Winnetou. Dritter Band - Karl May - E-Book

Winnetou. Dritter Band E-Book

Karl May

4,8

Beschreibung

Nach vielen spannenden Erlebnissen unter den Komantschen und in Kalifornien setzt die Erzählung vom Leben und Sterben des edlen Häuptlings dem ganzen indianischen Volk ein unvergängliches Denkmal. Der Bericht über das Testament des Apatschen beschließt das tragische Geschehen. Die vorliegende Erzählung spielt in der ersten Hälfte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunders. "Winnetou. Dritter Band" gehört zu einer dreiteiligen Reihe. Weitere Bände: "Winnetou. Erster Band" (Band 7) und "Winnetou. Zweiter Band" (Band 8)

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 9

WINNETOU

DRITTER BAND

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Nach der Fassung von 1962 neu herausgegeben

von Lothar und Bernhard Schmid

© 2001 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1509-3

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

1. Der Mann ohne Ohren

Ich hatte seit dem frühen Morgen eine tüchtige Strecke zurückgelegt. Jetzt fühlte ich mich einigermaßen ermüdet und von den kräftigen Strahlen der hoch im Zenit stehenden Sonne belästigt. Deshalb beschloss ich, Rast zu halten und mein Mittagsmahl zu mir zu nehmen. Die Prärie dehnte sich, eine Bodenwelle nach der anderen bildend, in unendlicher Weite vor mir aus. Seit unsere Gesellschaft vor fünf Tagen durch einen starken Trupp von Ogellallah-Sioux zersprengt worden war, hatte ich weder ein nennenswertes Tier noch die Spur eines Menschen entdeckt und begann mich nun nach irgendeinem vernünftigen Wesen zu sehnen, an dem ich erproben konnte, ob mir nicht vielleicht infolge des lang anhaltenden Schweigens die Sprache verloren gegangen sei.

Einen Bach oder sonst ein Wasser gab es hier nicht, Wald oder Buschwerk ebenso wenig. Ich brauchte also nicht lange zu wählen und konnte Halt machen, wo es mir beliebte. So sprang ich in einem Wellental zur Erde, hobbelte1 meinen Mustang an, nahm ihm die Decke ab und stieg die kleine Bodenerhebung hinan, um mich dort niederzulassen. Das Pferd musste unten bleiben, damit es im Fall einer feindlichen Annäherung nicht bemerkt wurde. Ich selbst aber musste den erhöhten Punkt wählen, um die Gegend überblicken zu können, während es nicht leicht möglich war, mich zu sehen, wenn ich mich auf den Boden legte.

Gute Gründe veranlassten mich, vorsichtig zu sein. Wir waren in einer Gesellschaft von zwölf Männern vom Ufer des Platte aufgebrochen, um im Osten der Felsenberge nach Texas hinabzugehen. Zur gleichen Zeit hatten die verschiedenen Stämme der Sioux ihre Lagerdörfer verlassen, weil einige ihrer Krieger von Weißen getötet worden waren und sie nun Rache nehmen wollten. Wir wussten das, fielen aber trotz aller Vorsicht in ihre Hände und wurden nach einem harten blutigen Kampf, wobei fünf von uns das Leben ließen, in alle Richtungen über die Prärie zerstreut.

Da die Indsmen aus meiner Fährte, die ich nicht ganz verwischen konnte, wohl ersehen hatten, dass ich nach Süden ritt, war mit Sicherheit anzunehmen, dass sie mir folgen würden. Es galt also, die Augen offen zu halten, wenn man nicht gewärtig sein wollte, sich eines Abends in die Decke zu wickeln und am Morgen dann ohne Skalp in den Ewigen Jagdgründen zu erwachen.

Ich legte mich nieder, langte ein Stück getrocknetes Büffelfleisch hervor, rieb es in Ermangelung von Salz mit Schießpulver ein und versuchte, es mit den Zähnen in einen Zustand zu bringen, der es mir ermöglichte, die lederharte Masse in den Magen zu befördern. Dann nahm ich eine von meinen ‚Selbstgefertigten‘, steckte sie in Brand und blies Rauchfiguren mit einem Behagen, als wäre ich ein virginischer Pflanzer und rauchte die mit Glanzhandschuhen ausgezupften Herzblätter des besten Goosefoot.

Noch hatte ich nicht lange so auf meiner Decke gelegen, als ich einmal ohne jede Absicht hinter mich blickte und einen Punkt am Horizont bemerkte, der sich in einem spitzen Winkel zu der von mir verfolgten Richtung gerade auf mich zu bewegte. Ich schlüpfte von der Erhöhung so weit herab, dass mein Leib durch sie völlig verdeckt wurde, und beobachtete die Erscheinung, in der ich allmählich einen Reiter erkannte, der nach Indianerart auf dem Pferd weit vornüberhing.

Als ich ihn zuerst gewahr wurde, war er wohl anderthalb englische Meilen2 von mir entfernt. Sein Pferd ging in einem so langsamen Schlendertempo, dass es beinahe eine halbe Stunde brauchte, um eine Meile zurückzulegen. Wieder in die Ferne spähend, woher er kam, entdeckte ich zu meiner Überraschung noch vier Punkte, die sich genau auf seiner Fährte hielten. Das musste nun erst recht meine Aufmerksamkeit erregen. Der einzelne Reiter war ein Weißer, wie ich jetzt an der Kleidung untrüglich erkannte. Waren die anderen vielleicht Indianer, die ihn verfolgten? Ich zog mein Fernrohr hervor. Richtig, ich hatte mich nicht geirrt. Sie kamen näher und ich konnte durch das Glas an ihrer Bewaffnung und Bemalung erkennen, dass sie zu den Ogellallahs, dem kriegerischsten und grausamsten Stamm der Sioux, gehörten. Sie waren sehr gut beritten, während das Pferd des Weißen ein minderwertiges Tier zu sein schien.

Der Reiter war von kleiner, hagerer Gestalt und trug auf dem Kopf einen alten Filzhut ohne Krempe, ein Umstand, der in der Prärie nicht auffallen konnte, hier aber einen Mangel hervorhob, der mir besonders auffällig scheinen musste; der Mann hatte nämlich keine Ohren. Die Stellen, wo sie sich befinden sollten, zeigten die Spuren einer gewalttätigen Behandlung. Sie waren ihm jedenfalls abgeschnitten worden. Um die Schultern hing ihm eine ungeheure Decke, die den Oberleib völlig verhüllte und kaum die dürren Beine erkennen ließ, die in einem Paar so eigentümlicher Stiefel steckten, dass man in Europa darüber gelacht hätte. Sie waren nämlich von der Art, wie sie die Gauchos in Südamerika zu fertigen und zu tragen pflegen. Man zieht von einem enthuften Pferdefuß die Haut ab, steckt, solange sie noch warm ist, das Bein hinein und lässt sie daran erkalten. Die Haut legt sich eng und fest an Fuß und Unterbein und bildet so eine vortreffliche Fußbekleidung, die allerdings die Eigentümlichkeit hat, dass man damit auf seinen eigenen Sohlen geht. Am Sattel hatte der Unbekannte ein Ding hängen, das jedenfalls eine Büchse sein sollte, aber eher einem Knüttel ähnlich sah, wie man ihn gerade im Wald findet. Sein Pferd war eine alte kamelbeinige Stute, der die Schweifhaare gänzlich fehlten. Ihr Kopf war unverhältnismäßig groß und die Ohren besaßen eine Länge, worüber man hätte erschrecken können. Das Tier sah aus, als wäre es aus verschiedenen Körperteilen von Pferd, Esel und Dromedar zusammengesetzt. Es beugte beim Gehen den Kopf tief zur Erde und ließ dabei die Ohren wie ein Neufundländer Hund hart am Kopf herabhängen, als wären sie ihm zu schwer.

Unter anderen Verhältnissen oder als Neuling hätte man über Reiter und Pferd wohl lachen müssen, mir aber kam der Mann trotz seines sonderbaren Äußeren doch vor wie einer jener Westmänner, die man erst kennenlernen muss, um ihren Wert zu beurteilen. Er hatte wohl keine Ahnung, dass ihm vier von den fürchterlichsten Feinden des Präriejägers so nahe waren, sonst hätte er nicht so langsam und sorglos seinen Weg verfolgt oder hätte sich doch wenigstens zuweilen nach ihnen umgeschaut.

Er war jetzt bis auf hundert Schritt herangekommen und hatte meine Fährte erreicht. Wer sie eher bemerkte, er oder sein Pferd, das vermochte ich nicht zu sagen, aber ich sah deutlich, dass die Stute von selber stehen blieb, den Kopf noch tiefer als vorher zur Erde senkte, mit den Augen auf die Fußspuren meines Mustangs schielte und dabei lebhaft mit den langen Ohren wedelte, die bald auf und nieder gingen und sich bald vor- und rückwärts legten, sodass es aussah, als sollten sie von einer unsichtbaren Hand aus dem Kopf gedreht werden. Der Reiter wollte absteigen, um die Fährte genau zu untersuchen. Dabei hätte er unnütz kostbare Zeit verloren und so kam ich ihm mit meinem Ruf zuvor:

„Hallo, Mann! Bleibt im Sattel und kommt ein wenig näher heran!“

Ich hatte meine Stellung so verändert, dass er mich sehen konnte. Seine Stute hob sogleich den Kopf, legte die Ohren steif vor, als wollte sie meinen Anruf wie einen Ball auffangen, und wedelte dabei emsig mit dem kurzen, nackten Schweifstumpf.

„Hallo, Sir“, antwortete er, „nehmt ein andermal Eure Stimme in Acht und brüllt ein wenig leiser! Auf dieser alten Wiese hier weiß man niemals, ob es nicht vielleicht hier oder da Ohren gibt, die nichts zu hören brauchen. Komm, Tony!“

Die Stute setzte auf diesen Zuruf ihre schier unendlichen Beine in Bewegung und blieb dann ganz von selbst bei meinem Mustang stehen, dem sie nach einem hochmütigen und hämischen Blick den Teil ihres Körpers zukehrte, den man bei einem Schiff den Stern zu nennen pflegt. Sie war wohl eines jener Reittiere, die – in der Prärie keine Seltenheit – nur für ihren Herrn leben, sich jedem anderen aber so widerspenstig zeigen, dass sie für ihn unbrauchbar sind.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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