Wunder - was ist wirklich dran? - Lee Strobel - E-Book

Wunder - was ist wirklich dran? E-Book

Lee Strobel

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Beschreibung

Ist es in der heutigen Zeit überhaupt noch vernünftig, an einen Gott zu glauben, der Wunder vollbringt? Widersprechen Wunder nicht allem, was die Wissenschaft herausgefunden hat? Sind die übernatürlichen Ereignisse, von denen uns in der Bibel berichtet wird, nicht einfach nur fantastische Geschichten? Spricht tatsächlich irgendetwas dafür, dass Gott auch heute noch auf wundersame Weise in das Leben von Menschen eingreift? Der ehemalige Gerichtsreporter Lee Strobel begibt sich auf Spurensuche. Er führt zahlreiche Gespräche mit Fachleuten und sammelt Erfahrungsberichte aus der ganzen Welt. Dabei zeigt sich: Gott greift tatsächlich auch heute noch auf unerklärliche Weise in das Leben von Menschen ein. Begeben Sie sich auf eine spannende Reise und erfahren Sie in diesem packenden Buch, was an Wundern wirklich dran ist!

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Über den Autor

Lee Strobel wurde am 25. Januar 1952 in Arlington Heights, Illinois, geboren. Der ehemalige Atheist gewann nach einem Studium an der Yale Law School mehrere Preise als Gerichtsreporter der Chicago Tribune. Anschließend war er nacheinander Pastor der zwei größten Gemeinden in den USA – der Willow Creek Community Church bei Chicago und der Saddleback Church bei Los Angeles.

Für Emma Jean Mittelberg, das Wunderkind

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Dem Übernatürlichen auf der Spur

Teil I Was gegen Wunder spricht Ein Interview mit Dr. Michael Shermer

Kapitel 1: Wie man Skeptiker wird

Kapitel 2: Das unschlagbare Argument

Kapitel 3: Mythen und Wunder

Teil II Was für Wunder spricht Ein Interview mit Dr. Craig S. Keener

Kapitel 4: Von der Skepsis zum Glauben

Kapitel 5: Von Hume zu Jesus

Kapitel 6: Eine Flut von Wundern

Teil III Wissenschaft, Träume und Visionen

Kapitel 7: Die Wissenschaft der Wunder

Kapitel 8: Träume und Visionen

Teil IV Die eindrucksvollsten Wunder

Kapitel 9: Das erstaunliche Wunder der Schöpfung

Kapitel 10: Ein wunderbares Universum, ein wunderbarer Planet

Kapitel 11: Das Wunder der Auferstehung

Teil V Schwierigkeiten mit Wundern

Kapitel 12: Wenn Wunder peinlich sind

Kapitel 13: Wenn Wunder nicht geschehen

Schlussfolgerung: Urteilen Sie selbst

Empfehlungen für weiterführende Literatur

Anmerkungen

Mein Verstand muss mich leiten, und bei dem Gedanken an Wunder rebelliert mein Verstand. Ich persönlich glaube nicht, dass Christus behauptete, Wunder zu tun oder Wunderkräfte zu besitzen … Es gibt nichts Übernatürliches.

Thomas A. Edison1

Ereignisse, die wir gemeinhin als Wunder bezeichnen, sind nicht übernatürlich, sondern gehören zu einem Spektrum von mehr oder weniger unwahrscheinlichen natürlichen Ereignissen. Anders ausgedrückt: Ein Wunder, wenn es überhaupt geschieht, ist ein ungeheurer Glücksfall.

Richard Dawkins2

Ein wissenschaftliches Gesetz ist kein wissenschaftliches Gesetz, wenn es nur besteht, solange irgendein übernatürliches Wesen beschließt, nicht einzugreifen.

Stephen Hawking3

Wunder erzählen in kleiner Schrift dieselbe Geschichte, die über der ganzen Welt in so großen Buchstaben geschrieben steht, dass manche von uns sie nicht mehr erkennen können.

C. S. Lewis4

Wird [ein Ungläubiger] mit einem Wunder als unumstößlicher Tatsache konfrontiert, wird er lieber seinen eigenen Sinnen misstrauen, als diese Tatsache zuzugeben.

Fjodor Dostojewsky5

Gott ist kein Gefangener der Naturgesetze … Gott, der die Regelmäßigkeiten eingesetzt hat, kann ein neues Ereignis von außen in das System einfügen. Die Wissenschaft kann ihn nicht daran hindern.

John Lennox6

Wenn es überhaupt Wunder gibt, dann nicht um ihrer selbst willen, sondern für uns, um uns auf etwas dahinter hinzuweisen. Auf jemanden dahinter.

Eric Metaxas7

„Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder zu sehen bekommt, glaubt ihr nie“.

Jesus in Johannes 4,48

Das Unglaublichste an Wundern ist, dass sie geschehen.

G. K. Chesterton8

EinleitungDem Übernatürlichen auf der Spur

Als Benjamin als Drittbester seines Jahrgangs an einer überwiegend von Afro-Amerikanern besuchten Highschool abschloss und den besten Studieneignungstest schrieb, der in den letzten 20 Jahren an einer staatlichen Schule in Detroit geschrieben wurde, hielten alle große Stücke auf ihn.

Er konnte sich die Bewerbungsgebühr von zehn Dollar für die Uni nur einmal leisten, entschied sich für Yale und bekam ein Vollstipendium. Er hielt sich für ein ziemliches Ass – bis zum Ende des ersten Semesters.

Ben drohte in Chemie durchzufallen und dieses Fach war die Voraussetzung, um sich seinen Traum zu erfüllen, Arzt zu werden. Jetzt hing alles von der Abschlussprüfung ab. Aber er war nicht darauf vorbereitet – absolut nicht.

An jenem Abend betete er: „Herr, Medizin ist das Einzige, was ich je lernen wollte. Bitte sag mir, was du wirklich von mir willst.“

Er hatte sich vorgenommen, die ganze Nacht für diese Prüfung zu lernen, aber Müdigkeit überwältigte ihn. Alles schien verloren zu sein – bis er einen Traum hatte. Er war ganz alleine in einem Hörsaal, als eine nebulöse Gestalt anfing, chemische Gleichungen an die Tafel zu schreiben.

„Als ich am nächsten Morgen in die Prüfung ging, war es wie in Unwahrscheinliche Geschichten“, erinnerte er sich. „Die erste Aufgabe war eine der Gleichungen, von denen ich geträumt hatte. Die zweite auch und die dritte und die vierte … Ich bekam eine Eins und damit eine gute Note in Chemie. Und ich versprach Gott, dass er das nie wieder tun müsse.“

Ben erreichte sein Ziel und wurde Arzt. Mit 33 Jahren wurde er der jüngste Chefarzt für Kinder-Neurochirurgie in Amerika und führte am Johns Hopkins Hospital bahnbrechende Operationen durch. Er trennte am Kopf zusammengewachsene siamesische Zwillinge, führte den ersten erfolgreichen neurochirurgischen Eingriff an einem Fötus durch, entwickelte neue Behandlungsmethoden für Tumore am Stammhirn und am Rückenmark und bekam die höchste zivile Auszeichnung Amerikas, die Freiheitsmedaille des Präsidenten.

Eine 2014 durchgeführte Umfrage ergab, dass Benjamin Solomon Carson sen. einer der am meisten bewunderten Menschen Amerikas ist. Er bewarb sich sogar um das Amt des Präsidenten und war eine Wahlperiode lang einer der Spitzenkandidaten der Republikaner bei den Vorwahlen. Und das alles nur, weil er vor fast 50 Jahren durch einen Traum die Chemie-Prüfung bestanden hatte.1

Was meinen Sie? War das nur Zufall? Ist es nur eine aufgebauschte Geschichte, um eine politische Karriere voranzutreiben? Oder ist es tatsächlich das übernatürliche Eingreifen Gottes?

*

In Äquatorialafrika, weit weg von allen Apotheken und Krankenhäusern, starb eine Frau bei der Geburt ihres Kindes und hinterließ ihre trauernde zweijährige Tochter und ein frühgeborenes Baby, das die kühlen Nachttemperaturen kaum überleben würde. Ohne Inkubator, ohne Strom und mit nur wenigen Mitteln stand das Leben des Neugeborenen auf dem Spiel.

Eine Helferin füllte eine Wärmflasche, um dem Baby die so dringend benötigte Wärme zu geben, aber das Gummi riss – und das war die letzte Wärmflasche im ganzen Dorf gewesen.

Dr. Helen Roseveare, eine Missionsärztin aus Nordirland, die gerade dort war, forderte die Waisenkinder auf zu beten, aber die zehnjährige Ruth schien im Glauben doch etwas zu weit zu gehen.

„Bitte, Gott, schick uns eine Wärmflasche“, flehte sie. „Aber morgen ist es zu spät, Gott. Dann stirbt das Baby. Bitte schick sie uns heute Nachmittag.“ Als wäre diese Bitte nicht schon gewagt genug, fügte sie noch hinzu: „Und wenn du schon dabei bist, könntest du dann bitte noch eine Puppe für das kleine Mädchen mitschicken, damit sie merkt, dass du sie wirklich liebst?“

Roseveare erinnerte sich: „Jetzt war ich unter Zugzwang. Konnte ich dazu aufrichtig ‚Amen‘ sagen? Ich glaubte einfach nicht, dass Gott das tun konnte. Natürlich wusste ich, dass er alles tun konnte. Das steht ja in der Bibel. Aber es gibt doch irgendwie Grenzen, oder?“

Die einzige Möglichkeit, eine Wärmflasche zu bekommen, war, wenn ein Päckchen aus ihrem Heimatland kam. Aber sie hatte in den fast vier Jahren, die sie schon hier war, nie eines bekommen. „Egal“, dachte sie, „selbst wenn jemand ein Päckchen schickte, wer würde schon eine Wärmflasche hineinlegen? Schließlich lebe ich am Äquator!“

Ein paar Stunden später brachte ein Auto ein zehn Kilo schweres Paket. Die Waisenkinder machten es gemeinsam auf und durchsuchten den Inhalt: einige Kleidungsstücke, Verbandsmaterial für die Leprapatienten und ein paar Nahrungsmittel.

Und dann das: „Als ich die Hand wieder hineinsteckte, fühlte ich … konnte das wahr sein? Ich packte den Gegenstand und zog ihn heraus. Eine nagelneue Gummiwärmflasche!“, sagte Roseveare. „Ich musste weinen. Ich hatte Gott nicht darum gebeten. Ich hatte nicht wirklich geglaubt, dass er das konnte.“

Da kam die kleine Ruth angestürmt. „Wenn Gott uns die Wärmflasche geschickt hat, dann hat er bestimmt auch die Puppe mitgeschickt!“, rief sie aufgeregt.

Sie wühlte sich durch das Verpackungsmaterial und fand sie ganz unten im Paket: eine wunderschön angezogene Puppe. Ruth fragte: „Mami, kann ich mit dir kommen und dem kleinen Mädchen die Puppe geben, damit es weiß, dass Jesus sie wirklich liebt?“

Dieses Paket war fünf Monate zuvor von Helens ehemaliger Kindergottesdienstgruppe gepackt worden. Die Leiterin hatte den Eindruck von Gott gehabt, sie solle eine Wärmflasche hineinlegen, und ein Mädchen hatte eine Puppe gebracht.

Und dieses Paket – das einzige, das je dort ankam – wurde genau an dem Tag gebracht, an dem Ruth in kindlichem Glauben dafür gebetet hatte.2

Eine glückliche Fügung des Schicksals? Ein netter Zufall? Oder vielleicht ein Wunder?

*

Duane Millers größte Freude war es, in seiner kleinen Gemeinde zu predigen und Gott Lieder zu singen. Er leitete die Baptistengemeinde in Brenham, Texas, nicht nur, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern aus Leidenschaft und weil er sich dazu berufen wusste. Es war eine große Freude und Befriedigung für ihn.

Als er an einem Sonntagmorgen mit Grippe aufwachte, fühlte sich sein Hals wie Schmirgelpapier an und er brachte kaum ein Wort heraus. Jede Silbe schmerzte. Die Erkältung verschwand bald wieder, aber seine Luftröhre war immer noch entzündet und er brachte nur noch ein krächzendes Flüstern heraus. Sein Hals war wie zugeschnürt, als würde ihn jemand würgen.

Duanes Stimme war praktisch nicht mehr vorhanden. Da er nicht mehr predigen konnte, legte er sein Amt als Pastor der Gemeinde nieder. Schließlich bekam er einen Job bei der Regierung, wo er Aufzeichnungen recherchieren musste. Aber er verlor den Job wieder, weil er nicht sprechen und daher seine Ergebnisse auch nicht vor Gericht vortragen konnte. Seine Krankenversicherung bezahlte seine Behandlungen nicht mehr und er wurde mit Rechnungen in Höhe von Tausenden von Dollar konfrontiert.

„Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich völlig nutzlos. Mein Einkommen, meine Zukunft, meine Gesundheit, mein Wohlbefinden, alles entzog sich plötzlich völlig meiner Kontrolle. Es war eine furchteinflößende und demütigende Erfahrung“, sagte er.

Im Lauf von drei Jahren wurde er von 63 Ärzten untersucht. Sein Fall wurde sogar von einem Schweizer Ärztesymposium der weltbesten HNO-Spezialisten untersucht. Die Diagnose: Das Grippevirus hatte die Nerven seiner Stimmbänder zerstört und sie waren erschlafft. Als Duane nach den Heilungschancen fragte, sagte ihm ein Arzt: „Null Prozent“.

Entgegen Duanes Protesten bestand seine frühere Bibelklasse in der First Baptist Church in Houston darauf, dass er sprechen solle. Man beschaffte ein spezielles Mikrofon, das Duanes leise, raue, krächzende Stimme verstärkte, und die Bibelklasse einigte sich darauf, seine krächzende Stimme zu ertragen, weil sie ihn und seine Predigten so liebten.

Ironischerweise sprach er über Psalm 103, wo es im Vers 3 heißt, dass Gott „all deine Gebrechen heilt“. Duane sagte später: „Mein Mund sagte: ‚Ich glaube immer noch, dass Gott heilt‘, aber mein Herz schrie: ‚Aber warum nicht mich, Herr?‘“

Er las weiter und im nächsten Vers hieß es: „der dein Leben vor dem Untergang rettet“. „Ich hatte schon Zeiten, in denen sich alles nach Untergang anfühlte, und ihr sicher auch.“

In dem Moment, als er das Wort „Untergang“ sagte, verschwand das würgende Gefühl. „Nach drei Jahren konnte ich zum ersten Mal frei atmen“, erinnerte er sich. „Ich hörte, wie die Zuhörer alle gleichzeitig nach Luft schnappten, und da fiel auch mir auf, dass meine Stimme wieder da war. Ich konnte mich selbst hören!“

Seine verblüfften Zuhörer fingen an zu klatschen und zu jubeln. Seine Frau Joylene brach in Tränen aus. „Das verstehe ich jetzt nicht“, stotterte Duane mit seiner frischen, neuen Stimme.

Dieser dramatische Augenblick von Duanes Heilung war auf Band festgehalten worden und das machte überall die Runde. Spätere Untersuchungen ergaben, dass sein Rachen völlig normal aussah, als sei nie etwas gewesen. Entgegen jeder Erwartung war sogar das vernarbte Gewebe verschwunden.

„Selbst wenn ich erklären könnte, wie Sie ganz plötzlich Ihre Stimme zurückgewonnen haben – was ich nicht kann – “, meinte ein Arzt, „könnte ich niemals erklären, was mit dem Narbengewebe passiert ist.“

Heute ist Duane Pastor der Pinnacle Church im Gebiet von Cedar Creek Lake in Texas. Das Witzige ist, dass er auch eine tägliche Radiosendung auf einem Sender in Dallas hat und dort anderen mit seiner Stimme von dem Gott erzählt, der, wovon er überzeugt ist, auch heute noch Wunder tut.

„Sehen Sie, Gott hat mein Leben nicht nur wiederhergestellt, er hat es sogar noch bereichert.“3

Auf seiner Internetseite können Sie die Aufnahme anhören, auf der er seine Stimme zurückbekam.4 Fragen Sie sich selbst: „Ist das das übernatürliche Handeln Gottes? Oder lässt es sich besser als eine Art Spontanheilung erklären, die zufälligerweise genau dann passierte, als er diesen Bibelvers über Heilung zitierte?“

*

Die 25-jährige Jennifer Groesbeck, alleinerziehende Mutter und im Studium zur Assistenzärztin, fuhr 2015 abends in Utah auf einer dunklen Straße nach Hause. Plötzlich stieß ihr Wagen gegen einen Betonblock und kam von der Straße ab.

Die rote Dodge Limousine landete auf dem Dach im eiskalten Wasser eines Flusses, versank teilweise und war von der Straße aus nicht mehr zu sehen.

Vierzehn Stunden später entdeckte ein Fischer das Unfallwrack und rief die Polizei. Als die vier Beamten ankamen, sahen sie hinter dem Autofenster einen Arm. Aber das Auto war so schwer beschädigt, dass man nicht hoffen konnte, dass irgendjemand diesen schrecklichen Unfall überlebt hatte.

Da hörten sie die Stimme einer Frau, die leise rief: „Helfen Sie mir, wir sind hier drin!“ Die Worte waren glasklar zu hören. Einer der Beamten rief zurück: „Halten Sie durch! Wir tun, was wir können!“

Die Hoffnung auf Überlebende versetzte den Beamten einen Adrenalinschub und gab ihnen neue Motivation, sodass sie ins eiskalte Wasser sprangen, das ihnen zeitweise bis zum Hals stand, und mit vereinten Kräften das vollgelaufene Auto auf die Seite drehten.

Was sie dann sahen, schockierte sie. Groesbeck war beim Aufprall ums Leben gekommen. Aber auf dem Rücksitz entdeckten sie ein bewusstloses 18 Monate altes Mädchen, das die ganze Nacht in der Kälte kopfüber in seinem Kindersitz gehangen hatte, mit dem Kopf nur wenige Zentimeter über dem Wasser.

Die Retter bildeten eine Kette, um das Kind in Sicherheit zu bringen. Es kam ins Krankenhaus, wurde aber später völlig gesund entlassen.

Aber diese Stimme … woher war sie gekommen? Nicht von Groesbeck, die schon lange vorher beim Aufprall gestorben war. Auch nicht von dem Kind, das bewusstlos gewesen war. Außerdem, so berichtete einer der Retter, sei es definitiv die Stimme einer Frau gewesen.

Tyler Beddoes, einer der Polizisten, sagte, er hätte nicht geglaubt, was da passiert war, wenn die anderen die Stimme nicht auch gehört hätten. „Das ist der Teil der Geschichte, der mich wirklich verwirrt“, erzählte er den Reportern. „Ich bin kein religiöser Mensch. Es ist schwer zu erklären, aber da war auf jeden Fall irgendetwas. Woher und warum es kam, weiß ich nicht.“

Viele Menschen zögerten nicht, es ein Wunder zu nennen. Aber konnte es noch eine andere Erklärung geben? Vielleicht hatten die Retter den Wind in den Bäumen gehört. Oder vielleicht war die bereits verstorbene Mutter genau im richtigen Augenblick für einen kurzen Moment wieder zum Leben erwacht, um den Polizisten den nötigen Ansporn zu geben. Oder vielleicht war alles das Ergebnis der lebhaften Fantasie der Polizisten, deren Nerven in diesem Augenblick zum Zerreißen gespannt waren.

Ein Wunder? Beddoes war sich da nicht sicher, aber unter den gegebenen Umständen musste selbst dieser skeptische Polizist zugeben: „Daran denkt man dann schon.“5 Über eintausend Menschen sitzen in dem hell erleuchteten Saal in England. Von der Orgel ertönt altmodische Gospelmusik. Der Heilungsprediger spricht in einer unbekannten Sprache. Er treibt Dämonen aus, berührt die Gesichter der Menschen und sie fallen nach hinten um. Über dem Raum liegt eindeutig eine euphorische, erwartungsvolle Atmosphäre.

Der Evangelist ruft – scheinbar auf eine persönliche Eingebung hin – Krankheiten aus, die dann geheilt werden. Schon bald stellen sich die Leute an, um zu bezeugen, wie sie geheilt wurden. Jemand sagt, seine Kurzsichtigkeit sei geheilt; ein anderer berichtet, dass ein ständiges Pfeifen im Ohr verschwunden sei. Ein Dritter sagt, sein verstauchter Knöchel sei vollständig wiederhergestellt und er könne ohne Schmerzen laufen.

Die Veranstaltung mutet wie eine charismatische Heilungsveranstaltung an, nur mit einem großen Unterschied: Der „Heilungsprediger“ ist ein Atheist.

Derren Brown war früher einmal Christ und ist heute Englands bekanntester Illusionist. „Seine unübertroffenen Fähigkeiten als ‚Gedankenleser‘ machen ihn so einmalig“, sagte der christliche Kommentator Justin Brierley. „Mit einer Mischung aus Suggestion, ‚Wahrsagerei‘, Hypnose und simplen Betrügereien bringt es Brown fertig, dass die Menschen an Gott, Wunder und die Kraft des Gebets glauben.“

Als Jugendlicher bekannte sich Brown zum Glauben an Jesus Christus und ging in eine Pfingstgemeinde. Aber er war enttäuscht, als er sich dazu gedrängt fühlte, in Zungen zu sprechen, und als ihn seine christlichen Freunde vor seinem Vorstoß in die Hypnose warnten. Er sagte, ausschlaggebend sei weniger seine Entscheidung gewesen, sich als homosexuell zu outen, als vielmehr seine wachsenden Zweifel an der Auferstehung Jesu.

Bei seinen Shows mit dem Titel „Miracles“ (Wunder) schuf Brown eine erwartungsvolle Atmosphäre. „Ich dachte, wenn ich es schaffe, Adrenalin in den Menschen freizusetzen, dann wird jemand mit Rückenschmerzen mir sagen, dass er die Schmerzen nicht mehr spürt“, erklärte er. „Es ist ein chemischer Prozess.“

Außerdem, so fügte er hinzu, „fielen sie um, wenn ich ihr Gesicht berührte, weil sie etwas Bestimmtes erwarteten. Wenn man als Gläubiger zu solchen Veranstaltungen geht, weiß man, was passieren wird. Also zeige ich kurze Szenen von Menschen, die genau das tun. Wenn die Menschen dann auf die Bühne kommen, haben sie die Erwartung, dass mit ihnen das Gleiche passiert.“ Brown besteht darauf, die Menschen nicht vom Glauben abbringen zu wollen. Er zitiert Arthur Schopenhauer und sagt, dass der christliche Glaube als Volksmythos nützlich ist, wenn er den Menschen hilft, einen Sinn in ihrem Leben zu erkennen.

„Aber wenn es funktionieren soll, muss es wie echt sein und auch echte Auswirkungen haben“, sagte Brown. „Wenn man wirklich daran glaubt, dann mag das natürlich sehr herablassend klingen“, räumte er ein.6

Machen diese „Schein-Wunder“ andere Wunder unglaubwürdig? Oder ist Browns Show irrelevant für die Frage, ob Wunder wirklich passieren, weil die Atmosphäre dort so ganz anders ist als in den Situationen, in denen Wunder geschehen?

*

Vor Kurzem habe ich mich mit einem ehemaligen Kollegen aus meiner Zeit als Gerichtsreporter bei der Chicago Tribune unterhalten. Damals war ich noch Atheist gewesen.

„Du bist der Letzte, von dem ich je erwartet hätte, dass er seinen Job als Journalist aufgibt, um Menschen von Jesus zu erzählen“, sagte er. „Du hast zu den größten Skeptikern gehört, die ich kannte. Wenn ich dir erzählt habe, dass es in dem Feinkostladen um die Ecke ausgezeichnete Sandwichs gibt, hast du mir erst geglaubt, wenn ich dir ein Dutzend Restaurant-Kritiken samt der chemischen Analyse der Zutaten vom Gesundheitsministerium geliefert habe.“

Das ist eindeutig übertrieben, aber es stimmt, dass mein journalistischer und juristischer Hintergrund meine von Natur aus skeptische Persönlichkeit noch verstärkt hat. Eine Nachrichtenredaktion, wo insgesamt ein spöttischer Skeptizismus vorherrschte, war die ideale Umgebung für mich. Doch paradoxerweise war es gerade meine Skepsis, die mich letztlich zum Glauben an Jesus führte.

Der neu entdeckte Glaube meiner Frau Leslie forderte mich heraus, den historischen Grundlagen des christlichen Glaubens nachzugehen. Ich war überzeugt, dass meine strategischen Einwände letztlich diese ganze Religion untergraben und sie aus dieser „Sekte“ befreien würden.

Zu meiner großen Bestürzung überzeugten mich die wissenschaftlichen Fakten (angefangen von Kosmologie und Physik bis hin zu Biochemie und menschlichem Bewusstsein) davon, dass es einen übernatürlichen Schöpfer geben musste, und die geschichtlichen Belege überzeugten mich davon, dass Jesus von Nazareth von den Toten auferstanden war, was wiederum seine Identität als einziger Sohn Gottes belegt.

Die unausweichliche Schlussfolgerung, dass das Christentum wahr ist, brachte mich dazu, mein Vertrauen auf Christus zu setzen und später meine Karriere als Journalist aufzugeben, um mein Leben damit zu verbringen, anderen von seinem Versöhnungstod für sie zu erzählen.

Allerdings löste sich mein Skeptizismus nicht völlig auf. Sollte ich an Wunder glauben? Ja, natürlich war ich davon überzeugt, dass die Auferstehung und andere Wunder, von denen in den Evangelien berichtet wird, geschehen sind. Aber das ließ immer noch die Frage offen, ob Gott auch heute noch Wunder tut.

Ich stimmte dem Pastor und Autor Timothy Keller zu, der sagte: „Wenn es einen Schöpfergott gibt, dann sind Wunder nicht unlogisch. Wenn es einen Gott gibt, der groß genug ist, um das Universum in all seiner Komplexität und Unermesslichkeit zu erschaffen, warum sollte dann ein einfaches Wunder so schwer vorstellbar sein?“7

Theologisch gesehen gehörte ich nicht zum Lager derjenigen, die behaupten, seit die Apostel gestorben sind und der Kanon des Neuen Testaments abgeschlossen ist, gäbe es keine Zeichen und Wunder mehr und wir sollten heute nicht mehr danach trachten.8

Außerdem hatte ich Gottes wundersames Handeln schon in meinem eigenen Leben erfahren. Eines Tages während des Gebets verspürte ich den Drang, einer jungen Frau aus unserer Gemeinde, die darum rang, sich von Missbrauch und finanziellen Schwierigkeiten zu erholen, einen anonymen Barscheck über 500 Dollar zu schicken.

Leslie betete darüber und verspürte genau das Gleiche. Wir wussten, dass wir uns das nicht einfach ausgedacht hatten, denn diese Summe war zu diesem Zeitpunkt praktisch unser gesamter Kontobetrag. Und wir hatten den ganz konkreten Eindruck, wir sollten diesen Scheck mit der Post schicken, so dass er am folgenden Montag ankommen würde.

Am Montagmorgen, noch bevor die Post kam, rief diese junge Frau uns ganz aufgeregt an. „Bitte betet für mich“, flehte sie. „Mein Auto ist kaputt und die Reparatur soll fast 500 Dollar kosten. Ich habe das Geld einfach nicht und weiß nicht, was ich tun soll.“

„Gut“, sagte ich und bemühte mich, meine Freude nicht zu zeigen. „Leslie und ich werden für dich beten.“

An jenem Nachmittag bekam sie den anonymen Scheck – und Leslie und ich erlebten die Freude, die Erhörung für das Gebet eines anderen zu sein.

Zufall? Das hätte es wahrscheinlich sein können, wenn es der einzige Vorfall dieser Art gewesen wäre, den wir erlebt haben. Für mich passte es in ein fortlaufendes Muster davon, wie Gott auf übernatürliche Weise auf Gebete antwortet.

Und trotzdem …

Konflikte beim Gebet

Als junger Mitarbeiter der Willow Creek-Gemeinde in Chicago wurde ich einmal gebeten, einen anderen Pastor zu vertreten. Ich sollte ein monatliches Gebetstreffen für Menschen leiten, die sich von Gott Heilung erhofften. Etwa einhundert Menschen hatten sich in unserer Kapelle versammelt, als wir Jakobus 5,14 in die Praxis umsetzten: „Wenn jemand von euch krank ist, soll er die Gemeindeleiter zu sich rufen, damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.“

Meine Aufgabe war es, ein allgemeines Gebet für alle Anwesenden zu sprechen. Für diejenigen, die ein persönliches Gebet wünschten und gesalbt werden wollten, standen danach einige unserer Gemeindeältesten zur Verfügung.

Ich muss gestehen, dass ich hin- und hergerissen war. Ein großer Teil meines Gebets fiel mir ganz leicht. Ich bat Gott, den Ärzten Weisheit zu schenken, die Leidenden zu trösten, die Schmerzen zu lindern, den Glauben und die Hoffnung der Menschen zu stärken, die Hände der Chirurgen zu führen und so weiter. Natürlich war all das wichtig.

Aber als ich an den Punkt kam, Gott konkret um Heilung zu bitten, wie mutig sollte ich da sein? Wie nachdrücklich sollte ich meine Bitte formulieren? Meine Befürchtung war insgeheim: Was ist, wenn ich mich zu weit aus dem Fenster lehne und Gott um Heilung bitte und es passiert nichts? Wäre es feige, mein Gebet mit „Dein Wille geschehe“ zu beenden?

Letztlich habe ich so aufrichtig gebetet, wie ich konnte, und mit so viel Glauben, wie ich hatte. Ich bat Gott ausdrücklich, alle Anwesenden auf übernatürliche Weise wieder gesund zu machen. Aber innerlich fragte ich mich, ob er das in diesem Leben wirklich für sie tun würde. Egoistisch wie ich war, fürchtete ich, dass meine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel stand.

Schließlich kommen auf jeden Menschen, der solch ein Wunder erlebt wie Duane Miller, der nach mehreren Jahren während einer Predigt plötzlich seine Stimme wiederfand, viele andere, deren Heilung erst im Himmel geschieht.

Tatsächlich saß an dem Tag, an dem Duane Miller auf übernatürliche Weise geheilt wurde, ein 32-jähriger Vater von zwei Kindern in eben dieser Gemeinde. Bei ihm hatte man einen Gehirntumor festgestellt. Trotz der inbrünstigen Gebete der Gemeinde starb er zwei Wochen später.9

Ich kann die Auffassung von manchen meiner pfingstkirchlichen Freunde nicht teilen, die glauben, dass Jesaja 53,5 – „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ – bedeutet: Wenn jemand nur genug Glauben an Jesus hat, wird er sicher noch in diesem Leben geheilt. Umgekehrt würde das nämlich auch bedeuten: Wenn jemand nicht geheilt wird, ist die Person selbst schuld, weil er oder sie nicht genug geglaubt hat. Für mich ist das so nicht vertretbar.

Duane Miller war genauso verwundert darüber wie alle anderen, warum ausgerechnet er für ein so übernatürliches Eingreifen Gottes auserwählt worden war. „Ich kann Ihnen keine ‚10 Regeln, wie Gott Sie heilen kann‘ nennen“, sagte er. „Es lag nicht an meinem Glauben, nicht an meiner Reaktion, nicht an meinem Gehorsam. Ich hatte es mir in keinster Weise verdient. Ich habe nur einfach seine unverdiente Gnade empfangen.“10

Wunder kontra Zufall

Ich fuhr durch das Stadtzentrum von Houston. Es war Berufsverkehr, ich näherte mich Meter um Meter einem Hochhaus, in dem ich gleich eine Besprechung haben würde, und völlig unerwartet entdeckte ich einen freien Parkplatz direkt vor dem Eingang.

Ein Wunder, dachte ich – und vielleicht war es das. Aber vielleicht auch nicht. Fakt ist, dass wir mit diesem Wort oft zu leichtfertig umgehen.

Ich habe im Internet die Nachrichten nach dem Wort „Wunder“ durchsucht und natürlich tauchten alle möglichen Beiträge auf. Gerade heute gab es Schlagzeilen wie „Schiffskapitän rettet ‚Wunderkatze‘, die von der Brücke geschleudert wurde“, „Wunder auf der Water Street: Arzt wird Zeuge eines Unfalls und rettet einem Mann das Leben“ und „Das Wunderbaby: Frühgeburt von der Größe eines Tennisballs jetzt zu Hause“. Von einem Footballspieler hieß es, dass ein „Wunder“ nötig sei, um seine Karriere noch einmal zu beleben, und ein Turmspringer, der sich bei einem Wettkampf den Kopf am Sprungbrett angeschlagen hatte, wird „Wundermann“ genannt.

Wie kann man das Übernatürliche am besten definieren? Philosophen und Theologen liefern uns verschiedene Beschreibungen. Augustinus drückte es poetisch aus und sagte, ein Wunder sei, „wenn etwas geschieht, das schwierig oder ungewöhnlich ist und die Hoffnungen und Möglichkeiten der Beobachtenden übersteigt.“ Der schottische Philosoph David Hume war skeptisch: „Ein Wunder ist etwas, das die Naturgesetze bricht.“ Richard Swinburne, Professor in Oxford, nennt ein Wunder ganz direkt „ein Ereignis außergewöhnlicher Art, das durch einen Gott bewirkt wird und von religiöser Bedeutung ist“.11

Ich persönlich tendiere zu der Definition, die uns der verstorbene Richard L. Purtill, emeritierter Philosophieprofessor an der Western Washington University, liefert: „Ein Wunder ist ein Ereignis, das (1) durch die Macht Gottes bewirkt wird, (2) eine vorübergehende (3) Ausnahme vom (4) natürlichen Lauf der Dinge, um (5) zu zeigen, dass Gott im Lauf der Geschichte handelt.“12

Um seine Definition zu erklären, erzählte Purtill, wie ihm einmal wegen einer Herzerkrankung Nitroglycerin-Tabletten verschrieben wurden. Der Apotheker sagte etwas, das ihm im Gedächtnis blieb: „Wenn der Schmerz nach zwei Tabletten nicht weggeht, nehmen Sie eine dritte, aber rufen Sie sofort den Notarzt.“

Nicht lange danach wachte er von Schmerzen in der Brust auf. Er nahm eine Tablette und später noch eine, aber sie zeigten keine Wirkung. Er nahm eine dritte. Seine Frau wollte ihn ins Krankenhaus fahren, aber er bat sie, die Notrufnummer zu wählen. Sie tat es, die Sanitäter kamen sofort und das rettete ihm das Leben.

Nachdem er sich davon erholt hatte, hatte er einmal eine Reifenpanne, und während er den Reifen wechselte, setzte sein Herzschlag aus. Er brach bewusstlos zusammen und lag mit dem Kopf auf der Schnellstraße. Zwei vorbeifahrende Autofahrer hielten an und beide wussten, wie man einen Menschen wiederbelebt. Einer von ihnen rief den Notarzt, Purtills Herz konnte wieder zum Schlagen gebracht werden und wieder wurde sein Leben gerettet.

Obwohl Purtill Gott für diesen Ausgang dankbar war, betonte er, dass es „bei diesen Ereignissen keinerlei Hinweis auf übernatürliche Wirkungen gab. Die Anweisung des Apothekers, das Können der Menschen, die mir halfen, die Technik der Medizin, all das sind Dinge, bei denen es keiner übernatürlichen Erklärung bedarf.“

Deshalb betrachtet er seine Bewahrung nicht als Wunder. Andererseits glaubt er als Christ, dass „Gott sein göttliches Handeln, wie er das gewöhnlich tut, vor aller Augen im natürlichen Lauf der Dinge versteckt.“13

Manches von dem, was wir beiläufig als „Wunder“ bezeichnen, ist also in Wirklichkeit eher ein glücklicher „Umstand“ oder Gottes Handeln durch gewöhnliche Abläufe. Wie können wir das unterscheiden? Bei mir ist es so: Wenn ich etwas Außergewöhnliches sehe, das eine geistliche Dimension hat und durch eine unabhängige Quelle oder ein Ereignis bestätigt wird, dann läuten bei mir die „Wunder“-Glocken.

Anders ausgedrückt: Ein Traum von einer schemenhaften Gestalt, die chemische Formeln an die Tafel schreibt, ist an für sich noch kein Wunder. Aber wenn diese Formeln die Antworten auf die Fragen in der unabhängig davon gestellten Chemie-Klausur am nächsten Tag sind, dann wirkt das schon übernatürlich – vor allem, wenn all das nach einem Gebet um Gottes Hilfe passiert.

Bei schweren Erkrankungen kann es gelegentlich zu einem spontanen Abklingen kommen, aber das zieht sich gewöhnlich über einen längeren Zeitraum hin und ist oft nicht von Dauer. Wird eine schwere Krankheit augenblicklich und dauerhaft geheilt, genau in dem Moment, wo um Heilung gebetet wird, dann zeigt meine Skala „Wunder“ an.

Über 94 Millionen „Wunder“

Es überrascht nicht, dass mein früherer Atheisten-Clan das Übernatürliche leugnet, aber es ist schon auffällig, wie viele von ihnen sich geradezu feindselig dazu äußern.

„Für die Neu-Atheisten und ihre Weggenossen … ist der Zweifel zu einer Mission geworden“, sagt Noah Berlatsky, der für die Zeitung The Atlantic schreibt. „Es genügt ihnen nicht mehr, still in der Ecke zu sitzen und nicht zu glauben – sie müssen ihren Unglauben mit dem scharfen Schwert des Rationalismus verbreiten. Ein Skeptiker wird Sie wie ein erleuchteter Eroberer von der Last der Tradition und des Aberglaubens befreien – ganz gleich, ob Sie befreit werden wollen oder nicht.“14

Der verstorbene Atheist Christopher Hitchens nutzte seinen scharfen Verstand und sein rhetorisches Können, um jeden niederzumachen, der seinen Glauben an Wunder öffentlich bekannt hatte. Wenn er mit Christen diskutierte, fragte er immer: „Glauben Sie wirklich, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde? Glauben Sie wirklich, dass er von den Toten auferstanden ist?“

Wenn der Christ das bejahte, verkündete Hitchens triumphierend: „Meine Damen und Herren, mein Kontrahent hat soeben bewiesen, dass die Wissenschaft nichts mit seinem Weltbild zu tun hat.“

Timothy McGres, Leiter des Fachbereichs Philosophie an der Western Michigan University, meint dazu: „Es ist immer ein geschickter Schachzug, seinen Kontrahenten als Feind der Wissenschaft darzustellen, und Hitchens ließ kaum eine Gelegenheit für einen großen Auftritt aus. Aber ein großartiger Auftritt ist noch lange keine großartige Argumentation.“15

Wo steht nun die Mehrheit der Amerikaner beim Thema Wunder? Als ich mit den Nachforschungen für dieses Buch begann, trieb mich meine Neugier dazu, eine landesweite wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben, die vom Barna Institut durchgeführt wurde.16 Hier werden die Ergebnisse zum ersten Mal veröffentlicht.

Es ist interessant zu sehen, dass jeder zweite erwachsene Amerikaner (51 Prozent) angab, er glaube, dass die Wunder in der Bibel so geschehen seien, wie sie beschrieben würden.

Auf die Frage, ob Wunder auch heute noch möglich seien, bejahten zwei von drei Amerikanern (67 Prozent) und nur 15 Prozent verneinten. Bei den jungen Erwachsenen glaubten das weniger (61 Prozent) als bei der Babyboomer-Generation (73 Prozent). Ebenso glauben die Republikaner (74 Prozent) eher daran, dass heute noch Wunder geschehen, als die Demokraten (61 Prozent).

Mich interessierte, was der Grund für die Skepsis derjenigen war, die nicht glauben, dass auch heute noch Wunder geschehen können. 44 Prozent glaubten nicht an das Übernatürliche und 20 Prozent waren überzeugt, dass die moderne Wissenschaft die Möglichkeit von Wundern widerlegt.

Vor allem aber wollte ich wissen, wie viele Menschen schon einmal etwas erlebt hatten, das sie sich nur als Wunder von Gott erklären konnten.

Es zeigte sich, dass beinahe zwei von fünf erwachsenen Amerikanern (38 Prozent) einräumten, schon so ein Erlebnis gehabt zu haben. Das heißt, dass unglaubliche 94 792 000 Amerikaner überzeugt sind, dass Gott schon mindestens einmal für sie ganz persönlich ein Wunder getan hat.17 Das ist eine erstaunliche Anzahl!

Selbst wenn man alle „Zufälle“ aussortiert – was viele Ereignisse zweifellos waren –, bleibt immer noch eine erstaunliche Anzahl von scheinbar übernatürlichen Ereignissen übrig.

Allerdings nahm der Anteil mit steigendem Bildungsgrad ab: 41 Prozent der Highschool-Absolventen gaben an, göttliches Eingreifen erlebt zu haben, im Gegensatz zu 29 Prozent der College-Absolventen. Das Gleiche traf auch auf das Einkommensniveau zu, wo die Skepsis unter den Wohlhabenden stieg. Betrachtet man die ethnische Herkunft, so bestätigten über die Hälfte der Menschen mit Latino-Abstammung und der Afro-Amerikaner ein solches Erlebnis, im Gegensatz zu einem Drittel der Weißen.

Wenig überraschend: Bei den evangelikalen Christen liegt der Anteil bei 78 Prozent. Viele von ihnen wären vielleicht nicht einmal gläubig, wenn sie Gott nicht auf außergewöhnliche Weise erlebt hätten.

Obwohl die Skeptikerin Harriet Hall Berichte über das Übernatürliche als „weiter verbreitet unter den Unzivilisierten und Ungebildeten“ abtat,18 zeigte eine Umfrage aus dem Jahr 2004, dass 55 Prozent der amerikanischen Ärzte bei ihren Patienten schon Dinge erlebt haben, die sie als übernatürlich bezeichnen würden.19 Das bezieht sich auf hochgebildete Experten mit medizinischer Ausbildung, die an vorderster Front den Kranken und Verletzten dienen.

Drei Viertel der befragten 1100 Ärzte waren überzeugt, dass auch heute noch Wunder geschehen können – ein Anteil, der sogar über dem Durchschnitt der US-Bevölkerung insgesamt liegt. Daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass sechs von zehn Ärzten angaben, sie beteten für ihre Patienten ganz persönlich.20

Auf dem Weg

Die große Frage ist jedoch, ob der Glaube an übernatürliche Ereignisse auf Fehlern beruht, auf Missverständnissen, Betrug, Mythen, Gerüchten, Wunschdenken, Bestätigungstendenzen, Placebo-Effekten – oder auf der Wirklichkeit.

Anders ausgedrückt: Gibt es tatsächlich einen Gott, der Wunder tut, und ist seine Handschrift in allen übernatürlichen Ereignissen der Geschichte bis zum heutigen Tag zu erkennen? Ist er sogar bereit, heute in Ihr Leben einzugreifen?

Das wollte ich herausfinden, als ich dieses Buch schrieb. Ich bin ein hingegebener Christ und meine Überzeugungen sind weithin bekannt, aber ich wollte wissen, was an Wundern wirklich dran ist.

„Schon wieder“, murmelte Leslie lächelnd, als sie sah, wie ich meinen Koffer packte.

Ja, ich machte mich wieder auf den Weg, um unter vier Augen Interviews mit bekannten Autoritäten zu führen, um an ihren Lebenserfahrungen und ihrem Fachwissen Anteil zu haben. Diese Methode habe ich in den meisten meiner Bücher angewandt: Ich habe Fachleute ausfindig gemacht, die ich auf der Suche nach der Wahrheit ins Kreuzverhör nehmen konnte.

Ich dachte mir, der beste Anfang wäre, den bekanntesten Zweifler des Landes zu befragen – Dr. Michael Shermer, Gründer und Herausgeber der Zeitschrift Skeptic.

Ich zog den Reißverschluss meines Koffers zu und griff mir mein Flugticket nach Los Angeles. Das Ziel meiner Befragung von Michael Shermer war simpel: Ich wollte, dass er mir die stärksten Argumente gegen Wunder lieferte. Denn wenn es rational ist, an Wunder zu glauben, dann sollte mein Plädoyer dafür seinen Zweifeln standhalten.

Letztlich sind Sie gefragt, sich darüber selbst ein Urteil zu bilden.

Teil IWas gegen Wunder spricht Ein Interview mit Dr. Michael Shermer

Kapitel 1Wie man Skeptiker wird

Es war kein Ort, an den ich normalerweise gehen würde. Aber hier war ich nun, ein bekennender Christ, und saß im Besprechungszimmer in den Räumlichkeiten der Zeitschrift Skeptic, die sich in einem 3-Zimmer-Holzhaus in einem Wohngebiet am nördlichen Stadtrand von Los Angeles befanden.

Die Wände waren bedeckt von den gerahmten Titelseiten der bilderstürmerischen Zeitschrift. Auf einem aus Ziegeln gemauerten Kaminsims standen Büsten von Charles Darwin und Albert Einstein. Die Regale, die jeden freien Quadratzentimeter einnahmen, waren vollgestopft mit Büchern und spöttischem Krimskrams. Da lag ein Stück Seife mit der Aufschrift „Wasch dich rein von Sünden“, das versprach, die Sünde zu 98,9 Prozent abzuwaschen. Auf dem Etikett einer Bierflasche, die jemand in Utah erstanden hatte, stand: „Vielweiberbier: Warum schon nach einem aufhören?“

In gewissem Sinne war ich in der Anti-Kirche gelandet, einem Heiligtum der Wissenschaft und des Verstandes, das – zumindest nach Auffassung vieler Skeptiker – dem Glauben an Gott jede Berechtigung absprach.

Früher einmal hätte ich vielleicht für diese freidenkerische Zeitschrift schreiben können. Aber das ist schon Jahre her, als ich noch Atheist war und mir nichts mehr Freude machte, als mich über Christen lustig zu machen, die sich an die Lehren von ein paar Hirten aus dem Nahen Osten des ersten Jahrhunderts klammerten. Damals hätte ich eine Pilgerfahrt zu diesem Heiligtum des Skeptizismus genossen.

Heute bin ich überzeugt, dass Wissenschaft und Geschichte und sogar die Vernunft selbst die christliche Weltanschauung vielmehr unterstützen. Mein Atheismus war, wenn nicht auf übernatürliche Weise, so doch unerwartet und ganz entschieden auf den Kopf gestellt und von innen nach außen gekehrt worden.

Jetzt war ich in dieses Büro gekommen, um meinem exakten Gegenpart Auge in Auge gegenüberzutreten: Jemand, dessen Reise ihn vom Glauben zum Zweifel geführt und ihn von einem Evangelisten für Jesus zu einem Vertreter des Unglaubens gemacht hatte.

Kurz gesagt: Ein skeptischer Skeptiker.

Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, stürmt der 61-jährige Michael Shermer, klein und drahtig, herein. Er kommt direkt von seiner donnerstäglichen Fahrradtour mit zwei Dutzend seiner Freunde. An diesem Tag hatte er gerade 80 Kilometer auf seinem deutschen Rennrad hinter sich, das noch nicht einmal sieben Kilo wiegt, und das war erst der Anfang von über 300 Kilometern, die er jede Woche auf dem Fahrrad zurücklegt.

„Es hat einen gewissen Suchtfaktor“, gesteht er lächelnd.

Shermer setzt sich in seinem schwarzen T-Shirt, der schwarzen Hose und den Sandalen an den Füßen neben mich an den Konferenztisch und klappt sein Notebook auf. Er hat einen warmen Händedruck und ein ansteckendes Lächeln. Sein graues Haar lichtet sich, aber er steckt voller jugendlicher Energie und Begeisterung.

Shermer scheint alle Klischees eines typischen Kaliforniers zu erfüllen. Begeisterter Sportler? Ja, er hat sogar schon zwei Bücher über das Fahrradfahren geschrieben. Bewusste Ernährung? Ja, er isst nur einmal pro Woche Hühnerfleisch oder Fisch. „Fast nie Rindfleisch“, sagt er. Elektroauto? Natürlich: „Ich habe schon über ein Jahr keinen Sprit mehr getankt.“ Politisch betrachtet ist er, was gesellschaftspolitische Themen angeht, liberal, wenn es um Finanzen geht, dagegen konservativ.

Früher hat Shermer selbst in diesem 100-Quadratmeter-Haus gewohnt, das 1941 erbaut wurde und von einem hohen Holzzaun umgeben ist. Jetzt beherbergt es seine Zeitschrift Skeptic, die eine Auflage von 35 000 hat, und die Gesellschaft der Skeptiker – beides Non-Profit-Unternehmen, die er 1992 gegründet hat. Vier Angestellte arbeiten hier, die Garage dient als Poststelle. Zwei weitere Mitarbeiter leben in Kanada und geben die Kinder-Ausgabe der Zeitschrift heraus.

Shemers Büro ist schmal und mit den Plakaten seiner diversen öffentlichen Debatten tapeziert, darunter „Gibt es Gott?“ und „Können sich Wissenschaft und Religion versöhnen?“ Auf den Bildern an der Wand steht er lächelnd neben Richard Dawkins, einem Atheisten aus Oxford, und dem Biologen und Evolutionisten Stephen Jay Gould von Harvard.

Wir machen kurz ein Selfie, wie wir lächelnd nebeneinander stehen. Er postet es später auf Twitter, aber ich bezweifle, dass es an die Wand in seinem Büro kommt.

Seltsam und wahr zugleich?

Ich erzählte Shermer, dass ich aus zwei Gründen zu ihm gekommen war. Zunächst einmal, weil ich seinen Ruf schätzte, jemand zu sein, der zwar der Religion misstrauisch gegenüberstand, aber nicht in jenen spöttischen Ton verfiel, den einige der radikaleren Antitheisten an den Tag legten. Und damit meinte ich auch seinen guten Freund Dawkins, der andere Atheisten einmal aufforderte, allen religiösen Überzeugungen und Sakramenten gegenüber „Hohn und Verachtung“ zu zeigen.1

Im Gegensatz zu ihnen bevorzugt Shermer den Ansatz des holländischen Philosophen Baruch Spinoza, der 1667 einmal sagte: „Es ist mein ständiges Bestreben, menschliches Handeln nicht zu verspotten, zu beklagen oder zu verachten, sondern es zu verstehen.“2

Außerdem suchte ich jemanden, der mich mit den besten Argumenten gegen Wunder konfrontieren konnte, und zwar frei von Emotionen und durch Studien und vernünftige Argumente belegt. „Legen Sie sich ins Zeug“, sagte ich.

Als ich gerade mit dem Interview anfangen wollte, warf ich einen kurzen Blick über meine Schulter und sah ein paar Boxhandschuhe an einem Nagel hängen. Das ist ein gutes Zeichen, dachte ich, denn ich wollte tatsächlich, dass er mir seine stärksten Einwände gegen Wunder um die Ohren schlug.

Ich sagte ihm klar und deutlich, dass ich nicht mit ihm streiten wollte. Ich war nicht für eine Auseinandersetzung den weiten Weg nach Kalifornien geflogen. Ich wollte zuhören und lernen, wollte ein echtes Gespräch führen und mit ihm diskutieren. Für mich gab es keinen Grund, warum Gläubige und Ungläubige nicht vernünftig miteinander reden konnten, selbst wenn es um ein Thema geht, das den Verstand übersteigt. Außerdem wollte ich seine Geschichte von ihm persönlich hören. Was konnte ich von jemandem lernen, der genau den umgekehrten Weg gegangen ist wie ich?

Auf jeden Fall konnte ich keinen besseren Skeptiker finden als Michael Brant Shermer, dessen Lebenslauf beinahe 30 Seiten umfasst. Er machte seinen Bachelor in Psychologie und Biologie an der christlichen Pepperdine University, dann den Master in experimenteller Psychologie an der staatlichen Universität Kalifornien und seinen Doktor in Geschichte der Wissenschaft an der Claremont Graduate University. Seine Doktorarbeit schrieb er über Alfred Russel Wallace, den britischen Evolutionstheoretiker des 19. Jahrhunderts, der 1861 von sich selbst behauptete „ein absolut Ungläubiger in Bezug auf beinahe alle heiligen Wahrheiten“ zu sein.3

Shermer schreibt für die Kolumne „Skeptic: Viewing the World with a Rational Eye“ (Skeptiker: Die Welt mit rationalen Augen sehen) des Scientific American. An der Chapman University im kalifornischen Orange hält Shermer einen Kurs über kritisches Denken, der sehr passend „Skeptizismus 101“ heißt. Er hat über ein Dutzend Bücher geschrieben.

Er wurde schon von über einhundert Colleges und Universitäten als Gastredner eingeladen, unter anderem von Harvard (dreimal), Yale und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Viele seiner Artikel werden in populärwissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht. Er war schon in zahlreichen Fernsehsendungen zu Gast und hat die Sendung „Exploring the Unknown“ (Das Unbekannte entdecken) beim Sender Fox Family Channel produziert. Zu seinen TED Talks gehört einer mit dem Titel „Why People Believe Strange Things“ (Warum die Menschen seltsame Dinge glauben).

Ich musste lachen, als ich den Titel dieses Vortrags las. Es gibt sicher kaum etwas, was für einen Skeptiker seltsamer klingt als die Vorstellung von einem Schöpfergott, der in den Alltag der Menschen eingreift.

Die Frage ist aber, ob es nicht nur seltsam, sondern auch wahr ist.4

Interview mit Dr. Michael B. Shermer

Genau in dem Moment, als der Oberstufenschüler Michael Shermer Johannes 3,16 las – „Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben“ – und an Jesus als seinen Herrn und Retter zu glauben begann, heulte draußen irgendwo ein Kojote.

„Wir fragten uns, ob das ein Zeichen war“, erzählte Shermer mir mit einem leichten Lächeln. „Vielleicht trauerte Satan, weil er wieder eine Seele verloren hatte.“

Es war an einem Samstagabend 1971, als Shermers Freund George, ein überzeugter Christ, ihn in einem Haus in den San Gabriel Mountains in Südkalifornien zum Glauben führte. Vielleicht waren Shermers Motive zu diesem Zeitpunkt nicht völlig rein. Er dachte, durch seine Bekehrung hätte er bessere Chancen, bei Georges Schwester Joyce zu landen. Aber aus seiner Sicht reichte es und dieser Glaubensschritt festigte sich mit der Zeit immer mehr.

Shermer berichtete von seinem geistlichen Werdegang. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und schwelgte in Erinnerungen, als sei es erst gestern gewesen. Ich dagegen saß gespannt auf der Stuhlkante und wägte jedes Wort ab, während er sprach. Er hatte sich von einem begeisterten Nachfolger Jesu zum vielleicht weltweit bekanntesten geistlichen Skeptiker entwickelt.

„Am nächsten Tag nahmen George und seine Familie mich mit in eine Presbyterianische Gemeinde in Glendale. Der Pastor war sehr intellektuell, das gefiel mir. Am Ende sagte er: ‚Wenn du errettet werden willst, dann komm jetzt nach vorne.‘ Ich dachte mir: Gut, ich gehe vor. Vielleicht war es dann offizieller, wenn ich es in einer Kirche tat.“

„Ist Ihre Familie religiös?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte er. „Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich vier war. Niemand von meinen Eltern oder Stiefeltern war gläubig. Als ich ihnen erklärte, dass ich jetzt wiedergeboren sei, dachten sie sicher, ich spinne. Eines meiner Geschwister drückte es genauso aus: Ich war jetzt ein Jesus-Spinner.“

„Was bedeutete das für Sie?“

„Ich war voll und ganz dabei. Ich ging zu einem Bibelkreis, der sich ‚Die Scheune‘ nannte. Dort trafen sich jeden Mittwochabend gläubige Teens und junge Erwachsene. Es war ganz typisch für die 1970er-Jahre. Jemand spielte Gitarre, wir sangen Lieder von Jesus, hatten alle lange Haare und trugen dicke Ketten um den Hals. Ich trug den Ichthys – den sogenannten Jesus-Fisch, dessen Buchstaben auf Griechisch die Anfangsbuchstaben von ‚Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter‘ sind. Hier – ich zeige es Ihnen.“

Er drückte ein paar Tasten auf seinem Rechner und präsentierte mir ein Bild von sich, wie er an seinem 21. Geburtstag mit seiner Großmutter in der Sonne saß – lächelnd, braun gebrannt und mit entblößter Brust. Um seinen Hals hing die Kette.

„Für mich ergab mit der christlichen Lehre alles einen Sinn“, fuhr er fort. „Wenn etwas Gutes passierte, war es Gottes Belohnung für meine guten Taten oder meine Liebe zu Christus. Wenn etwas Schlimmes passierte, nun ja, Gott wirkt auf wundersame Weise. Es war alles sauber und geordnet. Alles hatte seinen Platz und für alles gab es einen Platz.“

„Hatten Sie das Gefühl, sich geistlich zu entwickeln?“

„O ja, absolut.“

Er erzählte, wie er seiner Familie und seinen Freunden seinen Glauben bezeugte – und dabei viel Augenverdrehen erntete – und bei seinen aufrichtigen Bemühungen, das Evangelium weiterzugeben, sogar von Tür zu Tür ging. Seine atheistischen Freunde hielten ihn für unausstehlich, aber Shermer war überzeugt: Wenn das Christentum recht hatte, dann musste er anderen davon erzählen, auch wenn er sich dabei unwohl fühlte.

„Haben Sie Gottes Nähe gespürt?“, fragte ich.

„O ja.“

„Sie haben seine Gegenwart in Ihrem Leben gespürt?“