Western Legenden 01: Delgado, der Apache -  - E-Book

Western Legenden 01: Delgado, der Apache E-Book

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Beschreibung

Die Ermordung seines Vaters Mangas Coloradas in FortMcLean bestimmt das Leben des jungen Mimbreno-Apachen Delgado. Aufgenommen und geschult vom erblindeten Schamanen der Yavapai-Apachen, sehnt sich Delgado nach einem friedlichen Leben. Doch in der Apacheria, dem heutigen Arizona, tobt ein erbarmungsloser Krieg. Die Bürger der entlegenen Stadt Prescott stellen eine Schutztruppe auf, die das Land mit brutaler Gewalt vor den heidnischen Barbaren säubern will. Obwohl Delgado ahnt, dass die Tage der freien Apachen gezählt sind, entscheidet er sich, bis zum letzten Blutstropfen für die Freiheit seines Volkes zu kämpfen.Die Print Ausgabe des Buches umfasst 240 Seiten

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WESTERN LEGENDEN

Werner J. Egli

DELGADO, DER APACHE

Historischer Western

© 2013 by BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck Redaktion: Jörg Kaegelmann Fachberatung: Alfred Wallon Umschlaggestaltung und Satz: Mark Freier All rights reservedwww.BLITZ-Verlag.de

VORSPANN

Dies ist eine überarbeitete Version meines Westerns DELGADO - Gib mein Herz den Falken, der 1978 im Pabel-Verlag als Taschenbuch erschienen ist. Gewidmet ist sie allen meinen Western-Freunden zur Erinnerung an eine Zeit, in der wir vom Wilden Westen und seinen Geschichten in Atem gehalten wurden. Es gibt noch ein paar von uns, so auch meine Freunde Alfred Wallon, Thomas Jeier, Bob Hatting und Michael Blake. Thanks for Dances with Wolves, Michael! That script is a true masterpiece.

Saddle up and ride with pride, guys!

PROLOG

Die Geschichte der Apachen beginnt für uns mit dem Einmarsch der spanischen Konquistadoren in den heutigen Südwesten der Vereinigten Staaten von Amerika und endet mit der Kapitulation des Bedonkohe-Chiricahua-Führers Geronimo. Dazwischen liegen dreihundertfünfzig Jahre eines mörderischen Konfliktes, in dem das Volk der freien Apachen trotz erbitterter Gegenwehr gegen die Armeen der amerikanischen Besatzer keine Chance hatte.

Am Anfang waren es die Spanier, die eine zivilisationsfeindliche Wildnis mit Gewalt unterwerfen wollten und bei diesem Versuch die Apachen beraubten, versklavten und niedermetzelten. Die spanische Kolonialregierung setzte auf Skalpe von Apachen hohe Preise aus, auch auf die von Frauen und Kindern. Professionelle Skalpjägerbanden durchstreiften die Apacheria, die Heimat der Apachen. Im Jahre 1837 entschloss sich der amerikanische Abenteurer James Johnson, die Biberjagd aufzugeben und sich einem einträglicheren Geschäft zu widmen. Mit einer Gruppe von Missouri-Trappern zog er nach Süden, lud die Mimbreño von Chief Juan José zu einer Fiesta nach Santa Rita del Cobre ein und feuerte mit einer Haubitze so oft Kugel- und Schrotladungen in die versammelte Menschenmenge hinein, bis sich niemand mehr bewegte. Johnsons Männer erbeuteten an diesem Tag über vierhundert Apachenskalpe.

Nach den Spaniern kamen die Amerikaner. Aus den unkontrollierten und unberechenbaren Auseinandersetzungen wurde jetzt ein gründlich geplanter Vernichtungskrieg, der mit voller Kraft erst nach dem amerikanischen Bürgerkrieg einsetzte, als die Politiker im Osten ihre Wahlversprechen einlösen und für die reorganisierte US-Armee neue Betätigungsfelder finden mussten.

Zu Tausenden marschierten wohlgerüstete Soldaten in den Südwesten, geführt von erfahrenen Generälen wie Crook, Howard und Miles. Militärstationen wurden errichtet, verbunden durch ein ausgedehntes Straßennetz, das den alten Indianerpfaden folgte und die Wildnis für Nachschubwagen und Großgeschütze passierbar machte.

Am Apache-Pass, sozusagen im Herzen der Apacheria, entstand Fort Bowie. In Tucson, einem wilden Nest am Fuße der Santa Catalina Mountains, demonstrierte die Adobefestung Fort Lowell die Macht der USA. Camp Grant, am Rande der Hölle gebaut, zählte zu einer Reihe kleiner isolierter Hinterlandposten. Das Bergwerkskaff Prescott entstand. In den Bergen wühlten sich Tausende vom Goldfieber gebeutelte Abenteurer wie Maulwürfe in die Finsternis der Erde. Es war die alte, unersättliche Gier nach Reichtum und Macht, die eigentlich diesen unmenschlichen Krieg zwischen den Apachen und der US-Armee auslöste.

Was von den Militärexperten als ein schneller Vernichtungsfeldzug geplant war, entwickelte sich für die verschiedenen Apachenstämme zu einem gnadenlosen Überlebenskampf. Die Indianer, mit dem Land, um das sie kämpfen mussten, vertraut, begegneten den amerikanischen Truppen mit einer der Wildnis angepassten Guerilla-Taktik, wie sie zuvor noch nie von US-Armeestrategen erfahren und erlebt worden war. Einzeln und in kleinen Gruppen griffen sie aus dem Hinterhalt Armeepatrouillen an, überfielen Wagenzüge, Postkutschen, Goldsuchergruppen, Ranches, Farmen und kleine Niederlassungen. Sie vergifteten die wenigen Wasserlöcher entlang der Wagenrouten, kappten Telegrafendrähte und tauchten die Spitzen ihrer Pfeile in ein Gift, das sie aus verwester Milz gewannen. Es war ein grausamer und gnadenloser Kampf, mit dem sich die Apachen zu beiden Seiten der mexikanisch-amerikanischen Grenze ihres Lebens erwehrten. Sie verzeichneten Siege, mussten jedoch bitter dafür bezahlen. Hunderte von Frauen und Kindern wurden von aufgebrachten Tucson-Bürgern in der Nähe von Camp Grant niedergemetzelt. Große Häuptlinge fielen auf die Versprechungen der Armeeführer herein, brachten ihre Gefolgsleute zu Beratungsplätzen und wurden von versteckten Soldaten niedergemacht. Gefangene wurden in Reservaten interniert, wo sie Hungersnot und korrupten Reservatsagenten zum Opfer fielen. Am Ende, als General Nelson A. Miles an der Spitze seiner Armee die letzten Apachen jagte, kämpfte an der Seite von Geronimo nur noch eine Handvoll verzweifelter Krieger ums nackte Leben.

Der lange Kampf gegen die Weißaugen brachte unter den Apachen Männer hervor, deren Namen in die Geschichte eingingen, wie die, der europäischen Heerführer. Die bekanntesten von ihnen sind Mangas Coloradas, der Hüne, Cochise, der Chief der Chiricahua, Victorio, der gefürchtete Mimbreño, und Geronimo, der als Letzter bis zum bitteren Ende kämpfte.

Es gibt auch eine Reihe von Apachen, die weniger bekannt sind, obwohl sie damals für ihre Taten berühmt und berüchtigt waren. Es sind Häuptlinge und Anführer wie Big Rump, Chunz, Delshay, Chihuahua und Ulzana. Sie alle kämpften verbissen an der Spitze ihrer Stammesgruppen um Freiheit und Leben. Sie alle waren große Apachen.

Ich erzähle in diesem Roman die Geschichte eines Kriegers, der vielleicht ein großer Führer oder Häuptling seines Volkes geworden wäre, hätte er nicht schon als junger Mann erfahren müssen, wie die Weißaugen durch ihre Lügen, ihre Versprechungen, ihr Feuerwasser und ihre Politik eine Uneinigkeit in sein Volk brachten, die es verwundbar machte und dem Verderben auslieferte.

Er war der Sohn von Mangas Coloradas, den die Weißaugen Red Sleeves nannten. Er hieß Delgado, und zwei Erlebnisse seiner Jugendzeit waren für sein ganzes Leben entscheidend.

Im Jahre 1863 erlebte er, wie sein Vater, der freiwillig nach Fort McLean zu Verhandlungen kam, auf Befehl eines Offiziers von zwei Soldaten im Schlaf ermordet wurde.

Nach dem Tod seines Vaters, nahm ihn sein Onkel Par-a-muck-a, ein Häuptling der weit im Westen Arizonas lebenden Yavapai-Apachen, auf.

Schon im darauffolgenden Winter fiel dieser dem Mordkomplott einer zivilen Truppe zum Opfer, die aus Prescott kam und Jagd auf Indianer machte. Der Anführer dieser Weißaugen war King S. Woolsey, ein Mann, der aus Alabama kam.

Wie viele andere der weißen Neusiedler war Woolsey von einem grenzenlosen Hass auf die Indianer beseelt. Es wurden Woolsey die schrecklichsten Taten nachgesagt, unter anderem soll er während eines Goldsucher-Trips in den Bradshaw Mountains Pinol mit Strychnin gemischt und das tödliche Gesöff unter den Apachen verteilt haben.

Woolseys Ranch lag weit östlich von Prescott in der Nähe von Agua Caliente, nördlich des Gila Rivers. Ziemlich abgelegen und isoliert, wurde Woolseys Anwesen häufiger von Viehdieben heimgesucht als andere, näher an Prescott gelegene Ranches. Im eiskalten Wüstenwinter von 1864 verlor dann auch ein Nachbar Woolseys siebenundzwanzig Rinder, die ihm von hungrigen Apachenkriegern gestohlen wurden. Woolsey stellte einen Trupp aus Cowboys, Ranchern, Farmern und Goldsuchern zusammen und machte sich sofort auf die Jagd. Am 24. Januar stieß Woolseys Armee unverhofft auf eine große Schar Yavapai-Apachen. Woolsey lud die Anführer sofort zu einer Friedensverhandlung ein. Während die Vorbereitungen für das Palaver getroffen wurden, gab Woolsey seinen Männern den Befehl, sich in günstige Positionen zu bringen und mit schussbereiten Waffen auf sein Kommando zu warten. Er selbst ging in Begleitung von fünf anderen Männern zum Beratungsplatz, wo er von sechs Anführern der Apachen erwartet wurde. Die Weißaugen trugen dicke, knöchellange Wintermäntel. Und darunter hatten sie Schusswaffen versteckt, obwohl abgemacht war, dass sich alle Teilnehmer unbewaffnet zum Platz begeben sollten.

Delgados Onkel, Par-a-muck-a, ein einflussreicher Yavapai-Chief, hieß die Weißaugen willkommen. Woolsey sagte schön artig Buenos Dias, breitete eine blutrote Decke für die Häuptlinge aus und wartete, bis diese Platz genommen hatten. Dann verteilte er Zigarren, lachte, machte Witze, die der Dolmetscher übersetzte, und gab den Indianern Feuer. Alles schien in bester Ordnung, als Woolsey plötzlich mit der linken Hand zum Hut griff. Dies war das Zeichen, auf das seine Männer gewartet hatten. Mäntel flogen auf, Schüsse krachten, und fünf Yavapai-Chiefs brachen tödlich getroffen am Beratungsfeuer zusammen. Ein Weißauge namens Cyrus Lennan schoss Par-a-muck-a zwei Kugeln in den Leib. Trotzdem gelang es dem tödlich verletzten Häuptling, aufzuspringen. Er riss die Lanze, die neben dem Feuer in der Erde steckte, heraus, und stieß die Spitze tief in den Körper Lennans.

Lennan fiel auf die Knie. „Ich sterbe“, keuchte er, und genau das tat er.

Unterdessen hatte Woolseys Trupp längst Stellung bezogen. Ein Kugelhagel traf die geschockte Apachenschar, die sofort Hals über Kopf die Flucht ergriff, verfolgt von lärmenden und schießenden Weißaugen, die sich in einem wahren Blutrausch befanden. Einer, der Woolseys Killern entkam, war ein Junge, der noch keinen Namen hatte. Er floh nach Süden, versteckte sich in der Hütte eines Mexikaners, der Pedro Delgado hieß. Delgado versteckte ihn vor Woolseys Männern und ließ ihn später laufen. Als der Junge wieder bei seinen Leuten war und die Zeit kam, sich einen Namen auszusuchen, wählte er den des Mannes, der ihn gerettet hatte.

Niemand weiß, wie viele Apachen Woolseys Männern zum Opfer fielen, und niemand weiß genau, wo dieses schreckliche Gemetzel stattfand. Bis vor Kurzem meinten Historiker, dass es sich bei Bloody Tanks, am Anfang des Bloody Tank Wash, zugetragen hätte. Ich habe jene Stelle inmitten einer auch heute noch nur schwer zugänglichen Wildnis mehrfach aufgesucht, bevor ich dann von einer noch unveröffentlichten Landkarte aus dem Jahre 1869 hörte, auf der die Stelle des Gemetzels im Fish Creek Canyon, rund dreizehn Meilen vom Salt River Canyon entfernt, eingetragen ist. Ich habe auch diesen Platz besucht und bin davon überzeugt, dass er der richtige ist und dass die Pfeilspitzen und Patronenhülsen und Bleikugeln, die am Bloody Tank Wash gefunden wurden, von einem Kampf zwischen Pinal Apachen und Lieutenant H. B. Cushings Trupp stammen.

Auch alle anderen geografischen Punkte, alle Forts und Ortschaften, alle Straßen und Indianerpfade, existieren wirklich, und ich habe sie, oder das, was von ihnen übrig geblieben ist, besucht, um Delgados Geschichte jene Authentizität zu geben, die sie verdient.

Die Geschichte von Delgado wurde zum ersten Mal 1978 veröffentlicht. Nun habe ich sie für diese Ausgabe an einigen Stellen leicht überarbeitet.

TUCSON, ARIZONA, 1978 und 2012

WERNER J. EGLI

DER ALTE FALKE

Die Weißaugen nannten ihn Hawk, und er war so alt, dass man in seinen Gesichtszügen eine Geschichte lesen konnte, die weit zurückreichte, in jene Zeit, als die Männer des Südens da waren, zusammen mit den Schwarzröcken und den Soldaten, die Hüte aus Eisen trugen. Die Schwarzröcke hatten ihn getauft, aber der Name, den sie ihm gegeben hatten, war seiner Erinnerung längst entwichen.

Die Schwarzröcke hatten ihn nicht nur getauft, sie hatten ihn Lesen gelehrt, Schreiben und Rechnen. Er hatte mit vielen anderen zusammen Steine aus dem Berg gehauen, Steine für das große Haus, in dem ein Herrscher wohnen sollte. Ein Herrscher, größer und mächtiger als alle Kräfte, die aus dem Innern der Erde kamen und aus der Unendlichkeit des Himmels. Das Haus stand irgendwo im Süden, erbaut von jungen, kräftigen Männern, von Kindern, Frauen und Greisen, die ausgepeitscht wurden, wenn sie müde waren, und denen man die Hände abhackte, wenn sie nicht mehr arbeiten wollten.

Es gab keinen guten Grund, sich an den Namen zu erinnern, den ihm die Schwarzröcke gegeben hatten, denn dieser Name hatte ihm keinen Ruhm gebracht und keine Ehre. Mit diesem Namen war er blind durch eine Welt gegangen, die ihm so fremd gewesen war, wie es wohl die weiße Sandwüste im Osten, von deren Existenz er nur gehört hatte, war. Der Name, den ihm die Soldaten gegeben hatten, gefiel ihm besser. Es war der Name eines Kriegers, der hier und dort war, fast zur selben Zeit, genau wie ein Raubvogel, der sich im Wind treiben ließ, um plötzlich niederzustechen, um sich auf seine Beute zu stürzen.

Pajaro Pinto, der gefleckte Vogel, hieß er zur Ehre des gefleckten Falken.

Ein Lächeln glitt über das zerfurchte Gesicht des alten Mannes, der hoch oben auf einem Hügel stand, der untergehenden Sonne zugewandt. Das silberne Haar hing ihm in Strähnen über die knochigen Schultern. Die alten Narben auf seinem Körper schienen im Licht der Sonne zu glühen. Er trug nur seinen Lendenschurz und die Mokassins, seinen Medizinbeutel und die drei Pfeile; diese hatte ihm die Medizin-Frau gegeben, die von hinter den Wolken gekommen war, um ihn aus den Klauen der Schwarzröcke zu befreien.

Die Augen des alten Mannes waren von einem milchigen Blau, und der Schein in ihnen war längst verblasst.

„Meine Augen leuchten nach innen“, sagte er, als Delgado ihn nach dem Licht fragte, das früher in seinen Augen gelebt hatte. Er war blind, der alte Mann, aber er stolperte nie über einen Stein, er erkannte jeden, der ihm begegnete, er rief einem einzelnen Vogel am Himmel seinen Gruß zu, und er sprach mit der Krötenechse, die in einer Erdspalte darauf wartete, dass die Hitze des Tages dem kühlen Abendwind weichen würde. Er verstand die Sprache der Pferde und die des Wildes. Wer ihn als seinen Lehrer hatte, konnte stolz und glücklich sein.

Pajaro Pinto war ein Freund und Bruder von Par-a-muck-a gewesen, den Woolseys Killer ermordet hatten. Er lebte für sich allein an einem Flüsschen, dem die Weißaugen den Namen Wild Cherry Creek gegeben hatten. Der kleine Fluss mündete in den Date Creek, und das Tal, in dem sein Bett lag, war ein Garten, so rein und von solcher Schönheit, wie er nur durch die Hand des allmächtigen Schöpfers geschaffen werden konnte.

Noch hatten die Weißaugen der Erde hier keine Wunden geschlagen. Es gab noch keine vernarbten Spuren wie die Radfurchen der Hardy-Zollstraße von Hardyville nach Prescott, und es gab keine Soldatenstadt in der Nähe, keine Löcher in den Bergen, wo sich Scharen von Männern blindlings in die Erde hineingruben, um eine Handvoll des gelben Metalls herauszuholen.

Hier war der Friede. Hier herrschte der Schöpfer, und alles hatte seinen Sinn.

Der alte Mann hob beide Arme und streckte seine Hände der Sonne entgegen, die tief über der Bergkette, auf der noch Schnee lag, stand. Der Wind, kühl und frisch, strich sanft über die pergamentene Haut des alten Mannes, spielte mit dem Gras auf dem Hügel, und die Wipfel der Fichten und Föhren verbeugten sich genau wie Pajaro Pinto vor der Sonne, die ihre letzten Strahlen über die Hügel hinweg schickte und die Felsen aufglühen ließ, als wären sie aus jenem puren Gold, das den Weißaugen kostbarer zu sein schien als ihr eigenes Leben.

Der alte Mann konnte den Reiter nicht sehen, der auf einem schnellen Pferd aus den violetten Abendschatten herausritt, das Tal durchquerte und durch den Wald galoppierte, auf der alten Fährte der Hirsche und der Wölfe. Nein, der alte Mann konnte ihn nicht sehen, aber er hörte den Hufschlag, und er vernahm die Stimme des Pferdes und den Geist des Reiters, lange bevor dieser die Hügelkuppe erreichte und in seiner Aufregung den alten Mann fast über den Haufen ritt.

„Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, Großvater!“, rief der Reiter. „Ich habe dich gesucht! Es sind Männer hier, die aus der Stadt kommen. Aus Prescott. Weißaugen, Großvater.“

Der Reiter war ein junger, groß gewachsener Mann mit einem ebenmäßigen Gesicht, in dem jetzt der Ausdruck eines gehetzten jungen Wolfes lag. Das blauschwarze, dichte Haar war schulterlang. Er trug einen roten Stoffstreifen um den Kopf gebunden. Sein Oberkörper war nackt. Die Beine steckten in hirschledernen kniehohen Mokassins. Geschmeidig warf er sich vom Pferd und packte den alten Mann am Arm. „Komm, Großvater, wir müssen weg von hier. Wir müssen ...“

„Die Sonne geht, Delgado“, unterbrach der alte Mann den jungen. „Die Sonne geht, und sie kommt auch für mich noch einmal.“ Der alte Mann lachte. „Du bist gelaufen wie ein Kaninchen, hinter dem der Kojote her ist. Und jetzt suchst du ein Loch, wo du dich verkriechen kannst, bis die Gefahr vorbei ist.“

„Ja, Großvater. Ich will mich verkriechen wie ein Hase, aber ich nehme dich mit.“

Pajaro Pinto ließ die Arme sinken. Er legte eine Hand auf Delgados Schulter. „Komm, mein Sohn“, sagte er. „Wir gehen nach Hause.“

„Großvater, die Weißaugen werden dich besuchen. Sie werden dein Heim finden, und sie werden mich töten.“

„Seit am Morgen die Sonne aufgegangen ist, weiß ich, dass sie da sind. Die Falken flogen davon. Das ist ein sicheres Zeichen, mein Sohn. Irgendwo gibt es Futter für sie.“

„Tote!“, stieß Delgado hervor.

„Ja, du hast recht, mein Sohn. Aber die Weißaugen kommen nicht hierher. Sie sind auf dem Weg zurück in ihre Stadt. Sie haben ihre Jagd beendet, und ihre Arbeit ist getan. Komm, mein Sohn, wir gehen nach Hause.“

Diesmal widersprach Delgado nicht. Er nahm sein Pferd am Zügel und bewunderte die Sicherheit, mit der Pajaro Pinto einem schmalen Wildwechsel folgte, der hinunter in das Tal führte.

Am Creek, zwischen den Weidenbüschen, auf den Wiesen und am Rande der Sandbänke, weideten Hirsche, ohne sich von dem alten Mann oder Delgado stören zu lassen. Hoch oben am Himmel schwebten Adler, die ihre Felsennester verlassen hatten und auf der Suche nach Beutetieren waren.

Delgado wusste, dass keine Gefahr drohte. Der alte Mann hätte sie längst erkannt, selbst wenn die Tiere noch keine Witterung aufgenommen hätten.

„Du kommst von Wah-poo-eta, nicht wahr?“, fragte der alte Mann und blieb stehen, als jenseits des Creeks der Silberlöwe auftauchte. Es war ein Weibchen, das sich leicht geduckt und ohne ein Geräusch zu verursachen durch die Büsche bewegte.

„Da drüben ist ein Puma, Großvater“, sagte Delgado. „Ein großes, schönes Weibchen.“

„Das ist Kahita“, sagte der alte Mann. „Sie hat vier Junge, und sie wohnt nicht weit von meinem Haus entfernt. Manchmal kommt sie nachts und zeigt den Jungen mein Haus, und dann wälzen sie sich im kalten Sand hinter dem Haus. Jetzt holt sie eine der Hirschkühe für sich und ihre Jungen, Delgado. Die Kuh mit dem verkrüppelten Vorderlauf. Sie holt sie, bevor die Wölfe sie erwischen.“

Delgado blickte hinüber auf eine Wiese. Am Bach weideten Hirschkühe. Eine der Kühe hatte einen verkrüppelten, nach auswärts gebogenen Vorderlauf. Sie stand etwas von den anderen Hirschen entfernt und hatte die Gefahr noch nicht erkannt, obwohl der Bock und die anderen Hirschkühe plötzlich den Kopf hoben, ihre großen Ohren stellten und die buschigen Schwänze aufrichteten. Sie äugten neugierig in die Richtung, aus der Kahita sich heranschlich.

„Hast du dich für eine von Wah-poo-etas Töchtern entschieden, oder willst du sie alle haben, mein Sohn?“

Delgado blickte auf. Er sah das versteckte Schmunzeln im Gesicht des Mannes. „Wie könnte ich sie alle haben und dann trotzdem Zeit finden, hier bei dir zu sein oder auf die Jagd zu gehen? Du weißt, dass ich mich entschieden habe, Großvater.“

„Ja, mein Sohn. Du hast dich entschieden. Und es ist Siki, das Mädchen mit dem hellen Haar.“

„Wieso weißt du, dass es Siki ist, obwohl ich noch niemandem gesagt habe, dass es Siki ist.“

„Ich kenne dein Herz, mein Sohn. Vergiss nicht, dass wir viele Monde zusammen waren.“

„Ich habe dir zugehört, Großvater. Du hast die Geschichten erzählt. Ich habe geschwiegen und gelauscht.“

„Das stimmt. Du hast wenig geredet.“ Der alte Mann lächelte. Er legte seinen Arm um Delgados Schultern. „Siehst du Kahita?“

Delgados Blicke glitten durch die Büsche. „Nein. Ich sehe sie nicht.“

„Sie hat den Fluss durchquert. Sie ist dort drüben, wo das Biberpärchen angefangen hat, den Damm zu bauen. Komm, lassen wir sie in Ruhe jagen.“

Kaum hatte der alte Mann ausgesprochen, als die Hirsche plötzlich wie auf ein Kommando die Flucht ergriffen und mit weiten Sprüngen das Tal hinunterjagten. Nur die eine Kuh stand etwas länger im Gras, kaute an einem grünen Büschel, drehte sich plötzlich um und floh. Aber es war zu spät. Kahita flog in langen Sätzen hinter ihr her, und bevor die Kuh die Biegung des Flusses erreichte, sprang ihr die geschmeidige Raubkatze von der Seite her an den Hals und schlug ihre Zähne tief in die Gurgel. Die Hirschkuh und Kahita stürzten zu Boden, überschlugen sich mehrere Male, bevor Kahita die Hirschkuh fest in ihren Klauen und halb unter sich begraben hatte.

Die dünnen Beine der Hirschkuh streckten sich zitternd, und erst als sie still lag, hob Kahita ihren Kopf und blickte zu Pajaro Pinto und Delgado herüber. Delgado hörte das leise Grollen, das aus ihrer Kehle kam.

Delgados Pferd schnaubte und tänzelte, da packte Kahita noch einmal zu und schleifte den Kadaver der Hirschkuh ins Ufergestrüpp, wo ihre Jungen auf sie warteten.

„Komm jetzt, mein Sohn“, sagte der alte Mann. „Komm, damit die Jungen keine Angst haben und zu ihrer Mutter gehen können.“

Delgado führte sein Pferd. Neben Pajaro Pinto marschierte er auf dem schmalen Pfad das Tal hoch bis zu jener Stelle, wo nackte Felsen, zerklüftet und von tiefen Rissen durchzogen, die Erde durchbrochen hatten und sich wie Rückgrate riesiger Tiere in das Tal hinunterzogen.

Im Schutze der Felsen, auf einer Lichtung zwischen Weidenbüschen, Föhren und Tannen, stand Pajaro Pintos Wickiup, eine kleine Rundhütte aus Ästen und Bärengras, in der der alte Mann allein lebte. Er hatte kein Pferd und keinen Hund. Er versorgte sich mit Beeren und Pilzen des Waldes, mit Wildfrüchten und Nüssen, und mit dem Gemüse und dem Getreide, das im Talgrund wuchs. Manchmal aß er auch, was ihm Tiere wie Kahita von ihrer Beute übrig ließen. Und manchmal, so sagte man, brachten ihm die Falken, was sie entbehren konnten.

Nicht einmal im Winter, wenn der Schnee so hoch lag, dass nur noch der oberste Teil seines Wickiup herausragte, verließ Pajaro Pinto das Tal, um bei seinen Leuten im Camp von Wah-poo-eta, den die Weißaugen Big Rump nannten, zu wohnen.

„Komm, mein Sohn. Ich habe Tabak und etwas zu essen. Komm, wir machen es uns gemütlich.“ Der alte Mann schlüpfte durch den niederen Eingang in die Hütte.

Delgado ließ sein Pferd frei. Er wusste, dass es nicht davonlaufen würde. Dann folgte er dem alten Mann in die Hütte, in der es kühl war und angenehm nach frischem Salbei roch.

Die Einrichtung des Wickiup bestand aus zwei Felllagern und ein paar Dingen, die Pajaro Pinto als Andenken an ein Leben behielt, das ihn zu einem weisen Mann hatte werden lassen.

Er besaß den Brustpanzer eines spanischen Soldaten, eine Medaille aus Silber, in die auf einer Seite zwei ineinander verschlungene Hände, ein Kriegsbeil und eine Friedenspfeife gekreuzt und die Worte PEACE AND FRIENDSHIP geprägt waren. Auf der anderen Seite war der Kopf des Mannes abgebildet, den die Weißaugen ihren Großen Vater in Washington nannten. Dieser hatte auch einen Namen, aber der war dem alten Mann nicht wichtig. Viel wichtiger waren ihm die alten Kleider, die er bei den Tänzen getragen hatte, die Krone des Berggeistes und ein Stück der Kette, mit der ihn die Schwarzröcke in einem Verlies festgehalten hatten, weil er unter den versklavten Indianern den Aufstand gepredigt hatte.

Delgado kannte alle Geschichten des alten Mannes. Es war fast, als hätte er sie selbst erlebt, als wäre er ein Stück des alten Mannes, der ihm alles beigebracht hatte, was wichtig war.

Delgado legte Holz in die Mulde im Zentrum des Wickiup und entfachte ein kleines Feuer. Unterdessen hatte der alte Mann Platz genommen. Er stopfte die Pfeife aus rotem Stein, an der die Kralle eines Falken hing, die Feder eines Adlers, der Fellstreifen von einem Wiesel und der Kopf einer Krötenechse.

„Ich freue mich, dass du da bist, mein Sohn“, sagte Pajaro Pinto. „Es gibt etwas, was ich dir heute erzählen will. Es ist die Geschichte von meinem Sterben.“

Delgado blickte auf. „Du lebst, Großvater“, sagte er. „Wie könntest du die Geschichte von deinem Sterben kennen?“

Pajaro Pinto nahm ein brennendes Ästchen aus dem Feuer und zündete die Pfeife an. Er schenkte den Rauch den vier Winden, bevor er die Pfeife an Delgado weiterreichte. Delgado nahm vier Züge, die er nach Osten, nach Süden, nach Westen und nach Norden blies, so wie er es zuvor schon oft getan hatte.

„Kahita kam gestern Nacht“, sagte der alte Mann, der sich zurückgelehnt hatte und mit seinen knöchernen Fingern getrocknete Beeren aus einer Schale nahm, die er dann Delgado übergab. „Iss, mein Sohn. Und höre meine Geschichte.“

Delgado beugte sich etwas vor. Er nahm noch einen Zug aus der Pfeife, reichte sie dem alten Mann und aß ein paar Beeren.

„Kahita kam und sagte mir, dass dies mein letzter Winter gewesen sei. Der Mond stand hoch. Sie hatte keines der Jungen dabei, was doch ziemlich ungewöhnlich ist. Normalerweise gehen die Jungen überallhin mit ihr. Sie hängen sich an ihre Mutter, die ihnen alles zeigt, was sie wissen müssen. Aber gestern Nacht kam Kahita allein. Sie umrundete mein Haus. Ich hörte sie. Da ging ich hinaus. Sie hatte sich vor der Tür hingelegt. Ein silberner Schein lag über ihr. Ich stand still. Ich sah sie an. Sie war nicht mehr die Berglöwin. Sie war die Frau, die gekommen war, als mich die Schwarzröcke gefangen hatten. Sie war die Frau, die mir meine drei Medizinpfeile gegeben und die mir den Weg vom tiefen Süden hierher gezeigt hat. Du erinnerst dich wohl an diese Geschichte, nicht wahr?“

„Sicher, Großvater“, sagte Delgado schnell. „Ich war dabei. Nachdem ich das Haus des Mexikaners verlassen hatte, irrte ich herum, bis ich der Frau begegnete, die mir sagte, dass sie sich auf dem Weg zu dir befand, um dir drei heilige Pfeile zu übergeben.“

„Ja, so war es wirklich.“ Der alte Mann nickte. „Es ist lange her, seit dies geschehen ist. Ich habe die Frau seit damals nie mehr zu Gesicht bekommen. Ich habe oft an sie gedacht und fragte mich, was aus ihr geworden ist. Gestern erschien sie erneut. Ich war sehr überrascht, hatte ich doch nicht mehr mit ihrer Rückkehr gerechnet.“

„Was war der Grund ihres Kommens, Großvater?“

„Sei geduldig, mein Sohn. Geduld ist eine wertvolle Eigenschaft, die man nie der Neugier opfern sollte.“ Pajaro Pinto nahm einen Zug aus der Pfeife. Er schien das Rauchen sehr zu genießen, denn für ihn war es ein alltägliches Ritual, seine Gedanken dem Rauch auf den Weg zu den Göttern mitzugeben.

Delgado zügelte seine Neugier, wie er ein junges übermütiges Pferd gezügelt hätte.

Schließlich fuhr Pajaro Pinto fort. „Die Frau kam, um mir zu sagen, dass mein Leben hier zu Ende gehen würde. Es wird Herbst sein, sagte sie. Die Blätter fallen von den Bäumen. Der erste Schnee liegt auf den Bergen. Die Kälte kriecht in meine Knochen, und sie wird nicht mehr von mir weichen. Ich werde sterben, mein Sohn, bevor der Winter ins Tal kommt.“

Delgado schüttelte den Kopf. „Nein, Großvater, das lasse ich nicht zu. Ich werde dich wegbringen von hier. Weit weg. Dorthin, wo kein Schnee fällt. Dorthin, wo die Bäume keine Blätter verlieren. Komm mit mir. Du weißt, dass Cochise sich freuen würde, wenn du kommst.“

„Cochise!“ Der alte Mann lauschte dem Namen lächelnd nach. „Ein guter Freund und ein großer Häuptling seines Volkes.“

„Komm mit zu den Chiricahua und den Mimbreño und den Coyotero, Großvater. Sie ziehen im Winter dorthin, wo dir die Kälte nicht in die Knochen kriechen kann.“

„Mein Sohn, würdest du versuchen, den alten Baum hinter meinem Haus zu entwurzeln, um ihn woanders wieder neu zu pflanzen? Nein, das wäre töricht, nicht wahr? Du weißt, dass der alte Baum sterben würde. Wie kämest du denn dazu, mich von hier wegzubringen, in ein Land, das nicht meine Heimat ist? Ich würde sterben, bevor der Winter kommt.“

Delgado senkte den Kopf. „Ich weiß, Großvater“, sagte er beschämt.

„Gut, mein Sohn. Du kannst denken, was du willst, aber ich höre dein Herz. Und was ich höre, stimmt mich traurig. Du willst nicht, dass ich dich verlasse. Du willst nicht, dass ich endlich dorthin gehen kann, wo ich noch nie war. Ich freue mich aufs Sterben, mein Sohn. Ich freue mich, Dinge zu erleben, die bis jetzt nur in meinen Träumen Wirklichkeit waren. Ich will meine Träume erleben, Delgado.“

Delgado zwang ein Lächeln in sein Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen, Großvater“, sagte er.

„Heh, du bist ein verrückter Junge, mein Sohn. Du hast noch nicht einmal erfahren, was es hier alles gibt.“

„Du hast selbst gesagt, dass nicht mehr viel Gutes kommt. Du hast gesagt, dass die Weißaugen hier sind, um uns zu töten. Du hast gesagt, dass ein Schatten über dem Land liegt, ein Schatten, in dem wir alle sterben wie Blumen, die nie die Sonne sehen.“

„Das ist so, mein Sohn. Du wirst es erleben. Du musst es erleben. Du und deine Familie. Du wirst eine Frau haben und Kinder, wenn du nicht verrückt wirst und Dinge tust, die nur Narren tun.“

„Du meinst, dass ich mit den Kriegern gehe, um Weißaugen zu töten und …“

„Ja, das meine ich. Du hast ein Feuer im Blut, das dein Vater entfacht hat. Mangas Coloradas war ein großer Krieger und ein großer Führer des Volkes. Aber er ist tot, Delgado. Er starb, als ihn sein Volk sehr gebraucht hätte.“

„Ich weiß, Großvater. Mein Vater hat sich auf das Wort der Weißaugen verlassen. Ein Leben lang wurde er von ihnen betrogen und dann ermordet.“

„Dieser Mord hat das Feuer in dir entfacht, Delgado. Die Ungerechtigkeit und die Schmach. Du bist ein junger Mann, und ein junger Mann ist ein Krieger. Alle meine Worte würden dich nicht aufhalten können, eines Tages deinen Vater zu rächen.“ Pajaro Pinto lachte. „Kahita sagte, dass du kommst, wenn ich sterbe. Du wirst in meiner Nähe sein und meinen Ruf hören, mein Sohn. Deshalb habe ich eine Bitte an dich.“

Der alte Mann richtete sich etwas auf. Flackernder Lichtschein tanzte auf seinem zerfurchten Gesicht. Seine Augen waren auf Delgado gerichtet, und nur der Feuerschein lebte in ihnen. „Bring mich auf den Berg, wo du mich heute gefunden hast. Bring mich dort hin, wenn mein Geist den Körper verlassen hat. Lass mich dort oben liegen, denn die Falken werden kommen und mein Herz wegtragen. Gib ihnen mein Herz, Delgado. Gib mein Herz den Falken.“

Delgado blickte in das Gesicht des alten Mannes, und es war ihm, als wäre in diesem Moment das Blut in seinen Adern erstarrt. Das Feuer knisterte. Funken sprangen. Der alte Mann lehnte sich zurück. Ein zufriedener Ausdruck legte sich über sein Gesicht.

„So, mein Sohn“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Und jetzt erzähl mir von Siki, dem Mädchen, das du für dich ausgewählt hast. Siki ist die Tochter meines Freundes Wah-poo-eta. Er ist ein gestrenger Anführer, der in schwierigen Zeiten gut ist für seine Familie und für sein Volk.“

„Es gibt nicht viel zu erzählen, Großvater.“ Delgado nahm ein paar Beeren aus der Schale. „Ich werde Siki mit mir nehmen. Ich gehe weg von hier, so wie ich es am Anfang gesagt habe, als ich herkam. Ich war ein Gast bei Wah-poo-eta und seinem Volk. Ich hatte eine gute Zeit mit den Leuten im Dorf und all den Verwandten meiner Mutter. Und die wertvollsten Stunden verbrachte ich mit dir hier oben, Großvater. Du hast mich viel gelehrt. Du hast mir die Welt erklärt. Ich spreche die Sprache der Weißaugen und kenne ihre Geschichte, und ich weiß, was ihr Herz krank macht und ihren Geist zerstört, sodass sie im Frieden kein Glück finden können. Zu viele Weißaugen sind hier in diesem Land, Großvater. Ich will zurück, dorthin, wo ich durch die Berge reiten kann, ohne Soldaten zu begegnen.“

„Du weißt nicht, wie es inzwischen dort ist, Delgado, wo du damals hergekommen bist, mein Sohn. Die Weißaugen sind wie Stechmücken im Sommer. Sie sind fast überall.“

Delgado hatte eine Antwort auf der Zunge, als Pajaro Pinto plötzlich die rechte Hand hob. „Ein Pferd“, sagte er leise. „Ein Pferd kommt.“

Delgado sprang auf und griff zum Messer, das an seinem Gürtel hing. „Weißaugen!“, zischte er, während er zum Eingang lief. „Verstecke dich, Großvater! Die Weißaugen kommen.“

Delgado schlug das Hirschfell vom Eingang zurück und sprang hinaus. Geduckt blieb er stehen. Die Abenddämmerung hatte sich zwischen den Hügeln und den Felsgräten eingenistet. Die Wälder waren schwarz. Am Himmel glitzerten die ersten Sterne, und am Rande der Lichtung, keine dreißig Schritte entfernt, stand ein großes schwarzes Pferd.

Delgado hielt den Atem an. Er bewegte sich nicht. Nur seine Blicke jagten an den Büschen entlang bis zum Waldrand hinüber. Nichts rührte sich. Kein Geräusch war zu hören. Dann machte das große Pferd zwei, drei Schritte. Seine Eisen schlugen gegen die Steine am Boden. Die Zügel hingen von seinem Kopf herunter. Es war ein riesiges Pferd, ein Weißaugenpferd. „Bleib weg von mir, Pferd!“, stieß Delgado hervor. Er konnte einem Weißaugenpferd nicht trauen. „Bleib weg!“

Das Weißaugenpferd blieb stehen. Es schnaubte und schüttelte die Mähne.

„Das Pferd ist allein, Delgado!“, rief Pajaro Pinto mit krächzender Stimme. „Es ist ein friedliches Pferd, das verletzt ist.“

Delgado richtete sich auf. Er musterte das Pferd, betrachtete den braunen Sattel auf dem Rücken. Hinten auf dem Sattel war eine Deckenrolle aufgeschnallt. Im Scabbard steckte ein Gewehr. Eine Wasserflasche blinkte matt im trüben Licht. „Es ist kein Soldatenpferd, Großvater“, sagte Delgado. Er wusste, dass die Soldatenpferde andere Sättel trugen. Keine mit einem großen Knauf. Außerdem hing ein zusammengerolltes Seil vom Sattel. Und eine Tasche aus Rehleder, die mit Stachelschweinborsten verziert war.

„Geh und schau dir die Wunde an, Delgado“, sagte Pajaro Pinto. „Geh zu ihm. Es kam hierher, weil es Hilfe braucht.“

Zögernd ging Delgado zum Pferd und umrundete es. Es drehte sich mit ihm, und als es ihm die Seite zugewandt hatte, bemerkte er das Ende eines gefiederten Pfeilschaftes, der aus dem Fell des Pferdes ragte. Der Pfeil steckte eine Handbreit vor dem Sattel in der linken Schulter. Blut lief dem Pferd durchs Fell an der Schulter und am linken Bein herunter. Delgado griff nach den Zügeln. Das Pferd warf den Kopf zurück, die Augen voller Angst und Schmerz. Er führte das Pferd ein paar Schritte. Es humpelte stark. Versuchte nur leicht aufzutreten. Langsam brachte Delgado es zum Eingang der Hütte. „Großvater, das Pferd ist gutmütig und friedlich“, sagte er. „Und es ist verletzt. Ein Pfeil hat es in die Schulter getroffen.“

„Das hörte ich an seinem Schritt, mein Sohn. Pass auf, wenn du seine Wunde pflegst.“

Delgado band die Zügel um einen Pflock. Das Pferd stand still. Beobachtete ihn mit einem Auge. Er hob die Hand und legte sie dem Pferd sachte gegen den Hals. Die Muskeln unter dem Fell begannen durch die leichte Berührung zu zucken. Das Pferd schnaubte leise, während Delgado den Schaft des Pfeils untersuchte und sich dabei überlegte, wie er aus der Schulter des Pferdes zu entfernen war, ohne es noch schlimmer zu verletzten.

„Nimm ihm erst einmal den Sattel ab und gib ihm zu trinken“, hörte Delgado den alten Mann sagen. Delgado löste vorsichtig die Gurte und hob den schweren Sattel vom Rücken. Er legte ihn neben dem Eingang auf den Boden und zog das Gewehr aus dem Scabbard. Es war ein Karabiner, wie ihn auch Kavalleriesoldaten benutzten.