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Zwölf Geschichten, zum Teil bebildert, die zur Weihnachtszeit handeln. Zum Vorlesen und Selberlesen. Natürlich spielen Katzen eine tragende Rolle. Einige Geschichten sind bereits bekannt: Clarence, der letzte Weihnachtskater, Kleopatra, mein kleiner bunter Elefant, Nellchen, der (beinahe) Bernhardiner, PuschelHasen an Heiligabend, Cata Shi'an. Andere sind bisher unveröffentlicht: Meredith & Jonathan, Samweis, der Kirchen-Kater, Die Krippe, Zwei Katzen, Doofe Weihnachten!, Stille Nacht, Eine gebrauchte Katze...
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Seitenzahl: 146
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Weihnachten mitKiara Borini
Zwölf Kurzgeschichtenzur Weihnachtszeit
Kiara Borini
Impressum
Texte:
© Copyright by Kiara Borini
Bilder:
© Copyright by Kiara Borini
Umschlag:
© Copyright by Kiara Borini
Verlag:
Kiara Borini
14542 Werder (Havel) [email protected]
facebook.com/borini.books
Weihnachten ist für mich ein ganz besonderes Fest. Eines, das ich jedoch mit Tradition, Riten und bestimmten Handlungsmustern jedes Jahr aufs Neue für mich erkämpfen will und muss. Um der Idee von Weihnachten willen, weil es eigentlich ein schönes Fest ist. Und ich fände es schade, wenn ich den Zugang dazu verlöre.
Denn im Übergang von meiner Kindheit zur Jugend ereignete sich in meiner Familie an einem speziellen Weihnachtsabend eine furchtbare Tragödie. Danach war Weihnachten auf einen Schlag nicht mehr so, wie zuvor. Das Unbeschwerte, das Kindliche war schlagartig verschwunden.
Folglich standen die Weihnachten, die danach kamen, immer in der Erinnerung an die traurigen Ereignisse dieses speziellen Weihnachten, und es bedurfte einiger Anstrengungen, dem jeweils aktuellen Weihnachten trotzdem gerecht zu werden.
Geholfen haben mir dabei selbst definierte Rituale, z.B. die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, den Geist der Weihnacht für mich jedes Jahr wieder neu zu entdecken.
So entstand langsam eine neue, kleine Tradition, in dem ich versuchte, in jede Adventszeit diese Geschichte irgendwie zu integrieren. Sei es als Theaterbesuch, als Lektüre, als Gesprächskreis oder gemeinsamer Fernsehabend...
Irgendwann entstand langsam eine weitere Tradition parallel dazu. Erst ganz zaghaft, dann immer deutlicher. Mit kleinen, selbstgeschriebenen Geschichten, die ich Jahr für Jahr im Freundes- und Kollegenkreis verteilte, entstand im Laufe der Jahre eine eigene Tradition. So wie Plätzchen backen und meine stümperhaften Versuche mit Adventsmusik auf der Gitarre irgendwann untrennbar zu der Art gehörten, wie mir ganz persönlich Weihnachten Jahr für Jahr wichtig wurde.
Manche dieser kleinen Geschichten wurden von den Beschenkten für so gut befunden, dass ich später beschloss, sie zu veröffentlichen. Einige waren sogar bebildert und sind als farbige Kinderbücher erhältlich. Andere gerieten in Vergessenheit und schlummerten viele Jahre in Unterordnern auf den Festplatten meiner Computer und warteten darauf, einem größeren Kreis präsentiert zu werden. Und, natürlich spielen Katzen in vielen dieser Geschichten eine wichtige Rolle.
Diese Sammlung startet mit bereits bekannten, aber auch unveröffentlichten Geschichten in zwei Formen: als gedrucktes, wie auch als elektronisches Buch. Beide Formen werden sich jedoch in der Ausstattung unterscheiden. Die gedruckte Fassung wird die Bilder, die zu einigen Geschichten gehören, als schwarz-weiß Grafiken zeigen, um die Produktionskosten im Rahmen zu halten. Bei der elektronischen Version besteht diese Notwendigkeit nicht.
Ach ja, auch wenn in die Geschichten eigene Erlebnisse sowie Geschichten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mit einfließen, so sind sie doch überwiegend und im Wesentlichen eines: Fiktion. Gerade in der Weihnachtszeit vermischt sich die reale Welt mit der, die aus Erinnerungen und Fantasie besteht. Und mit einem Becher Glühwein in der Hand, ist es wichtiger, gemütlich einer guten Geschichte zu lauschen, als in ihr unbedingt den Wahrheitsgehalt herausdestillieren zu wollen.
So, nun aber viel Spaß beim Lesen und ein friedvolles und ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Eure/Ihre
Kiara Borini
Lord Nelson war schon bei der Geburt ausgesprochen besonnen und in sich ruhend. Kaum auf der Welt, besah er sich die Lage und wunderte sich nur ein ganz klein wenig, dass sich noch gar niemand um ihn kümmerte. Es war schlicht niemand da, um ihn trockenzulecken und abzunabeln, denn als viertes von vier Geschwistern war seine Mutter Meredith zum einen ausgiebig mit seinen drei anderen Geschwistern beschäftigt, die gerade an ihrem Bauch nuckelten, zum anderen war sie inzwischen auch extrem erschöpft von den Ereignissen des Abends. Sie war eine junge (vielleicht zu junge) Katze, die das Abenteuer von Geburt und Aufzucht zum ersten Mal erlebte.
Lord Nelson wartete also. Irgendwann würde ihm jemand die klebrige Hülle vom nassen Fell lecken und die Nabelschnur durchbeißen. Derweil wischte er sich mit seinen kurzen, noch haarlosen Vorderpfoten den Schleim aus der Nase und wartete. Sicher würde sich jemand irgendwann um ihn kümmern. Was sollte er sich also aufregen.
Und natürlich kümmerte sich Meredith einige Zeit später um ihn, leckte ihn trocken und gab ihm Milch. Und so wurde Lord Nelson ein großer und starker Kater. Diese ursprüngliche Ruhe strahlte er auch weiterhin aus, als er längst erwachsen war und ein gutes Stück größer als seine Mutter.
“Eigentlich hätte er ein Bernhardiner werden sollen”, hörte er die Leute oft sagen. Zwar wusste er nicht, was sie damit meinten, aber es klang wie ein Lob, und so war er damit zufrieden.
Natürlich nannten sie ihn auch meist nicht Lord Nelson, sondern schlicht und kurz Nellchen. Aber auch das war gut, denn da sie ihn oft und lange kraulten, war es wohl so, dass sie ihn mochten, egal ob sie ihn als Lord Nelson ansprachen oder als Nellchen. Immerhin; er war beinahe ein Bernhardiner, soviel war sicher.
Und tatsächlich, mit seinem weichen und dichten Fell, mit seinem Zimt farbenen Rücken, dem weißen Bauch und den weißen Beinen, sah er optisch wirklich einem Rettungshund vom St. Bernhard ähnlich. Natürlich war er, ganz Katze eben, deutlich kleiner.
Aber die Ruhe, die er ausstrahlte, verstärkte den Eindruck zusätzlich. Ein Bonsai-Sennenhund, und noch dazu ein ganz besonders liebenswerter.
Auch wenn er nicht so recht wusste, was ein Bernhardiner war, so hatte ihn der Ehrgeiz gepackt, nicht nur fast ein Bernhardiner zu sein, sondern ganz und gar.
Irgendwann lief im Fernsehen eine Dokumentation über die Hunde, die man im Hospiz am Großen St. Bernhard züchtete, um mit ihrer Hilfe Menschenleben zu retten. Das gefiel Nellchen!
‘Menschen retten! - Nützlich sein! Vielleicht hatte das Leben doch noch etwas Großes mit ihm vor’, überlegte er. Wenn man nur lange genug wartet, dann wird sich schon eine Gelegenheit ergeben, da war er sich sicher.
Nun, mit den üblichen Aufgaben eines Bernhardiners schien es allerdings da, wo Nellchen zu Hause war, nicht so gut bestellt.
Nellchen wohnte auf dem flachen Land; und zwar dort, wo das Flachland am Flachsten war. Schnee gab es nur in Dosierungen, die erst gar keine Lawinen entstehen ließen.
Und selbst wenn es genügend Schnee gegeben hätte: Es war so flach, dass sie einfach liegengeblieben wären, ohne irgendwelche Leute zu gefährden. Was also braucht man in solchen Gegenden einen Rettungshund? Eben!
Was Nellchen aber noch mehr Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass er sich mit Wasser, in welcher Form auch immer, nur in seinem Trinknapf anfreunden konnte. Natürlich kannte er Schnee! Das erste Mal war er noch voll Freude in die weiße Pracht auf dem Rasen getobt, als die Terrassentür geöffnet wurde. Doch er hatte schnell eingesehen, dass nass und kalt nicht seine Welt war. Der Schnee und er würden keine großen Freunde werden. Das Sofa vor der Heizung war eher seine Welt. Ja, so ließ sich der Winter aushalten. - Keine guten Voraussetzungen für einen Retter von Weltformat. Aber so gemütlich!
Die Zeit im Winter, die wie für Nellchen gemacht schien, war die Weihnachtszeit. Es war warm und gemütlich im Haus.
Die Musik war beruhigend und überall duftete es so gut. Und auf dem Sofa lag eine warme, weiche Wolldecke. Sie war rot und passte hervorragend zu der übrigen Dekoration, mit der in dieser Zeit das Wohnzimmer geschmückt war. Auf dem Tisch stand ein hölzerner Adventskranz mit vier Kerzen. Er war in einer Werkstatt für betreutes Arbeiten gefertigt worden und jemand dort hatte mit ganz viel Hingabe das Holz in vielen Arbeitsschritten so wunderbar glatt geschliffen, dass es auch ohne Lack schon gefunkelt hätte. Es war ein schönes, helles Holz, und die roten Kerzen passten sehr gut zu dieser Weihnachtsdekoration.
Nellchen liebte die Adventszeit! Und ganz besonders den Heiligen Abend. Denn seine Menschen, seine Dosenöffner, bereiteten nicht nur für sich selbst, sondern auch ihm und den anderen Katzen im Haushalt ein ganz besonders leckeres Essen. Aber auch sonst war der Abend immer gemütlich. Es wurden kleine Kistchen mit buntem Papier drumherum hin- und hergereicht. Nellchen liebte Kisten in jeder Größe, besonders welche, in die man sich hineinsetzen konnte. Und das Papier, das am Ende des Abends überall im Zimmer verteilt lag, raschelte schön, wenn man darin herumtobte.
Aber eigentlich war der ganze Heilige Abend eher so, dass man auf der warmen Decke auf dem Sofa liegen wollte, um die Musik und die leckeren Düfte zu genießen. Nellchen tat das ausgiebig.
Er döste ein und träumte, dass er ein richtiger Bernhardiner sei, der im tiefen Schnee Menschen rettete.
Als er wieder aufwachte, war der Heilige Abend bereits Heilige Nacht, und seine Menschen bereiteten sich schon darauf vor, ins Bett zu gehen. Er stand auf und signalisierte, dass er noch einmal für kleine Hauskatzen hinaus müsste, und sie öffneten ihm die Terrassentür. Es hatte geschneit. Brrrr! Er beschloss, nach Verrichtung seiner Geschäfte gleich wieder durch die Katzenklappe zurückzukehren. Die Terrassentür wurde nämlich gleich nach ihm wieder geschlossen, so kalt war es inzwischen draußen.
Als er zurückkam, sah er noch, wie seine Menschen, die sich inzwischen Bett fertig gemacht hatten und das Einwickelpapier sorgfältig auf dem Tisch zusammengefaltet hatten, nun die Kerzen auspusteten und ihn dann im Wohnzimmer allein ließen. Er setzte sich wieder auf das Sofa und überlegte.
Sollte er mit ins Schlafzimmer hinaufgehen? Er beschloss, auf dem Sofa zu bleiben. Es roch so gut in diesem Raum und ein wenig der tollen Stimmung hing noch immer in der Luft. Er rollte sich auf der warmen Decke zusammen.
Dann klappte die Tür zu.
Nellchen überlegte: Er war gerade erst draußen gewesen, da bestand also kein unmittelbares Problem. Und wenn er Durst bekäme, auf der Fensterbank war ein Napf mit Wasser. Er konnte also gut bis zum Morgen hier ausharren. Und obwohl er es nicht durfte: Im Notfall stand noch eine Schale mit Keksen auf dem Tisch. Er beschloss zu schlafen.
Dann bemerkte er, dass es im Raum merkwürdig roch. Es qualmte. Durch den Luftzug, den die zuklappende Tür verursacht hatte, war etwas von dem Einwickelpapier gegen den noch glimmenden Docht gekommen und kokelte langsam vor sich hin. Nellchen schaute sich das mit halb geöffneten Lidern an. Der schöne Duft in diesem Raum!
Dann sah er auf ein Mal kleine Flammen. Aber sie waren nicht da, wo sie hingehörten, sondern überall auf dem Tisch. Da wo sie nicht hingehörten. Und dann fing auch das restliche Papier bereits an zu brennen.
‘Auspusten’, überlegte Nellchen. Die Menschen hatten das Feuer ausgepustet. Also sprang er auf den Tisch, obwohl er wusste, dass er das eigentlich gar nicht durfte. Er überlegte einen Moment, ob er bei dieser Gelegenheit die Kekse...
Aber er hatte Dringenderes zu erledigen. Er stellte sich vor das Feuer und pustete. Das Feuer wurde nur noch größer. Er pustete kräftiger und dann ging er sogar noch einen Schritt dichter an die Flammen heran. Der einzige Effekt, den er damit erzielte, war, dass die Schnurrbarthaare auf der linken Seite angeschmort waren und sich nun kräuselten. Es stank zudem noch schlimmer.
Er sprang wieder auf das Sofa und überlegte. Er hatte ja im Fernsehprogramm nicht nur einen Bericht über Bernhardiner gesehen. Er hatte das gesamte Bildungsprogramm genossen. Als Kater hat man nämlich viel Zeit, wenn die Dosenöffner zur Arbeit sind.
Und plötzlich hatte er eine Idee. In einer Sendung hatte er einmal einen Mann mit einem großen schwarzen Hut gesehen, der ein weißes Kaninchen hatte, über das er ein Tuch legte, und dann war es verschwunden. Das hatte er immer schon mal vorgehabt, ebenfalls auszuprobieren. Nur gab es in diesem Haus kein Kaninchen. Und wenn er es mit den anderen Katzen versucht hätte, und der Trick nur in die eine Richtung geklappt hätte, dann hätte er am Abend bestimmt eine Menge Ärger bekommen. Also beschloss er, es besser zu lassen.
Nur, würde der Trick eventuell auch mit Feuer funktionieren? Konnte er die Flammen vielleicht mit einem Tuch verschwinden lassen? Er musste bestimmt ein großes Tuch sein, wie er mit einem Blick auf den Tisch feststellte. Die Flammen waren inzwischen viel größer geworden. Und der schöne Adventskranz aus Holz, der so schön glänzte, brannte inzwischen ebenfalls an der einen Ecke.
‘Ein großes Tuch’, überlegte Nellchen. ‘Die Decke!’, schoss es ihm durch den Kopf. Er zögerte. Sie war warm und gemütlich! Was, wenn der Trick nicht funktionierte und sie dabei Schaden nahm? Doch er musste es riskieren, beschloss er.
Er stand auf, nahm einen Zipfel der Decke ins Maul und begab sich mit ihr in Richtung Wohnzimmertisch. Er hätte nicht gedacht, dass diese Decke so schwer wäre.
Aber er gab sich richtig Mühe, und dann klappte es auch. Dann überlegte er, wie er sie auf den Tisch bekommen sollte.
‘Als erstes’, überlegte er, ‘muss möglichst viel von der Decke neben dem Tisch liegen.’ Er zog also auch noch einen zweiten Zipfel in Richtung auf den Tisch. Den Rest der schweren Decke schob er mit seinem Kopf in die gewünschte Richtung. Nun lag neben dem Tisch ein kleiner Deckenberg.
Er suchte sich eine Ecke des Tisches aus, an der noch keine Flammen loderten, und sprang auf den Tisch. Dann beugte er sich nach unten und versuchte, einen Zipfel der Decke nach oben zu ziehen. Das war schwer! Aber nach einigen Versuchen schaffte er es.
‘Was nun?’ überlegte er. Er zog die Decke einmal über den Tisch und dann plumpste er auf der anderen Seite wieder herunter.
‘Mist!’, dachte er. Doch dann merkte er, dass er von unten viel leichter ziehen konnte, und die Decke sich über den Tisch bewegte.
Er probierte das Gleiche mit einem anderen Zipfel, zog ihn hinauf auf den Tisch, zog ein Stück Decke über den Tisch und sprang mit dem Zipfel im Maul auf der anderen Seite des Tisches wieder herunter. Nun hatte er bereits einen großen Teil des Tisches mit der Decke zugedeckt.
Er sprang um den Tisch herum und zog an den vier Zipfeln der Reihe nach, bis er die Decke über den gesamten Tisch gezogen hatte. Und wirklich, die Flammen waren nicht mehr zu sehen. Der Zauber wirkte.
Er wartete noch eine Weile, aber da sie nicht zurückkamen, sprang er wieder aufs Sofa und beobachtete von dort aus weiter. Irgendwann wurde er jedoch müde und schlief ein.
Als seine Menschen am nächsten Morgen herunter kamen, um die Dosen für das Frühstück zu öffnen, waren sie zunächst erschrocken über die Schweinerei, die ihr Kater in der Nacht angerichtet hatte.
Die schöne neue Wolldecke! Doch als sie diese zusammenlegen wollten und den verkokelten Adventskranz darunter sahen, waren sie sehr froh, dass sie einen so tollen Rettungskater hatten. Und Nellchen und die anderen Katzen bekamen von dem Lachs, den sie zum Mittagsessen an diesem Weihnachtstag vorgesehen hatten, eine ganz große Portion ab.
Meredith war eine ganz besondere Katze. Schon früh hatte sie ihre Mama verlassen müssen. Denn die Züchterin, bei der sie die ersten Wochen verbracht hatte, erhielt einen besorgniserregenden Anruf, dass ihre eigene Mutter nicht mehr alleine zurecht käme. Deshalb beschoss sie, diese zu sich zu holen. Dazu musste sie allerdings eine längere Autofahrt in das Nachbarland unternehmen. Um die älteren Katzen wollte sich die Nachbarin der Züchterin kümmern. Aber mit den jungen Katzen, das traute sie sich nicht zu.
Also kam Meredith zwei Wochen vor der Zeit zu Jonathan, denn die Züchterin hatte ein gutes Gefühl dabei. Jonathan hatte instinktiv das richtige Gespür für die kleine Meredith gezeigt. Und sie tat ihm ganz offensichtlich gut.
Jonathan war anders als seine jüngere Schwester Sophie. Bei Jonathan war die innere Welt viel größer als die äußere. Und deshalb fand er in ihr auch viel leichter Platz. Wenn er der äußeren Welt etwas mitzuteilen hatte, dann bereitete es ihm Mühe, Sätze zu bilden, die länger waren als fünf Wörter.
Sophie hingegen war ein Plappermaul. Jonathan fand das oft störend. Wenn in der äußeren Welt so viele Geräusche waren, dann dröhnten die Wände zu seiner inneren Welt. Da war es gut, dass sie inzwischen zur Schule ging und Jonathan viele Stunden allein im Haus war, ohne von ihr gestört zu werden. Da konnte er in Ruhe nachdenken.
Mit Meredith war das anders. Sie brauchte keine großen Worte, um sich verständlich zu machen. Jonathan verstand sie auch ohne Worte. Und Meredith freute sich über diese Freundschaft, die sie über den frühen Verlust ihrer Mama hinwegtröstete.
Meredith war übrigens eine Glückskatze. So nennt man die dreifarbigen Katzen weltweit. Das überwiegend schwarze Fell von ihr war durchsät mit gelb-goldenen Sprenkeln. Die Beine, der Bauch und der Hals waren weiß. Und ihr Gesicht war zweigeteilt. Etwa eine Hälfte war schwarz, die andere Hälfte war gelb-gold. Das sah sehr lustig aus. Und auch wenn die Trennlinie zwischen der gelben und der Schwarzen Gesichtshälfte nicht exakt auf der Mittellinie der Nase verlief, Jonathan war bei solchen Angelegenheiten eigentlich extrem pingelig, störte es ihn bei Meredith nicht, denn er hatte sie sehr lieb.
Dann wurde Meredith mit einem Mal immer dicker. Jonathan fand das ganz spannend, dass in ihrem Bauch kleine Katzen heranwuchsen. Obwohl Meredith selbst fast noch ein Kind war, bekam sie drei kleine, putzmuntere Babies, die fortan im Bett von Jonathan am Bauch der Mama ihre Milch bekamen. Jonathan fand das sehr spannend. Und er war sehr stolz auf seine Meredith, wie sie das alles allein gewusst hatte, was sie tun musste, ohne dass es ihr einer erzählt hatte. Sie hatte es einfach gewusst.
Über viele Monate bekamen die kleinen Katzen von Meredith ihre Milch. Auch, als sie schon größer waren als ihre Mama und längst feste Nahrung aßen. Meredith hatte nämlich einfach aufgehört zu wachsen und alle Kraft in die Pflege von ihren Babies gesteckt.