen, um für Sie zu singen«, fügte Susie hinzu und presste dabei ihr Kleinkind an sich wie einen Schutzschild.
»Bummelt nicht rum, kommt endlich rein!«, sagte Miss Wentworth. Ihre Stimme klang knapp und befehlsgewohnt. Sie betraten den großen, aber tristen Flur. Auf einem Tisch stand eine Vase mit Trockenblumen, an den Wänden hingen ungezählte kleine Bilder. Trotzdem herrschte hier ein Museumsambiente, das allen aufs Gemüt schlug.
Endlich standen die Sängerinnen so, wie Miss Wentworth es wollte, ihnen gegenüber Imogen mit ihrer Flöte in der Hand. Sie hoffte, dass sie ihren Chor mit ihrem Gesichtsausdruck leiten konnte. Da die Mamis aber nicht an einen Dirigenten gewöhnt waren, konnte es ebenso gut schiefgehen.
Schnell spulten sie ihr Programm herunter, dann blickten sie Miss Wentworth hoffnungsvoll an. Imogen war klar, dass sie weder auf Glühwein noch auf Weihnachtsplätzchen warteten, noch nicht einmal auf eine Zuwendung für einen guten Zweck, sondern lediglich darauf, endlich entlassen zu werden.
»Ihr seid in diesem Jahr nicht gerade zahlreich«, stellte Miss Wentworth fest.
»Ich weiß«, entschuldigte sich Fenella, »aber unsere besten Sänger sind über Weihnachten verreist. Deshalb sind nur wir gekommen.«
»Und wer sind Sie?«, wandte sich Miss Wentworth an Imogen.
Imogen hatte sich zwar gleich zu Beginn kurz vorgestellt, wiederholte aber geduldig: »Ich bin Ihre neue unmittelbare Nachbarin …«
»Ja, das weiß ich doch. Ich habe Sie schließlich durchs Fenster gesehen. Aber Sie spielen Flöte. Wieso sind Sie hierhergezogen?«
»Weil ich eine Stelle als Musiklehrerin an der hiesigen Schule angenommen habe. Ich hoffe auch auf ein paar Privatschüler für Flöte und Klavier.« Imogen hörte eines der Kinder flüstern: »Können wir jetzt gehen?« Doch es wurde hastig von seiner Mutter zum Schweigen gebracht.
»Aha, verstehe. Fahren Sie über Weihnachten fort?«
»Nein, erst ein paar Tage später. Ich bin gerade erst eingezogen und habe noch viel zu tun, also bleibe ich hier.«
»Ich hingegen bin nicht gerade erst eingezogen, bleibe aber trotzdem hier«, gab Miss Wentworth zurück.
Imogen spürte, wie sich ein kollektives Schuldgefühl der Mamis bemächtigte. Sie waren alle erschöpft von den Weihnachtsvorbereitungen, wollten aber die Feiertage im Kreis ihrer Familien verbringen. Keine von ihnen hatte Lust, Miss Wentworth und ihre kritischen Bemerkungen zu Hause vor dem Kamin ertragen zu müssen. Das würde schon die eigene Verwandtschaft erledigen. Imogen beschloss, Teamgeist zu zeigen.
»Nun«, sagte sie, »ich würde mich freuen, Sie auf ein Glas Sherry bei mir begrüßen zu dürfen.« Bestimmt konnte sie vor den Feiertagen noch irgendwo eine Flasche Sherry erstehen.
»Ich sähe es lieber, wenn Sie zu mir kämen. Zum Mittagessen.«
»Oh, Miss Wentworth«, sagte Imogen erschrocken. »Ich kann doch nicht erwarten, dass sie so viel Mühe auf sich nehmen und ein Weihnachtsessen für mich kochen.«
»Aber nein, meine Liebe. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie kochen.«
Imogen schluckte und hörte, wie die anderen die Luft anhielten. Zwar war sie ihrer Mutter dann und wann in der Küche zur Hand gegangen, doch sie hatte noch nie die Verantwortung für einen Truthahnbraten übernommen. »Äh … haben Sie denn alles Nötige im Haus?«
»Nein. Wir werden mit dem vorliebnehmen, was wir dahaben. Sicher können Sie sich vorstellen, dass ich ziemlich enttäuscht bin, weil keiner meiner zahlreichen Neffen und Nichten – inzwischen sind es zwei Generationen – es für nötig gehalten hat, mich über die Feiertage einzuladen. Aber so sind die jungen Leute nun einmal.«
Weil Miss Wentworth von Mitgliedern der jüngeren Generation umringt war – sogar von zwei Generationen –, die eigens gekommen waren, um ihr Weihnachtslieder vorzusingen, fand Imogen die Aussage der alten Dame ziemlich unfair, sagte aber nichts. Trotzdem gefiel ihr der Gedanke nicht, dass Miss W. über die Feiertage allein war. Bei ihr selbst war es etwas anderes, denn sie hatte nette Pläne für einige Tage später, was auf Miss Wentworth vermutlich nicht zutraf.
»Gut, um zwölf Uhr bin ich da«, erklärte sie entschlossen. »Ich bringe alles irgendwie Verwendbare mit. Und Wein.«
»Vielen Dank.« Miss Wentworth neigte den Kopf. »Doch ehe ihr geht, möchte ich bitte noch Es ist ein Ros’ entsprungen hören.«
»Das können wir nicht«, sagte Fenella mutig, da die Erlösung in Sicht war.
»Wirklich nicht?«, gab Miss Wentworth traurig zurück. »Aber letztes Jahr habt ihr es für mich gesungen.«
»Letztes Jahr waren auch unsere richtig guten Sänger dabei«, entgegnete Fenella. »Wir sind leider nur die zweite Wahl.«
»Ich spiele es für Sie«, sagte Imogen und setzte die Flöte an. Während sie spielte, beschloss sie, ihrem neuen Chor das Lied für das kommende Jahr beizubringen, denn es war wirklich schön.
»Gut gemacht, meine Liebe«, lobte Miss Wentworth, als sie fertig war. »Dort in der Ecke steht eine Schüssel mit Süßigkeiten für die Kleinen, und dann nichts wie heim mit euch!«
Die Kinder drängten sich um die Schüssel und nahmen sich jedes einen Beutel mit Schokoladentalern. Endlich verstand Imogen, wieso sie die Tortur so brav durchgestanden hatten.
Alle verabschiedeten sich und gingen. Weil eines der Kinder dringend zur Toilette musste, lud Imogen alle erneut zu sich nach Hause ein.
»Arme Imogen! Sie tun mir wirklich leid«, erklärte Fenella, während sie in der gemütlichen Wärme von Imogens Cottage darauf warteten, dass Samantha ihr Kind auf der Gästetoilette auspackte.
»Stimmt!«, pflichtete Susie ihr bei. »Wären Sie nicht so nett gewesen, uns zu helfen, müssten Sie jetzt nicht das Weihnachtsmenü für sie kochen.«
Samantha hatte es vor lauter Schuldbewusstsein fast die Sprache verschlagen, als sie und ihr Kind wieder zu den anderen stießen. »Ich hätte sie zu uns einladen sollen«, jammerte sie. »Aber Bill hätte es nie und nimmer zugelassen. Er kann schon meine Verwandtschaft nicht leiden – und dann auch noch Miss Wentworth? Keine Chance.«
»Schon gut«, sagte Imogen. »Es macht mir wirklich nichts aus. Ich hätte ohnehin nur ausgepackt und Sachen einsortiert. Ich bekomme mein Weihnachten später. Es ist ehrlich kein Opfer.« Sie wollte diesen netten Frauen das Leben nicht noch schwerer machen, obwohl sie durchaus ein wenig besorgt war.
»Sie hätten es sich mit Schokolade und einer Flasche Wein vor dem Fernseher gemütlich machen können«, erwiderte Samantha. »Danach sehne ich mich schon seit eh und je.«
»Nein, tust du nicht«, sagte Susie. »Du glaubst nur, dass du dich danach sehnst. Aber Imogen, wenn Sie demnächst einmal Zeit haben, kommen Sie zu mir! Wir gehen spazieren, essen zusammen – irgendetwas in der Art. Sie waren so freundlich zu uns, obwohl Sie uns gar nicht kannten.«
Nach einer lustigen Diskussion darüber, wer ihr am dankbarsten war, boten auch die anderen Frauen Imogen ihre Gastfreundschaft an. Bis schließlich alle nach Hause gingen, hatte man sie zu einem Mittagessen und einem Kostümfest eingeladen. Als Imogen die Haustür hinter ihnen schloss, hatte sie den Eindruck, Freundinnen gewonnen zu haben.
Nachdem die Frauen und ihre Kinder fort waren, fühlte sich das Haus plötzlich sehr leer an, und Imogen ertappte sich bei einem Anfall von Einsamkeit. Es gab gute Gründe dafür, dass sie so weit von ihrer Familie und ihren Freunden fortgezogen war, aber im Augenblick wünschte sie sich, sie wäre in ihrer vertrauten Umgebung geblieben. Im Haus ihres Bruders waren jetzt wohl alle dabei, Geschenke einzupacken, Der kleine Lord im Fernsehen anzuschauen, und die Kinder tobten im Haus herum. Es war das erste Jahr, dass Imogen den Baum nicht vor dem Umkippen bewahren konnte, und sie hoffte, dass jemand anders es an ihrer Stelle tat.
Ihre Familie lebte nördlich von Birmingham. Dass Imogen sich um die Stelle als Musiklehrerin in diesem charmanten, aber sehr weit südlich gelegenen Dorf beworben hatte, lag daran, dass es in der Nähe ein Orchester gab, zu dem sie gern gehören würde. Nicht, dass sie je daran gedacht hatte, Profimusikerin zu werden – dazu liebte sie ihre Arbeit als Lehrerin zu sehr –, aber sie wünschte sich, Mitglied in einem der besten Orchester zu werden, die sie kannte. Dafür jedoch musste sie in unmittelbarer Umgebung wohnen.
Das Aphrodite Orchestra war über hundert Jahre alt und hatte einen Ruf, um den ihn manch ein Profi beneidete. Tatsächlich hatte Imogen herausgefunden, dass viele Mitglieder des Orchesters Berufsmusiker waren, die in ihrer Freizeit gern zum Vergnügen spielten. Aber man musste richtig gut sein, um aufgenommen zu werden.
Imogens älterer Bruder hatte sich auf die Lippen gebissen, als er von ihren Umzugsplänen und dem Wunsch erfahren hatte, dem Orchester nah genug für ein Vorspielen zu sein. »Ich weiß, dass du gut bist, Imi«, hatte er gesagt. »Aber was ist, wenn sie dich nicht nehmen? Dann sitzt du kilometerweit von uns entfernt fest, inmitten von Leuten aus dem Süden, die dich misstrauisch beäugen.«
»Dann komme ich natürlich wieder heim«, hatte Imogen geantwortet. »Wenn alles schiefgeht und ich unglücklich bin, gebe ich auf. Dazu bin ich nicht zu stolz. Und inzwischen bin ich so daran gewöhnt, dein ›Ich habe es dir doch gesagt!‹ zu hören, dass es mir nichts mehr ausmacht.«
Vorsichtshalber hatte sie niemandem erzählt, dass sie sich bereits beworben und eine E-Mail erhalten hatte, dass man nach Weihnachten alles Weitere mit ihr besprechen wolle. »Nach Weihnachten« konnte natürlich auch März bedeuten. Doch sie hatte genügend Selbstvertrauen gehabt, den Kontakt bereits herzustellen, ehe sie in die Gegend gezogen war.
Sobald Weihnachten vorüber war, wollte sie nach Hause fahren und ein Lebkuchenhaus mitbringen. Auf diese Weise würden ihre Neffen und Nichten ihr vielleicht weniger übel nehmen, dass sie sie verließ, um einem Orchester beizutreten. Die Herstellung des Lebkuchenhauses wäre eine gute Möglichkeit gewesen, Weihnachten zu verbringen.
Nachdem Miss Wentworth sie allerdings aufgefordert hatte, für sie zu kochen, würde sie alles an einem Tag erledigen müssen. Eigentlich hatte sie die einzelnen Teile des Lebkuchenhauses an Heiligabend backen und am ersten Weihnachtstag zusammensetzen wollen. Sie war keine besonders geübte Bäckerin, aber sie wollte ihren älteren Brüdern und ihrer Familie etwas beweisen. Wenn sie mit einem selbst gemachten Lebkuchenhaus erschien, das nach der langen Reise auch noch intakt war, wären sie sicher beeindruckt. Sie hatte winzige batteriebetriebene Lichter gekauft, um es von innen zu beleuchten. Und wenn alles nach Plan lief, wäre die Tür groß genug, um ein Teelicht hineinzustellen. Ihre Mutter liebte Kerzen. Imogen wollte ihrer Familie zeigen, dass sie keinen Fehler gemacht hatte und sehr gut ohne ihre immer zur Verfügung stehende Hilfe zurechtkam.
Der vierundzwanzigste Dezember war ein sonniger Tag. Imogen erkundete ihre neue Umgebung bei einem Spaziergang und fand sie wunderschön. Schon jetzt freute sie sich darauf, ihre Nichten einzuladen. Die Neffen waren erst drei und vier Jahre alt und würden noch ein wenig älter werden müssen, ehe sie in den Ferien so weit verreisten.
Es gab einen kleinen Park mit einem See, der sich perfekt dafür eignete, darauf Schiffe fahren zu lassen, einen Rundweg, der am Fluss entlangführte und im Dorf endete, und eine sehr interessante Kirche, die sie sicher während der Feiertage einmal besuchen würde. Vielleicht fand eine Weihnachtsmesse statt, denn der Rückweg nach der Mitternachtsmesse erschien ihr noch zu ungewiss, solange sie die Umgebung noch nicht genau kannte.
Als sie nach Hause kam – in Gedanken bezeichnete sie das Cottage bereits als ihr Zuhause –, machte sie sich ein Sandwich, ehe sie Rührschüssel und Waage aus dem Schrank nahm. Sie hatte noch nicht viele Utensilien mitgebracht, denn sie wollte erst herausfinden, was sie wirklich brauchte, ehe sie auf dem Speicher ihrer Eltern herumstöberte und sich in ihrem neuen Heim richtig einrichtete. Aber sie hatte alles Notwendige dabei, um ihr Lebkuchenhaus zu bauen.
Irgendwann war es so weit: Alle Einzelteile waren fertig. Nachdem Imogen einige misslungene Versuche hatte entsorgen müssen, empfand sie nun großen Stolz. Doch dann blickte sie erschrocken auf die Uhr. Schon sechs! Die Weihnachtsmesse für Kinder hatte sie versäumt, doch was noch wichtiger war – gleich war Ladenschluss. An der Tür hatte gestanden, dass das Geschäft um sieben Uhr schloss. Schnell zog sie den Mantel über und lief los.
Als sie endlich vor der Theke stand, war sie völlig außer Atem. »Hallo«, sagte sie. »Ich brauche Zutaten für ein Weihnachtsessen. Können Sie mir helfen?«
Der Laden war winzig. Ob es hier überhaupt einen Truthahn, Würste, Füllung und Kartoffeln gab? Wenigstens einiges davon?
Der Mann stützte die Ellbogen auf die Theke. Er war nicht mehr ganz jung und wollte ihr offenbar wirklich helfen, aber Wunder konnte auch er nicht vollbringen. »In der Tiefkühltruhe finden Sie sicher noch einige Dinge, aber bestimmt nicht mehr alles. Wie wäre es mit Entenbrust?«
»Wunderbar«, sagte Imogen, die sich um keinen Preis unterkriegen lassen wollte. »Hätten Sie vielleicht auch Kartoffeln?«
»Ein paar sind noch da. Auch Kohl habe ich noch.«
»Ja, das passt sicher zu Entenbrust. Was ist mit Kirschen?«
»Ich habe nur noch Mandarinen aus der Dose. Wenn es unbedingt Kirschen sein sollen, müssen Sie mit Konfitüre vorliebnehmen.«
Irgendwann hatte Imogen eine Ansammlung von Waren beisammen, die gut in einen Wettbewerb wie Kochduell gepasst hätte: »Kochen Sie, wenn möglich, aus diesen Zutaten eine Mahlzeit!« Aber sie war Optimistin und dachte, dass ein gutes alkoholisches Getränk die Lücken sicher würde füllen können. Miss Wentworth war nicht mehr jung und kein Schwergewicht; nach zwei Gläsern Sherry würde sie die Mängel bestimmt nicht mehr bemerken.
»Außerdem hätte ich gern eine Flasche Sherry. Was könnte Miss Wentworth mögen? Bristol Cream? Amontillado? Oder eher einen trockenen Sherry?«
Der Mann, der sich als Bob vorgestellt hatte und im Verlauf der Suche nach den besten Zutaten fast zu einem Freund geworden war, schüttelte den Kopf. »Sie trinkt keinen Sherry. Sie steht auf Whisky Mac.«
»Was ist denn das?«
»Ein Cocktail aus Whisky und Ingwerwein. Ich habe beides, falls Sie es kaufen wollen. Ist leider nicht ganz billig.«
»Es ist Weihnachten. Ich nehme es. Und wenn es Miss Wentworth glücklich macht, ist es jeden Penny wert. Außerdem brauche ich noch ein Päckchen Puderzucker. Ich habe zwar noch zwei zu Hause, aber möglicherweise brauche ich für mein Lebkuchenhaus noch mehr.«
Es dauerte fast bis Mitternacht, ehe Imogen mit ihrem Lebkuchenhaus glücklich war, doch die Mühe hatte sich gelohnt. Es gab ein paar wackelige Ecken, die wahrscheinlich die Bauaufsicht auf den Plan gerufen hätten, wäre es ein richtiges Haus gewesen. Aber dank des üppigen Zuckergusses, der vielen wie Edelsteine aussehenden Süßigkeiten, einiger sehr echt wirkender Bäume aus Schokoriegeln an der Seite und der winzigen Lichter im Inneren sah es ganz zauberhaft aus. Ihre Nichten und Neffen würden das Haus lieben.
Als Imogen sich schließlich unter der Dusche den klebrigen Zuckerguss abwusch und in ihren kuscheligen Schlafanzug schlüpfte, war sie sehr müde. Allerdings wusste sie, dass die jungen Mütter, die sie am Vortag kennengelernt hatte, wahrscheinlich noch viel müder waren und überdies damit rechnen mussten, schon früh am Morgen wieder geweckt zu werden. Sie hingegen durfte ausschlafen, ehe sie sich Miss Wentworth und dem zusammengewürfelten Weihnachtsmenü stellen musste.
Imogen wurde von der Klingel geweckt. Schläfrig konsultierte sie ihren Wecker und sah, dass es erst sieben Uhr war. Ihr Enthusiasmus hielt sich in Grenzen, weil sie aber dachte, dass es etwas mit Miss Wentworth zu tun haben könnte, lief sie so schnell wie möglich die Treppe hinunter.
Vor der Tür stand Samantha. »Entschuldigen Sie, wenn ich störe, doch ich konnte mich gerade für ein paar Minuten loseisen. Ich habe hier etwas für Sie.« Sie streckte Imogen einen mit Klarsichtfolie bespannten Teller entgegen. Imogen konnte nicht sofort erkennen, worum es sich bei den kleinen braunen Dingern unter der Folie handelte. »Die Kinder haben die Plätzchen selbst gebacken. Sie dürften essbar sein. Ich wollte Ihnen nur irgendwie helfen. Und weil ich kaum glaube, dass Sie das Geflügelklein von unserem Truthahn für die Soße brauchen können, geschweige denn Badesalzkugeln, gebe ich ihnen lieber das hier. Ach ja, außerdem habe ich noch eine Flasche Schlehenlikör mitgebracht. Meine Tante stellt jedes Jahr welchen her, und wir kommen mit dem Trinken kaum nach.«
»Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen. Und fröhliche Weihnachten!«, sagte Imogen.
»Ich muss wieder. Frohe Weihnachten!«
Nachdem Imogen Teewasser aufgesetzt hatte, inspizierte sie die Mitbringsel. Zunächst roch sie daran. Sie verströmten einen würzigen Ingwerduft. Zwar sahen sie wenig appetitanregend aus, würden aber sicher für irgendetwas zu gebrauchen sein. Eigentlich hoffte Imogen, spätestens am Nachmittag wieder zurück zu sein, nachdem sie die Nachbarin verwöhnt hatte, doch man konnte nie wissen. Wenn sie die Whisky Macs nicht stark genug mixte, konnte es durchaus passieren, dass sie gemeinsam mit Miss Wentworth sogar noch der Weihnachtsansprache der Königin im Fernsehen würde lauschen müssen. Und falls das geschah, musste sie irgendetwas in petto haben, was zumindest entfernt an Teegebäck erinnerte. Nachdenklich knabberte sie an einem Plätzchen. Hoffentlich kam es nicht so weit, denn diese Kekse erwiesen sich als nur bedingt essbar!
Während Imogen Weihnachtsanrufe und -SMS beantwortete, duschte, sich anzog und im Internet nach passenden Rezepten suchte, wurde noch drei weitere Male an diesem Morgen an die Tür geklopft. Zweimal waren es Mitglieder ihres improvisierten Chors, eine Dame war ihr noch fremd. Alle brachten Lebensmittel vorbei, beispielsweise ein Glas selbst eingemachte Ananas, Käsestangen (Imogen probierte eine; sie war köstlich!), zwei Gläser Chutney und ein kleiner Stilton-Käse. Die Dorfbewohner schienen alle zu wissen, dass sie Weihnachten mit der Dorfhexe feiern würde, hatten deshalb ein schlechtes Gewissen und versuchten, sich mit Lebensmitteln zu revanchieren. Imogen war zwar einerseits sehr dankbar, wusste andererseits aber nicht recht, wie sie die einzelnen Gaben in ihr Weihnachtsmenü integrieren sollte.
Doch das spielte keine Rolle. Es war die Absicht, die zählte. Die Leute, die in diesem Dorf lebten, in das sie selbst erst vor wenigen Tagen gezogen war, hießen ihre Anwesenheit und ihr Verhalten offenbar gut, und darüber freute sie sich sehr. Nachdem die hoffentlich letzte Besucherin gegangen war, griff Imogen zur Flöte und spielte ihr Lieblingsweihnachtslied, um ihre positiven Gefühle zu feiern und sich für einen vermutlich schwierigen Tag in Stimmung zu bringen. Es war Morgen, Kinder, wird’s was geben . Erst nachdem sie die Flöte wieder in ihrem Etui verstaut hatte, fiel Imogen die Ironie ihrer Wahl auf. Ja, morgen würde sie sich freuen: Dann würde ihre Weihnachtsverpflichtung hinter ihr liegen.
Imogen fühlte sich wie Rotkäppchen, als sie mit ihrem Korb voller Lebensmittel bei Miss Wentworth anklopfte, nur dass in diesem Fall Miss W. nicht die liebenswürdige Großmutter, sondern eher den Wolf darstellte. Bei Licht besehen, stellte sich das Haus als recht hübsch heraus. Vielleicht sollte sich einmal jemand der Hecke erbarmen und sie zurückschneiden, denn sie schien den Großteil des Lichtes zu schlucken. Das ganze Anwesen sah so verwunschen aus, dass sich Dornröschen hier vermutlich sehr wohlgefühlt hätte.
Sie hoffte, dass Miss Wentworth zur Tür kommen würde, ehe die Erinnerungen an Märchen sie vollständig überwältigten, holte tief Luft und schalt sich ihrer dummen Ängste. Immerhin war sie erwachsen!
»Nun, wenigstens sind Sie pünktlich«, sagte Miss Wentworth zur Begrüßung.
»Fröhliche Weihnachten!«, begrüßte Imogen sie entschlossen. »Wie geht es Ihnen? Darf ich hereinkommen? Die mollige Wärme geht sonst zur Tür hinaus.«
Miss Wentworth ließ Imogen in den geräumigen Flur treten, der geradezu nach einem Christbaum schrie. Eigentlich hätte sie auch gern einen gehabt, hatte sich aber dagegen entschieden, weil sie ja kurz nach Weihnachten schon verreisen würde. Und bei ihrer Rückkehr hätte der Baum wahrscheinlich bereits genadelt.
Die Trockenblumen standen immer noch auf dem Tisch, es gab jedoch nichts Grünes oder Weihnachtliches. Das war ihr bereits gestern flüchtig aufgefallen, als sie mit den netten jungen Müttern hier Weihnachtslieder gesungen hatte. Jetzt aber wurde ihr klar, wie allein Miss Wentworth in ihrem weitläufigen Haus war.
»Soll ich die Lebensmittel in die Küche bringen?«
Miss Wentworth nickte und zeigte auf eine Tür.
Imogen ging in die bezeichnete Richtung und stellte ihren Korb auf einen blank gescheuerten Holztisch. Es handelte sich um eine altmodische Familienküche, die noch so viele ursprüngliche Besonderheiten enthielt, dass jeder Innenarchitekt vor Freude geweint hätte. Trotz der Mittagszeit wirkte die Küche düster, und in dem schönen alten Herd brannte kein Feuer. Die Küche war kalt. Miss Wentworth trat ein.
Obwohl Imogen sich bei alkoholischen Getränken meist zurückhielt, sagte sie: »Sollen wir nicht zuerst einmal auf Weihnachten anstoßen? Danach kümmere ich mich um das Essen.« Der Gedanke daran, in dieser dunklen und wahrscheinlich nicht besonders üppig ausgestatteten Küche aus zufällig zusammengewürfelten Zutaten ein Weihnachtsessen zu zaubern, strapazierte selbst Imogens üblichen Optimismus. Da konnte es nicht schaden, sich vorher Mut anzutrinken.
»Ich trinke vor sechs Uhr niemals Alkohol«, erklärte Miss Wentworth entschieden.
»Ich nur zu Weihnachten«, sagte Imogen mit fester Stimme und öffnete auf der Suche nach Gläsern einen Schrank. Und wenn ich mit einer schwierigen alten Dame zu tun habe, fügte sie insgeheim hinzu.
»Nicht diese Gläser«, sagte Miss Wentworth, als Imogen schließlich zwei Whiskygläser gefunden hatte. »Wir nehmen die aus dem Wohnzimmerschrank. Immerhin ist heute Weihnachten.«
Na prima!, dachte Imogen. Du hast es auch bemerkt!
Miss Wentworth verließ die Küche und kehrte mit Gläsern zurück, die sie für angemessen hielt. (Es waren ebenfalls Whiskygläser, allerdings aus Kristall.) Imogen begann, die Getränke zu mixen. »Möchten Sie Eis?«, erkundigte sie sich, nachdem sie die Etiketten der beiden Flaschen studiert hatte.
»Nein, danke«, antwortete Miss Wentworth und schaffte es, in diese beiden Wörter ihre gesamte Verachtung für Eis hineinzulegen. Es klang, als hielte sie Eis für etwas sehr Vulgäres.
Vermutlich war es ohnehin egal. In einer Ecke summte ein großer, altmodischer Kühlschrank vor sich hin, der nicht so aussah, als hätte er ein Tiefkühlfach. Wahrscheinlich empfand auch er Eis als sehr vulgär.
Da Imogen keine Lust hatte, Smalltalk zu halten, meinte sie: »Wie wäre es, wenn Sie hinübergingen und es sich gemütlich machten? Ich bringe die Drinks gleich ins Wohnzimmer.«
»Sehr gern.«
Imogen ging davon aus, dass das erstgenannte Getränk in größerer Menge vertreten sein sollte. Sie schenkte zwei doppelte Whisky ein, fügte etwas Ingwerwein hinzu und brachte die Gläser ins Wohnzimmer. Im Haus war es sehr still, und Imogen sehnte sich einen Moment nach der lärmigen Betriebsamkeit, die die Weihnachtsfeste mit ihrer Familie ausmachte. Das Wohnzimmer wirkte mit seinen französischen Türen und einem Flügel ausgesprochen stattlich. Der unbeheizte Kamin war mit Marmor eingefasst, und obwohl der Raum keineswegs kalt war, sehnte sich Imogen nach lebendigen Flammen. Überall im Zimmer standen kleine Tische mit silbern gerahmten Fotos, Dosen aus Silber und dunklem Holz sowie Schäferinnen und Damen in Krinolinenkleidern aus Porzellan. Miss Wentworth schien eine Schwäche für Schnickschnack zu haben.
Die alte Dame saß in einem Lehnstuhl, über dessen Lehne ein Überwurf hing. Außer in historisch angehauchten Theaterstücken hatte Imogen noch nie einen solchen Sesselschoner in Gebrauch gesehen. Aber obwohl Miss Wentworth heute mehr oder weniger modern gekleidet war – zumindest zwanzigstes Jahrhundert –, hätte sie wunderbar in eine Episode von Downton Abbey gepasst. Als Imogen ihr das Glas reichte, fühlte sie sich ein wenig unbehaglich. »Er könnte etwas zu stark sein. Ich habe noch nie einen Whisky Mac gemixt.«
Miss Wentworth nippte. »Köstlich, meine Liebe. Vielen Dank.«
»Oh!«, entfuhr es Imogen erfreut.
Sie setzte sich ebenfalls, und gemeinsam genossen sie schweigend ihre Cocktails. Schließlich sagte Miss Wentworth: »Heute Vormittag hat der Türklopfer kaum stillgestanden.«
»Ach ja?«
»Die Leute haben mir Speiseopfer dargebracht, als wäre ich eine Göttin. Ich habe gar nicht erst nach Erklärungen gefragt, sondern die Sachen einfach da drüben abgestellt.« Sie zeigte auf einen Beistelltisch, auf dem die gleiche Art eingepackter Teller stand, die auch Imogen bekommen hatte. »Offenbar weiß das ganze Dorf, dass ich zu Weihnachten allein bin.«
Imogen fühlte sich ein wenig beleidigt, denn immerhin war sie ja nur hier, damit die alte Dame nicht allein feiern musste, doch sie ließ sich nichts anmerken. »Sollen wir mal nachschauen, was Sie bekommen haben?«
Angesichts der Tatsache, dass man Imogen mit eingemachter Ananas und einem Stilton-Käse beschenkt hatte, war Miss Wentworths Ausbeute deutlich armseliger ausgefallen. Meist handelte es sich um die unterschiedlichsten Arten von Chutney. Eine Variation mit Chili fand Imogen recht interessant, bezweifelte jedoch, dass sie Miss Wentworths Geschmack entsprechen würde. Glücklicherweise war niemand auf die Idee gekommen, Miss Wentworth mit einem Fasan zu bedenken, denn Imogen hätte beim besten Willen nicht gewusst, wie sie ihn hätte rupfen und zubereiten sollen. »Also, sobald wir den Käse-und-Kräcker-Gang erreichen, sind wir fein raus. Gut, dass ich gerade daran denke: Ich habe auch Käsestangen mitgebracht.« Sie stand auf. »Ich hole sie schnell.«
»Ich esse so gut wie nie Käse«, sagte Miss Wentworth. »Er verursacht mir Magenbeschwerden.«
»Schade, dass keiner der Nachbarn eine Packung Pantoprazol vorbeigebracht hat«, brummte Imogen, als sie das Wohnzimmer verließ.
Sie holte dennoch die Käsestangen und bot sie Miss Wentworth an, die eine nahm.
»Eines der Geschenke habe ich übrigens ausgepackt«, sagte Miss Wentworth. »Aber was ist das?«
Sie hielt Imogen eine Schale mit drei pastellfarbenen Kugeln hin.
Samantha hatte offenbar doch noch eine Verwendung für ihr Badesalz gefunden. »Die Kugeln sprudeln, wenn Sie sie ins Badewasser legen.«
»Ich bade nie. In meinem Alter ist das zu gefährlich.«
Imogen nippte erneut an ihrem Drink. Er war stark, aber wärmte von innen. »Ich denke, ich sollte mich allmählich um unser Essen kümmern.« Es würde wohl ein langer Tag werden.
Sie war gerade aufgestanden, als jemand lautstark an die Tür klopfte.
»Könnten Sie bitte öffnen?«, bat Miss Wentworth. »Ich habe keine Lust mehr auf Leute mit Geschenken.«
Imogen verspürte eine Anwandlung von Sympathie, stellte ihr Glas auf ein Spitzendeckchen und ging zur Tür.
Vor ihr stand ein Mann mit einem eingepackten Geschenk. Er trug einen langen dunkelblauen Mantel und hatte einen Schal um den Hals geschlungen. Er war groß, sah nicht schlecht aus und kam Imogen entfernt bekannt vor. Da er sich bei ihrem Anblick jedoch nicht äußerte, kannte er sie offenbar nicht. »Hallo!«, sagte sie. »Darf ich Ihnen das abnehmen?«
»Ist meine Tante da?«
Beinahe hätte Imogen ihn eintreten lassen, doch dann besann sie sich. »Ich frage kurz nach. Wer weiß, vielleicht wollen Sie die alte Dame ja nur ausspionieren oder ihr etwas verkaufen.«
»An Weihnachten?«
Imogen nickte. »Es wäre der perfekte Tag dafür. Die Alten und Verletzlichen fühlen sich einsam, lassen einen Fremden ins Haus, bieten ihm einen Sherry an, trinken selbst einen, und schon ist es passiert, und sie haben sich eine Heizdecke andrehen lassen.« Plötzlich fiel ihr der Whisky Mac ein. Wahrscheinlich war er Miss W. schon zu Kopf gestiegen.
»Ich informiere Miss Wentworth«, sagte sie, aber dann fiel ihr noch etwas Wichtiges ein. Sie drehte sich um. »Wie ist Ihr Name?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Sie würde sich vielleicht nicht erinnern. Wir haben uns in letzter Zeit nur selten gesehen. Sagen Sie, ich bin Glenys’ Sohn.«
Als Imogen ins Wohnzimmer kam, stellte Miss Wentworth gerade ihr Glas ab. »Es ist einer Ihrer Neffen. Der Sohn von Glenys. Soll ich ihn hereinbitten?«
Miss Wentworth dachte nach. »Glenys? Hatte sie einen Sohn? Ich habe es vergessen.«
»Er kommt von weit her.« Zwar hatte sie keine Ahnung, ob es sich so verhielt, gestattete sich aber ein wenig künstlerische Freiheit.
»Ich dachte immer, sie hätte nur Töchter.«
»Er hat ein Geschenk mitgebracht.«
»Nun gut, bringen Sie ihn herein!«
Als der Mann mit seinem Präsent das Wohnzimmer betrat, war er, wie Imogen fand, das, was frühere Generationen als »Kavalier« bezeichnet hätten – die Art von Neffe, die jede Großtante gern hätte. Kaum stand er im Raum, wirkte das Zimmer sofort kleiner und überladener.
»Du bist also Glenys’ Sohn«, sagte Miss Wentworth stirnrunzelnd. »Ich hätte schwören können, dass sie nur Töchter hat.«
»Drei Töchter, genau, und dann kam ich. Ich bin der Nachkömmling«, sagte er.
»Hm. Und warum bist du hier?«
»Ich komme gerade aus Deutschland zurück und habe gehört, dass du Weihnachten allein verbringst. Ich wollte dich abholen und mit zu meiner Mutter nehmen.«
»Zu Glenys? Mit der habe ich mich nie besonders gut verstanden. Außerdem feiere ich Weihnachten mit … wie heißen Sie noch, meine Liebe?«
»Imogen. Aber Miss Wentworth, bei Glenys gibt es bestimmt etwas Besseres zu essen. Wir haben nur Entenbrust und Kirschkonfitüre. Es ist alles, was ich im letzten Moment noch im Laden erstehen konnte«, fügte sie an den Neffen gewandt hinzu.
»Oh, das bezweifele ich. Glenys war noch nie eine gute Köchin.«
»Ich bin auch keine gute Köchin.«
»Es wird schon klappen«, meinte Miss Wentworth. »Außerdem habe ich keine Lust, an Weihnachten so weit zu fahren.«
Imogen verstand allmählich, warum Miss Wentworth zu Weihnachten allein war. Man konnte es ihr einfach nicht recht machen.
»Ich habe ein sehr bequemes Auto«, argumentierte Glenys’ Sohn. »Und abends könnte ich dich in aller Ruhe wieder zurückbringen, Tante Dorothy.«
»Nein, danke«, sagte Miss Wentworth. »Was hast du mir da für ein Geschenk mitgebracht?«
»Öffne es und sieh es dir an!«, schlug er vor.
Er legte den Mantel ab. Imogen nahm ihn und hängte ihn über eine Stuhllehne. Es war ein Kaschmirmantel mit Seidenfutter. Offenbar war der junge Mann recht wohlhabend. Wahrscheinlich arbeitete er in der IT-Branche oder als Banker. Neugierig wandte sie sich wieder Miss Wentworth und dem Geschenk zu.
»Imogen, meine Liebe, könnten Sie meinem Neffen vielleicht eine Erfrischung anbieten? Immerhin kommt er von weit her.«
»Mach lieber erst dein Geschenk auf!«, meinte der Neffe. »Wenn es dir nicht gefällt, willst du mich möglicherweise gar nicht mehr ›erfrischen‹.«
Er scheint Humor zu haben, dachte Imogen. Nicht schlecht!
»Nun gut.«
Schon die Verpackung war wunderschön. Von ihren Reisen ins Ausland wusste Imogen, welch großen Wert man auf dem Festland auf schönes Papier und Geschenkbänder legte.