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Als Wolfgang Hilbig am 2. Juni 2007 starb, verlor die deutschsprachige Literatur eine einzigartige Stimme. Bis zuletzt gelangen ihm Gedichte von dunkler, träumerischer Schönheit – sie waren der Anfang und das Ende seines Schreibens. Selbst in seinen großen Romanen war der lyrische Ton unüberhörbar. Ausgehend von den Traditionen der Romantik, des Symbolismus, des Expressionismus und geprägt von den Alltagserfahrungen eines Arbeiterlebens in der DDR, schuf er sich seine eigene Sprache: leidenschaftlich und voll brennender Sehnsucht, elegisch, grüblerisch, zärtlich. Dieser Band – Band I der Werkausgabe – sammelt die Gedichte aus »abwesenheit«, »stimme stimme«, »die versprengung«, »Bilder vom Erzählen« und ergänzt sie um die verstreut veröffentlichten Texte. Hinzu kommen mehr als 150 Gedichte aus dem Nachlass, die hier erstmals zugänglich gemacht werden. Erkennbar wird, von den furiosen Jugendgedichten bis zum grandiosen Spätwerk, die Selbstgründung und Entwicklung eines Dichters, der sich aus der Enge des Schweigens befreit und hinaustritt in den unendlichen Raum der poetischen Sprache.
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Seitenzahl: 353
Wolfgang Hilbig
Gedichte
FISCHER E-Books
Mit einem Nachwort von Uwe Kolbe
laßt mich doch
laßt mich in kalte fremden gehn
zu hause
sink ich
in diesen warmen klebrigen brei
der kaum noch durchsichtig ist
der mich festhält der mich so
festhält
laßt mich in die einsame fremde
dort will ich um mich haun
mit meinem schatten fechten daß
hiebe pfeifen in wasserklarer luft
hier würgt mich stille
hier saugt zäher brei an meiner hand
laßt mich
wo die sicht klar ist
oder in steine in hohe steinwände in
mauern für meinen schädel – –
ihr habt mir ein haus gebaut
laßt mich ein andres anfangen.
ihr habt mir sessel aufgestellt
setzt puppen in eure sessel.
ihr habt mir geld aufgespart
lieber stehle ich.
ihr habt mir einen weg gebahnt
ich schlag mich
durchs gestrüpp seitlich des wegs.
sagtet ihr man soll allein gehn
würd ich gehn
mit euch.
laßt mich ein wenig
noch sterben
laßt mich auf dem stuhl sitzen
senken in den nacken den kopf
den mund die augen steil öffnen
schlaff die arme hängenlassen
in die augen mir fallen
lassen das licht der lampe dann
auslöschen
laßt mich
einen augenblick noch sterben
schnell bevor ihr
ewiges leben endlose helle
auf der welt weckt
einen winzigen augenblick noch
laßt mich sterben ach
gönnt mir daß ich
nicht vergess – –
für hans magnus
enzensberger
ich sah unsre leiber
mit den flüssen hinabschießen
weißgrüne wirbel ach erfrischend
warfen uns an kalte steinbäuche
willenlos trieben wir
tranken die toten münder uns voll
allein unsre arme wiesen
so oft wir auftauchten störrig
gegen den strom
immer wieder.
ich sah nicht die toten
schwarzgesichtig an stricken hangend
grünbäuchig unter algen treibend
erschlagen auf schlachtfeldern
ich sah die zuhaus
im bett starben
ich begreife nicht
die schreckliche zufriedenheit
ihrer gesichter.
nach dem zweiten
krieg vergaß man beim aufräumen
einige vokabeln
aus der welt zu schaffen.
noch immer nicht
sind aus der deutschen sprache verbannt
wörter wie
unverbrüchlich
unzertrennlich
uneinnehmbar
unbesiegbar.
rundfunk und presse. ach arme
beine zu allengutendingen –
es ist nacht: noch
sitz ich hier im licht
am fenster die dunkelheit
draußen drängt grausig ans glas
jede nacht zäh
zunehmend
lauernd
mit rauch
mit fernem dröhnen
von schalljägern näher dringend
detonationen
auf den gellenden schrei von scheibe
und wand wartet das dunkel will
hereinquellen qualmender
träger teer schwarzer
stickiger lichtloser
brand
droht draußen: schlaff ein
verirrter schuß schlägt
die flagge ans glas
auf dem tisch liegen meine ellenbogen
hemdsärmlig meine hände haltlos
und meine blicke und bücher
und schweigen
bis ich mich find irre und
betrunken in den späten straßen
strauchel ich seh ich
die himmel hasten
stumm hin über
die dächer
die hände
hab ich verloren
all meine gesichter hat der regen
gezerrt aus den bäumen die kahl gehn
dem wind nach durch die abendstraßen
in alle häuser hat der wind geweht
all meine gesichter die
auf den tischen dort liegen
die wortlosen bücher sind
verblättert
was nun – –
mein bett ist leer und es regnet
ich liege im leeren bett
es ist kalt und
regnet
nichts liegt
auf mir unter mir
weicht wasser
durch die matratzen zwischen
meinen beinen ist
nichts
ich liege allein abgedeckt
ist das dach zerschlagen
die fenster in mir
schreit es und
es regnet
niemand liegt im leeren
bett laßt mich
aufstehn –
lenkt das licht ab leute
das letzte dieser nacht mit
dunklen decken oder schwarzem
sand verbergt diesen sturz
das lahme schwanken der straße
der schlüpfrige schlick
zertretnes gras und schleim
haben mich geschluckt
kein komplott
nicht fremde füße nicht frost
kein lumpiger trick keine kugel
haben mich zerstört allein
die torkelnde besoffne straße
und ich
haben mich gefällt
das gebiß durch den schlamm
geschlagen auf kalten stein
gebet und fluch und fußspur
im mund zermalmt zu modder
das weitere die worte die wut
erstickt von kotze so
habt ihr mich den
judas im dreck
rudernd auf allen vieren
die ausgelaufnen augen suchend
im schlammigen grab der straße.
die hand im haar so hockt er
ruhlos am tisch
und ahnt nicht daß die herbstnacht
die luft an seinem nacken dunkel färbt
er sitzt auf dem sprung er sagt ich bin
solitair
und müde bin ich bin mir selbst
entflohn (so hockt er am tisch der fremde
wenn ich allein im zimmer bin
(man sieht nicht sein gesicht
was wartet er gekrümmt zur kralle
harrt er des blauen hauchs der ihn belebte
dem mondeslicht das schwächer in die kalten
haine hängt
die tage gingen schnell
glaubt er davonzufahren auf dem stuhl
längst hält ein herbst mit kaltem haar
sein hastiges gebein verhangen
er schwimmt in hundert jahren schlaf
er ahnt nicht daß er selber herbstet
vergangen ist was er vergaß
(der herbst steht kopf der herbst verhöhnt ihn
er merkt es nicht er merkt nicht daß sein atemhecheln
dem atemlosen fehlt der händeringend
ruhlos durch die haine rennt und der
so oft ihn rief
(verkrallt hockt seine hand im haar
das nicht mehr mit ihm denken will
zum schreien seltsam trüben draußen
die sterne die nacht ein.
und der blaue tod kommt wenns leise schneit
und weiße rauchfahnen hinter den schwarzen dämmen
des stummen bahnhofs stehn in den abend gleich
schräg erhobnen armen gegen nördliche lampen grüßend
– o welch ein land welch blauer geruch erleuchteter
kneipen der einfriert im gezweig der todgeweihten
ulmen: veilchenduft erbrochenes im spülbecken
hierzuland herrscht gräßlicher januar hyperboräische
himmel bersten von sternen glasige eiserde starrt
aus der leere: nichts wissen vom süden die bahnhöfe
nichts von patmos die toten trinker in den kneipen
– hier liegt mit mir mein blauer anzug heftig
blutend im blauen schnee
das alles ist in mir das alles wäscht mich rein und
plötzlich bin ich der unverhoffte hund der seinen schwanz
auf meine schulter schlägt und mir ins ohr raunt: faß ihn
faß ihn beiß ihn ins bein deinen bruder und piß
an diesen baum dort dem sollen die drosseln
zu durstigem holz
verdorren.
der glanz der gesänge versprach mir abend und morgen
und reines leuchten sonnengefärbter wasser jeweils – doch
mein erinnern reicht nur zu einer laterne zu
schwarzem grund zu früh verwehter kühle –
es war das zwielicht dieser gasse ganz
aus einem toten traum
auf dem pflaster zerbrochne haustüren schmutz
scherben krumme schattengebilde wie leichname
kopfunter auf den treppen dunkler hausflure
und rauchschemen schwangen düster
über die kahlen wände
und überall der gluthaufen einziges licht überall
dunkelrot flammen in schwarzer qual blutig bis
an die blinden infernalischen fensterhöhlen überall
verstummender schreie geschwel gerümpel rasend
beweglich im roten zucken des zwielichts
– laterne laterne
laterne der flucht aus dem traum
laterne dieser leere in lumpen im zwielicht nur
eine letzte laterne erloschen
und tot im traum –
ich sehe die frauen vom geld geliebt
die männer verheert vom zuhaus der häuser
und ich erinnere mich
des sands der strand bis an die sterne das lager
aufwärts die see die fichten hinter der düne
mager in den nächtlichen wind gerettet
vor der sonne
ich weiß nicht wie man liebt wie man haßt
hirnlos oder herzlos oder beides in beiden
und nicht was diesen rausch zeugte
allein eine rumflasche am feuer oder dessen
farbe dunkler purpur bis zur brandung fließend
und tanzend zum gewirr der zikaden
ich spreche von winzigen minuten möglich
daß ich weit gekommen bin mit meiner schlammigen
hoffnung dieser trüben flut in zäher nähe der winter
ach tödlich
trag ich eine freiheit in mir die mit mauern starrt
mit fesseln schnürt schwarz bin ich und
gebändigt von vergeblichen wahrnehmungen –
grau grau graues durcheinander
von wo kein zug abfährt wo ein riesiger rabe
sich schwarz zwischen die schienen setzt
bahnhof das ist aller orte kältester nachts
schläft niemand
seht unsre gesichter vom laster zerfetzt und
wenn der bahnhof abfährt seht uns trinken
gefangenschaft trinken aus schmutzigem glas
trinken bis der teufel kommt sprechen
zu keinem und alternd noch immer uns wundern
über die gedanken des zerrauften haars
sommer winter jahrhunderte kommen vorüber
uns berühren sie nicht seht uns verweilen
im rauch der rasenden wartesäle einmal
weinen ein paar mal lachen und lauschen
wenn vor dem fenster ein betrunkner
wie verrückt einen namen schreit.
am wald wartete
einst ein steinernes haus
leer
nur an die kellertreppe
wucherte wasser
hüfthoch dunkelgrün.
ach so oft
kam ich achtlos vorüber
hätt ichs doch längst besiedelt
hätt ich mein boot
aufs wasser gesetzt im keller
im boot gebaut eine feuerstelle hätt
gewohnt so im haus die jahre.
nun ist es zerbrochen
das dach die wände zerfalln
das wasser voll steinbrocken
allein
der keller steht noch
morsch in der mulde wo
herbstliches gras sich an die erde
schmiegt wie hundeohrn im wind.
in den wohnungen in denen wir hausen
bleibt das licht eingeschaltet die luft
schließt öffnet die fenster schlägt
die flügel ans holz unaufhörlich
die revolution ist vorüber die kalender
zeigen den vergangenen monat an
auf den tischen stehn gläser in der tabakasche
auf den dielen bierpfützen zündhölzer scherben
schmutzige schuhe auf dem rücken
die leute in den betten
schlafen
aus den wohnungen in denen wir uns aufhalten
flüchten die stunden wie die luft auch der schlaf
hält sich nicht lange auf
wir bauen ein chemiewerk
für die zehnte generation füttern die gestänge
mit kalten kabeln später ein kraftwerk für
noch später doch vielleicht gibt es krieg
am morgen
explodieren die wecker überschütten uns
mit schellendem feuer
der tag ist vorüber die schranktüren offen
das radio spricht englisch an den wänden
flattern nackte fotos auf den betten
sind wir
im unterzeug rauchen noch eine
frau das ist dann alles …
i cannot be more than
the man who watches
robert creeley
das ist eine scheinbare explosion
eine explosion von der zuerst ein pulverfaß
verschont bleibt das ist nichts:
imaginärer saataufgang eruptiver
zorn aus dem aug
im spiegel
das ist eigenglanz zunicht gesäte funken –
dämmer-worte aus leerem mund
in ein halbdunkles zimmer gesagt
zum wirklichen wind vor
dem rüttelnden fenster
hauchdünne worte einer halbbewußten
trostlosen sprache
und ein kaltes herz bleibt zurück
und rauch ein rauchendes aug –
langsam gehen ist gut –
um langsam den nächtlichen einweg zu finden –
langsam in den abendrauch verwandelt
einatmen den schwarzen glanz des regens das
so blaue haar einer geliebten
gedankenvoll gehen
hinter dem eignen schatten einher –
im braunen blutduft feuchter bäume
träumen daß es wasser ist was an die brust pocht
wenn die dunklen vögel dieser wildnis ruhen
wenn im schlaf sich windet
am wege das fahrige gras des grams –
was war es o nacht
was hat mir in diesem gras
so grausam meinen schatten zerrauft –
oder war es dein schatten –
war es der schatten dieser nassen nacht
der mir diesen braunen augenblick vorausging
einen baum weit einen blauen anruf weit?
am stickigen morgen
nach wüstem gewälz von schlaf
einige weiber warten lassen
in ihrer nacktheit
aus bierlachen auf dem tisch
ein paar zersetzte gesichter stumm
beiseite schieben
sitzen und trinken mit den schlafenden
am dunstigen mittag den magen
leeren in eine ecke später
die flaschenscherben durchs fenster
fegen mit den schlafenden
sprechen über
das ende der kriege
und trinken trinken und
die heiße nacht verschlafen
zwischen umgestürzten schemeln.
auf dem tisch brot fleisch messer mein mund
voller durst
achja der durst daneben ein geruch
von tabak von fingerspitzen von feuchtem aluminiumgeld
tomaten schimmernd auf weißem tuch
daneben der schlaf
ja der schlaf jeden morgens
unbewältigte vergangenheit
mein haar aus schlaf in
meiner hohlen hand die stirn nahe der
vase leer und voller kaltem sommer daneben der herbst
gefüllt mit lila blut daneben der krieg mit
blut bespritzt daneben das fleisch das messer
daneben das geld
und das zimmer
o das ungeheuere zimmer
fünf mal vier mal drei meter daneben der tag
ja der tag
in welchem jahr
neununddreißig einundvierzig
neunundfünfzig einundsechzig
o der tag der tabak
der tag der durst der tag die flasche
an einem halbseidnen abend
und o der schlaf die finger
der schlaf mein leben
mein leben zu kurz um einige lieben
daneben tomaten
einer sitzt nervös auf dem abtritt rafft
die hose auf den dürren knien quält sich
mit seinem stuhlgang der andre lehnt lässig
am pfosten der offnen tür raucht und während
er halblaut einspricht auf den sitzenden schiebt er
mit dem fuß zerstreut einen fetzen zeitungspapier
hin und her durch die pfützen auf dem steinboden
während nebenan ein dritter seinen harn ins becken
läßt deutlich hörbar überm geräusch
der defekten wasserspülung –
nun? wirst du fragen – nichts
nichts als dies das ist leben was
glaubtest du sonst –
kurzum das brachland
bis an den stürmenden schlaf der bäume
die buchten vor dem grauen wasser sein graues
geknarr die krähen dies wilde schmerzhafte getier
der wind-riß der ebene ende der welt bis
der wald beginnt ungenutzt nutzlos
die erde
und allein der ginster nach der schmelze
nach einem regen der sprung der halme
im gras dies land
das singt –
ein licht sinkt ein samen es wächst ein
schatten die höhe das uferlose einer wagenspur
– nichts weiß wer da geht und ist
gegangen weglos –
überlegt nicht
und dies da singt wenn der mond rudert
die sonne peitscht daß sand wird
die erde und der da geht
überlegt nicht –
weißbesäte wege geh ich unter bäumen voller
apfelblüten im april weiß noch
im sommer saß im sandigen gras
ich im schatten eines baums
irdisch und aß einen apfel
süß sein saft sein fleisch so
weich weiß und vergänglich
sind apfelblüten abends.
der rote duft der nacht –
die rosen verglühen im dunklen
efeu an trunknen bäumen
im schlafenden gras
such ich mein herz
wo ichs gelassen find ich
nichts feuchtes im dunkel.
ach
ich schmeck mir
so steinern heut
aber irgendwo flüstern
mit meinem herzen
frauen die ich nicht geküßt hab
von der süße der rosen und
wie dunkel der efeu ist.
in das du mich führtest
flüsternd und atmend daß
uns keiner höre
draußen im hof indes dröhnte
die stumme nacht schwarz
in einer schweren linde
die blätter wie sterbend neigte
sie fast zu boden im wind
und wolken warfen sich hin
unter den sternen
herbst –
und es huschten jäh sekundenlange
bleiche blitze des mondes matt
übers bett und uns
atemlos
in diesem dunklen zimmer
und sanft gerann der weiche
duft deiner lenden –
bevor du einschläfst sprach sie schließ das fenster
in der küche wegen des winds da draußen und ganz
in ihrem duft noch ging ich und dachte nirgendwo
ist eine mütze voll wind
durch den hof fuhr ein geheul und krachend
schlug eine leiter um die gardinen sausten
reißend ins freie und ich dachte nirgends
nur eine nase voll wind
während ich dies dachte rüttelte die nacht
an den bäumen mit schweren tropfen vermischt
alle blätter jagten sich wirbelnd in die luft
und ich sagte mir es ist nichts
nichts nirgendwo ein mund voll wind
ich setzte mich an den tisch wie auf einem boot
das haar stürzte mir in die stirn und ich dachte
ach nirgends nur ein mund voll wind.
taumel ich aus dem schlaf
vorm offnen fenster durch den garten
geht langsam ein trüber
traum ein träger
dunkelroter dunst
dumpfer dampf ist
nachts niedergeschlagen
auf rispen und rosen
morgens mischt die sonne
sonderbar rote tropfen
in den tau
daß ich todbleich
ins feuchte haar mir fahre
der kalte spiegel überm becken
zeigt was mich so würgt was
mir den mund so füllt
aufgerissne augen sehn mich kauen
dunkle blutklumpen
abwesend war ich
abwesende blumen pflücken
fern das gesicht mit dem abdruck
eines absatzes auf der stirn –
junge frauen umschlungen wie laokoon
zerrissene hüften heftpflaster kreuz und quer –
hoden zu asche verbrannt rasende alte kinder
und brennende puppenwagen rannten –
generationen zu staub zersprengt verwaisung
fehlgezeugt in falscher scham –
abwesend war ich
hier abwesend da wo das blut blühte
gehör geruch im eignen urschleim
probierte ich die fade luft an meiner ersten festigkeit
ich war noch nicht da als die länder
noch vaterländer waren ich stand
abseits mit unbewußtem lächeln und
die bordelle waren wegen mordes geschlossen –
gehör geruch im eignen urschleim
und fern das blühende blut …
die millionenfachen militärtransporte ich
konnte sie nicht bezahlen
ich war noch tot als die großen kriege begannen
ich werde sterben vor dem nächsten …
so wie alles alte und überwundne
sich in mir sammelt und gärt
dringt in mich ein durch
den sprachlosen mund
und gebärdet sich
in mir
der beißende rauch und die asche
der krematorien –
im namen meiner haut
im namen meiner machart
im namen dieses lands
wo die sorge sich sorglos mästet
im namen welches zerrissnen
namens den sich heimlich
die liebespaare zuflüstern
im namen welcher unerlaubten
schmerzen
die verwirrung
in worte zu kleiden
hab ich
das schreiende amt
übernommen
eine partikel poesie
ist ein selbständiges subjekt
ein höchstens faustgroßer klumpen
bedenkbar oder kleiner bis atomar
oft von gerüchen satt manchmal
mit gefühl
oder steril
geruchlos geschmacklos fühllos
also gefertigt immer
aus menschlichem material
anonym
der schreiber wird nicht mehr gebraucht
manchmal eine leichte last staub
manchmal eine leichte lust samen
manchmal grasblüte unansehnlich
unfaßbar somit
unerträglich.
mein mund zerspringt heute vor glas
ich gehe mit leergetrunknem gesicht
durch die stadt und sammle die stimmen
derer die meinen tod befürworten
und denk ich an den dunklen ursprung
des menschen macht mir ein sonntag
zu schaffen ein sonntag mitten in der woche
ich glaube irgendwer wollte weggehn und kam
nirgendwo an oder ein zahn tat mir weh
ferner ein pferd das stürzte und laut aufschrie und
es gab nichts zu tun für den metzger
meinetwegen wartet doch wartet wo ihr wollt
bis der springer von der brücke springt – ach
es ruftruft die unruhe der bereiten schiffe
ich werde aus der tür gehn und denken: adieu –
und glauben irgendwo am kap der guten hoffnung
sei mein schicksal zuend unter einem dornbusch
dort liegt zerbrochen ein wagenrad und lauscht
dem zornigen gebell der wellen dem
heulen der küste –
brot und blut
dunkel und weiß
vom leib gottes –
du mein femininer tod –
diese tiefblaue trunkenheit
dieser stunde erstrahlen
das ist wein den die nacht durchscheint
kerzenrauch und ehernes brot
darin ist schlaf ist versunkenheit so
meerhaft ist das hallen hoher kathedralen
jubelruhe – mahl mancher abendstunde
bis weißer traum mich weckt wie
leicht mir im munde
fleisch von deinem leibe
der metallisch schmeckt –
so seltsame sehnsucht nach einem klang
für diesen lang vorausgesagten abend
an dem die wörter wiederkommen –
sommer sommer ich sagte sommer
du daß die wärme der wilden kirschbäume
im gras liegt der duft eines späteren regens
sich birgt im sand der rosen am fuß
der unsäglich dunkelnden luft ein
fels der abkühlt –
musik für einen juni einen fels
für diesen abend betrunken von stille
für den sommer für den durst der früchte
für dies leben diesen fels
einen schweren lobgesang –
du denk dir was ich nicht sagen kann denk
meine sehnsucht nach einer seltnen musik
nach einer hymne
die ich nicht singen kann –
während wir erneut durch mürbe wüsten wanken
auf wegen die zu keinem ende reichen
zu keinem ziel zu keinem hoffnungsvollen zeichen
da ins salz der sonne unsrer götter särge sanken
während wasser fort in fahlen dämpfen modern
und wo wir gehn die gifte trockner sümpfe lodern
und wo wir stehn die greisenalten lüfte flammen
schlägt über unsren jägern
das rote meer zusammen –
keiner aber hob
den hals in die höh und schrie und niemand
weiß war es ein rotes roß wars eisen was sich
hinschwang über uns war es ein vogel oder war
es aller weggebliebener wind was entlang der ganzen
dürre dieser sommer in ferner höhe hinfuhr
mit schlagenden flügeln aus feuer
fortan tötet ein dröhnen uns
und braust über die welt in weißer stille
und keiner kennt es –
stätten gibt es – schamlosen sterbens voll – doch wer
der sich empörte soll hier leben
– anno fünfzehnhundertvierzehn eine landschaft
aus der feder eines gewissen urs graf – bizarre
felsformationen (aber das wort birgt zuviel ordnung)
da wuchs am hellen tag einer burg getürm wie aussatz
aus dem kranken stein (kein mensch
kann solches erbaun
zerspellte dächer wüste
schädeldecken im schwarzen gemäuer
erloschne fenster rot und schwarz gebrannt
schamlose vergangenheiten – mittelalter
jedem sichtbar im offenen licht
wüstenein sind das (das ist wenig – menschenworte meist
reden vom leben totes aber schätzen sie gering
wo
verirrte vögel wie steine ins feld stürzen keinerlei
leben duldet mancher landschaften
schamloses licht –
und es gibt tote dörfer überwältigt von wäldern
und den wuchs mauerbrechender bäume bis
diese selbst sterben zu heißem stein zu
kohle erstarren erlöschen
(reden
daß jede bewegung zerstört wird
vielleicht
individuen von falschen wörtern verwahrlost
fels vielleicht gewachsen zu niemands behausung
elende steingehirne wo grenzenlos tote bilder stehn
reden vielleicht (wörter wie stätten geröll
schamlos und offen im licht)
erloschne ruinen geschwärzter
gehirne von dort.
eine trunkenheit ist gewichen aus meiner stimme
rimbaud ist gewichen aus meiner stimme –
einst flossen die worte schwer aus meinem mund
es war meine mohnblüte im mundwinkel
ich sah phosphor über phosphor
o so grün
und gras
und graue herden
von wolken wandernd zu den violetten abenden
sooft ich den weg durch den garten nahm
und hörte die geräusche des nahen sees
schossen die blumen bis unter die sterne
schwirrten die halme des rieds im leichten
wind war der sand so hell in der nacht
sang mir der see herüber ins haus
aber rimbaud (gewichen aus meiner stimme)
wo sind wir denn jetzt sag wer
ersäufte was wir sangen
das holz ist sauer
ausgelaugt und klanglos
– in den höfen berge von flaschen
die hälfte zertrümmert
holzwolle modert nasse asche
verfaulte bretter ziegelsteine
bröckeln – lärm
ein toter lärm –
ein ohnmächtiges mißgeschick
mißgeschick ohnmächtiger schmerzen
schrilles seufzen unsrer schritte
auf haltbaren brücken
o welch ein november
zwischen den rosen des sommers
hundert heuschrecken jagen durch meinen hals
(dazu dein hundertjähriges verweigern rimbaud) die haut
die brannte ist im kalten laken erstickt brackwasser
quietscht im holz der worte
– alte narren gehn fluchend durch den garten
wühlen mit grober pfote nach glitschigen würmern
zottige katzen mästen sich mit fischen
der sand ist mit schilfern besät –
o neurosen des gewinns es schleift
ein wächsernes münzgeklingel durch
die violetten abende des sees o hinterhof
einer finsteren kneipe heimstatt da ich
an die angel ging (wer verlor uns rimbaud
was ist das wohin wird die chemische rose
aus unseren köpfen verkauft)
– wirklich war der mohn so grün
und rot ist rot der phosphor doch
starres gold verwechselte den klang
wenn morgensonne abendsonne sang –
war es chemie
oder schweißtropfen
von ungeheuren engeln schmelzend
was sprach denn waren es ströme
von brücken verwirrt und was
in den bleichen auen rauchenden teichen
war es was sang
– ungeheuer steig du
aus meinem bett du stinkst nach essig
durch deine brust fährt froschgeschrei
dein mund schmeckt nach fisch und tinte
wie schwitzt dein schuppiger wanst wie kalt
ist dein kurzer schlaf –
saueres holz meiner worte
die lüge schreit
sicher ist es lüge was ist und ich selber bins
dies ungeheuer
geschändet längst
vom händlerpack von eifernden greisen und
alles was sang (rimbaud du toter mann
in meinem kopf) war schweigen aus tropfengeklirr
stille aus sonnenglas schweigen
sanfterer nächte
wie lang noch wird unsere abwesenheit geduldet
keiner bemerkt wie schwarz wir angefüllt sind
wie wir in uns selbst verkrochen sind
in unsere schwärze
nein wir werden nicht vermißt
wir haben stark zerbrochne hände steife nacken –
das ist der stolz der zerstörten und tote dinge
schaun auf uns zu tod gelangweilte dinge – es ist
eine zerstörung wie sie nie gewesen ist
und wir werden nicht vermißt unsere worte sind
gefrorene fetzen und fallen in den geringen schnee
wo bäume stehn prangend weiß im reif – ja und
reif zum zerbrechen
alles das letzte ist uns zerstört unsere hände
zuletzt zerbrochen unsere worte zerbrochen: komm doch
geh weg bleib hier – eine restlos zerbrochne sprache
einander vermengt und völlig egal in allem
und der wir nachlaufen und unserer abwesenheit
nachlaufen so wie uns am abend
verjagte hunde nachlaufen mit kranken
unbegreiflichen augen.
es kamen schwarze sommer bald und selten
rote sonnen – wolken waren gelbliches gewüchs
und lang vergeblich glaubte ich noch ich ertrügs
dächt ich mir heitre sommer über meine welten
und letztlich schwände dies mit den oktobern –
doch eines morgens war ein rauhreif in das laub gefressen
und ich erschrak vergaß mich – im vergessen
begann die kalte angst mich zu erobern
seitdem vergesse ich dem winter zu entkommen
versäum die pflicht die jeder tag mir auferlegt:
die sonnen die im sommer rot verglommen
zu bannen in mein wort für spätre zeiten –
schon ist die erde ganz von farben leergefegt
und schwärenhafte träume streifen in den weiten.
ich ging von ihren tischen voller speisen
hinaus und trank im saal der schatten
was abend in den garten warf mit matten
düften denn ich sah die nacht verwaisen
trunken stieß ich auf die straße in das dunkel
die mich führte so wie einst ein gott es plante
seit ich spürte daß die schultern alles fallen ließen
blühn blumen auf ringsum die ich kaum ahnte
allem ledig seh ich nun vor meinen füßen
licht zerspringen und die hohen nächte grüßen
mit freiheit mich und ich hab raum
für meinen schmerz in dem die liebe ruht
und gottesnah und frei von hab und gut
geh ich und unerschöpflich wird mein traum.
der leichte flug des leibes
flach und dicht über den boden hin
vom feinen schauer der halmspitzen gestreift
oder haltend getragen vom weichen
dunkel der nacht
die geträumte kühle und darin
der nördliche duft der erde
die manchmal zu blähen sich scheint
aber die wellen die sanft beweglichen
täler und hügel die erde das land
endlich in liebe gleichen
sich an diesem gleiten
zum morgen dann
schräger anflug gegen die bäume –
erwachen endlich um nicht
zu stürzen.
ich höre daß du in diesem jahr wieder
zwischen diesen hügeln unter diesem eisernen licht
dahingingst
wie rimbaud mit einer frau in diesem sommer
der den unsern schon so fern ist daß du nicht die namen
verstehen könntest die ich den hügeln gebe wenn
ich versuche mich zu erinnern
über das gras ist der stein gekommen
zu scharfe regen über die bäume
und ein roter rauch in dem das licht sich ändert
wie um sie umzudeuten die namen
an denen man sich in einem exil besäuft
namen die der immer gleiche finger
auf einem papier verreibt das sind die dokumente
dieser zeit
– hoffen wir es bliebe in der atemluft
ein geruch nach verbranntem –
alles gläsern
sonne auf dem wasser
tau und blut
ich weiß ihr werdet städte aus glas bauen
mit dächem durch die das erwürgte
grinsen eurer gestirne fällt
und aus dem letzten zink geschnittne
gerüste aufstellen ähnlich diesen dingen
die sich bäume nannten –
ich wünschte es fiele in jeden eurer spiegel
ein hauch den ihr nicht zu benennen wüßtet
und nicht jene regung die euch dann aufstieße
mit der vergessnen bezeichnung neid –
in euern schlaf ein gesicht von unsrer selbstsucht
luft von der ihr nicht den namen kennt
mächtig ein glas erblinden zu machen wie
der drachenatem unsrer wilden seelen –
ungeachtet eurer heroischen skulpturen
hinter den schaufensterscheiben eures ersatzes
von wasserfontänen die auf ihrer höhe
eingefroren scheinen
winde ich mich noch manchmal vor dem spiegel
die mir ergrauende haut betrachtend und
flechte mir eine rose ins haar –
ich weiß noch als ich jünger war als ich noch
euer sohn war wünschte ich manchmal
meine schmutzige jacke wäre aus glas
damit ihr meine schönheit sähet –
die bagger blieben die dörfer sind fort
ein dürstender der sonnen flieht und wolken
so floh aus jedem dorf der teich
morast
schwarz aufgeschlagen lag am wege
ein durst von lila fliegenschwärmen flog
ein durst von stäubender zerstampfter kohle über wiesen
ein blättergras von wildem rotem rost blühte von hängen
mir war der abend nah
trockene gewitter
scheiterten in hellen himmeln
unfarben ein
verstörtes mittagslicht in fremdes feld geworfen
mir war der abend nah
mir wollte schlaf nicht nahn
schon nächtelang
gerüche warn in mir erstickt und brannten
geruch von arbeit fertig und vertan
der dörfer teichgerüche zogen mich in tagebaue
der dörfer dasein war in mir verworren und gespalten
die feuerluft
der tage war der flammenschatten jener nächte
glutsinne flammennerven bauten
verflogner mauern spiegelungen auf
die dörfer fort die bagger
blieben wittern faulen
langsam in die erde
die erde ebnet sich
die dunkle krone
treibt den dorn die schattennamen
spalten sich
erinnerung stieß durst
in meinen leib und warf mich in den wahn
des abends der den kopf mir rollt
geflohnen teichen hin
wo straßen schienen schlaflos früher jahre
steigt die vision von wassern die das frührot spaltet
glühend in meiner seele langen sommern.
noch immer sage ich die gleichen worte
noch immer fasse ich nichts kann ich nicht halten
was so unsäglich vorüberzieht
ich senke ich hebe
die stimme winke mit beiden händen wie wild
während rings in dünsten von flammen geht aller
entfesselter phosphor des abends und manchmal
lautlose grelle ungeheuer stehn in mir auf
ich suche den sommer in der dunklen diktion
meiner worte und heiß fällt der abend
herab
von blutigen horizonten
fällt abend und läuft mir davon
schon all die jahre seit meine mutter
sommers gewaltsam zur welt
mich brachte
und mich nicht frug
und nun möcht ich heller
scheinen o daß ein lichterer dämmer nocheinmal
den abend zurückversenkt in seines ursprungs
sommer wasser und traum
sand kommt
ich sehe ihn nicht wie er nachts mich zu füllen beginnt
mit dem geknirsch einer durstigen zukunft
und die verschlafenen flächen sind träume
ertrunken in gras und wasser und nacht
und ich bin verschmäht und ströme im dunkel
fluten und schneiden die flüssigen schatten der bäume
geheimnisse ziehen fließendes licht
– o verhüllt
von blendung fallsucht und tod – ist dies
meiner jahre geheimnis – jahre sind ungeheuer
ein fassungsloses jagen weicht
nicht von mir
während worte mich hinraffen
geht sommer um sommer vorüber
verschwommen im abend – das blut
all mein verschrieenes blut
fällt in mein herz zurück –
wehn von blütenstaub und kerzenrauch
langes
nachtönen der luft deren lied
den docht von der flamme gelöst hat
warten
auf wohlgerüche die längst hier sind
während die sinne schon schwinden: o schwaches
atmen von der nacht erwärmt und morgen
wird sich weite steppe
vor dem fenster dehnen dies weiß ich
während hier die dunkle drohung der alten möbel
sich zu verwandeln wahr wird –
ach gute tiere
– lieg ich auf dem teppich der nacht
in versöhnlicher ohnmacht und morgen
seh ich längst erfaßt von grünen flammen
die dochte im jasmin –
ach fürchtet euch nicht
geliebte wölfe die ihr euch lagert im schatten
meiner mauer: ein süßer rausch
von schlaf und schwäche
hat mich
den menschen
umfangen –
o schwaches atmen noch – hauch
der besänftigend und schwächer die zähne und füße
der hungrigen vielbeinigen möbel die zurück
in die steppe wollen zurückhält –
einmal wähnt es jeder wohnlich
sein glück oder unglück
jeder geht schlafen
jeder
auch der verwirrte der lahme der stumme
jeder kennt die tägliche mathematik der stunden
und jeder vergißt sie
aber keiner weiß
vom immer unabwendbarer wechselnden
gang der gestirne in seiner genauigkeit
doch keiner kann ihn vergessen
niemand (nicht der am geringsten beschädigte)
wüßte ein wort welches sagte wie
ein unabwendbares sich zum wahnsinn steigert
– schattenwerk eingebildet an der wand
stäbe und gitter eingebildete krücken
helfen uns in den schlaf
indes vor dem haus des nachts durch das laub
der bäume ein lautloses geschehen geht
phosphorglanz
sinkend
ein letztes rasches
anglühen ausglimmen –
sanftes räuspern später stunde in der wanduhr
lichtblaues geläute tropft zu boden
gesprüh von funken auf der diele –
du mein gedächtnis tödlich getroffen
von der flucht eines zimmers vor türen
die zeit –
(roter lehnstuhl rotes sofa
halb vom nußbaumtisch geglitten die
seekarte auf ihr das kartenbesteck der
kompaß ein leerer vogelkäfig
schief steht
das gesamte zimmer und richtet sichs auf
schwingen leise stöhnend die fensterflügel zu
verrückte pflanzen sind vor dem fenster
heraufgewachsen
duftfäden
falsche weihrauchfäden ziehen im raum
durch den leib meines traums
der schlafend umgeht
(nach der vollendeten meuterei
in der unordnung die mit plötzlicher freiheit
einherkommt erstarrt das blut im weißen
zu boden gerissenen tischtuch dunkelt erbittert
erbrochener rotwein
o dieser rollende schlafgesang
der dünung dieser räuberisch süße
alkohol im gehirn
und im ohr der wirbel
des unbewachten steuerruders –
schlafe ich oder schläft
mein schatten wird man uns wecken
vorm tode
verdammtes gedächtnis erinnern
erfahren das sterben im traum –
verlassener raum
vor den türen
in kreisen geht die zeit.
interieurs.
sand fault unterm haus
und die bäume seufzen vor nässe
chaos. in den spiegeln die
spiegel reißen vor schmerz splitternd
brechen viele bäume. gräßliche zähne
märz. fratze voll moder
und mord. raum für die wurzeln der wasser
sonnenader. hirnharte hausung
erdwarme langmut des
lebens
schreckwurzel
die blute. ruhiges wort sichel-
förmig fünf schritte weit
flucht falterheller sommerluft
ihr todesmohn verrät des südens gruft
duftloses o
der farben redezwang
o leben so lang
o lesola
so lern das lied vom langen leben
stille hangend fallen friedensmüden
nahe schlafen vorgewitter
flug violetter schau
ins grüne wasser regnen helle sonnenblüten
– waffen träumt dies licht o toter ritter
trugferner burgen wuchs im schleierblau
ein
baum
im delta des wassers
schattensturm überm urstromtal über
der geladenen lichtwand
stein
der im blitz erschrockenen flüsse
und feuer das den baum zurück
schlug in die wurzeln
schatten-medien beschreiben
die sucht nach der form des feuers
in der strömenden wasser erscheinung
in baum und rauch in der typografie
mein gehirn war eine alge
lichtgrüner
trennender schmerz in früher wasserzeit
steine schliffen sich hohl
an ihr der sand zerstörter steine
auf dem erhellten grunde ging er ohne schmerzen
versandend
eine nesselscharfe alge
war mein gehirn das sich zerschnitt in zellen
die nahrung zogen aus zersprungener
sonne die am ufer schwamm und in die höhe wuchs
postum kam die botschaft des unglücks auf mich –
flaschenpost geschwommen durch alle vergangenheit
die kalte grüne flasche
zerplatzt an meiner stirn wenn es zeit ist jedes jahr:
wie lange schon habe ich getrunken