Wie vor Jahr und Tag - Klaus Biedermann - E-Book

Wie vor Jahr und Tag E-Book

Klaus Biedermann

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Beschreibung

Sophie arbeitet als Ärztin in Münster und folgt damit ihrer Berufung. In der Beziehung zu Michael fühlt sie sich endlich angekommen. Eines Tages wird sie von ihrer ehemaligen Kollegin Martha, die einen Griechen geheiratet hat, nach Korfu eingeladen. Dort begegnet sie Rolf, der auf der Insel als Fotograf ein beschauliches Leben führt. Beide Menschen sind mit ihrem Leben im Einklang. Dennoch geschieht es - zwar nicht auf den ersten Blick, wie das ja manchmal vorkommt - sondern die Liebe kommt wie ein lauer Frühlingswind daher, der sich allmählich zu einem heftigen Herbststurm entwickelt. Sie kommen gar nicht dazu, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen - falls es überhaupt Schutz vor der Liebe gibt.

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Seitenzahl: 237

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Meiner Großmutter Helene gewidmet

„Wir sind die Seele, als Seelen gelten für uns

weder Zeit noch Raum,

wir sind unendlich.“

(Ram Dass)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

Nachwort

„Ich atme den süßen Hauch, der aus deinem Munde kommt. Ich schaue deine Schönheit jeden Tag. Es ist mein Wunsch, dass ich deine sanfte Stimme hören möge gleich Nordwindhauch, dass mein Gebein verjüngt werden möge durch die Liebe zu dir. Gib mir deine Hände, die deinen Geist halten, auf dass ich ihn empfangen mögen und durch ihn lebe. Nenne mich bei meinem Namen ewiglich - und es wird nichts fehlen.“

(Von unbekannter Hand nachträglich in die Goldverkleidung des Sarges von Echnaton eingravierte Inschrift.)

„Die Wissenschaft von Seelengefährten ist eine unaussprechbare Wahrheit, ein Abenteuer hinein in das Teilen von Gefühlen mit einem anderen, der man in Wirklichkeit selbst ist. Je mehr ihr in Gefühlen wißt, umso mehr weiß euer Seelengefährte, weil ihr das Wissen durchlasst. Dieses Durchlassen, dieser Prozess kann in diesem Raum stattfinden, er kann, ungeachtet dessen wo der Gefährte eures Seins ist, stattfinden, weil er im Wissen stattfindet. Ihr empfangt die Gefühle davon, und ihr wisst es. Versteht ihr?“ (Ramtha)

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig - ausgenommen Sophie und Rolf.

————————-

Mein Dank gilt der Familie Mouzakitis für ihre immerwährende liebevolle Gastfreundschaft, meinem stets hilfsbereitem Freund Konstantinos Louvros,

Petra Huber und Klaus Wohlleb für die aufmerksame Leitung des OuranosClubs, Dimitris Kourkulos für sein Insiderwissen und meinem alten Schulfreund

Albert Lembach, der so manches Komma an den richtigen Platz gerückt hat.

_________________

Außerdem bedanke ich mich bei

Dimitria Gemitzoglou und Christine Yuill,

die dieses Buch ins Griechische und

Englische übersetzt haben.

________________

Vorwort

Die Romantik von Seelengefährten hält die Fantasie der Menschen seit Ewigkeiten gefangen - dass es nämlich da draußen irgendwo die eine magische Person gibt, die die Leere auszufüllen vermag und uns glücklich sein lässt: Unser perfektes Gegenstück. Fast immer glauben wir, diesen Menschen gefunden zu haben, wenn wir uns verlieben. Wir sprechen dann von der berühmten „Gleichen Wellenlänge“, einer „totalen Vertrautheit“, so, „als wenn man sich schon lange kennen würde“, etc, etc. Ich vermute einmal, dass Sie, verehrte Leser das schon erlebt haben. Ja, ich wünsche es Ihnen. Was passieren kann ist, dass man nach einer gewissen Zeit bemerkt, dass es eben nicht mehr die „berühmte“ gleiche Welle ist und der andere (es ist immer der andere) sich verändert hat. Das stimmt allerdings nicht, der andere hat sich nicht verändert, er erfüllt nur Ihre Erwartungen nicht mehr. Dann sind Sie ent-täuscht. Sie sind es also, der einer Täuschung erlegen war. Der andere hat sich nicht verändert - nur Ihr Bild von ihr oder ihm, das Sie sich in solch schönen Farben ausgemalt hatten, ist nicht mehr das Gleiche. Wenn der Partner Sie dann verlässt, stürzt Ihr Ideengebäude ein.

Liebe stellt keine Bedingungen, Liebe akzeptiert. Wenn dieses Akzeptieren nicht bei Ihnen selbst beginnt, werden Sie niemand anderen jemals akzeptieren können.

„Die Liebe is a Vogerl ... und fortgeflogen is

schnell ...

... und‘s Herz is a Käfig.“

(aus der Serie „Freud“)

KAPITEL 1

Wusstet ihr, dass sich euer Weg über Hügel, durch Täler und Schluchten winden kann, vorbei an verträumten Ebenen? Über Flüsse und Ozeane hinweg und durch murmelnde Bäche? Wusstet ihr, daß er unter dem Meer, über dem Meer hindurchführen kann? Wie werdet ihr wissen, daß ihr auf dem richtigen Weg seid? Nun, wenn ihr ein Lächeln auf eurem Gesicht tragt; wenn das, was ihr tut, euch glücklich macht. Der richtige Weg ist immer dort, wo ihr glücklich seid. (Ramtha)

Samstag

Unter einem Himmel, der meist gütig, manchmal grimmig, jedoch immer verlässlich über schattige Olivenhaine wacht und sich irgendwann mit dem strahlenden Blau des Meeres vermählt, betrat Dr. med. Sophie Leiter an einem sonnigen Tag im Mai Korfu zum ersten Mal in ihrem Leben.

In Deutschland befand sich alles ordentlich an seinem Platz. Sie liebte ihre Arbeit als Ärztin in einer Klinik in Münster und hatte damit ihre Berufung gefunden. Nach einigen Enttäuschungen war Michael vor einem Jahr in ihr Leben getreten, und er war der Mann, mit dem sie alt werden wollte. Noch führten sie eine Fernbeziehung, doch Sophie war zufrieden.

Alles entwickelte sich zum Besten.

Am Flughafen wartete Rolf in dem kleinen Café am Ende der Straße vor der Abflughalle und hatte sie bereits entdeckt, als sie mit ihrem Koffer suchend am Straßenrand stand. Viele Touristen strömten auf die zahlreichen Busse oder Taxen zu, die sie zu ihren Feriendomizilen bringen würden.

Er hatte seiner Freundin Martha versprochen, Sophie vom Flughafen abzuholen und die hatte ihm ein Foto mitgegeben.

„Damit du Sophie erkennst, komme ja nicht ohne sie, hörst du?“, hatte sie lachend gesagt. Die beiden Frauen hatten vor einigen Jahren noch in der Klinik zusammengearbeitet und waren Freundinnen geworden. Inzwischen war Martha mit einem Griechen verheiratet und führte mit ihm eine kleine Pension im Nordwesten der Insel Sophie trug Jeans, ein hellblaues Sweatshirt und rote Sneaker. Sie war sehr gespannt, wie sich Martha in einem so vollkommen anderen Leben eingelebt hatte. Während des Fluges hatte sie sich an die Abschiedsfeier in der Klinik und die netten Worte des Chefarztes Prof. Dr. Boek erinnert.

Frau Doktor Werner, mit Ihnen verliert diese Klinik eine hervorragende Ärztin, was ich sehr bedauere.

Dennoch wird hier jeder verstehen, dass Sie der Stimme Ihres Herzens folgen. Genau das macht doch eine gute Kardiologin aus. Wir haben für das Abschiedsgeschenk zusammengelegt und ich habe die Ehre, es Ihnen überreichen zu dürfen.

Martha hatte vor Rührung geweint, als sie ein faustgroßes Herz aus Porzellan in den griechischen Farben ausgepackt hatte.

„Ich danke euch so sehr“, hatte sie sich mit Tränen in den Augen bedankt, „Ihr habt recht, ich habe mein Herz in Griechenland verloren und gefunden.“

Rolf stand auf und warf den Pappbecher, aus dem er einen Frappé getrunken hatte, in den Abfalleimer.

„Sie müssen Sophie sein. Mein Name ist Rolf. Herzlich Willkommen auf Korfu. Martha hätte Sie gerne selbst abgeholt, allerdings geht es ihrer kleinen Tochter heute nicht gut, deswegen wollte sie zu Hause bleiben.“

Er zeigte ihr das Foto.

„Das wusste ich schon. Sie hat mir vor meinem Abflug in Hannover eine Nachricht mit Ihrem Bild geschickt, damit ich nicht bei einem falschen Mann ins Auto steige“, lachte sie und strich sich eine braune Locke aus der Stirn, „es ist hoffentlich nichts Schlimmes mit der Kleinen?“

„Nein, ich denke nicht, es ist etwas mit dem Magen.

Gestern war sie auf einem Kindergeburtstag … mehr sage ich nicht. Ist dies Ihr erster Besuch auf Korfu?“

„Sogar mein erster in Griechenland“, lächelte sie,

„aber Martha hat so oft von der Insel geschwärmt, da musste ich einfach herkommen. Gut, dass Sie meine Sprache sprechen, ich kann nämlich kein Griechisch, außer Iassu und Kalimera. Wo haben sie so gut Deutsch gelernt?“

„Zu Hause, ich bin aus Bonn. Vor ungefähr dreißig Jahren war ich zum ersten Mal mit meinen Eltern hier. Kurz nach dem Abi mit einem Freund in einem alten Renault 4 und später noch ein paar Mal. Vor drei Jahren bin ich dann ganz hierher gezogen.“

„So einen Wagen hatte ich auch einmal, Revolverschaltung“, sie machte lächelnd die passende Handbewegung dazu.

„Ja, genau, ein toller Wagen. Das ganze Campingzeug ging locker hinein. Dass ich Grieche bin, denken übrigens viele.“

Sie verstauten ihren Koffer nebst Handgepäck in seinem Suzuki Jeep und fuhren los.

„Wenn Sie möchten, schließe ich das Verdeck, der Fahrtwind kann kühl werden, wenn wir nachher in die Berge kommen.“

„Nein, das ist doch herrlich! Ich habe etwas Passendes dabei, lassen Sie das Auto bitte offen, dann sieht man mehr.“

Sophie zog einen großen Schal aus ihrer Tasche.

Genau in ihrer Haarfarbe, dachte er.

„Martha hat mir schon gesagt, dass ich auch warme Sachen einpacken soll.“

„Das macht für die Abende im Mai auch Sinn, obwohl er es bisher sehr gut mit uns meint. Ich muss nur noch unterwegs in einem Laden in Dassia etwas abholen, es dauert nicht lange. In einer Stunde sind wir dann in Arillas.“

„Kein Problem, ich habe Urlaub.“

Sein Smartphone klingelte.

„Es war Martha, sie wollte wissen, ob Sie gut angekommen sind, Sie haben wohl ihr Handy ausgeschaltet.“

„Ach stimmt, ich habe noch den Flugmodus drin.

Ich ändere das sofort.“

„Sie meint, wir sollten irgendwo einen Kaffee trinken, weil sie noch ihr Apartment herrichten möchte.

Wegen Maria kam sie nicht dazu. Wenn das für Sie in Ordnung ist.“

„Klar, gerne, wie geht es der Kleinen?“

„Wieder besser, sie hat sich den Magen verdorben, wie ich mir schon dachte.“

Er hatte während der Fahrt in den Nordwesten der Insel irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft sie ihrem Entzücken Ausdruck verliehen hatte.

Sie fuhren durch ein Blütenmeer von Ginster, dunkelrotem Mohn inmitten knorriger Olivenhaine, Hecken von orangenen Wandelröschen, riesigen Oleanderbüschen und Wiesen voller Mittagsblumen und Löwenmaul. Die Luft war erfüllt vom Duft der Pflanzen.

„Diese Blütenpracht!“, rief Sophie begeistert aus.

„Ja, selbst im September blüht es noch, da der Wind genügend Feuchtigkeit von den albanischen Bergen und dem griechischen Festland mit sich bringt und es ab und zu auch regnet.“

Diese Insel, die Rolf blind an ihrem Geruch erkennen würde, betrachtete er schon lange als seine Heimat.

Nach dem kurzen Abstecher in Dassia machten sie in Dafni halt.

Als Sophie von der Terrasse des Cafés Melisito in die hügelige Landschaft blickte, tat sie das auf eine solch intensive Art und Weise, die ihn erahnen ließ, dass es weit mehr war, als das bloße Staunen einer Touristin, die zum ersten Mal Korfu besucht. Diese Zauberinsel, die oft umkämpfte Sichel im Ionischen Meer, die schon Königinnen und Kaiser in ihren Bann gezogen hat, berührte auch sie.

Jetzt schweifte ihr Blick über ein weites grünes Tal zu sanft geschwungenen Hügeln, aus deren Olivenhainen stolze Zypressen wie stumme Wächter ragen, bereit, jedem Feind die Stirn zu bieten. Kleine Dörfer klammern sich an Berghänge, die irgendwann am Meer enden, um bald darauf schroffer und steiler mit den albanischen Bergen Eins zu werden.

Sie drehte sich lachend zu ihm um und ihre braunen Augen leuchteten.

„Ist das schön hier!“

„Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.“

„Gefällt? Es ist viel mehr als nur gefallen ... es ist einfach traumhaft! Ich kann Marthas Liebe zu dieser Insel jetzt schon verstehen.“

„Wie lange bleiben Sie?“

„Zwei Wochen, nein fünfzehn Tage sogar! Ich kann gar nicht glauben, dass ich mir das leiste.“

„Oh, dann sind Sie zum Namenstag von Marthas Mann und seiner Cousine Helena ja noch hier. Der ist in Griechenland viel wichtiger, als der Geburtstag. Das gibt eine große Party.“

Bei einer Tasse Cappuccino und einem Stück Kuchen meinte Sophie: „Ich habe noch nie einen so guten Zitronenkuchen gegessen. Genau richtig die Kombination von Baiser und Zitrone. Nicht zu süß und nicht zu sauer. Sicher sind das Zitronen von den Bäumen dort hinten.“

„Das kann gut sein, der Apfelkuchen ist auch sehr gut.“

Sophie lachte. „Eine Mastkur wollte ich eigentlich nicht machen.“

„Vielleicht kommen Sie ja noch einmal hierher und probieren ihn, es ist nicht weit von Ihrem Apartment.“

„Also das mache ich bestimmt ... alleine schon wegen der Aussicht. Wollen wir uns nicht duzen? Wir sind beide Freunde von Martha.“

„Gerne, Sophie, das ist in der Regel auch üblich, es ist ziemlich locker hier, wenn man sich an die Gepflogenheiten der Griechen hält. Man darf es sich allerdings auch nicht mit ihnen verscherzen.“

„Na, dann lasse ich mir vorsichtshalber alles von Martha erklären.“

Er schaute auf sein Smartphone.

„Wir können fahren, dein Zimmer ist fertig. Martha freut sich sehr, es ist nicht mehr weit, ein paar Kilometer noch.“

„Dann los, ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen, mir hat sie auch gerade geschrieben. Den Kaffee und den Kuchen übernehme ich, wenn du nichts dagegen hast.“

„Danke, das nehme ich gerne an!“

„Ganz schön holprig hier“, meinte Sophie etwas später, „jetzt verstehe ich auch, warum du einen Jeep hast … bei diesen Straßen.“

KAPITEL 2

Der „springende Punkt“ ist, das Leben sollte nicht aus einem Prozess des Suchens bestehen; es ist ein zulassendes Geschenk; Herumzulaufen und nach jemandem zu suchen, der eure Löcher abdichtet, nach jemandem zu suchen, der euren Tag leuchtender macht, bringt einfach nichts. Wenn ihr nicht die Morgensonne beobachten oder ganz allein wie eine Elfe unter den Sternen tanzen könnt, wird jemand anderer es auch nicht verbessern. Begreift ihr das? (Ramtha)

Als sie die Auffahrt hinauffuhren, sahen sie die kleine Familie im Eingang des Hauses stehen.

Martha hatte ihre Tochter auf dem Arm und winkte aufgeregt.

Sophie meinte freudestrahlend: „Ich freue mich so, sie wiederzusehen. Fünf Jahre sind eine lange Zeit.“

Eine Aussage, die sie ein paar Tage später so nicht mehr treffen würde.

„Sophie“, rief Martha aus, „es ist einfach schön, dass du es geschafft hast, herzukommen. Ich freue mich riesig! Wir haben uns so lange nicht gesehen!

Darf ich dir meinen Mann Kostas und unsere Tochter Maria vorstellen?“

Das ist der richtige Mann für Martha, und Maria ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, dachte Sophie, nachdem auch Kostas sie lachend umarmt hatte.

„Herzlich Willkommen in meiner Heimat, Sophie!

Martha hat mir viel von Ihnen erzählt ... schön, dass Sie da sind. Sie glauben gar nicht, welche Freude Sie meiner Frau damit machen … und mir natürlich auch.“

„Vielen Dank! Sie sprechen ja auch Deutsch, Kostas, wie angenehm für mich. Wollen wir nicht Du zueinander sagen? Ich fände es komisch, wenn ich nur Martha duze.“

„Natürlich. Ich spreche deine Sprache. Ich habe zehn Jahre lang bei ThyssenKrupp in Duisburg gearbeitet. Danach habe ich hier auf dem Land meiner Großeltern die Pension gebaut ... und dann kam Martha in mein Leben, wie ein schöner bunter Schmetterling.“

Kostas gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange.

„Als sie hier ein Seminar besucht hat, nicht wahr?

Sie hat mir davon berichtet.“

Martha grinste: „Ja, Sophie, das war das beste Seminar meines Lebens. Die letzten beiden Abende hatte ich allerdings geschwänzt.“

„Soll ich den Grund erraten?“

„Nein, das brauchst du nicht, er steht ja vor dir. Warte, ich hole noch den Schlüssel und bringe dich zu deiner Wohnung.“

Nachdem Rolf das Gepäck aus dem Auto geholt und in Sophies Zimmer gebracht hatte, schaute er sich in dem Apartment um, das Martha ihrer Freundin gerade mit Stolz gezeigt hatte. Es war Teil eines eingeschossigen, in blassgelber Farbe gestrichenen Hauses, mit vier separaten Eingängen. Es bestand aus einem geschmackvoll eingerichteten Wohnraum und einer kleinen abgetrennten Küche, einem Bad mit Dusche nebst einem Schlafzimmer mit großem Doppelbett.

„So, ich lasse dich jetzt in Ruhe auspacken“, meinte Martha, „und hole dich nachher ab … oder kommt einfach rüber, wenn du fertig bist.“

Rolf war noch nie in Marthas Pension gewesen, immer nur im Privathaus, das ein kleines Stück weiter im Olivenhain lag.

„Nett hast du es hier, Sophie, die anderen Apartments sind bestimmt auch bald alle belegt. Die Seminarsaison hat nämlich schon begonnen. Martha und Kostas vermieten an Gäste des Ouranosclubs.“

„Ja, das hat sie mir erzählt. Wahrscheinlich werde ich mich sowieso kaum hier aufhalten, sondern den ganzen Tag am Strand liegen und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen oder mit Martha die Insel erkunden“, lachte Sophie, „ich springe schnell unter die Dusche und ziehe mir etwas anderes an.

Du kannst gerne schon gehen, ich komme dann nach.“

„Ich warte draußen auf dich.“

Er trat durch die offene Tür des Wohnzimmers auf die Terrasse. Das Haus lag am Rande des Olivenhains und durch die Bäume hindurch, konnte man das Meer mit einer kleinen vorgelagerten Insel sehen. Das Sonnenlicht ließ die Blätter der Oliven in dem leichten Wind silbrig schimmern. Plötzlich verschwamm alles vor seinen Augen ... seine Lider schlossen sich von selbst, dann tauchten Bilder vor seinem inneren Auge auf.

**********

„Nikos, beeile dich, die Oliven müssen am Nachmittag in Kassiopi sein! Bringe sie sofort zur Presse und trödle nicht wieder im Hafen herum, hörst du?“

Sein Vater hilft ihm, die schweren Säcke mit den schwarzen Früchten, auf dem Rücken des Esels zu befestigen. Nikos bedauert das Tier, obwohl er weiß, dass es stark ist. Kalter Nebel steigt vom Tal herauf und er fröstelt. In der Ebene, wird es in der Aprilsonne wärmer sein.

Die letzten Wochen hat er damit verbracht, mit seiner Mutter die Oliven zu ernten. Viele Bäume haben sie nicht und einen Teil der Ernte haben sie dem reichen Angelos Pachis, abgeben müssen, so wie alle anderen Bauern der Gegend auch. Er weiß, dass dessen Reichtum aus Venezien kommt. Zehn Goldstücke hatte jeder Landbesitzer erhalten, wenn er hundert Bäume pflanzte … und Angelos Pachos besitzt sehr viel Land.

Die Besuche im Kloster auf dem Gipfel des Pantokrator müssen ausfallen und die Schule hat während der Erntezeit geschlossen - die beiden einzigen Dinge, die er liebt.

Er bückt sich zu seinem jungen Hund hinunter, krault und streichelt ihn.

„Kleitos, eines Tages werden wir reich sein, nicht wahr, dann bekommst du ein Bett aus Seide und jeden Tag einen Braten, das verspreche ich dir.“

Kleitos ist sein ganzer Stolz und bester Freund, natürlich neben Spiros, mit dem er die Schulbank drückt. Die Liebe zu Büchern und den Schriften des großen Homer verbindet die beiden. Sie sind die einzigen in der Schule, die wirklich gut lesen können. Eine Kunst, die sein Vater brotlos nennt. Was sie nicht in der Schule lernen, bringt ihnen in Ypsilos Pantokratoras der Mönch Angelos bei. Wie er ihnen erzählt hat, wurde das Kloster schon Mitte des Fünften Jahrhunderts als Einsiedelei gegründet. Der Asket Artemios Paisios ist dort oben sogar in Stein gehauen, er soll das selbst gemacht haben. Angelos verbringt geduldig viele Stunden mit den Freunden, in denen sie die Bibel und andere alte Schriften lesen. Während dieser Zeit war sein Wunsch entstanden, eines Tages Priester zu sein. Das ist sein großes Geheimnis. Natürlich hat sein Vater andere Pläne.

Bald ist er dreizehn und damit alt genug, die Schafe des Dorfes alleine zu hüten. Ein Zubrot, das die Familie gut gebrauchen kann. Das weiß er. In vier Monaten ist wieder Kirchweih auf dem Berg und viele Menschen aus den Dörfern der Umgebung werden dort sein. Vielleicht kann er dann einmal ein paar Worte mit Helena wechseln. Manchmal lächelt sie ihm in der Schule zu. Spiros hat ihn neulich ausgelacht. „Du wirst ja immer ganz rot, wenn sie dich anschaut. Bist du etwa verliebt?“

Das ist natürlich Unsinn, denn sie ist die Tochter des reichsten Mannes und er selbst gehört zu den ärmsten hier.

„So, jetzt beeil dich“, wird er vom Vater aus seinen Träumen gerissen, „und sieh´ zu, dass du zur Nacht zu Hause bist. Du weißt, dass Mutter sich sorgt.“

Das Öllagerhaus ist ein niedriges Steingebäude mit einem Boden aus gestampfter Erde. Er ist nicht der einzige hier, der die wertvolle Fracht liefert. In langen Reihen stehen meist bunt gekleidete Frauen mit Körben und warten darauf, dass ihre Oliven gewogen werden. Die Steinbunker füllen sich langsam.

Zwei Esel sind bereits an einem großen Mühlstein gebunden, den sie stundenlang in Bewegung halten werden. Doch er hat keine Zeit mehr, sich das anzuschauen.

Nachdem seine Fracht gewogen ist, bekommt er von einem griesgrämig dreinschauenden Mann einen schmutzigen Zettel. Sorgfältig steckt er den wertvollen Beleg in die Hosentasche, in der noch kein Loch ist. Er treibt sein Tier an der hölzernen Presse vorbei, in der Männer die schwarz-graue Masse später stapeln werden. Er kennt das noch vom letzten Jahr, als er das erste Mal, ohne seinen Vater hier gewesen war.

Da er sich sehr genau an die Tracht Prügel erinnern kann, die er bezogen hatte, weil er zu spät nach Hause gekommen war, beeilt er sich, denn er will noch einen Abstecher zum Hafen machen. Er liebt es, die großen Segler zu betrachten, die voll beladen mit großen Fässern des kostbaren Öls täglich auslaufen. Damit werden, wie er weiß, die Straßen Venezias beleuchtet. Eines Tages wird er das alles mit eigenen Augen sehen, verspricht er sich auch dieses Mal. Es ist bereits später Nachmittag, als er die letzten Häuser der Stadt, denen man die Armut ihrer Bewohner ansieht, passiert. Er schwingt sich auf den Esel und treibt ihn an. Hunde laufen ihm kläffend hinterher.

**********

Rolf wurde vom Bellen eines Hundes aus seinem Tagtraum gerissen.

Sophie hatte ihren Koffer inzwischen ausgepackt und war ebenfalls auf die Terrasse getreten.

„Geht es dir gut?“, fragte sie besorgt.

Er drehte sich langsam zu ihr um.

„Ja ... ja, mir geht es gut, danke.“

Wo war er denn gerade?, dachte sie, meilenweit weg jedenfalls.

„Sophie, wo bleibt ihr denn?“ Martha kam lachend auf sie zu und die Freundinnen umarmten sich.

„Wir warten mit Kaffee und Kuchen, und meine Schwiegereltern wollen dich unbedingt kennenlernen. Sie haben uns später zum Abendessen eingeladen. Du siehst, dein erster Tag ist bereits verplant.“

„Oh, wir hatten gerade erst Kuchen. Dir zuliebe werde ich noch ein kleines Stück essen. Ob ich am Abend noch etwas schaffe, weiß ich allerdings nicht.“

„Ach, bis dahin hast du wieder Appetit, in Griechenland isst man spät. Rolf, du bist selbstverständlich eingeladen, ich bin dir noch die Taxigebühr schuldig. Danke, dass du Sophie abgeholt hast.“

„Das ist nett von dir Martha, doch ich habe zu Hause noch zu tun und ihr habt euch sicher eine Menge zu erzählen“, und an Sophie gewandt, „wir begegnen uns bestimmt bald wieder, der Ort ist nicht groß. Der Strand von Arillas ist wunderschön und das Wasser bereits angenehm. Nachmittags bin ich meist in der Ammos Beach Bar. Die findest du direkt am Strand ... also wenn du einmal Lust auf einen Kaffee hast.“

„Gerne, ich möchte außerdem so viel wie möglich von der Insel kennenlernen.“

Martha lachte: „Rolf ist der beste Reiseführer, den ich kenne, er hat bestimmt mehr von Korfu gesehen als Kostas, und der ist hier geboren. Stimmt's, Rolf?“

„Ich glaube, du hast recht. Zumindest was den Nordteil der Insel betrifft. In den Süden komme ich nicht allzuoft, obwohl es dort ganz zauberhafte Sandstrände mit Dünen und hohen Wellen gibt. Es ist jedoch einiges an Fahrerei und in der Saison sind mir dort zu viele Touristen.“

„Na, wenn du so über Rolfs Zeit verfügen kannst, nehme ich das Angebot gerne an“, lächelte Sophie und zwinkerte Martha zu.

„Oh, entschuldige Rolf“, meinte Martha, „ich wollte nicht vorgreifen, tut mir leid. Komm doch später noch rüber, wir haben genug für alle da. Du kennst ja die Mengen, die Kostas Mama auftischt.“

„Vielen Dank für die Einladung, Martha, aber ich habe schon eine Verabredung für den Abend. Reiseführer spiele ich gerne, ich habe im Moment viel Zeit. So, jetzt muss ich los. Macht’s gut ihr Beiden.“

KAPITEL 3

Es gibt einige unter euch, die schrecklich unglücklich sind. Ich sehe es in euch. Nun, ich habe kein Mitleid mit euch, weil ich einem umfassenderen Verständnis nach erkenne, dass ihr es so festgelegt habt, es so wolltet! Ihr wollt euch fühlen, wie ihr euch fühlt. Erst wenn ihr wollt, dass es anders ist, wird es sich verändern. Nichts, niemand, keine Macht kann eure verstockte Geisteshaltung verändern. Denn, seht ihr, der Schlüssel zur Türe des Verstehens steckt auf eurer Seite der Tür. Ihr seid ein Gott, und was immer ihr für euer Königreich wünscht, so ist es! Dieses erhabene und einzige Gesetz kann niemals bestritten oder umgestoßen werden. Versteht ihr? (Ramtha)

Ursprünglich war Arillas ein typisches Fischerdorf, das in den letzten Jahrzehnten unaufhaltsam gewachsen ist. Als Rolf mit seinen Eltern zum ersten Mal hier gewesen war, gab es lediglich ein Hotel und zwei Tavernen. Das Graziella am Ende des Strandes mit seinem freundlichen Seniorchef Thomaso Bardis und dessen Söhnen Kostas und Aristides, die heute noch dort über alles wachen.

Die zweite Taverne, die heute Brouklis heißt, war das Gravia, benannt nach der kleinen vorgelagerten Insel. Unbedingt sollte man hier einkehren.

Dimitris, der Sohn des früheren Besitzers Spiros Kourkulos, hat irgendwann das Restaurant nach seinem Großvater Brouklis umbenannt. So wurden früher die Griechen genannt, die im New Yorker Stadtteil Brooklyn ihr Glück suchten. Neben seiner Arbeit als Gastronom setzt sich Dimitris für den Umweltschutz ein und hat in der Gemeinde Arillas schon sehr viel erreicht.

Egal woher ein Gast kommt, er wird sehr wahrscheinlich von ihm in der eigenen Landessprache begrüßt. Dazu gibt es leckere Gerichte und als Beilage kleine Anekdoten aus dem Leben in und um Arillas.

Jetzt gibt es hier keinen hauptberuflichen Fischer mehr. Dafür warten diverse Cafés, drei Hotels, ein Bootsverleih, ein Friseur, Autovermietungen und Reisebüros, Minimärkte und Souvenirläden auf Kundschaft. Bei einem Bummel durch den Ort sind viele Sprachen zu hören. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner lebt von Mai bis Oktober vom Tourismus und im Winter von etwas Landwirtschaft und Fischerei. Dadurch, dass sich der Tourismus auf private Pensionen und die familienbetriebenen Hotels beschränkt, ist Arillas ein beliebtes Ziel für Individualreisende. Besonders auffällig ist die herzliche Atmosphäre vor Ort, was für ganz Korfu gelten dürfte.

Arillas gilt auch als das Spirituelle Zentrum Korfus.

Es gibt einige Seminarzentren die von Mai bis Oktober mannigfache Programme mit internationalen Seminarleitern anbieten. Für jeden Geschmack wird etwas geboten. Hervorheben kann man sicher den alt eingesessenen Ouranos Club, geleitet von dem Ehepaar Petra und Klaus Wohlleb-Huber und das Alexis Zorbas, das die Freunde Pari und Anadi vor mehr als zwanzig Jahren gegründet haben. Das Mythos kam vor ein paar Jahren dazu. Es wird von Gerda und Jochen geleitet, zwei Deutschen, die schon lange auf der Insel leben.

Man muss aber nicht gleich ein Seminar buchen. Im Ouranos Club ist es möglich, an dem dort angebotenen Programm ganz zwanglos teilnehmen. Dazu gehören Mal– und Bildhauerkurse im Olivenhain unter Anleitung der griechischen Künstlerin Dimitra Klironomou, Yogakurse oder Mantrasingen, Buchlesungen, Tanzabende, Familienaufstellungen und vieles mehr. Das alles mit einem hervorragenden und liebevoll angerichteten Essen aus der biologisch vegetarischen Küche.

Es scheint, als würde jedes Jahr mindestens ein neuer „spiritueller“ Club aus dem Boden sprießen.

Diese neuen Zentren tragen nun keine griechischen Namen mehr (so wie der Ouranos, das Alexis Zorbas und das Mythos) sondern sie heißen „Dharma“,

„Gayatri“ oder „Buddhahall“. Die Betreiber und ihre Gäste kleiden sich meist in traditionelle indische Kleidung, errichten Buddha-Statuen, und werben mit den verschiedensten Formen von Meditation, die am Strand oder an anderen öffentlichen Orten durchgeführt werden. Dies ist vor allem für die älteren doch sehr orthodox geprägten Einheimischen zumindest befremdlich.

Als zu Beginn der 80er Jahre die ersten Tantragruppen stattfanden, deren Teilnehmer des öfteren nackt am Strand herumliefen, gab es in vielen griechischen Familien Diskussionsstoff. Auch als immer mehr Touristinnen oben ohne oder sogar nackt badeten und sich sonnten, fühlten sich die einheimischen Frauen oft brüskiert. Die Männer mögen das anderes gesehen haben. So manch einen konnte man mit einem Fernglas bewaffnet auf dem Hügel über dem Strand antreffen.

Martha, deren Haus unweit des Ouranos Clubs lag, hatte den Tisch auf der Terrasse bereits gedeckt, als Sophie hereinkam. Kaffee und Kuchen standen bereit. Ein mittelgroßer brauner Hund mit einem weißen Fleck auf der Brust kam schwanzwedelnd auf sie zu und beschnüffelte sie neugierig. Sophie kniete nieder und streichelte ihn.

„Ich habe nicht geläutet. Die war Haustür offen. Ich hoffe das ist ok, dass ich einfach so reingeschneit bin.“

„Natürlich, bitte fühle dich hier wie zuhause. Unsere Türen schließen wir selten, besonders bei schönem Wetter, dann kann die Luft durchziehen. Theo lässt jeden rein. Als der liebe Gott die Wachhunde erschaffen hat, war er wohl gerade beim Spielen“, lachte sie. „Wie ich mich freue. Komm setz dich dorthin, dann hast du einen besonders schönen Blick.“

„Diese Insel sieht aus wie ein Drache, der im Wasser liegt und schläft. Schau, links die Schnauze und rechts der Schwanz.“

Sophie zeigte aufs Meer hinaus.

„Ja, das stimmt, sie heißt übrigens Gravia. Komm, greif zu, Kostas bringt die Kleine zum Ballettunterricht. Wir haben also eine Stunde ganz für uns. Den Kuchen hat meine Schwiegermutter gebacken, den musst du probieren. Blau steht dir übrigens sehr gut.“

„Danke, ist mal was anderes als Klinikweiß oder dunkelgrün, nicht wahr“, meinte Sophie, „es ist so schön bei euch! Du bist ständig im Urlaub. Vielen Dank nochmal für die Einladung, Martha!“