Wollen wir uns vertragen? Aber der alte Zorn bleibt! - Alfred Götz - E-Book

Wollen wir uns vertragen? Aber der alte Zorn bleibt! E-Book

Alfred Götz

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Beschreibung

Die Familie meiner Lebenspartnerin, Geschwister Mutter und Grossmutter, mussten mit dem Nötigsten kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges aus Bromberg, heute Bydgoszcz, in Polen, dem ehemaligen Westpreussen flüchten. Von da kamen sie auf unbekannten Wegen nach Potsdam-Babelsberg in der ehemaligen DDR. Dort ist sie aufgewachsen und lebte bis 2002 in verschiedenen Wohnungen. Dann zog sie nach Hamburg und wohnte bis 2010 zusammen mit einer anderen Frau in einem kleinen Haus als Untermieterin. In diesem Buch versuche ich die Vorgeschichte, das Leben der Vorfahren in Ost- und Westpreussen, die Flucht und das Leben in der DDR zu beschreiben. Alles aus der Sicht eines Unbeteiligten von aussen, eines neutralen. Ich möchte keine Urteile fällen und auch nichts beschönigen. Ich versuche nur alles zu hinterfragen, was für mich eigenartig oder unverständlich ist.

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Der Autor

Ich, Alfred Götz, wurde 1942 in Stein am Rhein, Kanton Schaffhausen, geboren und wuchs in Passugg, Kanton Graubünden auf.

Ich besuchte die Volksschulen in Passugg und Chur, erlernte den Beruf eines Mechanikers und studierte an der HTL in Chur Verfahrenstechnik.

In meiner Freizeit befasse ich mich seit mehreren Jahren mit der Ahnenforschung.

Nachdem ich ein Buch «Erinnerungen» unserer Familie schrieb, habe ich mich entschlossen, das Leben meiner Lebenspartnerin Grita Grabowski aufzuschreiben.

Alfred Götz

Wollen wir uns vertragen? Aber der alte Zorn bleibt!

Czy chcemy się pogodzić? Jednak dawna zadra pozostaje!

Das sind die Worte von Gerda Gratzki, der Mutter meiner Lebenspartnerin.

Wieviel diese Worte aussagen im Zusammenleben der Menschen.

Abbildung 1, Emilie und Gerda Gratzki um 1930, Danzigerstrasse Bromberg

Gewidmet

Meiner Lebenspartnerin Grita Grabowski und allen Opfern des nationalsozialistischen Terrors, im Besonderen den zahllosen polnischen Opfer.

Abbildung 2, Grita Grabowski um 1950

Vorwort

Die Familie meiner Lebenspartnerin, Geschwister Mutter und Grossmutter, mussten mit dem Nötigsten kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges aus Bromberg, heute Bydgoszcz, in Polen, dem ehemaligen Westpreussen flüchten. Von da kamen sie auf unbekannten Wegen nach Potsdam-Babelsberg in der ehemaligen DDR. Dort ist sie aufgewachsen und lebte bis 2002 in verschiedenen Wohnungen. Dann zog sie nach Hamburg und wohnte bis 2010 zusammen mit einer anderen Frau in einem kleinen Haus als Untermieterin.

Wir lernten uns beim Schachspielen im Internet kennen. Im Juni 2011 trafen wir uns in Bielefeld und verbrachten drei schöne Tage zusammen. Ende Juli kam sie für vier Tage zu mir in die Schweiz auf Besuch. Daraus wurden Ferien und schlussendlich ist sie geblieben.

Dabei lernte ich von ihr das Leben in der DDR kennen. Nachdem ich mein Leben und dasjenige meiner Familie in einem Buch beschrieben habe, entschloss ich mich, ihr Leben aufzuschreiben.

In diesem Buch versuche ich die Vorgeschichte, das Leben der Vorfahren in Ost- und Westpreussen, die Flucht und das Leben in der DDR zu beschreiben. Alles aus der Sicht eines Unbeteiligten von aussen, eines neutralen. Ich möchte keine Urteile fällen und auch nichts beschönigen. Ich versuche nur alles zu hinterfragen, was für mich eigenartig oder unverständlich ist.

Als Erstes suchte ich ihre Vorfahren in West- und Ostpreussen und landete bei den Vorfahren ihrer Mutter in Allenstein, dann in Mrotschen, dann in Pleschen und zuletzt in Bromberg. Ihr Vater, der in Nakel, ungefähr 40 Kilometer von Bromberg entfernt, geboren wurde, kam 1911 mit seiner Mutter und Geschwistern nach Bromberg. Von seinen Vorfahren habe ich nichts gefunden. Nakel gehörte zwar zum Verwaltungskreis Bromberg, aber dort gibt es keine Unterlagen der Familie. Im Laufe des Schreibens, besser gesagt des Recherchierens, stiess ich immer mehr auf Widersprüche. Zuerst versuchte ich die Flucht zu rekonstruieren. Das erwies sich aber als fast unmöglich, da es keine Aufzeichnungen gibt und lebende Personen können nichts berichten, da sie zu jung waren. Das Erzählte ihrer Eltern stimmt mit der Realität nicht immer ganz überein. Es gibt viele Bücher über Erlebnisse von der Flucht aus Preussen. Vor allem über die schrecklichen Erlebnisse von Flüchtenden aus Ostpreussen. Dagegen über Westpreussen gibt es kaum Bücher.

So befasste ich mich mit den Verhältnissen vor, während und nach dem Kriege. Ein herausragendes Ereignis war der „Blutsonntag von Brombergˮ. Ich beschaffte mir die nötige Literatur und musste feststellen, dass jeder Autor die Ereignisse jeweils aus seiner Sicht beschrieb und dies als Tatsache hinstellte. Da die meisten Autoren deutscher Zunge sind und die Sicht der Polen ausblendeten, entstand der Eindruck, dass nur die Polen am Massaker schuld waren. Und dies stelle ich in verschiedenen Beiträgen, die heute im Internet vorhanden sind, fest. Viele Deutschen fühlen sich als Opfer, so am Blutsonntag von Bromberg und bei den Bombardierungen deutscher Städte. Die sadistischen Verbrechen der Nazis werden ausgeblendet oder sogar in Abrede gestellt. Darüber gibt es heute gute Literatur und zwar von beiden Seiten. Diese Arbeiten konnten aber erst nach der Wende ausgeführt werden, da die meisten Archive erst zu dieser Zeit geöffnet wurden. Für mich war es eine Herausforderung, beide Seiten zu betrachten und sie gegenüber zu stellen. Eine grosse Schwierigkeit ist, dass von der Lügenpropaganda des Paul Joseph Göbbels nicht alles widerlegt werden kann. Und die Deutschen, vor allem aus Ost- und Westpreussen, die die Lügen nicht überprüfen konnten, glaubten vielfach, was Göbbels verbreitete.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass ich jetzt nur alles schreibe, was die Nazis gemacht haben, nein auch die schrecklichen Taten der Polen müssen erwähnt werden. Aber man muss dies im richtigen Kontext zueinander betrachten. Wenn die Polen zu Beginn des Krieges ungefähr 5300, zum Teil unschuldige Deutsche ermordet hatten, töteten die Nazis 1939 im Verwaltungsbezirk Danzig-Warthegau1, mehr als 60'000 unschuldige Polen. Diejenigen, die bei Kriegshandlungen starben, nicht einmal mitgezählt.

1 Der Warthegau war derjenige Teil von Polen, der im Versailler-Vertrag von Westpreussen an Polen überging.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Suche

Allenstein (Olsztyn)

Mrotschen (Mrocza)

Pleschen (Pleszew)

Nakel (Naklo)

Bromberg (Bydgoszcz)

Geschichtliches:

Vorgeschichte

«Preußische

Zeit (1772–1920)

In der Republik Polen

Zweiter Weltkrieg

Warum hatte Hitler Polen angegriffen?

Blutsonntag von Bromberg

Woher kommt der Name Preussen?

Die Betrachtungsweise

Die Familien

Die Flucht

20. Januar 1945

21. Januar 1945

22. Januar 1945

23. Januar 1945

24. Januar 1945

Die Gefangenschaft

In der DDR

Die Bombardierung von Potsdam

Fliegeralarm

Der Angriff beginnt

Das Inferno

Erneut eine andere Wohnung

Der andere Mann

Sacrow

Mein Erlebnis in der Ex-DDR

Das Leben hinter Mauern.

Die Stasi

Der andere Vater

Nachwort

Dank

Quellen- und Literaturnachweis.

Abbildungsverzeichnis

Die Suche

«Was weisst Du über das Leben in Polen und die Flucht aus Bromberg?», fragte ich in einem längeren Telefongespräch die Schwester von Grita. «Ich weiss nicht viel, ich war ja auch erst sechs Jahre alt, aber ich werde Dir alles aufschreiben, was ich weiss», tönte es aus dem Handy. Und so bekam ich nach einigen Tagen einige Notizen, viel war das nicht, aber einige Anhaltspunkte hatte ich.

So begann ich Herrn Google zu befragen. Wochenlang stellte ich ihm immer wieder neue Fragen. Und so langsam bekam ich einen Überblick. Ich forschte nach Literatur über Polen, die Geschichte, die Flucht und das Leben in Polen. Ich fand drei Artikel von Doris Ritzka über die Flucht aus Bromberg, alle erschienen im Priegnitzer, einer Lokalzeitung in der Nähe von Berlin. Es sind Schilderungen von Horst Henschel und Peter Dahms vom 26. April 2015 und von Egon Siewert vom 22. Juni 2015. Diese drei Beiträge folgten auf einen Beitrag von Mario Sembritzki unter dem Titel „Flucht per Bahn aus Ostpreussenˮ. Weiter kaufte ich mir das Buch von Heinz Timmreck „Flucht mit der Bahn 1944/1945“. Ich schrieb an Herr Timmreck und bat ihn um nähere Informationen zu den Zeitzeugen, mit denen er gesprochen oder die ihm geschrieben hatten. Herr Timmreck gab mir die Adresse von Herr Sembritzki, worauf ich ihm schrieb:

«Sehr geehrter Herr Sembritzki

Von Herrn Timmreck habe ich Ihre Adresse erhalten. Ich habe sein Buch gekauft von der Flucht mit der Bahn aus Preussen. Darauf habe ich ihm geschrieben, ob er noch weitere Unterlagen über diese Flucht hat, da hat er mir ihre Adresse bekannt gegeben.

Ich lebe seit 7 Jahren mit einer Frau zusammen, die vermutlich im gleichen Zug sass, der Ende Januar 1945 von Bromberg nach Berlin fuhr. Nur meine Partnerin war anderthalb Jahre alt und kann sich an überhaupt nichts erinnern. Und ihre um vier Jahre ältere Schwester weiss nur, dass sie Hals über Kopf Bromberg verlassen mussten. Nun bin ich daran ein Buch zu schreiben über ihr Leben in Bromberg, dann die Flucht und das Leben in der DDR. Da ich selbst ja nicht in diesem Zug sass, muss ich alle Informationen von Zeitzeugen suchen. Im Prignitzer wird in den nächsten Tagen wieder ein Artikel erscheinen mit dem Aufruf an Zeitzeugen. Mein Interesse liegt natürlich schwerpunktmässig bei der Fahrt mit allen Schwierigkeiten. Mich interessiert auch die Route, die der letzte Zug gefahren ist. In einem Beitrag lese ich, dass der Zug in Nakel, dann in Schneidmühl gehalten hat. Ist er dann über Stettin weitergefahren? Oder unten durch? Was haben die Menschen gegessen und getrunken, ein anderthalbjähriges Kind? Es war ja auch sehr kalt. Da sind aber die Beschreibungen sehr unterschiedlich, sie reichen von minus 10 Grad bis minus 30 Grad.

Da hätte ich folgende Fragen:

Darf ich das Bild der Lok, das mir Herr Timmrek gegeben hat, das ja die Lok war, von diesem Zug, als Titelbild für mein Buch verwenden?

Würden Sie mir die Aufzeichnungen von den Personen, die Sie im Artikel beschrieben haben, zur Verfügung stellen? Nur die, die in diesem Zug waren.

Haben Sie noch mehr Fotos von diesem Zug?

Können Sie mir den Artikel im Priegnitzer auch zur Verfügung stellen?

Damit würden Sie mir einen grossen Dienst erweisen.»2

Aber bei einem Artikel stimmte etwas nicht. Es stellte sich heraus, dass dies ein Materialzug war und kein Personenzug, was mich anfänglich auf eine falsche Fährte brachte.

Ich schrieb an Frau Ritzka vom Prignitzer mit der Bitte, einen Teil ihrer Artikel für mein Buch verwenden zu dürfen. Ich bekam dann die Möglichkeit, im Prignitzer einen Aufruf zu machen. Ich musste ihr kurz beschreiben, um was es ging, und schrieb ihr im Wesentlichen das Gleiche wie Herrn Sembritzki.

Am 18. Mai 2018 erschien der Artikel im Prignitzer, aber ich wusste nicht, dass er an diesem Tag veröffentlicht wurde. Ich war gerade am Kochen, da klingelt das Telefon. Es war eine Telefonnummer, die ich nicht kannte, aber es war eine 0049-Vorwahl aus Deutschland. Wer rief da an? Ich nahm ab: «Götz». «Hier ist Dahms, haben Sie den Zeitungsartikel gelesen im Prignitzer», tönte es aus der Muschel. «Ich habe Ihren Aufruf gelesen, da habe ich gedacht, ich rufe Sie gleich an. Ich schreibe alles auf, was ich weiss. Ich kenne noch eine Frau, sie sass im gleichen Zug. Sie muss nur für ein paar Tage ins Spital.» Ich erklärte ihm, dass ich eigentlich nur über die Fahrt berichten möchte, nicht über all die Toten, das kann man in hunderten Büchern lesen, aber über die eigentliche Fahrt ist fast nichts geschrieben worden. Ich wollte möglichst viel erfahren, wie die Menschen im Zug lebten. Wie lange die Fahrt dauerte und welche Route der Zug nahm. Alles offene Fragen.

Aber der Erfolg war sehr dürftig. Es meldete sich lediglich Peter Dahms, der bereits einen Artikel über diese Flucht geschrieben hatte. Aber ich bekam von ihm doch noch wichtige Angaben über die Flucht. Horst Henschel, der heute im Altersheim lebt, der den anderen Beitrag geschrieben hatte, konnte mir auch nicht mehr erzählen, denn seine Erinnerungen stammen aus Erzählungen seiner Mutter.

Fast ein Jahr später bekam ich einen Telefonanruf aus Essen. Es meldete sich ein Mann, der auch mit dem letzten Zug Bromberg verlassen musste. Er war gerade mal drei Monate älter als meine Partnerin und seine Mutter hatte ihm alles erzählt.

Nun gelangte ich an das Archiv in Bromberg. Ich schrieb an Herr Borodij, mit dem ich bereits 2014 Kontakt hatte. Nach der Bezahlung eines kleinen Betrages bekam ich viele Personendaten der Familien Grabowski und Gratzki. In einem Buch über Bromberg, das wir 2014 bei einem Besuch in Bromberg kauften, finden sich neben der Geschichte von Bromberg auch viele hilfreiche Karten. Einmal stammen sie vor 1920 mit der deutschen Beschriftung der Strassen und nach 1920 mit der polnischen Beschriftung. Dies half mir bei der Suche nach den Wohnstätten, denn hier taugt Google nur bedingt.

Auch aus Allenstein, dem heutigen Olsztyn, wo die Familie Gratzki lange lebte, bekam ich Antworten, aber auch diese waren sehr bescheiden, da man mir berichtete, dass alle Akten verschwunden sind. Die Russen hätten alles verbrannt. Mit der Hilfe von Katarzyna Mathis vom Stadtarchiv in Chur, sie ist in Polen geboren und aufgewachsen und kennt die polnische Sprache, bekam ich viele wertvolle Hinweise und Informationen, die ich ohne ihre Hilfe nicht gefunden hätte. So fand sie die Adresse von Marcel Grabowski, dem Vater von Grita, in Nakel. Auch ein Video von einem Zeitzeugen aus Bromberg hat sie mir übersetzt.

Sie schreibt:

«In Bydgoszcz/Bromberg gibt es ein "oral history archiv", d. h. ein "Archiv" das die Erzählungen der noch lebenden Zeitzeugen sammelt. Es gibt auch Geschichten über den Januar 1945 (= STYCZEŃ 1945 ROKU). Eine Audio-Datei ist auch über den Sonntag, 21.01.1945 kurz vor dem Einschreiten der sowjetischen Armee und über die Evakuierung der deutschen Familien. Leider es ist auf polnisch. »3

In welchem Archiv findet man Dokumente von der Flucht der Familie, von der Gefangenschaft von Marcel Grabowski? Ich hatte keine Adressen und auch keine E-Mail-Adressen. So schrieb ich an die Uni in Potsdam, die in Babelsberg untergebracht ist:

«Eigentlich bin ich bei Ihnen am falschen Ort. Ich habe aber deswegen doch eine Frage, ob Sie mir weiterhelfen können.

Meine Lebenspartnerin, Frau Grita Müller Grabowski, ist in Babelsberg aufgewachsen. Ihre Familie musste im Januar 1945 aus Bromberg fliehen und fuhr vermutlich mit dem letzten Zug am 21.1.1945 von Bromberg nach Berlin. Sie wurde irgendwo in einem Flüchtlingsaufnahmezentrum gebracht und landete dann in Babelsberg. Zuerst wohnte sie in einer Turnhalle und noch an weiteren Orten. Am Schluss teilten sie an der Karl-Liebknecht-Strasse mit einer anderen Familie die Wohnung.

Ich bin daran, über die Flucht und über das Leben danach ein Buch zu schreiben.

Dazu brauche ich noch mehr Informationen, so unter anderem:

Wann kamen sie in Berlin (Babelsberg) an?

Wo wurden sie zuerst untergebracht?

Von was lebten sie?

Ihre Mutter hatte sich scheiden lassen und hatte sich mit einem anderen Mann verheiratet, dann waren sie aus der DDR geflohen, nach Hamburg. Wo kann man diese Dokumente finden?»4

Bereits am 9. April bekam ich von der Uni-Potsdam folgenden Bescheid: «…über das Brandenburgische Landeshauptarchiv http://blha.brandenburg.de/ könnten Sie u.U. Hinweise zur Lebensgeschichte Ihrer Lebenspartnerin ermitteln…

Weiterhin wäre das Landesarchiv Berlin eventuell für Sie eine hilfreiche Adresse. Unter folgendem Link finden Sie Nutzungs-Hinweise dieses Archivs http://landesarchiv-berlin.de/familienforschung-im-landesarchiv-berlin»5

Nun ging es an die Suche von Dokumenten im Landesarchiv Berlin. Wo war Marcel Grabowski in Gefangenschaft, wann kehrte er nach Hause zurück? War er bei den Russen oder bei den Engländern? An beiden Orten musste ich eine Anfrage starten.

Wann ist die Mutter aus der DDR geflohen? Diese Angabe bekam ich schnell aus Berlin, aber da steht, es gibt noch mehr Informationen. Aber in einer anderen Abteilung. Und die brauchen den Totenschein von Gerda Gratzki. Den bekomme ich aus Norderstedt, aber nur mit einem Geburtsschein von Grita und diesen wiederum bekomme ich vielleicht aus Bromberg. Dort schreibt man mir, es gehe rasch, aber vielleicht wurde das Ganze nach Berlin gesandt.

Wann und wieso ist die Mutter geschieden? Diese Angabe erhoffe ich.

So schrieb ich an das Brandenburgisches Landeshauptarchiv, in Potsdam. Hier bekam ich die Antwort, dass es im Landeshauptarchiv keine Dokumente gibt, ich solle mich an das „Amtsgericht Potsdam, Hegelallee 8, 14467 Potsdamˮ wenden.

Als weiteres suchte ich mögliche Stasiakten von Grita und ihrer Mutter und schrieb an den „Bundesbeauftragter für Stasiunterlagen (BStU), Karl-Liebknecht-Straße 31/33, D-10178 Berlinˮ. Da waren wir gespannt, was da alles zum Vorschein kommt. Man machte mich darauf aufmerksam, dass es bis zu einem Jahr dauern könnte, bis ich Antwort bekam. Also warteten wir. Am 30. Juni kam eine Antwort aus Berlin:

«Sehr geehrte Frau Müller

Sie haben Zugang zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik beantragt, die möglicherweise zu Ihrer Person vorhanden sind.

Die Recherchen, die aufgrund Ihrer Angaben in allen in Frage kommenden Karteien durchgeführt wurden, sind abgeschlossen.

Diese Recherchen haben ergeben, dass Sie in den Karteien des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Ihren Personalien erfasst waren. Die Erfassung deutet darauf hin, dass Unterlagen zu Ihrer Person vorhanden sein können.

Sobald ich Ihnen dazu nähere Einzelheiten mitteilen kann, setze ich mich wieder mit Ihnen in Verbindung. Von zwischenzeitlichen Nachfragen bitte ich abzusehen. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wegen der hohen Anzahl der vorliegenden Anträge leider mit einer Wartezeit von bis zu zweieinhalb Jahren zu rechnen ist.»6

Am 24. August 2019 trafen die Stasiakten ein, aber darin stand nichts Weltbewegendes. Trotzdem sind es 79 Seiten, die die Stasi über Grita Müller angelegt hatten.

Da die bisherigen Recherchen über die Ankunft in Babelsberg erfolglos blieben, schrieb ich an die Personensuche vom Roten Kreuz.

Jetzt wollte ich auch wissen, woher die Namen Grabowski und Gratzki kommen. Wie ich feststellte sind das Polnische oder Slawische Namen. Auch Herr Sembritzki, von dem ich einige Angaben erhalten habe, schreibt mir: «Meine Vorfahren kommen aus Masuren. Die Polnische Namensendung „zki" bedeutet eigentlich, dass die Person aus diesem Ort kommt. Sembritzki ist also vom Ort Zambrzyce abgeleitet.»

Nun schrieb ich an die „Antenne Brandenburg“, „Examen für Namenˮ. Und da bin ich gespannt auf die Antwort denn bis heute kam keine.

Die gleiche Frage habe ich auch Katharina Mathis gestellt. Sie hat mir eine Erklärung gegeben und einen Link auf eine Untersuchung.

Ich nehme an, dass die Familie bereits Verwandte in Babelsberg hatte, so zum Beispiel Ilse die Stiefschwester, von Gerda Gratzki, der Mutter von Grita. Aus diesem Grunde schrieb ich wieder nach Bromberg und fragte nach den Lebensdaten von Ilse. So wollte ich auch wissen, ob sie sich schon vor der Flucht ihrer Schwester in den Westen abgesetzt hatte.

Weiter schrieb ich an das Staatsarchiv nach Hamburg und erkundigte mich nach der Ankunft von Gerda Gratzki, da ihr Mann gemäss Angaben vom Landesarchiv Berlin nach Hamburg zog. Es steht nicht, ob seine Frau auch nach Hamburg zog. Wo und wie haben sie in Hamburg gelebt?

Nach den Angaben von Gritas Schwester wohnten sie, nach der Ankunft in Babelsberg, in der Nähe einer Knäckebrotfabrik. Ich schrieb an das Stadtarchiv von Potsdam und wollte wissen, wo diese Knäckebrotfabrik stand. Ich wollte wissen, ob es Unterlagen vom Kinderheim in Sacrow gibt, wo Grita eine gewisse Zeit lebte. Dann wollte ich Informationen über die Familie Marcel Grabowski. Zuerst hiess es, wir haben keine Unterlagen, aber als ich Schriftstücke sandte mit dem Hinweis auf diese Daten, bekam ich doch Informationen, die sehr nützlich sind und wir wurden eingeladen, im Archiv nach Unterlagen zu recherchieren. Der Archivar sandte uns Informationen zur Familie und am 9. August bekamen wir einen Termin im Stadtarchiv Potsdam, wo wir noch mehr Informationen sammeln konnten.

In der Zwischenzeit bekamen wir von Bromberg den Geburtsschein von Grita. Als wir diesen an das Zivilstandsamt nach Norderstedt sandten, wollte die Beamtin noch eine Kopie des Passes von Grita, damit sie sicher sei, dass Gerda Gratzki die Mutter von Gritta sei. Nun hatte die Zivilstandsbeamtin in Bromberg den Namen der Mutter nicht richtig geschrieben, sie schrieb bei der Mutter Grabowski statt Gratzki. So werden die Nachforschungen immer wieder erschwert. Aber zumindest haben wir jetzt verschiedene Anlaufstellen, von denen wir auch Informationen erhalten.

Wie hat die Familie in Bromberg gelebt, war meine letzte Frage. Ich schrieb wieder nach Bromberg mit der Frage, ob es Steuerauszüge gibt.

Es stellte sich heraus, dass alle Geschwister der Mutter nach Hamburg gezogen waren. Auch die Grossmutter Emilie, sie wohnte bei ihrer Tochter Margot Kalinowski-Gratzki. Ich schrieb an das Staatsarchiv von Hamburg mit der Bitte, mir Wohnadresse und Ankunft anzugeben. Der Mann von Gerda kam am 1. Juni 1953 nach Hamburg in ein Auffanglager in die Jahnhalle. War die Mutter auch da? Kamen die Geschwister von Gerda und die Grossmutter auch dahin? Sie waren ausser Margot ja alle aus der DDR, also Ostflüchtlinge, nicht nur Flüchtlinge aus Bromberg. Das Staatsarchiv macht keine Recherchen und so verwies mich der Beratungsdienst an das Einwohnerregisteramt von Hamburg. Nun hoffe ich, von dort die nötigen Angaben zu bekommen. Das Einwohnerregisteramt hat aber keine Daten aus dieser Zeit. Ich bekam eine Liste von Büros, welche solche Arbeiten durchführen, natürlich gegen Bezahlung. Nun schrieb ich einige dieser Büros an und schon bald bekam ich Antwort. Beide verlangten genauere Informationen, welche ich ihnen zur Verfügung stellte. Und jetzt warten wir ab!

War die Familie von Franz Josef Hinzmann, der richtige Vater von Grita, auch aus Ostpreussen geflohen oder gingen sie schon vorher in den Westen? Wie lebte die Familie in Ostpreussen? Wann und weshalb waren seine Eltern aus Hagen, Westfalen nach Ostpreussen ausgewandert? Diese Fragen stellte ich den Enkeln von Franz Josef Hinzmann. Auch stellte ich eine Anfrage an die Stadtverwaltung von Hagen. Aus Hagen bekam ich die Antwort, dass ein Umzug nach Ostpreussen keine Auswanderung war, sondern ein normaler Umzug innerhalb des Reiches. Also gibt es auch keine Informationen über einen Wegzug, ausser in den Meldekarten. Aber leider sind aus Hagen keine Informationen erhältlich, da die Meldekartei bei einem Luftangriff im März 1945 vollständig zerstört wurde. Von Christian, dem Enkel von Franz Josef Hinzmann, bekam ich die Mitteilung, dass die Familie aus Ostpreussen geflohen war und zu Fuss nach Cölbe kam. So fragte ich bei der Stadtverwaltung von Cölbe nach der Ankunft der Familie aus Ostpreussen. Wenn sie zu Fuss in den Westen flohen, kann es ja nur sein, dass kein Zug mehr fuhr, also nach dem 21. Januar 1945. Von Cölbe bekam ich die Auskunft, dass Rosmarie und Franz, die Kinder von Franz Josef Hinzmann, am 26. Januar 1945 in Cölbe angemeldet wurden, sie kamen aus Bromberg. So schrieb ich wieder an Christian und Thorsten, die Enkel von Franz Josef Hinzmann, da Grita erwähnte, dass es ein Foto gäbe, wo Rosmarie einen Kinderwagen schiebt in dem Grita sitzt.

Von Potsdam bekamen wir nun die Auskunft, dass Marcel Grabowski im Oktober 1945 von Homburg bei Frankfurt aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekehrt war. Jetzt kommt wieder Google zum Einsatz und ich suchte im Netz nach Dokumentationen von Homburg, aber ich suchte zuerst im falschen Homburg. Erst als ich meinen Irrtum merkte, suchte ich in Bad Homburg . Und da gibt es einige Informationen.