Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik nach SARS Covid 19 - Uwe Petersen - E-Book

Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik nach SARS Covid 19 E-Book

Uwe Petersen

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Beschreibung

Die größten Herausforderungen, die die Menschheit bereits zu bewältigen hat, sind: -die Umweltverschmutzung, und dazu gehört auch -die Weltklimaveränderung, und zwar insbesondere soweit sie auf Handlungen der Menschen zurückzuführen ist, -die sich verschärfenden wirtschaftlichen Probleme und die daraus erwachsenen Spannungen und jetzt auch noch -die Pandemie SARS Covid 19 und das wachsende Bewusstsein, dass weltweit Krankheiten, aber auch -Kriege, Erdbeben und Vulkanausbrüche sowie Sonnenwinde durch Störung der digitalen Netze Weltkatastrophen auslösen können. Alle diese Entwicklungen verstärken sich mehr oder weniger gegenseitig und sind maßgebend auch Folgen menschlichen Handelns. Erforderlich ist ein Paradigmenwechsel. Handlungsmotive dürfen nicht sein: -Optimierung des Shareholder Value, sondern eine langfristige Unternehmensplanung mit am Kundeninteresse und an einer angemessenen Beteiligung am Wirtschaftserfolg interessierten Mitarbeitern, -einseitige Verfolgung nationaler Ziele, sondern des Wohls der Menschheit insgesamt, zu dem ein nationaler und der Leistung entsprechend vergüteter Beitrag geleistet wird. Denn jedes Problem in der Welt berührt mehr oder weniger jeden. Ohne das Gesamtwohl der Welt zu berücksichtigen, entstehen Konflikte bis hin zur Gefahr von Atomkriegen sowie Flüchtlingsströme und Krankheiten, -unbeschränkte Ausbeutung und Verschmutzung der Natur, sondern ihre Erhaltung und Pflege, auch als Bedingung für das eigene Leben. Die Folgen der Pandemie verschärfen alle angeführten Probleme. Die Pandemie wird uns daher entweder dazu bringen, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, oder weitere Krisen werden folgen. Was dieser Paradigmenwechsel für die Wirtschaftspolitik nach der Pandemie bedeutet, soll in dieser Schrift versucht werden zu erarbeiten.

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Autor: Uwe Petersen

Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik nach SARS Covid 19

zur Sanierung und als Chance zur Weiterentwicklung der Wirtschaft und des Weltfriedens

Umschlagsgestaltung:

Reinhard Büttner Design & Konzeption

Erscheinungsjahr Dezember 2020

ISBN: 978-3-7482-4415-8 (Paperback)

978-3-7482-4416-5 (Hardcover)

978-3-7482-4417-2 (e-Book)

Verlag & Druck: tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Bibliografische Informationen der großen deutschen Nationalbibliothek: die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der großen deutschnationalen Biografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:

Wir können immer weniger nur unserem

persönlichen Vorteil leben

und den gesellschaftlichen Ausgleich dem Markt

und die Umweltbelastungen der Natur überlassen.

Die Wirtschaftsprobleme und Umweltschäden

spiegeln die Grenzen der Selbstbezogenheit

der Menschen und Völker.

Inhalt

Einleitung

A. Die weltwirtschaftliche Entwicklung vor und während der Pandemie SARS Covid 19.

I. Die Veränderungen des Weltklimas und die daraus erwachsenden Probleme

II. Weltweit ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung und daraus erwachsende Probleme und die Gründe, warum abgesehen von den Krisen Rezessionen verhindert werden konnten

1. Die Kompensation zu hoher privater Ersparnisse durch Staatsausgaben

2. Eine traditionell niedrige Sparquote und hohe Staats- und insbesondere Militärausgaben mindern die Rezessionsgefahr in den USA

2.1 Die in den USA im Verhältnis zu anderen Ländern relativ geringe Sparrate verringert eine potentielle Nachfragelücke

2.2 Die Gefahr einer zu großen Nachfragelücke und daraus resultierend eine Rezession wurde in USA auch durch hohe Staatsausgaben und eine steigende Staatsverschuldung verhindert

2.3 Durch Kapitalmarktspekulationen wurden Investitionen und zusätzlicher Luxuskonsum begünstigt

3. Exportüberschussländer wie Deutschland, China und Japan ersetzen die fehlende Inlandsnachfrage durch überschüssige Nachfrage aus dem Ausland

3.1 Zu niedrige inländische Konsum- und/oder Investitionsausgaben infolge von Exportüberschüssen

3.2 Je höher die Exportüberschüsse umso gefährdeter ist die Inlandsproduktion von Turbulenzen auf dem Weltmarkt

4. Die Zentralbanken kaufen Staatspapiere und andere Wertpapiere auf und gewähren den Banken Kredite mit nahezu 0 % Verzinsung, um Investitionen anzuregen und im Euroraum zusätzlich die Zahlungsunfähigkeit von Staaten der Eurozone zu verhindern

III. Ungleiche Wirtschaftsentwicklung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und die daraus entstehenden wirtschaftlichen und politischen Probleme

IV. Die unterschiedliche regionale industrielle Entwicklung zwischen Industriezentren und dem übrigen Land und die daraus entstehenden wirtschaftlichen und politischen Probleme

V. Die Selbstzerstörung der Marktwirtschaft durch Größe und Monopolisierung

VI. Die Repolarisierung der Welt

VII. Die Verwerfung der Wirtschaftsstruktur durch die Coronakrise

B. Der notwendige Paradigmenwechsel in der Wirtschaftsethik zur Stabilisierung der Weltwirtschaft

I. Die Prinzipien archaischen Wirtschaftens und ihre Grenzen

1. Familien- und stammesbezogenes Wirtschaften

2. Latente Aggressivität gegen alle Fremden

II. Die Prinzipien kapitalistischen Wirtschaftens und seine Grenzen

1. Die Individualisierung des Menschen als Triebkraft für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung

2. Die unreflektierte Gewinnmaximierung als maßgebendes Motiv wirtschaftlichen Verhaltens führt zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten und zerstört sich dadurch selbst

3. Rationalisierung, Roboterisierung und Digitalisierung ersetzen menschliche Arbeit durch Maschinen und bewirken Arbeitslosigkeit

4. Der Nationalismus als Motiv der Globalisierung schafft internationale Ungleichgewichte, die zu Konflikten und Flüchtlingsströmen führen

III. Notwendiger Paradigmenwechsel in der Wirtschaftsethik

1. Ein Paradigmenwechsel bei der Bewertung des Marktes

2. Ein Paradigmenwechsel bei der Bewertung der Arbeit

3. Ein Paradigmenwechsel bei der Bewertung von Gewinnstreben und Vergütungen

4. Ein Paradigmenwechsel in der Steuermoral

5. Die notwendige Rückbesinnung auf den Dienst an der Gesellschaft als Unternehmerziel

6. Ein Paradigmenwechsel zugunsten der Umwelt und des Klimas

7. Ein Paradigmenwechsel bei der Zuordnung von Grund und Boden

8. Ein notwendiger Paradigmenwechsel in der Bewertung des wirtschaftlichen Wachstums

9. Ein notwendiger Paradigmenwechsel in der Bewertung des Kapitalmarktes

10. Der Beitrag Chinas zum Paradigmenwechsel von der egoistischen Gewinnmaximierung und Durchsetzung von Nationalinteressen zur weltwirtschaftlichen Bedarfsdeckung und internationalen Kooperation und die Gefahren, wenn die dadurch entstehenden Abhängigkeiten politisch missbraucht werden

11. Wirtschaftsethik in einer Pandemie – Erfahrungen mit der Pandemie SARS Covid 19–

C. Wirtschaftspolitik nach SARS Covid 19

I. Die Belebung der volkswirtschaftlichen Nachfrage und die Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von Unternehmen infolge der Corona-Pandemie

1. Die Belebung der infolge der Corona-Pandemie zurückgegangenen weltwirtschaftlichen Nachfrage

2. Ausgleich des Rückgangs privater Nachfrage durch zusätzliche staatliche Ausgaben

3. Europäischen Fonds für strategische Investitionen zur Förderung einer ausgeglichenen regionalen Wirtschaftsstruktur und der Sicherung und Entwicklung systemrelevanter Unternehmen

II. Die Stabilisierung und Harmonisierung der Weltwirtschaft

III. Ein Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik

IV. Die Solidarisierung und Harmonisierung des internationalen Steuersystems

V. Ein notwendiger Paradigmenwechsel in der Geldpolitik und der Rolle der Notenbanken

VI. Die Stabilisierung des internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs durch die Weiterentwicklung der Eurozone, um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern

1. Die Stärkung des Euro.

2. Die Weiterentwicklung der Eurozone auch im Sinne einer Weiterentwicklung eines Europas der zwei Geschwindigkeiten

VII. Die Entschuldung der öffentlichen Haushalte nach der Corona Pandemie

D. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Der Autor

Einleitung

Es hat schon viele Pandemien gegeben mit einer verheerenden Anzahl von Toten und entsprechenden Eingriffe in das gesellschaftliche Leben. Doch die meisten Pandemien liegen weit zurück und gelten als überholt oder durch Arzneimittel überwunden. Sie unterscheiden sich von der Corona-Pandemie auch dadurch, dass das Leben zwar beeinträchtigt wurde, in seiner Form aber weiterging.

Die letzte große Pandemie, die Spanische Grippe, hat 1918 mehr Menschen sterben lassen, als im Ersten Weltkrieg fielen. Aber das wirtschaftliche Leben wurde deswegen nicht eingestellt. Wenn es um durch Krankheiten dahingeraffte Tote geht, dann sind durch jährliche Grippen auch viele Menschen gestorben. Aber diese Toten werden als normale Abgänge im Rahmen des Lebens gesehen. Alle Todesfälle zusammen bleiben zudem hinter den Geburten zurück, so dass die Weltbevölkerung noch laufend größer wird.

Was also macht das Besondere von SARS Covid 19 aus, zumal sehr früh schon erkannt wurde, dass die dadurch ausgelöste Krankheit bei den meisten Menschen nur einer leichten bis allenfalls schweren Grippe gleicht und in der Regel nur Menschen, und insbesondere ältere Menschen, mit Vorerkrankungen sterben lässt.

Die bei diesem Virus besonders schnelle und heimtückische Ansteckung und die fehlende Immunität, insbesondere auch der Ärzte und Pflegekräfte, ließ befürchten, dass zwar anteilsmäßig nur wenige sterben werden, ihre Zahl aber so exponentiell steigen kann, dass das Krankensystem überfordert ist und dass wegen mangelnder Versorgung und angemessener Behandlung mehr Menschen ihr Leben verlieren als notwendig. Deshalb wurden durch radikale Kontaktsperren das gesellschaftliche und damit auch wirtschaftlich Leben in einer bisher nie dagewesenen Weise weltweit zurückgefahren und kam weitgehend zum Erliegen. Diese Kontaktsperren greifen auch deswegen so stark in die Wirtschaft ein, weil sie heute weltweit extrem vernetzt ist. Früher konnten sich ein Dorf oder eine Stadt mit ihrem Umland selbst versorgen.

Nun stieß die Pandemie nicht auf eine weltweit im Gleichgewicht befindliche Wirtschaft und Gesellschaft. Die Industrialisierung, der Kapitalismus und ihre Globalisierung haben zwar die wirtschaftliche Entwicklung der Welt extrem vorangebracht. Sie haben aber auch Probleme und Konflikte geschaffen, die eine Lösung erzwingen. Diese Probleme werden durch Covid 19 noch verschärft. Da nicht abzusehen ist, wie lange uns diese Pandemie erhalten bleibt und zu erwarten ist, dass weitere Pandemien folgen werden und im Hinblick darauf weitere Vorkehrungen zu treffen sind, werden die bestehenden Probleme noch zusätzlich stärker und komplizierter.

Die größten Herausforderungen, die die Menschheit bereits zu bewältigen hat, sind:

• die Umweltverschmutzung, und dazu gehört auch

• die Weltklimaveränderung, und zwar insbesondere soweit sie auf Handlungen der Menschen zurückzuführen ist,

• die sich verschärfenden wirtschaftlichen Probleme und die daraus erwachsenen Spannungen und jetzt auch noch

• die Pandemie SARS Covid 19 und das wachsende Bewusstsein, dass weltweit Krankheiten, aber auch

• Kriege, Erdbeben und Vulkanausbrüche sowie Sonnenwinde durch Störung der digitalen Netze

Weltkatastrophen auslösen können.

Alle diese Entwicklungen verstärken sich mehr oder weniger gegenseitig und sind maßgebend auch Folgen menschlichen Handelns. Wenn wir den Prinzipien des menschlichen Handelns, die diesen Gefahren zu Grunde liegen, nachgehen, so zeigt sich die Selbstbezogenheit, und zwar in jeder Form bis hin zum Nationalismus, bei vielen Problemen als die eigentliche Ursache.

Egoistisches Handeln wurde in der kapitalistischen Marktwirtschaft sogar zum Prinzip wirtschaftlichen Handelns erklärt. Wenn jeder sich von seinem Egoismus treiben lässt, dann wählt er den Beruf, der bezogen auf seine Fähigkeiten am meisten Gewinn bringt. Über die Marktgesetze würden dann Angebot und Nachfrage so gesteuert, dass zugleich das Wohl der Gesamtgesellschaft am besten gefördert würde. Zudem handeln die einzelnen Staaten nach dem Grundsatz, wie ihn Donald Trump für die USA mit „America first!“ ausdrücklich proklamiert.

Allein die zunehmenden Diskrepanzen in der Vermögens- und Einkommensentwicklung, der enorme Aufwand für notwendige Sozialleistungen, aber auch die anderen aufzuzeichnenden Probleme zeigen, wie fragwürdig persönlicher und nationaler Egoismus sind.

Nur vom Egoismus lassen sich im Übrigen nur die Menschen zum Handeln bewegen, die keine weitergehenden geistigen, sozialen und künstlerischen Antriebe haben. Zwar waren Eroberung, Unterdrückung und Ausbeutung über Jahrtausende die Voraussetzung für die wirtschaftliche, geistige und kulturelle Entwicklung. Die Fortschritte selbst aber waren immer das Ergebnis der menschlichen Kreativität und, was die eigentliche Motivation menschlichen Handelns angeht, so sind Selbstverwirklichung im Handeln als Erfinder, Künstler, Lehrer, Sozialarbeiter, Geistlicher, ja auch als Unternehmer für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung weit maßgebender, als nur das Streben nach Geld, zumindest soweit der Verdienst über den Lebensbedarf hinausgeht. Dass heute von wenigen Millionen, ja Milliarden verdient werden, weit über selbst einen Luxbedarf hinaus, ist eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Perversion. Die daraus erwachsenen wirtschaftlichen Ungleichgewichte zeigen sich in den angegebenen Problemen.

Erforderlich ist ein Paradigmenwechsel. Handlungsmotive dürfen nicht sein:

• Optimierung des Shareholder Value, sondern eine langfristige Unternehmensplanung mit am Kundeninteresse und an einer angemessenen Beteiligung am Wirtschaftserfolg interessierten Mitarbeitern,

• einseitige Verfolgung nationaler Ziele, sondern des Wohls der Menschheit insgesamt, zu dem ein nationaler und der Leistung entsprechend vergüteter Beitrag geleistet wird. Denn jedes Problem in der Welt berührt mehr oder weniger jeden. Ohne das Gesamtwohl der Welt zu berücksichtigen, entstehen Konflikte bis hin zur Gefahr von Atomkriegen sowie Flüchtlingsströme und Krankheiten,

• unbeschränkte Ausbeutung und Verschmutzung der Natur, sondern ihre Erhaltung und Pflege, auch als Bedingung für das eigene Leben.

Die Folgen der Pandemie SARS Covid 19 verschärfen alle angeführten Probleme. Die Pandemie wird uns daher entweder dazu bringen, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, oder weitere Krisen werden folgen. Was dieser Paradigmenwechsel für die Wirtschaftspolitik nach der Pandemie bedeutet, soll in dieser Schrift versucht werden zu erarbeiten.

Dankenswerter Weise hat Clemens Fuest in seinem gerade veröffentlichten Buch Wie wir unsere Wirtschaft retten: Der Weg aus der Corona-Krise die Entwicklung und Problematik der Pandemie sehr detailliert beschrieben. Er interpretiert die Probleme der Corona-Krise jedoch als Vertreter des Ordoliberalismus, als der er als Präsident auch in der Tradition des Ifo Instituts in München steht.

Wie zu zeigen sein wird, reichen aber die marktwirtschaftlichen – man kann schon sagen – Dogmen nicht mehr aus, die eigentlichen Ursachen der wirtschaftlichen Fehlentwicklungen zu verstehen. Durch die Kontaktsperren zur Verhinderung von Ansteckungen wird das wirtschaftliche Leben weitgehend lahmgelegt und durch die dabei auftretenden Probleme werden die bereits vor der Pandemie bestehenden wirtschaftlichen Fehlentwicklungen noch verstärkt.

Während hier versucht wird, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nicht nur zu lindern, sondern auch als Chance zu sehen, zu einem Paradigmenwechsel in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik zu kommen, um die Fehlentwicklungen zu heilen, will Clemens Fuest die Wirtschaft, vereinfacht gesprochen, nur wieder auf den Wachstumspfad zurückführen.

Für ihn – und damit repräsentiert er die herrschende Lehre der Wirtschaftswissenschaft – ist das wirtschaftliche Wachstum das Kriterium für die Gesundheit einer Wirtschaft und daraus ergibt sich als zentrale wirtschaftspolitische Aufgabe, die Unternehmer wieder zum Investieren zu bringen. Denn Investitionen sind die Voraussetzung von wirtschaftlichem Wachstum. Ob wirtschaftliches Wachstum immer das Gesamtwohl fördert, ob und in welchem Ausmaß die Wirtschaft wachsen sollte, wird nicht gefragt. Wenn kein Bedarf für weitere Güter da ist, dann muss er eben von den Unternehmern geweckt werden. Deswegen sind die allgegenwärtigen Werbemaßnahmen, die uns fast überall verfolgen, die selbstverständliche Begleitmusik wirtschaftlichen Wachstums.

Weil Werbung und Marketing nicht umsonst sind, müssen wir auch dafür bezahlen, möglichst immer noch mehr zu konsumieren. Auch fördern Werbung und Marketing nicht nur Wachstum, sie tragen auch selbst zum wirtschaftlichen Wachstum bei.

Da für die herrschende Wirtschaftstheorie wirtschaftliches Wachstum eine notwendige Bedingung für das Funktionieren der Wirtschaft überhaupt ist, bleiben die Fragen nachrangig:

1. wieweit Wachstum noch möglich ist und die Natur Wachstum vertragen kann,

2. wie die sich abzeichnenden notwendigen Umstrukturierungen, wenn es dabei nur um die Erhaltung des Lebensstandards geht, wie beispielsweise der Übergang von fossilen zu regenerierbaren Brennstoffen sich mit der Notwendigkeit des Wachstums vertragen?

In den traditionellen Industrieländern schrumpfen zum Leidwesen der Wachstumstheoretiker die Wachstumsraten. Gott sei Dank, gibt es noch die Schwellen- und Entwicklungsländer, in denen die Ersparnisse, die in den Industrieländern nicht investiert werden können, angelegt werden können. Aber, wo bleiben die Wachstumslokomotiven, wenn die Wachstumsraten dort auch sinken und in den Schwellen- und Entwicklungsländern selbst genügend gespart wird, um die dortigen Investitionen zu finanzieren? Auch zeichnet sich ab, dass die mangelnde Rechtssicherheit und die vielfältigen Konflikte in diesen Ländern die Investitionen immer risikoreicher werden lassen und sie deswegen unterbleiben. Aber was dann? Dann bleibt nur noch, so weit wie möglich überschüssiges Kapital auf den Kapitalmärkten zu verbrennen oder in einer Stagnation oder Rezession zu enden.

Zwar können die Wirtschaftstheoretiker, und so auch Clemens Fuest, die tendenziell wachsende Ungleichheit der Vermögens- und Einkommensverteilung nicht übersehen und die Gründe dafür werden auch vielfältig genannt, wie zum Beispiel in den Büchern von Thomas Piketty Das Kapital im 21. Jahrhundert bis hin zu Kapital und Ideologie1. Aber zu einer Modifizierung der gängigen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik haben diese Erkenntnisse nicht geführt. Dass, abgesehen von den sozialen Bewertungen, die volks- und weltwirtschaftlichen Ersparnisse den gewinnversprechenden Innovationen und Erweiterungsinvestitionsmöglichkeiten vorauslaufen und dadurch die Wirtschaft zu zerstören drohen, wird nicht besonders reflektiert. Stattdessen wird weiterhin das Heil in der Senkung von Unternehmenssteuern gesehen, um Wachstum zu fördern.

Die Bedeutung des Marktes für den Austausch von Waren wird heute niemand mehr infrage stellen. Für die herrschende Wirtschaftstheorie garantiert der Markt jedoch auch ein Optimum an Bedarfsdeckung, wenn auch nur dann, wenn sich keine Monopole oder Kartelle bilden. Doch diese Aussage gilt nur, wenn der Bedarf mit der Kaufkraft gleichgesetzt wird. Einige haben aber mehr Kaufkraft und andere zu wenig, als sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse benötigen. Ihre Kaufkraft ist auch nicht nur von ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit abhängig, sondern auch von ihrem Vermögen.

Es wird auch wenig thematisiert, dass die jeweils Stärkeren vom Markt mehr profitieren, als die Schwächeren und dadurch die Ungleichheit vergrößern. Entsprechend realisieren auch auf dem Weltmarkt, aber auch innerhalb von Wirtschaftsunionen, wie in der EU, die stärkeren Länder mehr als die schwächeren. Wenn demzufolge die Erhöhung des allgemeinen Wohlstands das Ziel ist, dann müssen die Stärkeren verpflichtet sein, den Schwächeren zu helfen, ihren Rückstand aufzuholen oder, wenn die Unterschiede struktureller Art sind, wie in einem Bundesstaat laufend Finanzausgleich zu zahlen.

Bei dem Handel zwischen Ländern unterschiedlichen Entwicklungsstandes können sich die Handelspartner je nur entwickeln, wenn sowohl höher wie geringer qualifizierte Arbeitskräfte angemessen beschäftigt werden können. Dazu brauchen aber die Entwicklungsländer Schutzzölle zur Entwicklung ihrer Industrien und die Industrieländer Schutzzölle, dass nicht alle lohnintensiven Betriebe in Billiglohnländer abwandern. Die herrschende Wirtschaftslehre neigt dagegen dazu, das Heil von einem weitgehend liberalisierten Welthandel zu erwarten und zu geringe Löhne eher mit sozialen Zuschüssen wie Hartz IV in Deutschland auszugleichen. Nicht bedacht wird, was das für das Selbstbewusstsein der Arbeitskräfte selbst bedeutet.

Auch fällt es der herrschenden Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik schwer, ihre heute nicht mehr geltenden Vorstellungen von der Rolle des Geldes zu revidieren und damit auch die sich wandelnde Geldpolitik der Notenbanken zu verstehen. Denn für die herrschende Lehre ist Geldvermehrung immer gleichbedeutend mit zusätzlicher Nachfrage und würde die willkürliche Erhöhung der umlaufenden Geldmenge Inflation auslösen. Dass zusätzliches Geld nur dann eine Inflationierung der Preise bewirkt, wenn es in die Hände von Kaufwilligen, d.h. Bedürftigen kommt und nicht in Geld selbst investiert wird, kommt in der herrschenden Wirtschaftstheorie, wenn man von John Maynard Keynes Liquiditätspräferenz absieht, nicht vor. Zwar schreibt auch Clemens Fuest empirisch sehr detailliert, dass unter den gegebenen Bedingungen trotz steigender Geldmengenerhöhung durch die Notenbanken keine Inflationen zu erwarten sind. Er bleibt aber dennoch der Theorie verhaftet und malt immerhin die Möglichkeit von Inflationen durch Gelderhöhung als Gefahr an die Wand.

So laufen die Empfehlungen in seinem Buch Wie wir unsere Wirtschaft retten darauf hinaus, möglichst den alten Zustand zurückzugewinnen und nur Vorkehrungen zu treffen, dass die Probleme der Corona-Krise oder neue Pandemien besser bewältigt werden können.

Die Corona-Pandemie trifft nicht auf eine in Harmonie lebende Weltgemeinschaft. In Europa hatten sich Aufklärung, Naturwissenschaften, industrielle Revolution und Kapitalismus, der zudem noch in einen Kasinokapitalismus pervertiert ist, entwickelt und sich globalisiert. Sie haben weltweit eine rasante wirtschaftliche Entwicklung, aber auch eine Revolutionierung alter Lebensweisen und Zivilisationen bewirkt.

Triebkraft war die Enttabuisierung des Egoismus, der über den Handel eine globale Arbeitsteilung entfaltete und die Welt wirtschaftlich miteinander vernetzte und als Nationalismus die weniger entwickelten Länder kolonialisierte. In zwei Weltkriegen schwächten sich die die Welt beherrschenden Staaten Europas allerdings so stark, dass die Kolonien ihre Unabhängigkeit wiedererlangen konnten.

Die auch aus einer Kolonie hervorgegangene Weltmacht und dann westliche Führungsmacht, die USA, scheiterten mit ihren Versuchen, die westliche Gesellschaftsordnung in der übrigen Welt durchzusetzen. Als Reaktion entstanden im Iran und in Saudi-Arabien islamische Gottesstaaten und in Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien Chaos.

Die Globalisierung bescherte den USA darüber hinaus chronische Importüberschüsse und wegen der Verlagerung von lohnintensiven Produktionen in Billiglohnländer Industriebrachen. Als Reaktion darauf versuchen die Vereinigten Staaten von Amerika, durch Importbarrieren diese Industriebereiche wieder zurückzuholen. Damit und durch die Gegenreaktionen der anderen Länder wird der freie internationale Handel zerstört.

Weil die USA den Weltmarkt immer weniger dominieren können, ziehen sich auch noch aus den internationalen Organisationen zurück und ihr Präsident, Donald Trump, proklamiert schamlos sein America first! zur Devise nationalen Handelns. Damit wird zwar nur das ausgesprochen, was als Prinzip wirtschaftlichen Handelns der Menschen und auch der Nationen bisher schon im Kapitalismus gegolten hat, zur weiteren Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft aber nicht mehr ausreicht.

Gebraucht wird ein Paradigmenwechsel.

1. An die Stelle von Egoismus, Gewinnmaximierung und unreflektiertem wirtschaftlichen Wachstums müssen treten: volkswirtschaftliche und weltwirtschaftliche Solidarität, Selbstverwirklichung möglichst aller Mitarbeiter in der Befriedigung des volks- und weltwirtschaftlichen Bedarfs und eine Vergütung, die der gesellschaftlichen Bedeutung der Arbeit entspricht, alles Prinzipien, die instinktiv und religiös motiviert bis zum Beginn des Kapitalismus selbstverständliche Maximen wirtschaftlichen Handelns waren.

2. An die Stelle von unreflektierter Verfolgung nationaler Interessen müssen treten: Verantwortung für die Welt und Natur und internationale Kooperation.

Wird das erkannt – und das ist die Intention dieses Buches – dann kann die Sars Covid 19 Pandemie zum Anstoß für die Überwindung der Probleme der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung werden.

1 Thomas Piketty 2014: Das Kapital im 21. Jahrhundert, 2020: Kapital und Ideologie.

A. Die weltwirtschaftliche Entwicklung vor und während der Pandemie SARS Covid 19.

Die hervorstechendsten Charakteristika der Weltwirtschaft vor Ausbruch der Corona Pandemie waren:

I. die Veränderungen des Weltklimas,

II. eine weltweit ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung,

III. eine unterschiedliche industrielle Entwicklung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und

IV. eine unterschiedliche regionale industrielle Entwicklung zwischen Industriezentren und dem übrigen Land

und die daraus erwachsenden Probleme.

I. Die Veränderungen des Weltklimas und die daraus erwachsenden Probleme

Der sich abzeichnende Klimawandel und dessen wahrscheinliche Verursachung oder Verstärkung durch die Menschen ist in aller Mund und braucht hier nicht weiter beschrieben zu werden. Abgesehen davon, dass alles getan werden muss, die durchschnittliche Temperatursteigerung so gering wie möglich zu halten, wird der Klimawandel nicht vollständig verhindert werden können. Was aber bedeutet die Klimaentwicklung für die Menschen?

Wo es möglich ist, werden wegen des steigenden Meeresspiegels die Deiche erhöht oder neue gebaut werden müssen. Im Hinblick auf Überschwemmungen sind umfangreiche Rückhaltebecken zu schaffen, aus den in Trockenzeiten auch Wasser entnommen werden kann. In Gebieten mit Waldbrandgefahr sollten zur Bewässerung und notwendigen Bekämpfung von Bränden Wasserleitungen gelegt werden.

Fällt immer weniger Regen pro Jahr, als an Wasser benötigt wird, wird der Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen nötig. Diese wiederum erfordern viel Energie, die wiederum sichergestellt werden muss. In Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung sollte im großem Umfang Sonnenenergie, wenn möglich auch zur Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gebaut werden. Da Energie aus Kohle, Erdöl und Erdgas auf absehbare Zeit billiger sein wird, als sogenannte grüne Energie, stellt diese Aufgabe die Politik vor ungeahnte Probleme.

Dennoch zeichnet sich ab, dass viele Gebiete wegen des steigenden Meeresspiegels oder wegen ständiger Dürre nicht mehr bewohnbar sein werden und die Bevölkerung gezwungen wird wegzuziehen. Dadurch können größere Völkerwanderungen ausgelöst werden. Wenn das Eis an den Polen weiter schmilzt und die nördlichen Gebiete wärmer werden, könnten neue Siedlungsgebiete beispielsweise in Russland entstehen.

Die Bewältigung dieser vielfältigen und riesigen Probleme erfordert große finanzielle Aufwendungen und internationale Kooperationen.

II. Weltweit ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung und daraus erwachsende Probleme und die Gründe, warum abgesehen von den Krisen Rezessionen verhindert werden konnten

Eine Volkswirtschaft ist im Gleichgewicht, wenn das volkswirtschaftliche Angebot der Nachfrage entspricht und so viele Waren angeboten, wie gekauft werden. Wird weniger angeboten als nachgefragt, steigen die Preise, wird dagegen im Verhältnis zur Nachfrage zu viel angeboten, bleiben Waren und Dienstleistungen unverkauft und wird das Angebot eingeschränkt. Die Folge ist eine Verringerung der Produktion und Arbeitslosigkeit. Entlassungen bedeuten einen Rückgang der Kaufkraft, sodass abermals das volkswirtschaftliche Angebot schrumpft. So entsteht eine Spirale, die eine Rezession auslöst.

Eine tendenziell zu geringe volkswirtschaftliche Nachfrage entsteht, wenn Einkommen nicht voll ausgegeben, sondern zum Teil gespart und diese Ersparnisse dann nicht wieder selbst oder von anderen für Investitionen verwendet werden. Das heißt: Eine Volkswirtschaft ist nur im Gleichgewicht, wenn die Summe der Ersparnisse der Summe der Investitionen entspricht.

Zur moralischen Verklärung der Unternehmer wird in der traditionellen Volkswirtschaftslehre die Entwicklung und Herstellung von Produktionsmitteln gern als Konsumverzicht beschrieben. Ein Fischer, der mit Händen nur wenige Fische fangen kann, verzichtet eine Zeit lang auf das Fangen und somit auch auf das Verzehren der Fische und baut sich in dieser Zeit ein Netz, mit dem er dann in der Zeiteinheit viel mehr Fische fangen kann.

In der Regel sind aber Ersparnisse kein asketischer Konsumverzicht, weil der überwiegende Teil der Ersparnisse bei Leuten anfällt, die bereits gesättigt sind. In dem Maße, wie der Wert ihrer Produktionsanlagen und Unternehmen im Ertragswert steigt, wächst ihnen durch Kurssteigerungen sogar noch zusätzlich Vermögen zu.

Wegen zunehmender Sättigungstendenzen, insbesondere bei den höheren Einkommensbeziehern, steigen weltweit die Ersparnisse. Entsprechend müssten dann auch die Investitionen wachsen. Nach den vorliegenden Zahlen für 2015 betrug die volkswirtschaftliche Sparquote in der Europäischen Union 21,4 % und in Deutschland 27,3 %2. Die volkswirtschaftliche Sparquote umfasst nicht nur, was Private sparen, sondern auch das, was in anderen Bereichen der Volkswirtschaft gespart wird, wie insbesondere in den Unternehmen.

Soweit in Unternehmen gespart wird, kann aber davon ausgegangen werden, dass diese Mittel großenteils für eigene Investitionen verwandt werden, jedoch nicht unbedingt im Inland, sondern auch im Ausland. Allerdings wird allgemein auch in einem großen Umfang, vor allem in unruhigen Zeiten, in Liquidität investiert. Die in Liquidität angelegten Ersparnisse fehlen als Nachfrage nach realwirtschaftlichen Gütern auf dem Markt und müssen deshalb durch zusätzliche Ausgaben kompensiert werden. Wir kommen auf dieses Problem bei der Diskussion der Bedeutung des Geldes für die Wirtschaft zurück.

2018 wurden in Europa 11,37 % und in Deutschland 18,54 % der privaten Haushaltseinkommen gespart3. Das bedeutet: Im Ausmaß der privaten Ersparnisse müssen andere sich verschulden und diese Mittel wieder für Investitionen ausgeben.

Wie allgemein bekannt und auch aus sozialen Gesichtspunkten immer wieder beklagt wird, steigt weltweit die Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung. 50 Prozent der deutschen Bevölkerung haben nur ein Prozent des Volksvermögens. 10 Prozent der Bevölkerung haben 52 Prozent und weitere 40 Prozent der Bevölkerung 47 Prozent des Volksvermögens.4

Sparen ist nur für untere Einkommensbezieher ein gewollter Konsumverzicht. Die höheren Einkommensbezieher und die Vermögenden sparen mehr, weil sie ihr Einkommen für ihren Lebensunterhalt nicht voll ausgeben können. Durch diese Ersparnisse wachsen auch die Kapitaleinkünfte, aus denen in der Regel mehr gespart als konsumiert wird. Deswegen ist die Sparrate weltweit sehr hoch, obwohl die Zahl der relativ ärmeren Bevölkerung ständig zunimmt.

Wegen der dadurch bedingten zu geringen Konsumnachfrage sinkt auch die Bereitschaft zu investieren. Die Nachfrage nach Kapital für Investitionen bleibt deswegen heute hinter dem Kapitalangebot zurück. Demzufolge sanken die Zinsen auf ein nie gekanntes Niveau von nahezu 0 %.

Der Ausbruch der Rezession wurde jedoch immer wieder verhindert durch:

1. die Kompensation zu hoher volkswirtschaftlicher Ersparnisse durch Staatsausgaben,

2. in den USA durch eine traditionell niedrige Sparquote und hohe Staatsund insbesondere Militärausgaben und

3. die Exportüberschüsse in Länder wie Deutschland, China und Japan. Sie ersetzen die fehlende Inlandsnachfrage durch überschüssige Nachfrage aus dem Ausland,

4. eine extreme Ausweitung der Geldmenge und dadurch insbesondere motivierte Spekulationen.

1. Die Kompensation zu hoher privater Ersparnisse durch Staatsausgaben

Vom Anfang der industriellen Revolution an machten die Staatsausgaben einen beträchtlichen Anteil der volkswirtschaftlichen Nachfrage aus. Die Bedeutung der Staatsausgaben für die wirtschaftliche Entwicklung wird in der Wirtschaftstheorie meist übersehen5.

In einer sich entwickelnden Wirtschaft bleibt die Konsumnachfrage notwendigerweise hinter dem Angebot zurück, weil die Einkommen der Lohnabhängigen erst im Rahmen der Produktionsausweitungen steigen.

Da somit die Kaufkraft der überwiegenden Bevölkerung nicht ausreichte, um die angebotenen Waren zu kaufen, waren es der Bedarf des Adels an Waffen und höherwertigen Konsumartikeln und später der Staaten, die die industriellen Produkte, insbesondere der Schwerindustrie, abnahmen. Ohne die Rüstungsaufträge und den gehobenen Bedarf des Adels und später der Staaten hätte die Industrie sich nicht entwickeln können. Denn die einfache Bevölkerung war nicht in der Lage, die Produkte der sich entwickelnden Industrie und insbesondere der Schwerindustrie zu kaufen.

In dem Maße, in dem Gewerkschaften höhere Löhne und damit auch einen Anteil am technischen Fortschritt durchsetzen konnten, stieg auch die Massenkaufkraft. Wenn man die Geschichte seit 1900 analysiert, dann ist schon bemerkenswert, dass die Wirtschaft immer dann besonders florierte, wenn gerüstet und Krieg geführt wurde oder die Kriegsschäden wieder beseitigt werden mussten. Als ab dem Ende der Sechzigerjahre der kriegsbedingte Nachholbedarf gesättigt war, mussten die Staatsausgaben weiter steigen.

Im Zuge der wachsenden Kaufkraft, insbesondere der höheren Einkommensbezieher, wuchsen die Ersparnisse dann aber schneller als die Innovationen, so dass schon von daher Staatsausgaben die tatsächliche oder tendenzielle Nachfragelücke ausgleichen mussten. Notwendig wurden die öffentlichen Ausgabensteigerungen auch durch wachsende Sozialleistungen für die in der Einkommensentwicklung zurückbleibenden Bevölkerung. So machen die Ausgaben für Arbeit und Soziales nach dem Haushaltsentwurf des Bundes für 2020 – wohlgemerkt vor der Coronakrise – nunmehr 41 % des Bundeshaushalts aus. Werden dazu noch die Ausgaben für Gesundheit und Familie, Senioren, Frauen und Jugend hinzugefügt, dann beträgt der Anteil für Soziales sogar über 48 %.

Um die Steuerlast niedrig zu halten, wurden die Staatsausgaben zunehmend durch Staatsschulden finanziert. Das heißt: Insbesondere den Wohlhabenden wurden Ersparnisse, die sie für ihren Lebensbedarf nicht brauchten, durch Anleihen abgenommen und per Staatsausgaben wieder in die volkswirtschaftliche Nachfrage zurückgeführt.

Natürlich wird auch für das Alter und zukünftige Anschaffungen gespart. Aber diese Ersparnisse lösen sich irgendwann wieder auf, sind also volkswirtschaftlich insgesamt revolvierend. Steigende Staatsschulden werden somit per Saldo aus Mitteln finanziert, die die Privaten für ihren persönlichen Lebensbedarf nicht benötigen, die also auch durch Steuern abgeschöpft werden könnten.

Die Bedeutung der Staatsausgaben zum Ausgleich zu hoher volkswirtschaftlicher Ersparnisse wird allenfalls in der Keynesianischen Konjunkturtheorie gewürdigt. Spätestens seit der Propagierung des Neoliberalismus wird diese Frage nicht mehr thematisiert. Dennoch leisteten die steigenden Staatsausgaben, auch unter Ronald Reagan und Donald Trump, einen maßgebenden Beitrag dazu, dass die latente wirtschaftliche Rezession nicht virulent wurde.

Rang der Staatsverschuldung ausgewählter Länder 2017 in Prozent des Bruttoinlandsproduktes

Rang

Land

Staatsverschuldungsgrad

1

Japan

237,60%

2

Griechenland

181,80%

5

Italien

131,80%

9

Portugal

125,70%

20

Frankreich

96,80%

29

Großbritannien

87,50%

36

Vereinigte Staaten

78,80%

37

Österreich

78,60%

53

Irland

68,60%

61

Deutschland

63,90%

72

Finnland

61,30%

100

Polen

50,60%

111

VR China

47,00%

124

Schweden

40,80%

129

Litauen

39,70%

146

Norwegen

36,50%

151

Dänemark

35,30%

153

Tschechische Republik

34,70%

169

Türkei

28,30%

181

Bulgarien

23,90%

194

Russische Föderation

15,50%

199

Estland

9,00%

205

Libyen

4,70%

210

Macau

0,00%

Die weltweit steigenden Staatsschulden verschlechtern die Kreditwürdigkeit der Staaten mit der Gefahr von Staatsbankrotts. Deswegen setzte sich die Einsicht durch, dass die Staatsschulden zu begrenzen seien, und die europäischen Staaten verordneten sich Schuldenbremsen.

Damit wird aber die Möglichkeit, zu geringe volkswirtschaftliche Nachfrage durch Staatsausgaben zu kompensieren, lahmgelegt. Trotzdem ist per Saldo die öffentliche Verschuldung weltweit auch weiterhin gestiegen. Die Staaten, denen Zahlungsunfähigkeit droht, aber auch diejenigen, deren Staatsverschuldung über 60 % des Bruttoinlandsproduktes liegt, sollen ihre Staatsverschuldung zurückführen.

Bemerkenswert ist, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht unbedingt an der Verschuldungsrate festgemacht wird. So blieb Japan bis heute kreditwürdig, obwohl Japan die höchste Verschuldungsrate im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt der Welt hat mit inzwischen über 240 % seines Bruttoinlandsproduktes. Griechenland mit einer Verschuldungsrate von über 180 % des Bruttoinlandsprodukts muss dagegen immer mit der Angst leben, von den Ratings-Agenturen als zahlungsunfähig eingestuft zu werden. Dabei können weder Japan noch Griechenland ihre Schulden zurückführen. Aber in Bezug auf Japan wird erwartet, dass Japan sich im gleichen Umfang immer wieder neu verschulden kann, in dem Zahlungen fällig werden.

Griechenland profitiert immerhin von seiner Zugehörigkeit zur Eurozone, für die die Europäische Zentralbank erklärt hat, im Zweifel alle Staatsanleihen aufzukaufen. Viel weniger wird ein Anleger bereit sein, beispielsweise türkische Staatsanleihen zu kaufen, obwohl die Türkei mit nur 28,3 % des BIP verschuldet ist und damit auf dem 151. Platz der Verschuldungsrate steht. Im Falle der Türkei – und das gilt für alle Länder mit zu erwartenden Währungskursverlusten – müssen, wenn die Anleihen nicht in Dollar oder Euro erfolgen, auch noch Umrechnungsverluste einkalkuliert werden.

Im Allgemeinen wird nicht bedacht, dass Staatsschulden, wenn nicht andere Kompensationsmöglichkeiten für eine zu geringe volkswirtschaftliche Nachfrage gegeben sind, nicht zurückgeführt werden können, ohne eine Rezession auszulösen. Denn, was sollen die Gläubiger der Staatsschulden mit den Rückzahlungen anfangen, wenn sich schon für laufende Ersparnisse nicht ausreichend viele gewinnversprechende Investitionsmöglichkeiten zeigen? In Höhe der zurückgezahlten Staatsausgaben würde eine zusätzliche volkswirtschaftliche Nachfragelücke entstehen und eine Rezession auslösen.

In Bezug auf Staatsausgaben wird gerne mit dem moralischen Zeigefinger argumentiert, dass künftige Generationen nicht mit den Schulden der gegenwärtigen Generation belastet werden dürften. Eine völlig irreführende Argumentation! Denn zu der gegenwärtigen Generation gehören auch die Gläubiger der Staatsschulden und deren Erben. Das heißt: Schuldner und Gläubiger gehören bereits zur gleichen Generation, saldieren sich somit bereits in dieser Generation. Das ändert sich auch nicht für die zukünftigen Generationen. Bei der Rückführung von Staatsschulden werden also nur die Schulden der Allgemeinheit, d.h. inklusive der Gläubiger, an die Gläubiger zurückgeführt.

Wenn Staatsschulden zurückgezahlt werden sollen, dann müssten entsprechend die Einnahmen des Staates erhöht werden. Die zusätzlichen Einnahmen werden im Zweifel von denen erhoben, die belastet werden können. Das sind in der Regel die Gläubiger der Staatsschulden selbst. Ein Ausgleich von Staatsschulden, ohne dass soziale Verwerfungen auftreten oder die Wirtschaft in eine Rezession getrieben wird, kann also nur innerhalb der Einkommensbezieher mit höheren Einkommen durchgeführt werden. Zahlungsunfähigkeit von Staaten kann somit genauso wie bei privaten Konkursen nur durch Schuldenschnitte gelöst werden.

2. Eine traditionell niedrige Sparquote und hohe Staats- und insbesondere Militärausgaben mindern die Rezessionsgefahr in den USA

2.1 Die in den USA im Verhältnis zu anderen Ländern relativ geringe Sparrate verringert eine potentielle Nachfragelücke

Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Vermögens- und Einkommensverteilung extrem ungleich. Ein Prozent der Bevölkerung hat über 20 % der Gesamteinkommen und auf die 50 % ärmeren fällt allenfalls ein Anteil von etwa 13 %. Diese Entwicklung dürfte sich durch die Steuersenkungen von Donald Trump noch verschärfen.

Von den unteren Einkommensschichten sind kaum größere Ersparnisse zu erwarten. Aber auch die höheren Einkommensbezieher sparen offensichtlich relativ wenig. Die Sparquote der privaten Haushalte in USA lag seit 1995 immer unter 8 % und betrug im Jahr 2018 und den beiden vorhergehenden Jahren 6,7 %.9 Im Vergleich dazu wurden 2018 in Europa 11,37 % und in Deutschland 18,54 % der privaten Haushaltseinkommen gespart10.

Auch die volkswirtschaftliche Sparquote ist in den USA mit 18,2 % (2015) 11 im Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen Sparquoten in der Europäischen Union 21,4 % und in Deutschland 27,3 %, in Japan 24,80% und in China sogar 47,40% relativ niedrig. 12 Schon daraus wird deutlich, dass auch die Nachfragelücke in den USA geringer sein muss.

Trotzdem war der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt mit 21,0 % nahezu gleich hoch wie der in Deutschland (21,8%), aber viel niedriger als in China (44,1 %). Schon aus der Diskrepanz zwischen relativ niedriger Sparquote und höheren Investitionen zeigt sich das Kapital importiert werden musste, während in Deutschland und China Kapital exportiert wurde. Das heißt: Die Nachfrage nach Kapitalgütern war in den USA größer als an inländischen Ersparnissen zur Verfügung standen. So erklärt sich, dass in den USA aus ihren chronischen Import- und entsprechenden Kapitalimportüberschüssen keine volkswirtschaftliche Nachfragelücke entstand.

2.2. Die Gefahr einer zu großen Nachfragelücke und daraus resultierend eine Rezession wurde in USA auch durch hohe Staatsausgaben und eine steigende Staatsverschuldung verhindert

Einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Nachfrage machen wie in allen anderen Industrieländern auch die Staatsausgaben aus. Sie sind seit Jahren sogar stetig höher als die Staatseinnahmen, so dass auch Ersparnisse und importiertes Kapital in Staatsanleihen fließen.

Diese Tabellen zeigen auch, wie enorm die Staatsverschuldung in den USA während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 gestiegen ist und durch die Steuersenkungen von Donald Trump wieder steigt.

2.3. Durch Kapitalmarktspekulationen wurden Investitionen und zusätzlicher Luxuskonsum begünstigt

Die USA haben den größten und entwickeltsten Kapitalmarkt der Welt. Ein maßgebender Grund dafür ist, dass in den USA mehr Unternehmensfinanzierungen über den Kapitalmarkt erfolgen als beispielsweise in Deutschland, wo die Unternehmensfinanzierung weitgehend durch Banken vermittelt wird. Schon deswegen ist das Kapitalmarktangebot über Börsen in den USA bereits sehr hoch. Das Kapitalangebot steigt noch durch den Zufluss von Ersparnissen aus der übrigen Welt und darunter auch aus Entwicklungs- und Schwellenländern.

Das Kapitalangebot verleitet zu Spekulationsblasen wie die DOT-COM- und Immobilienblasen, in denen jeweils viel Kapital verbrannt wurde. Die Immobilienblase in den USA hat 2008 die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelöst.

Durch Spekulationen werden die Wertpapierkurse und Immobilienpreise hochgetrieben. In dem Maße, in dem sich das allgemeine Preisniveau für Aktien und Immobilien, Kunstwerke und Edelmetalle erhöht, werden alle deren Besitzer reicher, ohne dass realwirtschaftlich das Sozialprodukt gewachsen wäre. Es handelt sich dabei nur um Scheingewinne, denen keine realen Güter oder Dienstleistungen zugrunde liegen.

Der hohe Kapitalanlagedruck brachte Banken und Finanzdienstleister auch dazu, neue Spekulationsmethoden, wie Leerverkäufe und Wetten auf Kurse sowie Finanzderivate zu erfinden. So ist der Kapitalmarkt immer mehr zu einem Spielcasino pervertiert.14

Besonders viel verdienen Finanzdienstleister. Für die Zeit vor der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise sollen 40 Prozent aller Unternehmensgewinne im Bereich der Finanzdienstleistungen erwirtschaftet worden sein.15 Angeregt wurden dadurch natürlich auch Konsumausgaben, insbesondere für Luxusgüter und Restauration und Unterhaltung, allerdings auch für gemeinnützige Stiftungen.

3. Exportüberschussländer wie Deutschland, China und Japan ersetzen die fehlende Inlandsnachfrage durch überschüssige Nachfrage aus dem Ausland

Länder mit Exportüberschüssen werden als wirtschaftlich stark und gesund bewertet. Zu sehen ist aber, dass sie Ungleichgewichte in der wirtschaftlichen Entwicklung zu anderen Ländern bewirken. Die zusätzliche Beschäftigung in dem Exportüberschussland könnte mit entsprechender Unterbeschäftigung in anderen Ländern erkauft worden sein. Deswegen werden die traditionellen Exportüberschussländer wie Deutschland, Japan und China zunehmend kritisiert. US-Präsident Donald Trump versucht mit Importbarrieren, sich auch gegen die europäischen und damit primär gegen die deutschen Exportüberschüsse zu wehren. 2019 übertrafen die EU-Exporte von Waren in die Vereinigten Staaten >>die Importe von dort um 152,6 Milliarden Euro, wie das Statistikamt Eurostat … mitteilte. Das ist ein Anstieg von fast elf Prozent: 2018 lag der Handelsüberschuss lediglich bei 137,8 Milliarden Euro.<<16

Zwar können Länder mit chronischen Exportüberschüssen eine zu geringe Nachfrage, deren Ursache insbesondere eine ungleiche Vermögens- und Einkommensentwicklung ist, durch Exportüberschüsse ausgleichen. Mit diesen Exportüberschüssen sind aber folgende nationale und internationale Nachteile verbunden:

3.1 Zu niedrige inländische Konsum- und/oder Investitionsausgaben infolge von Exportüberschüssen

In Höhe des Exportüberschusses werden im Inland mehr Produkte und Dienstleistungen hergestellt als verbraucht. Für die oberen Einkommensschichten ist das kein Problem. Die Bedürfnisse der unteren Einkommensschichten könnten aber besser befriedigt werden, wenn sie in Höhe der Exportüberschüsse mehr Kaufkraft hätten. Auch die Staatsausgaben können für notwendige Infrastrukturen, Ausbildungs- und Forschungsförderung sowie Sicherheit zu gering sein.