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Das Eine nicht ohne das Andere Danielle Spera und Toni Faber haben vieles gemeinsam. Sie sind Nachbarn im ersten Wiener Gemeindebezirk, stehen im Licht der Öffentlichkeit und sind engagierte Botschafter ihrer Religionen. In ihrem ersten gemeinsamen Buch setzen sich die ehemalige Leiterin des Jüdischen Museum Wien und der Dompfarrer zu St. Stephan offen und schonungslos mit der wechselvollen Geschichte ihrer Glaubensrichtungen auseinander: Über Jahrhunderte war deren Verhältnis von Hass und Vorurteilen geprägt, wurde Juden von Christen Gewalt angetan. Dabei verbindet sie weit mehr, als sie trennt. Die Juden sind die älteren Brüder und Schwestern der Christen, wer einen Psalm liest, spricht ein jüdisches Gebet und das Christentum wäre ohne seine jüdischen Wurzeln eine »amputierte Religion«. »In diesem Sinn hoffen wir, dass dieses Buch Ihnen einige Anregungen bieten kann. Voneinander lernen und zuhören kann ein erster Schritt sein.« Danielle Spera & Toni Faber Mit Vorworten von Oberrabbiner Jaron Engelmayer und Prof. Martin Jäggle Ein spannender Dialog über Gemeinsamkeiten, Glaubenssätze und deren Bedeutung in der heutigen Gesellschaft
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Seitenzahl: 146
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Danielle Spera & Toni Faber
DANIELLE SPERA& TONI FABER
Ein Gespräch über Judentumund Christentum
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Der Umwelt zuliebe #ohnefolie
© 2023 by Amalthea Signum Verlag GmbH, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Anna Haerdtl und Barbara Reiter, Bureau A/O
Umschlagfoto: © Stefan Knittel
Lektorat: Sina Will
Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten
Gesetzt aus der 12,25/15,15 pt Kepler Std Light Caption
Designed in Austria, printed in the EU
ISBN 978-3-99050-261-7
eISBN 978-3-903441-23-1
»Der Glaube Jesu eint uns, der Glaube an Jesus trennt uns.«
SCHALOM BEN-CHORIN
Voneinander lernen und zuhören: Ein gemeinsames Vorwort von Danielle Spera und Toni Faber
Vorwort: Oberrabbiner Jaron Engelmayer
Vorwort: Prof. Martin Jäggle
Was glauben Juden?
Was glauben Christen?
Was glauben sowohl Juden als auch Christen?
Gespräch
Der jüdische Gottesdienst
Der christliche Gottesdienst
Glossar
Zeittafel: Judentum
Zeittafel: Christentum
Literatur
Bildnachweis
Danksagung
Dieses Buch dokumentiert das lesenswerte Interview der Wiener Jüdin Danielle Spera mit dem stadtbekannten Wiener Dompfarrer Toni Faber und ist Grund zur Freude in einer Stadt, zu der wieder ein blühendes jüdisches Leben gehört. Zur Stadt der Musik gehört auch »Shalom – Music Between Friends«, ein oftmaliges musikalisches Freundschaftstreffen (jüdisch, katholisch, evangelisch, säkular) unter anderem mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg (Gesang), Bischof Michael Bünker (Schlagzeug), Peter Schipka (Keyboard), Generalsekretär der Bischofskonferenz, und dem Jüdischen Chor (Leitung Roman Grinberg).
Dieses Interview zeigt beispielhaft, was in Wien, im Gegensatz zur antisemitischen Geschichte, im Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum möglich geworden ist. Denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Priester »keine geringe, die sich in den Dienst der antisemitischen Agitation gestellt haben«, stellte der damalige Wiener Polizeipräsident fest, und bezeichnete den Pfarrer von St. Josef-Weinhaus, Josef Deckert (1843–1901), als »die Seele der antisemitischen Agitation«. Dieser antwortete auf die Frage, ob ein Priester Antisemit sein dürfe, mit voller Überzeugung: »Ja, er kann es, er soll es sein und, wenn er es noch nicht ist, soll und muss er es werden.« In der auf seine Initiative gebauten Pfarrkirche St. Josef-Weinhaus organisierte Deckert, wiederholt verurteilt, aber nie kirchlich gemaßregelt, regelmäßig »antisemitische Conferencen«. Die Juden sind für ihn »geblieben, was sie waren: ein uns unsympathisches, christlichen Glauben und christliche Sitten zersetzendes Element, anders geartet als wir Arier.« Erst 1990 wurde der Pfarrer-Deckert-Platz vor der Kirche aus dem Verkehrsflächenverzeichnis der Stadt Wien gestrichen. 2012 begann die Pfarrgemeinde von St. Josef-Weinhaus sich mit den antisemitischen Umtrieben von Pfarrer Deckert auseinanderzusetzen und sich die durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) eingeleitete Abkehr von der »Lehre der Verachtung« (Jules Isaac) zu einem neuen Verständnis der katholischen Kirche des jüdischen Volkes anzueignen. Das führte zur Erforschung der aus dem Pfarrgebiet nach 1938 vertriebenen und ermordeten jüdischen Bevölkerung, und 2015 zu einer Gedenktafel aus fünf Teilen: zwei biblische Zitate über die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes, eine Erklärung des Pfarrgemeinderats, und zwei programmatische Sätze des kirchlichen Lehramts, davon Papst Franziskus, der mit dem Apostel Paulus sagen kann, »dass Gottes Treue zum Bund mit Israel nie aufgehört hat und dass die Juden durch die furchtbaren Prüfungen dieser Jahrhunderte hindurch ihren Glauben an Gott bewahrt haben. Und dafür werden wir ihnen als Kirche, aber auch als Menschheit, nie genug danken können.«
Das Beispiel zeigt, wie wichtig kirchliche Erklärungen sind, und wie lange doch grundlegende Veränderungen brauchen. Auch die Evangelische Kirche hat ein neues Kapitel im Verhältnis zum Judentum aufgeschlagen. In ihrer Erklärung Zeit zur Umkehr – Die Evangelischen Kirchen in Österreich und die Juden vom November 1998 werden zum Beispiel die Spätschriften Martin Luthers mit ihrer Forderung nach Vertreibung und Verfolgung der Juden »verworfen«. Dies ist die stärkste Form kirchlicher Verurteilung.
Nach der Katastrophe der Shoah hat in allen Kirchen ein Umdenken gegenüber dem Judentum begonnen. Sie werden sich ihrer Schuld immer deutlicher bewusst und sind auf dem Weg, den spirituellen und theologischen Reichtum Israels als Fundament ihres eigenen Glaubens neu zu entdecken. In diesem Sinn führt der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) am 17. Jänner 2024 den 25. »Tag des Judentums« durch, als »Tag des Lernens« von und mit Jüdinnen und Juden, als »Tag des Gedenkens« und als »Tag des Feierns«.
Pfarrgemeinden beginnen, sich mit antijüdischen und judenfeindlichen Darstellungen in ihren Kirchen auseinanderzusetzen (zum Beispiel die Pfarrkirche Thörl-Maglern; Pfarrkirche Allerheiligen bei Wildon; Evangelische Pauluskirche, Wien Landstraße).
600 Jahre nach der Vertreibung und Vernichtung von Juden aus Wien, genannt Wiener Gesera, bekannte sich die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien am 12. März 2021 zur »Mitverantwortung aufgrund ihres Beitrags zum antijüdischen Klima, das der Wiener Gesera den Boden bereitete.« Und sie ging »die Selbstverpflichtung ein, die theologische Auseinandersetzung mit dem Judentum in Lehre und Forschung sowie die konkrete Kooperation mit der jüdischen Gemeinschaft weiterhin zu fördern«.
350 Jahre nach der Zweiten Wiener Gesera bat Kardinal Christoph Schönborn alle Wiener Pfarren, am 26. Juli 2020 im Sonntagsgottesdienst zu beten: »Den Juden wurde eine Frist bis 26. Juli 1670 gesetzt, um ihre Häuser zu räumen und Wien zu verlassen. Heute, nach 350 Jahren, blüht in dieser Stadt wieder jüdisches Leben auf. Wir bitten Dich, Allmächtiger, Gütiger Herr: Segne die Jüdinnen und Juden dieser Stadt und ihre Gemeinden, gib ihnen Bestand und Wachstum in Frieden.«
Erst der Schrecken über die Shoah führte zu »Geschwisterlichkeit statt Judenfeindschaft«. Entscheidend dafür war und ist das Engagement jüdischer Persönlichkeiten von Anfang an, so auch bei der Gründung des »Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit« im Jahre 1956, der zu gleichen Teilen evangelisch, jüdisch und katholisch verantwortet wird.
DANIELLE SPERA: Viele Christen sind sehr am Judentum interessiert. Wir erleben das auch dadurch, dass eine große Begeisterung da ist, wenn es um jüdische Kultur, Tradition, Kunst et cetera geht. Ich nenne stellvertretend den Tag der offenen Tür der Israelitischen Kultusgemeinde, das Jüdische Museum Wien oder das jüdische Straßenfest. Hier werden immer Besucherrekorde verzeichnet. Umso erstaunlicher ist es, dass das Wissen über das Judentum noch immer so gering ist und manche Vorbehalte noch immer so groß sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass bei vielen Menschen die elementaren Kenntnisse über dieses Thema fehlen. Immer wieder werde ich nach dem Ursprung der Religionen gefragt. Dass sich das Christentum aus dem Judentum entwickelt hat, nehmen so manche Menschen mit Erstaunen zur Kenntnis. Woher kommt es, dass so viele Christen noch immer nicht wissen, dass das Judentum der Ursprung des Christentums ist?
TONI FABER: Das war eine verdrehte Katechese, die sich über Jahrhunderte festgesetzt hat – durch die Gewalt, die Jüdinnen und Juden im Namen der Religion angetan wurde. Es wird vermutlich noch länger dauern, bis das aus allen Köpfen draußen ist. Aber gerade aus der schrecklichen Erfahrung der Shoah heraus muss jeder Mensch diese Barbarei begreifen und erkennen, dass der Antisemitismus mit uns zu tun hat. Niemand kann das leugnen. Niemand, der Mauthausen oder Auschwitz besucht. Oder wenn ich am Riesentor des Stephansdoms die Darstellungen des Judenhutes sehe; wenn ich weiß, was in der Gesera, der Zerstörung der Wiener jüdischen Gemeinde im Mittelalter passiert ist, in Wien vor unseren Türen, die Hinrichtungen von Jüdinnen und Juden an der Donau, wenn ich weiß, wo unsere Synagogen niedergebrannt worden sind. Die Ächtung, die Diskriminierung und sogar das Töten wurden in dem Irrglauben verübt, Gott ein wohlgefälliges Opfer darzubringen. Da ist durch die Spannungen der Anfangszeit, die Abspaltung zwischen den vielen verschiedenen Gruppierungen eine Feindschaft gewachsen. Heute sollte es durch den Religionsunterricht oder die Volksbildungsangebote in Theologie und Spiritualität selbstverständliches Wissen sein, dass wir aus demselben Stamm kommen.
DANIELLE SPERA