Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht - Viola Falkenberg - E-Book

Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht E-Book

Viola Falkenberg

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Wissenschaftskommunikation ist wichtig. Aber wie gelingt sie? Wie erreicht man sein 'Publikum'? Welche Formate und Kanäle kann man bespielen? Dieser Praxisleitfaden zur Wissenschaftskommunikation bietet Schritt-für-Schritt-Anleitungen vom Social Media-Post bis zum eigenen Podcast, von der Bildrecherche bis zum Videodreh. Er unterstützt verlässlich bei der Konzeption, bietet aber auch konkrete Hinweise für die praktische Umsetzung. Auf der Basis von Forschungsergebnissen und mit zahlreichen Best-Practice-Beispielen aus vielen Fachdisziplinen hilft der Band, die eigene Arbeit ins Rampenlicht zu rücken. Er schließt mit Übungen, Checklisten und einer Fördermittel-Übersicht.

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Seitenzahl: 373

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Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht

Mit Übungen und Checklisten

Viola Falkenberg

Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen

Umschlagabbildung: „Studio light on location for movie scene“ von Lou Oates © shutterstock (596152) 2021.

 

Viola Falkenberg (Lic. rer. publ.) studierte Journalisten-Weiterbildung und Grundlagen der Biologie. Für Medieninterviews, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit trainiert sie auch Menschen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Wahl-Bremerin schrieb Fachbücher zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und war zwölf Jahre Mitglied im Rundfunkrat von Radio Bremen.

 

©2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Satz: pagina GmbH, Tübingen

 

utb-Nr. 5670

 

 

Print-ISBN 978-3-8385-5670-3

ePub-ISBN 978-3-8463-5670-8

Inhalt

Wissenschaftskommunikation als Herausforderung1 Bühne vorbereiten1.1 Konzept erstellenZiele klären – Ausgangssituation analysieren – Strategie festlegenSWOT-Analyse von HochschulenVon der übergeordneten Strategie zum KommunikationszielVom Slogan zum Maßnahmenplan1.2 Zielgruppe erreichenMediennutzung herausfinden – an Studierende wenden – Themenliste erstellen1.3 Geschichten entwickelnStory-Struktur festlegen – Elemente ergänzen – Zusatzthemen finden1.4 Rechte einholen und sichernImpressum einfügen – Bild-, Text- und Persönlichkeitsrechte beachten – Tantiemen erhaltenBild-, Text- und Persönlichkeitsrechte einhaltenTantiemen erhalten und Pflichtexemplare abliefern1.5 Material besorgen – von Fotos bis MusikBilder- und Musikarchive nutzen – Fotomotive finden – Bilder bearbeitenBilder aufbauen und bearbeitenGrafik zur Botschaft erstellen2 Leser gewinnen2.1 Schreiben für andereSchreiben als Prozess – Frische Formulierungen finden – Texte überarbeitenFrische und einprägsame Formulierungen findenTexte überarbeiten, Schreibprobleme lösen2.2 Netzwerk online pflegenProfil erstellen – Follower bekommen – Twitter, LinkedIn, Facebook und ResearchGateTwitter: Kommunikationstool mit ServiceleistungLinkedIn: Ranking für Sichtbarkeit entscheidendFacebook: vor allem privat genutztResearchGate: Akademisches Netzwerk mit ScoreAkademische Netzwerke: Von Academia bis Zotero2.3 Mit Blogs bekannt werdenTechnische Umsetzung – Blogportale – Kommentare2.4 Wikis und Webseiten nutzenOnline-Visitenkarte pflegen – Homepage erstellen – Wikipedia bereichernWikipedia: Artikel schnell ergänzen und mit Unterstützung schreiben2.5 Buch veröffentlichen – vom Exposé zur FreigabeVerlagsvertrag vereinbaren – Honorar verhandeln – Preisträger werdenDen Wunschverlag überzeugenWettbewerbe für Sach- und Wissensbücher3 Publikum ansprechen3.1 Vortrag vorbereitenVisualisiertes vorstellen – Spannung halten – Schreiben fürs HörenVortrag strukturieren, Aufmerksamkeit wach haltenHörtexte schreiben und Material vorstellenAufwärmen und Spannung halten3.2 Screen- und PodcastsAudio produzieren – Wiedererkennungsmerkmale einplanen – Über Plattformen verbreitenScreencasts: Von der Bildschirmpräsentation ohne Ton bis zum interaktiven Video3.3 Videos drehen und verbreitenVom Überblick zum Detail – Ton, Text, Tempo – YouTube bis TikTokInhalte planen und Technik vorbereitenFünf Einstellungen pro SequenzSchneiden: von Blenden bis RhythmusVeröffentlichen und verbreiten3.4 Veranstaltungsorte und –formateBarcamp bis Science Slam – Basketballhalle bis TheaterScience Slam für Nachwuchswissenschaftler3.5 Events – von der Planung zur AuswertungRahmen abstecken – Team bilden – vom Stimmungsbild zur Bilanz4 Journalisten erreichen4.1 Anlässe und VerteilerRelevanzkriterien – Presseverteiler – ExpertendatenbankenKontaktdaten bekommen und Pressemitteilungen versendenIn Datenbanken eintragen4.2 Aufbau PressemitteilungÜberschriften entwickeln – Inhalte strukturieren – Service bieten4.3 Journalistischer schreibenTexte beginnen – Sonder-Schreibweisen berücksichtigen – Zitate entwickelnZitate: prägnante Einordnungen, die erinnert werden4.4 Pressegespräche bestehenInterviews absprechen – Frage-Antwort-Katalog vorbereiten – AutorisierenInterviews vorbereitenInterviews umsetzen und nachbereitenPressekonferenz planenIn Talkshows unterhalten4.5 Krisen bewältigen – vom Troll zum ShitstormHatespeech begegnen – Handlungsoptionen nutzen – Todsünden vermeidenShitstorms einordnen und beruhigenKrisen die Kraft nehmen5 Wissenschaftskommunikation trainieren5.1 Förderung findenFond und Forschungsgemeinschaft – Stiftung finden – Crowdfunding einsetzen5.2 Wettbewerbe nutzenAusschreibungen für Medienformate, Fachrichtungen, RegionenAchtzehn Wettbewerbe für Medienformate: von Blogs über Podcasts bis TexteNeun Wettbewerbe von Dresden bis PotsdamVier Wettbewerbe von Astronomie bis Umwelttechnik5.3 Checklisten im ÜberblickBühne vorbereitenLeser gewinnenPublikum ansprechenJournalisten erreichen5.4 Welcher Inhalt für welches Medium – Übliche Kombinationen6 Übungen zum Ausprobieren7 Lösungsideen zum NachschauenLiteraturRegister

Wissenschaftskommunikation als Herausforderung

„Wir dürfen nicht warten, bis die Menschen zu uns kommen. Wir müssen unsere Erkenntnisse zu ihnen bringen“1, forderte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Almendinger, beim weltweiten „Marsch für Wissenschaft“. Das klang einfach und überzeugend. Aber gleichzeitig ist es „in der wissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland nicht vorgesehen, Kompetenzen für die Kommunikation mit Öffentlichkeit und Medien zu erwerben“2. Auch deshalb scheinen die Wege, auf denen die Erkenntnisse zu den Menschen gebracht werden sollen, steinig. Für die bessere Übersicht über das Wegenetz, geht dieses Buch ein paar Wege ab. Um diese dann erfolgreich selbst zu gehen, braucht es etwas Ausdauer und Kondition. Die lässt sich zunächst mit Aufwärmübungen aus dem Anhang aufbauen und anschließend in der Praxis.

Dort wartet schon ein interessiertes Publikum: In Deutschland möchten laut einer repräsentativen Befragung zwei von drei Befragte gerne mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über lohnenswerte Forschungsfragen diskutieren und ihnen über die Schulter schauen.3 In Europa informieren die sich vor allem im Fernsehen über Neues aus Wissenschaft und Technologie, dann in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet.4 Weltweit möchten 62 Prozent der Menschen mehr über Forschung erfahren und haben 75 Prozent hohes oder mittleres Vertrauen in Forschende.5 Auf stabile Zielgruppen kann leider dennoch nicht vertraut werden: „Wer heute vom Wert wissenschaftlicher Forschung überzeugt ist, kann morgen schon auf Distanz gehen“6, stellte das Schweizer Wissenschaftsbarometer fest. Deshalb müsse sich Wissenschaftskommunikation ganz besonders um diejenigen bemühen, die sich nicht aktiv für Wissenschaft interessieren.

Aber „es fehlt an Bereitschaft, es fehlt an Fähigkeiten und es fehlt auch an Fertigkeiten bei vielen deutschen Professorinnen und Professoren, ernsthaft und belastbar für das zu stehen, was sie sind und was sie können“, klagen die Einen.7 Andere stellen fest, „dass vieles in der Wissenschaftskommunikation in der Vergangenheit schiefgelaufen ist“8. Die Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, Beatrice Lugger, plädiert daher dafür, Wahrscheinlichkeiten nicht als Fakten zu präsentieren, für mehr Dialog auf Augenhöhe und dafür, sachliches durch Emotionen zu ergänzen. Für die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim wird „immer deutlicher, dass es nicht ausreicht, Fakten zusammenzutragen, zu erklären, wie etwas funktioniert. Ein ganz wichtiger Trend sei, das Wissen einzuordnen: Was bedeutet das jetzt eigentlich genau für die Gesellschaft? Wie müssen wir handeln?“9

Solche unterschiedlichen Akzentsetzungen sind auch in der Wissenschaftskommunikation nicht neu: Der erste Richtungsstreit, der dokumentiert ist, fand schon in der Platonischen Akademie in der Antike statt.10 Als 1870 populäre und Fachwissenschaften strikt voneinander getrennt wurden, wurde dem Populären „der Makel des Trivialen und allzu Simplen angeheftet“11. Das wirkt bis heute nach: Den Wirtschaftswissenschaftler Max Roser fragten Kolleginnen, warum er seine Zeit mit öffentlicher Kommunikation verschwende. Heute werden die Grafiken auf seiner Plattform „Our World in Data“ monatlich 1,3 Millionen Mal angeklickt, Lehrende nutzen seine Grafiken im Unterricht und Esther Duflo erläuterte damit, wofür sie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekam.12 Ebenso treffen Autorinnen populärwissenschaftlicher Bestseller auf Unverständnis und mehr oder weniger deutlich gerümpfte Nasen. So wird verstetigt, dass öffentliche Präsenz für die wissenschaftliche Reputation wenig relevant bis schädlich ist. Und das, trotz breitem Konsens, dass Forschung auch deshalb besser kommuniziert werden sollte, um gegen Populismus, Fake-News und Wissenschaftsskepsis bestehen zu können. Das Museum für Naturkunde Berlin ergänzt: „Gerade, weil Forschung mit öffentlichen Geldern finanziert wird, sollten die Ergebnisse auch für die Öffentlichkeit verfügbar und nutzbar sein.“13

Steine aus dem Weg räumen

Weil „Wissenschaftskommunikation Teil der Leistung von Wissenschaft“14 ist, möchte das Bundesforschungsministerium, dass Forschende dafür künftig Ressourcen einplanen. Im „Grundsatzpapier Wissenschaftskommunikation“ des Ministeriums fehlt Kritikern derweil eine Analyse, warum „mehr Kommunikation durch die Wissenschaft selbst vertrauensbildend wirken soll und nicht geradewegs den gegenteiligen Effekt erzeugt, nämlich eine misstrauische Gesellschaft, die einer immer lauter werdenden Eigenkommunikation der Wissenschaft mit steigender Skepsis begegnet.“15

Skepsis und Misstrauen gibt es auch in der Wissenschaftscommunity. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina kritisiert, wenn Imagepflege das vorrangige Kommunikationsziel insbesondere wissenschaftlicher Institutionen ist.16 Das spießt für die Schweiz – ebenso zu Recht – der Soziologe Urs Hafner auf.17

Dass es ihnen eben nicht in erster Linie ums Image geht, zeigten Forschende und Expertenteams, die sich aktiv an der Klimadebatte beteiligten und bei Friday for Future-Demonstrationen Stellung nahmen. Kurz darauf kommunizierten und diskutierten während der Corona-Pandemie erst Virologen und Epidemiologinnen öffentlich, dann Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, aber auch Strömungstheoretiker und Historikerinnen. Sie verbreiteten Ergebnisse und Empfehlungen und räumten Fehler ein. So fand vor aller Augen ein wissenschaftlicher Prozess statt – während Kommunikationswissenschaftler darauf hinwiesen, dass Fehler in der Öffentlichkeit mitunter „mit Niedergang und Versagen“18 gleichgesetzt werden und die Interessen von Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Politik unterschiedlich blieben. Aus der Wirtschaft hieß es: „Am Anfang der Coronakrise war die Politik das Problem, weil sie keine Ahnung von Virologie hat. Nun regieren die Virologen, die leider wenig von Wirtschaft verstehen.“19 Die Wissenschaftsministerin von Schleswig-Holstein stellte dagegen fest: „Es geht endlich um evidenzbasiertes Handeln. Die enge Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik, auch zwischen Politik und Wissenschaft und Gesellschaft – die üben wir gerade“20. In dieser Zeit bestätigte sich, dass nicht nur die Wissenschaftsredaktionen großer Zeitungen der Wissenschaft „sehr gewogen“ sind, wie der weitgehende „Verzicht auf Berichterstattung über wissenschaftliche Kontroversen“ und verpulverte Fördergelder in der Vergangenheit zeigte.21 Und das trotz immer weiter reduziertem Platz und Personal in den Redaktionen. So wurde schließlich vermutet, dass der Ausbruch der Pandemie der Öffentlichkeit die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung „mit Blick auf die Klimakatastrophe vielleicht noch gerade rechtzeitig“ vor Augen geführt hat.22 Dabei kann sich die Wissenschaft – als einer der großen zivilgesellschaftlichen Akteure – nicht nicht verhalten.

Auch wenn es an manchen Hochschulen noch als anmaßend gilt, wenn Forschende eigene Internetseiten aufsetzen, während gleichzeitig nicht nur die aktive Präsenz in den Social Media als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Dabei sind mit der Vielfalt der Formate und Strategien die Möglichkeiten ebenso gewachsen wie die Herausforderungen: In einer Woche steht ein Vortrag für neue Zielgruppen an, in der nächsten werden die Bedingungen einer Podcast-Produktion diskutiert. Dann soll ein Presseinterview gegeben oder ein Blog aufgesetzt werden. Gleichzeitig sind die Übergänge zwischen in- und externer Kommunikation – durch Social Media, Videos, Wikis und Webseiten – auch in den Wissenschaften fließender geworden sind. Auch deshalb braucht es klare Konzepte, um Erkenntnisse zu den Menschen zu bringen. Denn es gibt zwar viele Wege vom Hörsaal ins Rampenlicht, aber auf allen liegen Steine. Manche zerfallen im Licht des Wissens, andere lassen sich mit etwas Training überspringen. Dieses Buch möchte etwas Licht bieten und, mit den Übungen im Anhang, zum Konditionsaufbau anregen.

Ethik entwickeln und Defizite abbauen

Wissenschaftskommunikation ist dabei, wie jede Kommunikation, nicht per se gut oder schlecht: folgt sie ethischen Grundsätzen, ist sie gut, tut sie das nicht, ist sie schlecht, stellten Medvecky und Leach fest. Sie fordern, ethische Prinzipien zu entwickeln, die die speziellen Herausforderungen und Probleme von Wissenschaftskommunikation berücksichtigen. Dafür müsse allerdings die verwirrende, herausfordernde und dringliche Frage geklärt werden, was eigentlich die Kernmerkmale von Wissenschaftskommunikation sind.23

Bis diese Aufgabe gelöst ist, könnten dennoch Kommunikationsbarrieren ab- und die Aus- und Weiterbildung in der Wissenschaftskommunikation24 ausgebaut werden. Auch einige Defizite der Praxis ließen sich durchaus schon mal abbauen, um Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken:

Checklisten für Qualitätskriterien und Best-Practice-Beispiele überregional bereit gestellt werden, beispielsweise bei Wettbewerben wie „Pressemitteilung des Jahres“ des Informationsdienstes Wissenschaft (► Kap. 4.2 – Aufbau Pressemitteilung)

Buchpreise die Expertise der Autorinnen und Autoren benennen, statt nur die Namen der zahlreich vertretenen Menschen aus der Wissenschaft (► Kap. 5.2 – Wettbewerbe nutzen). Auch könnten Ministerien, Fachgesellschaften und Universitätsbibliotheken Buchpreise ausloben, wie den Wettbewerb „Wissenschaftsbuch des Jahres“ des Österreichischen Bundesforschungsministeriums, bei dem das Publikum in den Buchhandlungen über ausgewählte Titel abstimmt

neue Veranstaltungsformate an ungewohnten Orten für bisher wenig erreichte Zielgruppen umgesetzt werden (► Kap. 3.5 – Events)

Jurys zu Wettbewerben in der Wissenschaftskommunikation außer mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftsjournalisten auch mit Journalisten allgemeiner Medien und Vertretungen der Zielgruppen besetzt werden, um Einschätzungen der allgemeinen Öffentlichkeit einzubeziehen

eine deutschsprachige Fachzeitschrift für Wissenschaftskommunikation gefördert werden, die Theorie und Praxis verzahnt, laufende Selbstausbildung und -reflexion ermöglicht und so Wissensmängel abbaut,25 statt dass vor allem innovative Projekte und Formate finanziert werden, die eher Infohäppchen verteilen als den Überblick zu ermöglichen (► Kap. 5.1 – Förderung finden)

Sprecherinnen und Sprecher von Fachrichtungen wissenschaftliche Mehrheitspositionen ebenso überzeugend auch in den Medien vertreten wie sie fachlich fundiert Paroli bieten können

ein Wissenschaftsrat als freiwilliges Selbstkontrollgremium der Wissenschaftskommunikation – wie der Presse- und PR-Rat – einen Ehrenkodex herausgeben und auf dieser Grundlage Verstöße öffentlich rügen

1Bühne vorbereiten

1.1Konzept erstellen

Ziele klären – Ausgangssituation analysieren – Strategie festlegen

Wer sein Leben neu gestalten möchte, entwickelt besser erst ein Bild davon, wie es werden soll, bevor er mit der Umsetzung beginnt. Will man mit Politikern in Talkshows streiten und auf Podien sitzen, Wissenschafts-Influencer über Social Media werden oder hinter den Kulissen Konzepte entwickeln und Technik bereitstellen? Auf regionaler Ebene, national oder international? Zu welchen Themen und mit welcher inhaltlichen Ausrichtung? Je klarer das Ziel und je durchdachter der Umsetzungsplan, umso kürzer werden die Umwege.

Das gilt auch für die Kommunikation von Wissenschaft. In der Realität gleicht die aber oft eher einer Baustelle, auf der Leitungen verlegt und Fenster gelagert werden, bevor klar ist, ob ein solides Familienhaus oder ein elegantes Schloss gebaut werden soll. Dann wird schon mal etwas im Social-Media-Kanal gepostet, ein Text auf die Webseite gestellt und eine Pressemitteilung verschickt, bevor das Ziel klar ist. Das erfordert Zeit und Nerven, Absprache und Konzentration, endet aber trotzdem oft mit verwaisten Baustellen.

In klassischen KommunikationskonzeptKommunikationskonzepten wird stattdessen zunächst die Ausgangssituation analysiert, bevor die Ziele und die Strategie festgelegt werden. Denn wie das Ziel genau erreicht werden kann, das hängt sowohl vom Ziel als auch der Situation ab: Sollen internationale Wissenschaftskontakte aufgebaut und gepflegt werden oder die Menschen vor Ort von Forschungsergebnissen erfahren? Soll das Renommee als Gesprächspartner für die Medien steigen oder das Publikum unterhaltsam zum Mitforschen aktiviert werden? Erst wenn das geklärt ist, lässt sich herausfinden, wie das erreichbar ist.

In den Public Relations ist der Standardablauf der Konzepterstellung:

Analysieren – Übergeordnetes Ziel erarbeiten und Ausgangssituation recherchieren

Strategie festlegen – Kommunikationsziele, Dialoggruppen, Botschaft und strategische Umsetzung erarbeiten

Taktik erarbeiten – Maßnahmen, Zeit und Kosten planen

Evaluieren

In der Wissenschaftskommunikation war in den frühen 2000er Jahren „die Informationsvermittlung zum Ausgleich des angenommenen Wissensdefizits der Bevölkerung“ ein übergeordnetes Ziel. Heute gelten Dialog und Beteiligung als wichtiger.1 Die vier häufigsten strategischenKommunikationszieleZiele sind nach einer Analyse von 39 bundesweiten Akteuren:

Nutzen für die Gesellschaft

Dialog durch Diskussion von Erkenntnissen, Ansätzen und Methoden, die im Austausch mit der Gesellschaft reflektiert werden, um Impulse zu erhalten und zum öffentlichen Diskurs beizutragen

Verständnis für und Wissen über Wissenschaft steigern

aktive Teilnahme der Bevölkerung, damit die beispielsweise Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen mit erarbeitet

In der Praxis sollte 2019 dann aber doch eher das öffentliche Verständnis von Wissenschaft oder die Bekanntheit von Forschungserkenntnissen erhöht, Akzeptanz für Wissenschaft oder Forschungsprojekte geschaffen und sichergestellt werden, dass wissenschaftliche Erkenntnisse im öffentlichen Diskurs berücksichtigt werden.2

Tatsächlich könnten als strategisches Ziele auch messbare Ziele festgelegt werden: In zehn Jahren die öffentliche Debatte zu den eigenen Inhalten beeinflussen und politisch beraten oder die im eigenen Land am häufigsten zitierte Expertin sein, einen Preis für exzellente Lehre bekommen oder eine überregional anerkannte Forschungseinrichtung sein. Denn Ziele sind idealerweise spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert, kurz SMART. Wer als Forschungsteam führend, als Autor einflussreich oder in drei Jahren bekannt sein möchte, müsste daher erst noch festlegen, wie er dies messen will. Heißt ,bekannt‘, dass Erstsemester den Namen vor der ersten Veranstaltung kennen oder dass Journalisten anrufen? Bedeutet, als Autorin einflussreich zu sein, dass ein Buch in siebter Auflage erscheint oder dass Sätze daraus zum Sprichwort geworden sind?3SWOT-Analyse

SWOT-Analyse von Hochschulen

Sind smarte Ziele erarbeitet, wird die Ausgangssituation recherchiert. Dabei fließt ein, was andere Institute und Wissenschaftlerinnen machen, wo und wie sie das tun und wie das eigene Image ist. Besteht schon Interesse am Thema oder muss es erst geweckt werden, welche Entwicklungen zeichnen sich gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und fachlich ab? Denn eine Medizin-Historikerin, die Journalisten bereits in der Vergangenheit zu Pandemien interviewten, hat zu Beginn einer neuen Pandemie eine andere Situation als ein Linguist. Wenn der sich zuvor über einen „Virtual Linguistics Campus“1 eine große Gemeinschaft aufgebaut hat, könnte er seine Ziele aber auch während einer Pandemie verfolgen.

Was tatsächlich möglich ist, hängt außer von der externen Situation auch von der internen ab: Gibt es Mitstreiterinnen, Kooperationspartner oder Pressestellen, die Unterstützung bieten? Gibt es freie Kapazitäten und reicht die technische Infrastruktur? Ist die Finanzierung kurz- und langfristig gesichert? Oder soll zwar mehr öffentliche Präsenz erreicht werden, aber sich damit weder einzelne Projekte noch Personen hervortun?

Zusammenfassen lässt sich die in der Realität oft komplexe Ausgangssituation in einer SWOT-Analyse. Die internen Strengths/Stärken und Weaknesses/Schwächen werden dabei den externen Opportunities/Chancen und Threats/Risiken gegenübergestellt. Die Universität Freiburg ermittelte für sich zehn Stärken:

Motivation und Qualität von Studierenden und Mitarbeitenden

Lehrkultur

Forschungsleistungen und -freiräume

Interdisziplinarität und Verbundforschung

Exzellenzeinrichtungen und deren Integration in die Universität

Integration von Lehre und Forschung

Nachwuchsförderung und -rekrutierung

Internationalität

Internationale und öffentliche Reputation

Attraktive Universität und Region für Studierende und Beschäftigte

An Schwächen wurden zusammengetragen: Die staatliche Grundausstattung, die Sach- und Personalausstattung, keine Stipendien für Nachwuchswissenschaftler und die teilweise fehlende Professionalität der Leitungsstrukturen auf Fakultätsebene.

Auf Grundlage dieser Stärken und Schwächen erkannte die Universität sechs Chancen:

Optimierung der Governance-Prozesse und Strukturen

Selbstbewusstsein und Selbstkritik

Zielgerichtete Handlungsfähigkeit

Diversifizierung und Internationalisierung

Tradition und Innovation

Identität und Kultur der Universität

Der Schwerpunkt bei den Risiken war – entsprechend der Schwächen – das Geld: Die staatliche Finanzierung der Universität, der Ausfall von Studiengebühren, die zunehmende Diskrepanz zwischen Grund- und Drittmittelausstattung sowie die immer komplexer werdenden Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse.2

Auch andere Hochschulen sahen die Risiken vor allem beim Geld – neben der demografischen Entwicklung und zunehmenden Konkurrenz um Wissenschaftler und Studierende. An Chancen ermittelten sie ihr positives Image in Wissenschaft und Öffentlichkeit, ihre fachliche Spezialisierung und hohe Flexibilität durch den Autonomiestatus. Bei einigen kamen Offenheit für neue Ideen, Praxisorientierung und neue Angebote hinzu, bei anderen der hohe Stellenwert von Freunden und Gemeinschaft und der Wunsch nach individueller Betreuung. Entsprechend sahen Hochschulen mal ihr hohes Renommee und die lange Tradition erfolgreicher Forschung als Stärke an, mal die erfahrenen Dozentinnen, die Forschungskompetenz und fachliche Spezialisierung. Überraschender ist, dass als größte Schwäche ein fehlendes Profil und Kommunikationskonzept, die dezentrale Öffentlichkeitsarbeit und das unkoordinierte Marketing standen. Dem folgten das altmodische Image, unbefriedigende Technik und Räume sowie unattraktive Lage und schlechte Verkehrsanbindung.3

Ist eine SWOT-Analyse erstellt, wird im nächsten Schritt überlegt:

Wie können Stärken eingesetzt werden, um Chancen zu nutzen?

→ Matching-Strategie

Wie können Schwächen zu Stärken entwickelt werden, um Risiken in Chancen zu verwandeln?

→ Umwandlungs-Strategie

Mit welchen Stärken kann welchen Risiken begegnet werden?

→ Neutralisierungs-Strategie

Wie lässt sich verhindern, dass Schwächen zu Bedrohungen werden?

→ Verteidigungs-Strategie

Von der übergeordneten KommunikationsstrategieStrategieStrategie zum Kommunikationsziel

Hat die künftige Professorin Julia Schmidt per SWOT-Analyse festgestellt, dass sie international gut vernetzt ist (Stärke), aber ihr Profil nicht klar ist (Schwäche), sie in einem Zukunftsbereich forscht (Chance), aber viele Mitbewerber hat (Risiko), könnte sie danach entscheiden, ob sie gemäß der

Matching-Strategie internationale Kontakte pflegen und nutzen will, um sich über Ländergrenzen hinweg im Zukunftsbereich zu positionieren,

Umwandlungs-Strategie das Profil flexibel halten möchte, um sich international so breit zu positionieren, dass sie thematisch ausweichen kann, wenn Mitbewerber in Einzelaspekten sehr stark werden,

Neutralisierungs-Strategie Kontakte in die Länder ausbaut, in denen es wenig Mitbewerber gibt oder

Verteidigungs-Strategie ein Profil entwickelt, dass sie von Mitbewerberinnen unterscheidet.

Sobald Julia sich auf eine dieser übergeordneten Strategien festgelegt hat, kann sie ihre Kommunikationsziele festlegen: Will sie als Person bekannter werden oder ihre Forschung? Will sie persönliche Beziehungen vertiefen oder Diskussionen anstoßen? Möchte sie ihre Expertise zur Verfügung stellen oder Kontakte vermitteln?

Wenn sie sich dafür entscheidet, vor allem Studierende zu motivieren und Kooperationspartner zu gewinnen, stehen ihre Zielgruppen fest. Dann sollte sie mehr über sie herausfinden, als dass ‚typische Studierende‘ 23 Jahre alt und weiblich sind, in einer Wohngemeinschaft oder mit Partner leben (► Kap. 1.2 – Zielgruppe erreichen). Für ein erfolgreiches Konzept kann Julia entsprechend der Eckdaten auch typische Individuen aussuchen oder konstruieren. Denn je realer die Person aus der Zielgruppe ist, umso klarer wird auch, was zu ihr passt – welche Medien, welche Inhalte und welcher Stil. Dann wird aus der abstrakten Studentin die 23jährige Anna, die Rennrad fährt, in einer Kleinstadt aufwuchs, sich eine glückliche Beziehung wünscht, fürs Klima engagiert und in einem Restaurant jobbt.

Die nächste Frage ist: Was soll Anna über Julia denken? Welche BotschaftBotschaft soll bei ihr ankommen. Soll sie Julia für kompetent halten? Oder soll sie glauben, dass Julia weltweite Kontakte hat? Julia würde ihren Studierenden dann nicht einfach erzählen, dass sie weltweit vernetzt ist. Aber sie würde dafür sorgen, dass die Studierenden genau das über sie denken. Der Unterschied zwischen beiden Herangehensweisen wird oft so erklärt: Erzählt ein Mann einer Frau, dass er ein toller Kerl ist, so ist das Reklame. Sagt er ihr, das sie toll aussieht, ist das Werbung. Aber wenn sie sich für ihn entscheidet, weil sie von anderen gehört hat, dass er ein feiner Kerl ist, dann ist das Öffentlichkeitsarbeit. In diesem Sinne würde Julia Öffentlichkeitsarbeit für sich machen. Sie würde also vielleicht für einen Studenten einen internationalen Kontakt herstellen, der dann seinen Mitstudierenden davon erzählt.

Vom SloganSlogan zum Maßnahmenplan

Sollen Botschaften in der Außenkommunikation auf den Punkt gebracht werden, kann die Verwendung von SloganSlogans weiterbringen. Was einen guten Slogan ausmacht, zeigte eine Online-Umfrage von Studierenden der Universität Hohenheim: Baden-Württemberg siegte mit „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“, während „Niedersachsen. Klar.“ Schlusslicht wurde1. Denn „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ ist überraschender, unterhaltsamer und macht einen Nutzen klar. Er enthält zudem ein Alleinstellungsmerkmal, eine Mission und Vision.

Kurz, mehrdeutig und englisch ist der Trend – auch bei Slogans für die Wissenschaft: Die „Lange Nacht der Wissenschaften Berlin“ hatte das Motto „Die klügste Nacht des Jahres“. „Wir leben Wissenschaft“ heißt es bei der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. „Wir bilden Europas Spitze!“ ist der Slogan des Berufsförderungsinstituts Wien und „Building Competence. Crossing Borders“ der der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Aber es gibt auch Slogans ohne Alleinstellungsmerkmal, die weniger überzeugen: „Technische Universität mit einzigartigem Profil“, „Studieren für die berufliche Praxis“ und „Studieren auf europäischem Niveau“.

Um schnell auf ein paar Ideen zu kommen, kann Julia die zentralen Worte ihrer SWOT-Analyse – weltweit, Wissenschaft, Netzwerk und Zukunft – auf Slogan-Webseiten eingeben.

Slogans.de nennt an existierenden Slogans für das Wort weltweit: „Wirkt weltweit“ von Ärzte ohne Grenzen und „Weltweit. Ganz nah“ der Schweizer Firma Agro

Sloganizer.net macht aus den zentralen Worten: „Weltweit. Weshalb auch nicht?“, „Wissenschaft – genau mein Stil“, „Netzwerk hat Charisma“ und „Zukunft macht’s möglich“

Slogangenerator.co bietet für science unter anderem an: „Best always comes from sciences“, „Sciences comes with a smile“ und „sciences works“

Shopify.com schlägt für future vor: „Get in my future“, „More future please“ und „Follow your Future“

Aus diesen Vorschlägen könnte Julia für sich selbst Passenderes entwickeln – vielleicht science works worldwide. Das könnte sie dann als ihr Motto in ihren Social-Media-Account einstellen.

Fürs Kommunikationskonzept wären damit bereits das Ziel, die Zielgruppe und die übergeordnete Strategie festgelegt: Julia möchte, dass die Studentin Anna – und damit alle Studierenden – sie als weltweit vernetzte Wissenschaftlerin wahrnehmen. Und sie möchte ihre internationalen Kontakte pflegen, um sich über Ländergrenzen hinweg im Zukunftsbereich zu positionieren. Auf der Basis ergeben sich auf der nächsten Ebene neue Fragen: Möchte Julia ihre Kontakte mit Annas Unterstützung ausbauen oder diese für Anna nutzen? Soll es einen regionalen Blog mit Beiträgen internationaler Autoren geben, um schließlich auf international besetzten Podien präsent zu sein oder will Julia im Blog berichten, was sie auf international besetzten Podien erklärt? Für die KommunikationsstrategieKommunikationsstrategie legt Julia anschließend Punkt für Punkt fest:

Wo ist der regionale Schwerpunkt –

im Studiengang, im Fachbereich, im Institut, an der Hochschule oder in der Stadt, der Region, dem Land oder Kontinent?

Wer setzt die Maßnahmen um –

Julia allein oder in Zusammenarbeit mit der Pressestelle, mit Kooperationspartnern oder internationalen Kontakten?

Was sind die Inhalte –

Serviceinfos oder das Forschungsthema, internationale Forschungstrends oder Aktivitäten mit internationalen Kollegen? Die Inhalte werden dabei danach ausgewählt, was die Zielgruppe interessiert, also nicht danach, welches Material gerade vorliegt.

Welche Kanäle sollen genutzt werden –

ein Blog, einzelne oder mehrere Social-Media-Kanäle, Medien-Interviews oder Podiumsdiskussionen, öffentliche Vorträge oder Events? Ausgewählt wird der Kanal, der die Zielgruppe am besten erreicht.

Welche Medien kommen bei der Zielgruppe an –

Infografiken oder Videos, Checklisten oder Fachaufsätze?

Wie werden diese Medien atmosphärisch, optisch und sprachlich gestaltet, um die Zielgruppe zu erreichen –

eher emotional anregend oder rational informativ, lustig oder ernst, offensiv oder defensiv, laut oder leise, plakativ oder differenziert?

im Design des Hauses oder individuell, mit Signalfarben oder dezent, bunt oder einfarbig, modern oder traditionell?

Du oder Sie? Lockerer Plauderton oder formalisierte Sprache? Direkte oder indirekte Ansprache?

Auf Basis der Kommunikationsstrategie können dann die Maßnahmen festgelegt werden: Soll es eine Umfrage zu den internationalen Kontakten der Studierenden geben oder ein Info-Faltblatt, mehrsprachige Plakate oder persönliche Einladungen zu Science Talks im Netz, einen Imagefilm oder regelmäßige Podcasts?

Umgesetzt werden sollten zuerst die Maßnahmen, die am besten zum Ziel passen. Gestrichen werden – oft schweren Herzens – die Ideen, die nicht zur Erreichung der Kommunikationsziele beitragen. Dann bleibt noch zu entscheiden, ob es eine Dramaturgie geben soll: Soll es wenige herausragende Höhepunkte geben oder mehrere über die Zeit verteilte?

Um in der Umsetzungsphase den Überblick zu behalten, haben sich Maßnahmenpläne mit hinterlegtem Terminplan bewährt. Darin steht auch, in welchen Abständen geprüft wird, ob die ursprünglichen Ziele erreicht wurden. Wenn ja, werden die nächsten festgelegt. Wenn nein, werden die Ursachen dafür ermittelt: Waren die Ziele wirklich messbar? Hat sich die Ausgangssituation geändert oder wurden wichtige Faktoren übersehen? Auf der Grundlage wird das Konzept dann alle ein bis fünf Jahre fortgeschrieben und angepasst (► Kap. 6 – Übungen zum Ausprobieren).

Checkliste – Konzept erstellen

Ziel und Ausgangssituation klären

SWOT-Analyse mit übergeordneter Strategie festlegen

Kommunikationsziele eruieren

Ziel-/Dialoggruppen bestimmen

Botschaft mit Positionierung erarbeiten

Kommunikationsstrategie entwickeln

Maßnahmen mit Zeitleiste planen

Prüfen, ob die Ziele erreicht wurden

Konzept nach ein bis fünf Jahren fortschreiben

1.2Zielgruppe erreichen

Mediennutzung herausfinden – an Studierende wenden – Themenliste erstellen

Wer sich für die ZielgruppeZielgruppe ‚Studieninteressierte vor Ort‘ entschieden hat, fragt sie am besten direkt, wo sie welche Inhalte nutzt. Denn ohne größeren Etat lässt sich nicht zuverlässig ermitteln, wo sich die eigene Zielgruppe gerade bevorzugt aufhält und wie sie sich dort informiert. Zwar gibt es Untersuchungen, die darüber detailliert informieren, aber die werden für den Werbemarkt erstellt und sind sehr teuer. Die frei verfügbaren Daten stammen vor allem aus dem Social-Media-Atlas und von den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die veröffentlichen regelmäßig die Studien, die sie in Auftrag geben, damit ihre Angebote und Programme ihre verschiedenen Zielgruppen möglichst gut erreichen. Auf Grundlage dieser Daten stellte der Intendant des ZDF2019 fest, dass auch digital individuelle Zugänge und auf die Nutzer zugeschnittene Inhalte nötig seien.1 Mit anderen Worten: Die Sender müssen ihre Angebote laufend an die wechselnden Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielgruppen anpassen. Das schaffen auch große Häuser mit viel Erfahrung nur mittels umfangreicher Analysen durch externe Dienstleister. Für Menschen in den Wissenschaften ist das intern, nebenbei, mit geringem Etat, allein oder im Team nahezu unmöglich. Aus den großen bundesweiten Studien können aber auch sie größere Trends bei derMediennutzungMediennutzung ablesen:

Deutsche nutzen sieben Stunden am Tag Medien. Sie sehen 3,5 Stunden Filme, hören drei Stunden Audios und lesen eine Stunde. Insgesamt erreichen Videos und Audios über 80 Prozent der Bevölkerung. Die ist täglich gut drei Stunden im Internet, sieht auch dort an erster Stelle Videos und hört an zweiter Audios. Unter 30-Jährige sind dabei doppelt so lange im Internet und nutzen Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften eine Stunde weniger.2

Deutsche Internetnutzer verbringen am meisten Zeit auf YouTube. An zweiter Stelle folgen Apple, Facebook und WhatsApp, an dritter Stelle Google und Amazon.3 Den Messenger-Dienst WhatsApp nutzten im Jahr 2020 fast 80 Prozent der Deutschen, 77 Prozent den Videokanal YouTube. Bei Facebook waren 64 Prozent, bei Instagram 43 Prozent.4 Damit sind täglich 32 Millionen Menschen in Deutschland auf Facebook. Gut halb so viele sind bei Xing und Instagram. Es folgen LinkedIn mit 14 Millionen Accounts, Pinterest mit 6 und das Videoportal TikTok mit 5,5.5

Differenziert nach Altersgruppen waren 14- bis 19-Jährige am häufigsten auf YouTube, am zweithäufigsten auf Instagram und erst an dritter Stelle auf Facebook. Eine Studie ermittelte, dass fast die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen täglich auf Instagram ist und dort 300 Follower hat. Ähnlich häufig waren sie auf Snapchat, aber nur 15 Prozent auf Facebook und TikTok.6 Die 20- bis 29-Jährigen waren zwar ähnlich häufig auf YouTube, wie die 14- bis 19-Jährigen, aber deutlich häufiger auf Facebook als auf Instagram. Bei den 30- bis 39-Jährigen wurde Facebook geringfügig häufiger genutzt als Instagram, bei den noch Älteren überwiegend Facebook.

Je höher der Bildungsstand, umso weniger vertrauen die unter 30-jährigen auf die sozialen Netze und umso eher sind sie von Influencern genervt.7 Über politische Themen informieren die sich häufiger in Gesprächen, im Fernsehen und über Nachrichtenwebseiten und -apps als auf YouTube, Instagram und Facebook.8 Wo sich unter 30-Jährige über Politik informieren, hängt allerdings auch vom Thema ab: Beim Brexit bevorzugten sie die klassischen Medien, beim Urheberrecht die sozialen.9 Diese Themenabhängigkeit wurde bei Gesundheitsthemen für alle Altersgruppen festgestellt: Die erreichen auf YouTube 9,5 Millionen Interessierte, auf Twitter aber keine 1,2 Millionen Menschen.10

Um Studieninteressierte 14- bis 19-Jährige zu erreichen, müssten nach diesen Daten Videos auf YouTube, Instagram und Snapchat der geeignete Weg sein. Aber informieren die sich dort tatsächlich über Wissenschaft, Forschung oder das Hochschulleben? Am besten fragt man sie einfach – beispielsweise zu Beginn eines Vortrags in einer Schule. Vielleicht bestätigt sich dabei, dass Studierende häufig die App Jodel einsetzen, die kurze Nachrichten und Bilder im Umkreis von zehn Kilometern auf Basis von GPS-Daten anzeigt.

Wer genau welche Zeitungen und Zeitschriften liest, erfährt man in den Media-Daten. Darin sind Alter, Geschlecht und Einkommen der Leserinnen und Leser meist ebenso festgehalten wie deren Bildungsstand. Die Media-Daten stehen meist auf den Internetseiten des jeweiligen Verlags. Alternativ sind sie auch über die Anzeigenabteilungen erhältlich. Darin finden sich auch Informationen dazu, welche Themen-Schwerpunkte wann geplant sind. Glück hat, wer wissen möchte, welche Medien wann den Schwerpunkt Schule und Beruf haben: Das steht unter die-zeitungen.de.

Leider nützen diese groben Anhaltspunkte wenig, wenn man wissen möchte, auf welchen Wegen die eigene Hochschule bislang Studierende und Wissenschaftlerinnen, Multiplikatoren und Öffentlichkeit erreicht. Für die sozialen Medien lassen sich aber ein paar Hinweise ermitteln. Denn die jeweiligen FollowerFollowerzahlen sind auf den Plattformen angegeben. Die Rangliste für die Universität Bremen war demnach Anfang 202011:

Facebook: 24000 Abos

Twitter: 6800 Follower

YouTube: 4610 Abos bei 270 Videos

LinkedIn: 1800 Mitglieder

Instagram: 14600 Beiträge unter #unibremen, 250 unter #bremenuniversity, 150 mit #universitybremen und 35 mit bremenuniversität

Auf den ersten Blick erstaunt, dass TwitterTwitter auf Platz zwei der Rangliste steht. Denn diesen Kurznachrichtendienst nutzen täglich nur 1,4 Millionen Deutsche. Darunter sind aber viele Wissenschaftler, Politikerinnen und Aktivisten, weshalb auch viele Journalisten dort sind. Diese hohe Aufmerksamkeit der Multiplikatoren kann auch für wissenschaftliche Themen funktionieren. Das zeigte sich, als die Wochenzeitung „Die Zeit“ den Appell „Schickt die statistische Signifikanz in Rente“ aufgriff. Der war in der Zeitschrift „Nature“ erschienen und wurde binnen einer Woche von über 850 Kolleginnen und Kollegen unterschrieben. Über 16000 Twitter-Nutzer wiesen in wenigen Tage darauf hin. So kam der Appell „auf Platz drei des globalen Aufmerksamkeits-Rankings aller seit 2012 erfassten wissenschaftlichen Publikationen“ und in „Die Zeit“.12

Wer vor allem Studierende erreichen möchte – beispielsweise als Multiplikatoren zu den Studieninteressierten – muss mehr über sie wissen, als welche Medien sie für welche Inhalte nutzen. Zahlreiche Informationen bietet der CampusBarometerCampusBarometer. Danach ist der durchschnittliche Studierende eine 23-jährige Studentin, die sich die Studienzeit ganz anders vorgestellt hat. Sie möchte vor allem Schlüsselkompetenzen erwerben und sieht sich später eher in einer Führungsposition als in der Selbstständigkeit. Sie lebt in einer Wohngemeinschaft oder mit Partner und wünscht sich eine glückliche Beziehung. Sie engagiert sich sozial, wäre mit 1000 Euro pro Monat zufrieden, hat aber nur 750 Euro zur Verfügung. Bei Organisationsfragen zum Studium spricht die durchschnittliche Studentin eher Kommilitonen an, als dass sie Angebote der Hochschule nutzt.13 Einfache Antworten oder Ideologien sind für sie nicht relevant. Sie sorgt sich mehr um den Klimawandel und Rechtsextremismus als wegen der Digitalisierung. Nach einer anderen Studie tritt die Durchschnittsstudentin bescheiden, zurückhaltend und konfliktscheu auf und hat weder eine enge Bindung zum Ort noch zur Herkunftsuniversität oder der Fachdisziplin. Zu Themen, die sie interessieren, liest sie breit und unspezifisch.14 Daraus lässt sich schließen, dass sie Beiträge zur Geschichte des Fachbereichs weniger interessieren als Artikel zu Gerechtigkeit, Klimaschutz oder Extremismus.

Was in den sozialen Medien tatsächlich gut ankommt, lässt sich mit vergleichenden Kurzanalysen feststellen. So gab es auf LinkedInLinkedIn 80 Reaktionen und vier Kommentare zum Post „Wir sind vorbereitet! Nachdem wir in der vergangenen Woche über 50 Führungskräfte befragt hatten, konnten wir starke Beweise für unsere Annahmen in Bezug auf Post-Corona in produzierenden Unternehmen finden. Stimmen Sie zu? Bitte kommentieren und teilen!“. Im selben Monat reagierten 40 Follower auf „mein erstes Podcast-Interview“. Aber fast niemand reagierte auf „In Siegen sind wir mit der SDFS Siegen GmbH beteiligt“.15 Das zeigt: Auch einer aktiven Followergemeinde gefallen keine Posts zu Standardterminen, die nur Eigenwerbung bieten. Wer für sich werben will, nutzt besser besondere Anlässe oder überlässt anderen diese Aufgabe. Als die Hochschule Heilbronn Joachim Link zur Auszeichnung als „Professor des Jahres 2019“ im Bereich Wirtschaftswissenschaften/Jura gratulierte, folgten über 200 Reaktionen und 10 Kommentare.

Ist so ein besonderer Anlass ein eigener Blogbeitrag zu einer gerade veröffentlichten Synopse, könnte ein Post auf LinkedIn um einen menschlichen Aspekt ergänzt werden: ‚Hab’ die Zeitschrift mit meiner Synopse gerade aus dem Briefkasten geholt. Fragt mich mein wunderbares Kind: Bist du stolz? Meine Antwort: Ööööh naja … vielleicht‘. Darauf reagieren mehr Menschen als auf den Post ‚Synopse erschienen‘. Deren Reaktionen verbessern dann das Ranking, sodass der Post mehr Menschen angezeigt wird. Neben persönlichen Ansichten und Geschichten interessieren besonders Texte zu Themen, die Wissenslücken füllen und Brisantes thematisieren. Kommunikationregeln Daher generiert Aufmerksamkeit, wer …

aktuell informiert – beispielsweise durch Links zu neuen Ergebnissen und Einordnungen aktueller Themen und Entwicklungen;

authentisch kommuniziert und emotionale Bindung durch Nähe und Vertrauen stärkt – sei es mit Bildern vom Schreibtisch oder einem Video ‚Warum ich Wissenschaftler wurde‘, indem Vorbilder benannt oder Publikationen von Kollegen erwähnt werden, die beeindruckt haben;

Orientierung bietet – wie mit Informationen, wofür das Studienfach und die Forschung wichtig sind oder darüber, in welchen Positionen Absolventen aktuell tätig sind;

wissenschaftlich glaubwürdig agiert – wie durch Hinweise auf öffentliche Veranstaltungen, Links zu Praxisprojekten, Fachblogs oder TED-Talks;

Zusammenhalt stärkt – beispielsweise mittels Umfragen, Dialogen mit Followern, Serviceinfos, der Vorstellung von Kolleginnen, Stipendiaten oder Hausarbeiten.

Eine Möglichkeit Themen zusammenzustellen, geht so: Man bittet zwei, drei Menschen, sich eine konkrete Person aus der Zielgruppe möglichst genau vorzustellen und sich in sie hinein zu versetzen. Will man die wissenschaftsferne, allgemeine Öffentlichkeit erreichen, könnte man sich beispielsweise die 76-jährige Martha vorstellen: Martha arbeitete früher als Verkäuferin, hat eine geringe Rente und zwei erwachsene Kinder, die mit ihren Familien in anderen Städten leben. Ihr Ziel ist, so gesund wie möglich alt zu werden. Sie ist überzeugt: Wer redlich ist, hat alles, was er braucht. Anschließend überlegt man sich, wie Martha auf die Frage antworten würde, was sie – beispielsweise an historischer Linguistik – eigentlich interessiert. Dieser Rollen- oder Perspektivwechsel fördert oft viele überraschende Antworten zutage. Vielleicht möchte Martha wissen, warum sich Sprache ändert, wie viele Worte ihres Urgroßvaters sie nicht mehr kennt, ob es heute ‚der Friede‘ oder ‚der Frieden‘ heißen muss. Die Aspekte kommen dann auf eine Themenliste, die laufend um Ideen ergänzt wird, auf die man sonst noch stößt. Die Liste kann dann regelmäßig nach Relevanz für die Zielgruppe sortiert und nach und nach für diejenigen Medien und Veranstaltungsformate aufbereitet werden, die die Zielgruppe erreichen. (► Kap. 6 – Übungen zum Ausprobieren)

Checkliste – Zielgruppe erreichen

Zielgruppe fragen, welche Inhalte sie in welchen Medien nutzt

Reaktionen auf Social-Media-Plattformen analysieren

Über Zielgruppe und deren Mediennutzung informieren: ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends, Social-Media-Atlas, Media-Daten der Verlage und Sender; Zielgruppe Studierende: CampusBarometer und Shell-Jugendstudie

Wenn es keinen Kontakt zur Zielgruppe gibt: Individuelle Person vorstellen, in sie hineinversetzen und fragen, was sie interessiert

Themenliste anlegen, laufend ergänzen und nach Relevanz für die Zielgruppe sortiert abarbeiten

1.3Geschichten entwickeln

Story-Struktur festlegen – Elemente ergänzen – Zusatzthemen finden

Wer Geschichten gut erzählen kann, ist der Mittelpunkt vieler Partys. Denn das menschliche Gehirn mag es, durch Überraschendes angeregt zu werden. Auch Witze und Anekdoten lassen sich gut merken und werden gerne weitererzählt. Weil wissenschaftliche Vorträge und Texte von Theorien und Herleitungen geprägt sind, sind die für Text und Logik zuständigen Hirnareale bei vielen Menschen aus den Wissenschaften entsprechend gut trainiert. Aber es lohnt sich, auch die Regionen zu fordern, die für kreatives Formulieren, anschauliches Vergleichen und das Erzählen von Geschichten zuständig sind. Denn die sind für Einführungen besonders geeignet sowie für ein Publikum, dass es nicht gewohnt ist, sich länger zu konzentrieren oder kritisch ist. Geschichten werden, wie Fotos und Bilder, schneller und mit weniger Energieaufwand aufgenommen und länger gespeichert als Zahlen1: Ein Stopp-Schild auf der Straße wirkt direkter als ein 80-Schild, dass wenige Kilometer später vergessen ist. Nach demselben Prinzip wird die Zeichnung von einem Versuchsaufbau besser erinnert als dessen Beschreibung und Geschichten besser als Fakten.

Besonders beliebt sind Geschichten, die in berührenden Bildern zeigen, wer was denkt und fühlt.2 Solche Storys bietet auch die Wissenschaft – ob Doktorandinnen Thesen hoffnungsfroh prüfen und genervt verwerfen oder Archäologen bei Ausgrabungen unter brennender Sonne schwitzen und Durst haben. Wer seine Inhalte um diese Aspekte ergänzt, bietet den Hirnen des Publikums ein Feuerwerk aus Bildern und Gefühlen. Schlüssig dargestellt fühlen die sich zugleich richtig an und unterlaufen so die aufwendigere, intellektuelle Überprüfung. Indem Geschichten vorschnelles kritisches Hinterfragen mildern, öffnen sie Raum für neue Denkweisen. Andererseits lädt das zum Manipulieren ein, was auch Terrorgruppen und Verschwörungstheoretiker für ihre Ziele nutzen. Geschichten sind also ein zweischneidiges Schwert, mit dem sich leicht schneiden lässt.3

Durch den Trend zum StorytellingStorytelling sieht die Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Julika Griem, „weniger spektakuläre Wissenschaftsbereiche benachteiligt“. Die Philologin fürchtet, dass dieser „die Kommunikation von Wissen zu sehr vereinfacht“. Auch entspräche die aufregende, meist einsame Heldenreise „nicht der Realität des Betreibens von Wissenschaft“.4 Kommunikationswissenschaftler warnen davor, dass sich Heldenstorys vor eine Sache schieben können. „Dann geht es – wie bei Edward Snowden – nicht mehr um die anlasslose Überwachung, sondern um das private Schicksal“.5

Das Geschichten deshalb noch kein Teufelswerk sind, findet beispielsweise das Museum für Naturkunde Berlin und erzählt seit 2004 „Wissenschaft in Geschichten für Erwachsene“.6 Heldenerzählungen über Forschende – beispielsweise über die Ausrottung der Cholera – können „großartige wissenschaftliche Geschichten“ sein, finden auch die Direktorin des „Australian National Centre for the Public Awareness of Science“, Joan Leach, und der Dozent für Wissenschaftskommunikation Fabien Medvecky. Aber weil es in Geschichten um Werte geht, könnten damit diejenigen nicht erreicht werden, „die zwar nicht gegen diese Werte sind, aber nicht viel über sie nachdenken“. Leach und Medvecky schlagen deshalb vor, Themen wie die öffentliche Gesundheit interessanter zu machen, um ein neues Publikum auf unterschiedliche Weise zu erreichen.7

Bei Heldenreisen gibt es – wie in klassischen Märchen – mehrere Prüfungen, die immer schwieriger werden, und ein Happy End. Entscheidend ist, dass die Heldin oder der Held letztlich über sich hinaus wachsen. Als Helden sind dabei nicht nur Einzelpersonen geeignet. Das können auch Teams sein, Thesen oder Gegenstände: So können Roboter ein Fußballmatch gewinnen, lange schlafende Stammzellen aufwachen, Betriebswirtinnen und Philosophen erfolgreich betriebliche Probleme lösen. Als Heldenreise ließe sich auch der Werdegang eines Wissenschaftlers erzählen, die mit seiner kindlichen Entdeckungslust beginnt und mit Erfolgen als Projektleiter endet. Oder das Entstehen einer Infografik von der Festlegung der Datenquellen über Schwierigkeiten bei der grafischen Umsetzung bis zur öffentlichen Verbreitung und Diskussion. Eine Heldengeschichte könnte auch mit dem Aufkommen einer Forschungsfrage im Gespräch beginnen und vorläufige Antworten schildern, die revidiert werden, bis schließlich eine Antwort im größeren Rahmen möglich ist. Neben der Heldenreise gibt es weitere Story-StrukturenStory-Strukturen, wie:

Geschichte in drei Akten

Diese kann mit dem Anfang oder dem Ende beginnen, beispielsweise dem friedlich schlafenden Martin: Im ersten Akt wird das Setting vorgestellt, die normalen ‚Lebensumstände‘ und erste Probleme wie eine Heizung, die normal funktioniert, aber manchmal gluckert. Im zweiten Akt werden die Probleme größer – die Heizungsrohre pfeifen jede Nacht, sodass Martin übermüdet ist. Im dritten Akt werden die Probleme riesig, seine Abstell- und Reparaturversuche immer verzweifelter, und schließlich gelöst. Zum Abschluss lässt sich benennen, warum die Geschichte erzählt wurde und was sich aus ihr lernen lässt. Vielleicht, dass die Forschung zu Dichtungstechnologien alltagsrelevant ist.

Leiter des Erzählens

Sie beginnt mit Konkretem und wird von Sprosse zu Sprosse abstrakter: Auf der untersten Stufe wälzt sich der 35-jährige Martin wegen pfeifender Heizungsrohre schlaflos im Bett. Auf der nächsten Stufe geht es um den Aufbau von Dichtungsringen und Heizungsanlagen, auf der dritten um Forschungssetting und -stand zur Dichtungstechnologie und auf der vierten um Energiefragen.

Rahmenhandlung mit einem Menschen

Hier beschreibt man erst, wie Martin wegen der Geräusche nicht schlafen kann. Der Hauptteil informiert über Forschung von Dichtungstechnologien. Am Ende ist das Pfeifen abgestellt und Martin schläft wieder ruhig.8

Storykurven

Diese können mit einem Höhe- oder Tiefpunkt beginnen, dem Details und Hintergründe folgen, bis die Geschichte mit einer Wendung abgeschlossen wird: Durch einen Durchbruch bei der Erforschung von Dichtungstechnologie könnten Energieprobleme weltweit gelöst werden. Aber dann wird der mit jedem Prüfschritt unwahrscheinlicher. Am Ende kann nur das nächtliche Pfeifen von Heizungsrohren abgestellt werden. Mit einem Höhepunkt startet auch, wer ein Projekt weltweit plant, das nach einem Antragsmarathon auf einen Kontinent beschränkt wird und am Ende wegen praktischer Probleme als Pilotprojekt in einem Dorf beginnt. Mit einem Tiefpunkt beginnt, wer erst von widersprüchlichen Daten oder fehlender Finanzierung berichtet und am Ende handfeste Ergebnisse vorlegen kann. Oder wer ein Projekt eher desinteressiert übernimmt, es nach und nach immer faszinierender findet und schließlich zu seinem Lebensthema macht.

Wer besonders spannende Geschichten präsentieren möchte, kann sich an Krimis orientieren. Die enthalten immer einen Mord. Sterben müssen aber nicht unbedingt Menschen. Das können auch Forschungsthesen sein oder Lebensräume, sei es durch Umwelteinflüsse oder politische Rahmenbedingungen. Die entscheidenden Krimi-Kriterien sind dabei das Streben nach Gerechtigkeit und ihr logischer Aufbau. Für einen klassischen Krimi braucht es einen Menschen, der mordet, einen der ermittelt und zwei, drei weitere Akteure, die ein Mordmotiv, Mordmittel und -gelegenheit haben.9 In einem Wissenschaftskrimi könnte aber auch ein Virus weltweit töten, das die Wissenschaftscommunity in einem globalen Wettrennen schließlich besiegt. Zu einem Thriller wird ein Krimi, wenn die Leser sowohl Angst davor haben, was geschieht, als auch um die Helden der Geschichte, also die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Eine andere Möglichkeit, um Neugier und Spannung zu erzeugen, sind außergewöhnliche Orte und Instrumente, wie ein Rasterelektronenmikroskop, eine Befragung in einem Gefängnis oder die Erkundung versteckter Ecken im Archiv einer Universitätsbibliothek.10 Dabei liegt die Messlatte für Außergewöhnliches tief: Für viele Menschen, die nicht studiert haben, sind schon die Mensa und der Campus unbekannte Bereiche und damit interessant. Interessiert folgen sie denjenigen, die sie real oder mit einer Geschichte dorthin führen. Noch außergewöhnlicher sind die wissenschaftlichen Inhalte. Denn „Forschende betreten ständig fremde Welten – mikroskopisch kleine Welten, das Weltall, die Welt des Körperinneren etc. –, um dort Antworten auf ihre Fragen zu finden“, stellt die Biologin und Wissenschaftsjournalistin Kristin Raabe fest, die für die Wissenschaftssendung „Quarks & Co“ Filme drehte. Fast immer hätten Forschende einen Mentor, müssten Rätsel lösen und Tests bestehen, um schließlich Neues zu erfahren und ein Problem zu lösen.11 Die damit verbundenen emotionalen Berg- und Talfahrten erleichtern es, die Fachinhalte zu transportieren.

Funktioniert das außergewöhnlich gut, gibt es dafür mitunter einen Preis. So wurde die Fernseh-Sitcom „The Big Bang Theorie“ 2017 mit der „Stephen Hawking Medaille für Wissenschaftskommunikation“ ausgezeichnet.12