Workbook Coaching und Organisationsentwicklung - Günther Mohr - E-Book

Workbook Coaching und Organisationsentwicklung E-Book

Günther Mohr

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Beschreibung

Der Autor komplettiert seine beiden Bücher 'Coaching und Selbstcoaching' und 'Systemische Organisationsanalyse' mit diesem Workbook für die beraterische Praxis. Der ideale Werkzeugkasten für alle Coaches sowie Personal- und Unternehmensberater, für Organisationsentwickler, Mediatoren und Supervisioren und alle , die in Organisationen auf der Ebene von Personen, Gruppen, Teams und Organisationen arbeiten.

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Günther Mohr

WORKBOOK

COACHINGUND

ORGANISATIONSENTWICKLUNG

EHP – PRAXIS

Hg. Andreas Kohlhage

Der Autor:

Günther Mohr (Jg. 1956) integriert als Volkswirt und Psychologe in seiner Arbeit zwei wesentliche Aspekte des Wirtschafts-und Organisationslebens: die ökonomischen Ziele und Notwendigkeiten sowie die persönliche und die Beziehungsperspektive. Auf der Basis von 25 Jahren Praxiserfahrung als Coach und Organisationsberater in den verschiedensten Organisationen unterstützt er Manager und Führungskräfte in ihrer beruflichen wie persönlichen Entwicklung.

Als Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC) und durch seine Vorstandstätigkeit in der International Transactional Analysis Association (ITAA) wirkt er an der Weiterentwicklung von Standards und Zertifizierungen für gutes Coaching mit. Im Rahmen seiner Lehrberechtigung als Transaktionsanalytiker im Berufsfeld Organisation bildet er zudem Coaches, Berater und Organisationsentwickler aus. Autor von deutsch- und englischsprachiger Fachliteratur: Lebendige Unternehmen führen (2000), Systemische Organisationsanalyse (2006), Growth and Change for Organizations (2006), Wirtschaftskrise und neue Orientierung (2009); der vorliegende Band ergänzt sein Buch Coaching und Selbstcoaching (2008).

Günther Mohr

WORKBOOKCOACHING UND

ORGANISATIONSENTWICKLUNG

E H P

– 2010 –

© 2010 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach

www.ehp.biz

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Redaktion: Benjamin Uhl, Sabine Hedewig-Mohr

Umschlagentwurf: Uwe Giese

Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher.

EPUB-ISBN 978-3-89797-514-9

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhalt

Vorwort

Praktisches Lernen und Vorbereitung

Grafik: Lernen von Verhalten

Steuerung mit Modellen

Formen der Übung

Teil I COACHING UND PERSONENQUALIFIZIERUNG

Integrierte Professionalität als Ziel

Grafik: Integrierte persönliche Professionalität

1. Menschenbild

Aspekte des Menschenbildes

Charakteristika Transaktionsanalyse

Grafik: Aspekte des Menschenbildes

Übung: Mein Menschenbild I

Übung: Mein Menschenbild II

Übung: Das Menschenbild einer Organisation – World Café

Versorgung mit Grundbedürfnissen

Grafik: Grundbedürfnisse

Übung: Grundbedürfnisse

Die Triebkräfte

Grafik: Triebkräfte

Übung: Triebkräfte

Motivation in Veränderungsprozessen

Übung: Motivation in Veränderungsprozessen

Wertschätzende Befragung

Übung: Wertschätzende Befragung für den Aspekt »Lösungen«

2. Persönlichkeit und Unterschiede

Definition: Ich-Zustand

Grafik: Ein stetiger Strom

Die Bewusstheit über den eigenen Ich-Zustand

Übung: Wie ist das momentane Verhalten, Denken und Fühlen?

Übung: Wie ist das momentane Verhalten-Denken-Fühlen-Körperempfinden?

Das Funktionsmodell – Die Ausdrucksqualität einer Persönlichkeit

Grafik: Ich-Zustandssysteme

Grafik: Persönliche Stile des Verhaltens

Tabelle: Sechs Formen, sich in der Kommunikation zu verhalten

Grafik: Functional Fluency – Das Modell der funktionalen Ich-Haltungen

Das Herkunftsmodell – Woher kommt ein Erlebens- und Verhaltensmuster?

Grafik: Herkunftsanalyse der Ich-Zustände

Grafik: Ich-Zustands-Coaching: Neopsyche in Konkurrenz zu alten und fremden Ich-Zuständen

Übung: Ich-Zustände und Leistungsverhalten

Das Werte-Vernunft-Gefühle-Modell

Übung: Zur Anwendung des Werte-Vernunft-Gefühle-Modells

3. Beziehung und Kommunikation

Die Beziehungseinladung

Die Transaktionsanalyse der Kommunikation im engeren Sinne

Definition: Transaktion

Definition: Kommunikation

Grafik: Parallele Transaktion

Grafik: Kommunikationsregeln

Destruktive Kommunikationsmuster (»Psychologische Spiele«)

Definition: Spiel

Grafik: Das Drama-Dreieck

Grafik: Psychologische Spiele

Übung: Der Spielplan

Tabelle: Aussteigen aus einem Spiel

Bezogene Autonomie

Grafik: Integrierte Personalität

Beziehungsmäßige Zeitgestaltung

Grafik: Zeitstrukturierung

Übung: Das Tagwerk – ein Selbststeuerungsinstrument für Manager

4. Kontext und Systembezug

Der Bezugsrahmen

Definition: Bezugsrahmen

Grafik: Persönlichkeitsausdruck, Grundbedürfnisse, Bezugsrahmen und Skript

Übung: Bezugsrahmen-Interview

Kontext Rolle

Grafik: Rollenwelten

Übung: Deine Rollenwelten

Kontext Organisation

5. Entwicklung und Veränderung

Entwicklung und Veränderung von Ich-Zuständen

Übung: Dein momentanes Verhalten-Denken-Fühlen und dein gewünschtes Muster

Grafik: Verhalten-Denken-Fühlen

Übung: Dein momentanes Verhalten-Denken-Fühlen-Körperempfinden und dein gewünschtes Muster

Grafik: Verhalten-Denken-Fühlen-Körperempfinden

Grafik: Wege des Lernens und Veränderns

Entwicklung und Veränderung als Stärkung des integrierten Erwachsenen-Ichs

Das Lebensplan-(Skript-)Model

Grafik: Das Skript

Grafik: Skriptmatrix

Konzentrierter Spezialisierungspool

Übung: Begegnung mit Personen

Übung: Ereignisse und Erfahrungen

Übung: Innere Leitbilder – Selbsterkundung zu eigenen Leitbildern und professionellen Szenen nach Bernd Schmid

Gewohnheitsmuster

Übung: Skriptmanifestierung – Drei Geschichten-Methode nach Fanita English

Notprogramm

Grundthemen für Skriptbotschaften

Übung: Zusammenfassende Fragen zum »Lebensskript«

Die Mehrgenerationen-Perspektive

Familiensystemische Skriptanteile

Übung: Mehrgenerationen-Perspektive

Grafik: Mehrgenerationen-Perspektive

Das Gegenskript der Antreiber

Grafik: Gegenskript-Botschaften: Die Antreiber

Übung: Die Wurzel deiner Antreiber

6. Professionsmethoden

Der Vertrag

Die grundlegenden Techniken

Grafik: Die acht grundlegenden Techniken

Tabelle: Beispiele zur Anwendung der Beratungstechniken beim Thema Führung

Der Verlauf eines Coachings

Grafik: Coaching und Beratung

Tabelle: Coaching-Interventionen in der Kontaktphase

Tabelle: Coaching-Interventionen in der Inhalts- oder Konfliktphase

Tabelle: Coaching-Interventionen in der Konsolidierungsphase

Tabelle: Coaching-Interventionen in der Resultatsphase

Arbeit mit dem Häuser-Modell

Grafik: Das Häuser-Modell

Tabelle: Das Doppelhaus von Nahem – Beispielfragen

7. Integrierte Professionalität nach der Systemischen Transaktionsanalyse im Vergleich zu anderen Methoden

Tabelle: Vergleich Hypnotherapie von Milton Erikson und Transaktionsanalyse

Tabelle: Vergleich Analytische Psychologie von C.G. Jung und Transaktionsanalyse

Tabelle: Systemische Theorie und Transaktionsanalyse

Teil II ORGANISATIONSENTWICKLUNG UND SYSTEMQUALIFIZIERUNG

1. Die zehn Dimensionen der Systemischen Organisationsanalyse (SystOA)

Grafik: System Emergence und System Design

Grafik: Systeme und übergreifende Systeme

Grafik: Das System Organisation

Die Systemstruktur: Aufmerksamkeit, Rollen und Systembeziehungen

Übung: Welche Systemstrukturen hat meine Organisation?

Die Systemprozesse: Kommunikation, Problemlösung und Erfolg

Übung: Welche Systemprozesse steuern die Organisation?

Die Systembalancen: Gleichgewicht und Rekursivität

Übung: Welche Systembalancen zeigt die Organisation?

Die Systempulsation: Äußere Pulsation und innere Pulsation

Übung: Welche Systempulsation zeigt die Organisation?

2. Systemische Organisationsanalyse des Private Equity Geschäftes

3. Anwendung der SystOA in Unternehmen

Das Beispiel einer Führungskräftekonferenz

Beispiel für Fragestellungen zu den zehn Dimensionen

4. Veränderungsgestaltung mit dem »4-Zoom-Modell«

5. Erkundungsreise

Übung: Besuch vom Mars

6. Zusammenfassende Schnellanalyse

Wünschenswerte Eigenschaften in Kürze

7. Praktische Tools zur Vertiefung der zehn Dimensionen

Die Aufmerksamkeitsmatrix

Grafik: Aufmerksamkeitsmatrix

Tabelle: Aufmerksamkeitsmatrix

RollenDesign

Grafik: Rollendesign

Grafik: Rollensymbiosen

Übung: Rollensymbiosen

Beziehungs-Assessment

Grafik: Das organisationale Beziehungsassessment

Übung: Beziehungsstile

Transaction Quality Net

Übung: Transaction Quality Net

Systemische Problem-Lösungs-Analyse

Grafik: Systemische Problem-Lösungs-Analyse

Erfolgsdynamiken

Übung: Wertschätzende Befragung für den Aspekt »Erfolg«

Übung: Erfolge definieren

Gleichgewichtsdynamiken – auf dem Weg zur Organisationsveränderung

Beispiel für eine Motivationsanalyse in einem Veränderungsprozess

Rekursivität

Übung: Überlappung

Äußere Pulsation

Grafik: MetaRollen eines Unternehmens-Systems und äußere Grenzlinie

Grafik: Das Bindungsmodell

Übung: Auswirkungen an den äußeren Grenzlinien

Innere Pulsation

Übung: Größenveränderungen einzelner Bereiche

Übung: Grundbotschaften zum »Skript« eines organisationalen Subsystems

8. Einordnung der Tiefenbilder von Organisationen

Übung: Welchem Modell entspricht Ihre Organisation?

9. Der Fragebogen SCISOA

Dynamik der Aufmerksamkeit

Dynamik der Rollen

Dynamik der Beziehungen

KommunikationsDynamiken

Problemlösungs-Dynamiken

ErfolgsDynamiken

Dynamik der Gleichgewichte

Dynamik der Rekursivität

Dynamik der Äußeren Pulsation

Dynamik der Inneren Pulsation

10. »Systemintelligenz schlägt Personenintelligenz«

Literatur

Vorwort

»Du musst dein Leben ändern« ist die zentrale Aufforderung vieler psychologischer, philosophischer und spiritueller Lehrer, so auch Peter Sloterdijks (mit seinem gleichnamigen Buch, 2009). Wie geht das und welche Bereiche betrifft das konkret? »Mit sich selbst befreundet sein« empfiehlt Wilhelm Schmid (2007). Aber wie kommt man auf diesem Weg voran und was heißt das für den Einzelnen oder sogar für Organisationen? Einige Grundideen der Transaktionsanalyse sind dabei zurzeit in aller Munde, wie die Vorstellung vom Ich. »Wer bin ich und wenn ja, wie viele?« fragt Robert David Precht (2007) in seinem Beststeller.

Mit dem »Workbook Coaching und Organisationsentwicklung« möchte ich meine beiden methodischen Bücher »Coaching und Selbstcoaching mit Transaktionsanalyse« (2008) und »Systemische Organisationsanalyse« (2006) ergänzen und dem Leser dazu praktische Vorgehensweisen und Anwendungsbeispiele vorschlagen. Man kann das Workbook für Fragestellungen im Coaching, im Training, in der Organisationsentwicklung und auch für sich selbst nutzen. Die Übungen und Charts, die ich hier zusammengetragen habe, wurden in vielen Seminaren, Gruppen und Coachings verwendet und ständig optimiert. Systemische Transaktionsanalyse und systemische Organisationsanalyse sind lebendige Methoden, die Erfahrung, Überprüfung und Entwicklung mitbringen. Daher sollen die Übungen in dem Buch Sie auch dazu inspirieren, die Übungsvorschläge und Ideen im Sinne Ihres eigenen kreativen Ansatzes selbst weiterzuentwickeln.

Die systemische Transaktionsanalyse ist eine ideale Kernmethode für professionelles Arbeiten in Organisationen, weil sie zu den sechs Grundfragen der Professionalität, nämlich Menschenbild, Persönlichkeit, Beziehung, Kontextbezug, Veränderung und Methodik ein gutes Rüstzeug bietet. Gleichzeitig ist sie von ihrem Kern aus hervorragend durch andere methodische Ansätze wie Verhaltenstraining, Einbeziehung unbewusster und tiefenpsychologischer Prozesse sowie auch alle Systemansätze zu ergänzen. Entlang dieser sechs Grundfragen stelle ich im ersten Teil die Übungen und Charts vor.

Der zweite Teil des Buches bezieht sich auf die Konzeption »Systemische Organisationsanalyse«. Mit diesem Ansatz habe ich die gesamte Organisation oder größere Teilbereiche von ihr als »Klient« im Visier. Dieses umfassende Konzept zur Analyse und Veränderungsgestaltung auf Systemebene wurde vielfach zum Einsatz gebracht und die unterschiedlichsten Organisationen wurden damit durchleuchtet. Dies beinhaltet auch einen Fragebogen zu dieser Arbeit.

Ich sehe das Workbook in der guten Tradition der Arbeitsbücher von Rolf Rüttinger und Reinhard Kruppa (1988), Manfred Gührs und Claus Nowak (2003), Dieter Gerhold (2005), Werner Vogelauer (2005), Ute und Heinrich Hagehülsmann (1998) und Jutta Kreyenberg (2004 und 2008), um hier nur einige zu nennen, die wie viele andere die Transaktionsanalyse gerade in der praktischen Dimension sehr bereichert haben. Ein besonderes Werk zur Transaktionsanalyse ist für mich auch hier erwähnenswert, das Lehrbuch von Gudrun Hennig und Georg Pelz (1997).

Gleichzeitig steht der zweite Teil des Workbooks neben dem transaktionsanalytischen Fundament auf dem Hintergrund der systemisch-organisationstheoretischen Ansätze von Peter Senge, Stafford Beer, Niklas Luhmann, Fritz Simon, Gunther Schmidt und Bernd Schmid, ohne die mein Konzept der Systemischen Organisationsanalyse nicht denkbar wäre. Ein Workbook kann auch nicht alles abbilden, aber es ermöglicht praktische Anregungen zu wesentlichen Konzepten. Oder man kann auch kleinere, punktuelle innere Reisen damit machen. Wer mehr über Transaktionsanalyse in Deutschland erfahren will oder einen Transaktionsanalytiker für sich sucht, sei hier schon auf die Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (www.dgta.de) aufmerksam gemacht.

Allen Lesern und Anwendern wünsche ich eine gute Arbeit.

Günther Mohr, August 2009

Praktisches Lernen und Vorbereitung

Das Workbook stellt praktische Fragerichtungen zu zentralen Themen der systemischen Transaktionsanalyse und der Systemischen Organisationsanalyse dar. Wer in Gruppen mit Übungen arbeitet, sollte seine eigene kreative Vorgehensweise und Ausführung dazu wählen, um möglichst breit alle Wahrnehmungssysteme anzusprechen. Dies bedeutet, visuelle, auditive und kinästethische (körperfühlige) Systeme zu adressieren. Man kann mit Bildern, Worten und Bewegungen, vielleicht sogar mit Klängen arbeiten. Beispielsweise kann man Verhalten in Bildern oder Karikaturen darstellen, man kann Leitsätze oder Denk-Reflexionen dazu anstellen oder man kann sie probeweise in Bewegungen ausführen lassen. Wenn man etwa mit einer größeren Gruppe arbeitet, sind unterschiedliche Genres zu verwenden, damit die Menschen sich einerseits nach eigener Lust zuordnen können und andererseits in der Vielfalt ihren Zugang zu einem Th ema erkennen. Will man etwa unterschiedliche Konfliktstile in einem Unternehmen erforschen, könnte das nebeneinander ein gemaltes Bild, eine vorgetragene Reportage und eine gespielte Szene bedeuten.

Übungen zu Inhalten brauchen immer Vorbereitung. Der Übende muss in eine gute Haltung und Einstellung gebracht werden, sonst fruchtet der beste Inhalt nicht. Mit der Tür ins Haus fallen, empfiehlt sich in den seltensten Fällen. Obwohl die direkte, deutliche Ansprache eines Themas von vielen Rhetoriktrainern gelehrt wird, ist diese »typisch deutsche« Art für viele Menschen in der Welt nicht nachzuvollziehen. Gerade in meiner langjährigen Erfahrung in internationalen Gremien und Gruppen musste ich zu Beginn viel Lehrgeld bezahlen. »Germans are open, direct and rough« (Deutsche sind offen, direkt und rau) war die verhaltene Reaktion vieler Gesprächspartner.

Auch der Hypnotherapeut Bernhard Trenkle rät für den praktischen Einsatz ein ausführliches Hinarbeiten auf Übungen und Interventionen. Man soll zunächst »eine Bühne bauen« (Trenkle 2003). Wer einmal beim Dalai Lama in einem Vortrag war, konnte diese Technik ebenfalls erleben. Der in aller Welt bekannte tibetische Religionsführer und Friedensnobelpreisträger versucht zu Beginn jedes Vortrages ausführlich das Bild von sich zurechtzurücken. Er räumt erst einmal alle positiven Vorurteile aus, etwa er könne heilen, oder er sei in irgendeiner Weise etwas Besonderes. Denn auch positive Vorurteile können durchaus vom Lernen und von der Erkenntnis ablenken.

Zusätzlich macht es Sinn, die unterschiedlichen Aufmerksamkeitsebenen, mit denen Menschen sich auf die Welt beziehen zu berücksichtigen. Dazu können als Orientierung die sechs Bewusstseinsebenen dienen: körperliches, emotionales, rationales, selbstbildbezogenes, mehrgenerationales und nonduales Bewusstsein (Mohr 2009b). Gutes Lernen findet in einer Kombination aller dieser Aufmerksamkeitsebenen statt. Grundlegend zielt transaktionsanalytische Arbeit auf Erkenntnisgewinn und mehr Bewusstheit ab. Transaktionsanalytiker haben nichts dagegen, wenn Symptome von selber oder beiläufig verschwinden, im Gegenteil: Sie freuen sich dann mit ihren Klienten. Leitmotiv der Transaktionsanalyse bleibt aber der sich selbst steuernde Mensch. Dazu ist Erkenntnis und Bewusstheit notwendig. Insofern sind die Übungen auch auf Erkenntnisgewinn gerichtet. Dies ist nicht nur ein Denkprozess, Erkenntnis ist ein ganzheitlicher Prozess aus Einstellung, Fühlen und Verhalten. Weiterhin ist auch das Lernen von Transaktionsanalyse mit einer nichtakademischen Sprache und auch ohne eine erst zu erlernende Fachsprache möglich. Dies macht die folgende Charakterisierung zum Lernen von Verhalten deutlich.

Grafik: Lernen von Verhalten

1. oft kein einfaches richtig oder falsch

2. situations- und wesensgemäß

3. »aus dem eigenen Mist«

4. »keine Sonntagsanzüge«

5. »neues Land gewinnen«

6. braucht Wissen/Erkenntnis

7. ereignisgesteuert oder unbewusst

8. abhängig von innerer Haltung

9. erfordert Offenheit

10. im vertraulichen Rahmen

© Günther Mohr

Steuerung mit Modellen

Die Transaktionsanalyse wurde in einer großen internationalen methodenvergleichenden Studie von Klienten als außerordentlich nützlich eingeschätzt (Novey 2002). Praktisch finden transaktionsanalytische und systemische Modelle auf drei Ebenen der beraterischen Arbeit Eingang:

• Ebene des Tuns in Coaching, Beratung und Organisationsentwicklung: Normalerweise wird in der Beratung nicht »Transaktionsanalyse gesprochen«. Aber der Berater versucht eine O.k.-o.k.-Beziehung zu leben, wertet nicht ab, berücksichtigt die Grundbedürfnisse des Gesprächspartners und gewährleistet Schutz, Erlaubnis und Energie in seiner Arbeit mit dem Klienten. Transaktionsanalyse wird also gelebt. Dies geschieht im Gespräch und Tun des Beraters und wird in der Regel nicht gesondert mit Begriffen der Transaktionsanalyse etikettiert. Hinzu kommt allerdings, dass transaktionsanalytische Modelle hervorragende Illustrationen bei Interventionen sind. Der Erfinder der Transaktionsanalyse, Eric Berne, hat die Bedeutung der Interventionstechnik »Illustration« hervorgehoben (Berne 1966, 237; Mohr 2008). Zudem war Berne auch ein Meister der Begriffsfindung. Unter Marketinggesichtspunkten sind »Ich-Zustand«, »Psychologische Spiele«, »Rackets« und »Ich-bin-ok-du-bist-ok« hervorragend geeignet. Transaktionsanalyse-Modelle werden in diesem Sinne manchmal als Veranschaulichung genutzt. Diese Ebene ist für jeden Gesprächspartner wahrnehmbar. Die sichtbaren Modelle sind dabei so zu wählen, dass sie für den Beratenen auch in seinem Anwendungsfeld weiter nutzbar sind. Beispielsweise wird der Coach einem Gegenüber zur Veranschaulichung einer Konfliktssituation das Drama-Dreieck nutzen.

• Ebene der Beobachtung des Tuns: Der transaktionsanalytische Praktiker schaut auf sein Tun. Diese Aufmerksamkeit ist durch seine Modelle über die menschliche Psyche und das Zusammenwirken von Menschen geprägt. Er diagnostiziert beispielsweise eine Abwertung (Schiffet al. 1975) oder steuert sich mithilfe seiner sozialen Diagnose (Berne 1979, 197), um daraus Interventionsideen abzuleiten. Diese Ebene ist für den Beratenen in der Regel nicht sichtbar. Ausnahmen davon sind Interventionen, in denen der Berater den Beratenen quasi zum Co-Berater einlädt und ihn beispielsweise fragt, wie er eine gerade in der Beratung vorgekommene Sequenz in TA beschreiben würde. Dies ist allerdings nur bei Personen möglich, die schon in transaktionsanalytischen Konzepten erfahren sind.

• Ebene der Beobachtung der Beobachtung: Der Berater überprüft seine Beobachtungsgewohnheiten. Der Berater ist selbst das »Instrument«, das wirksam ist. Deshalb sind die Selbststeuerungsprogramme dieses »Instrumentes« ständig zu reflektieren. Dies bedeutet für den Transaktionsanalytiker, seine Arbeit stetig durch Supervision bezüglich der Qualität und der Effektivität begutachten zu lassen. Auch diese Ebene ist für den Beratenen nicht sichtbar. Er darf allerdings um sie wissen, damit er den transaktionsanalytischen Berater als Modell für gelebtes Lernen sehen kann.

Es ist wie mit den drei übereinander fliegenden Schwänen. Der erste fliegt. Der zweite fliegt und beobachtet dabei den ersten, wie dieser fliegt. Der dritte fliegt und beobachtet dabei den zweiten beim Beobachten des ersten. Bernd Schmid, der maßgeblich die systemische Transaktionsanalyse beeinflusst hat, hat diesen Zusammenhang im Logo seines Instituts für systemische Beratung, Wiesloch, dargestellt.

Formen der Übung