Xmas Heat - Verbotenes Spiel mit dem Boss - Tina Keller - E-Book

Xmas Heat - Verbotenes Spiel mit dem Boss E-Book

Tina Keller

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Beschreibung

Alina kann Weihnachten nicht ausstehen – genauso wenig wie den obersten Boss ihrer Firma, der ihr als Einziger eine Gratifikation verweigert hat. Um allem zu entkommen, bucht sie eine Single-Kreuzfahrt ohne Weihnachtstrubel. Doch gleich am ersten Abend trifft sie auf den charmanten und unverschämt attraktiven Nicolas, der sie sofort fasziniert. Alina genießt die aufregende Nähe, ohne zu ahnen, wer er wirklich ist: der Mann, der sie in ihren Gedanken längst gefeuert hat. Doch als die Wahrheit ans Licht kommt, prallen Hass und Leidenschaft auf gefährliche Weise aufeinander. Denn ein Rückzug ist längst keine Option mehr – und Nicolas‘ Nähe bringt Alina in Versuchung wie noch nie zuvor.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Impressum

Originalausgabe November 2024 Xmas Heat – Verbotenes Spiel mit dem Boss

© Tina Keller, Berlin, Deutschland

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck oder andere Verwertung

nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Covergestaltung unter Verwendung

von DALL-E, © 2024, Tina Keller

Tina Keller

c/o Internet Marketing

und Publikations-Service

Frank W. Werneburg

Philipp-Kühner-Str. 2

99817 Eisenach

[email protected]

Tina Keller

Xmas Heat

Verbotenes Spiel mit dem Boss

Humorvoller Liebesroman

Wenn du deinen Urlaub plötzlich mit dem obersten Boss deiner Firma verbringst, auf den du gar nicht gut zu sprechen bist, der aber der heißeste Kerl weit und breit ist

Alina ist ein echter Weihnachtsmuffel. Eine Single-Kreuzfahrt, auf der es weder einen Tannenbaum noch Weihnachtslieder gibt, kommt ihr daher gerade recht.

Gleich am ersten Tag lernt sie den umwerfend attraktiven Nicolas kennen, auf den alle Frauen an Bord ein Auge geworfen haben.

Doch Nicolas ist nicht nur der heißeste Kerl auf dem Schiff. Er ist auch der oberste Boss der Firma, für die Alina arbeitet – und hat Alina soeben den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie hasst ihn aus tiefstem Herzen.

Dumm nur, dass sie sich gleichzeitig so stark von ihm angezogen fühlt wie noch von keinem Mann zuvor. Noch dümmer, dass Nicolas Alina genauso widersprüchliche Gefühle entgegenbringt wie sie ihm.

Das kann eigentlich nur in explosiven Begegnungen enden – in der einen und auch in der anderen Hinsicht ....

Kapitel 1

Warum gucken mich eigentlich immer alle an, als hätte ich zwei Köpfe, wenn ich sage, dass ich für Weihnachten nichts übrig habe?“, frage ich anklagend.

„Ich weiß wirklich nicht, was alle an diesem sentimentalen Quatsch finden. Ich hasse alles, was damit zu tun hat. Die weinerlichen Lieder, das heuchlerische Zusammensein der Familie, die sich eigentlich die Pest an den Hals wünscht, der materielle Mist, den niemand braucht, weil die Schränke sowieso überquellen, diese ganze sentimentale Stimmung. Das alles macht mich fertig. Ich habe schon Wochen im Voraus schlechte Laune, wenn ich nur daran denke, dass ich mir das drei Tage lang antun muss.“

Meine beste Freundin Barbara grinst und zuckt mit den Achseln.

„Alle Jahre wieder dieselbe Jammerei. Meine liebe Alina, du musst gar nichts. Niemand kann dich zwingen. Ich habe dir schon oft gesagt, dass du das tun sollst, was du willst und nicht das, was deiner Meinung nach andere von dir erwarten. Warum tust du dir das jedes Jahr aufs Neue an? Ich feiere schon seit Jahren kein Weihnachten mehr und es geht mir gut dabei.“

Das weiß ich. Barbara macht immer das, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie ist absolut kompromisslos.

„Wer hat dich denn diesmal blöde angemacht?“, will sie wissen.

„Meine Kolleginnen“, gebe ich Auskunft. „Auch wie jedes Jahr.“

Ich arbeite seit zwei Jahren in einer großen Firma, der eine ganze Reihe von Hotels gehört und bin dort im Schreibbüro tätig. Ich tippe und korrigiere aber nicht nur, sondern versende auch Prospekte und andere Materialien. Mir macht mein Job viel Spaß – besonders, weil meine Kolleginnen allesamt supernett sind und ich mich blendend mit ihnen verstehe. Nur bei dem Thema Weihnachten gehen unsere Meinungen sehr weit auseinander.

„Die sind alle schon seit Wochen im Weihnachtstaumel“, stöhne ich und ziehe meinen Salat näher zu mir heran.

„Sie sind völlig aufgedreht. Es geht nur noch darum, welche Plätzchen sie backen, welches Geschenk sie für wen kaufen, was sie an Weihnachten anziehen, auf welchen Weihnachtsmarkt sie gehen, wie schön diese heimelige Atmosphäre ist und wie sehr sie sich darauf freuen. Ich komme mir vor, als sei ich ein Alien, weil ich ihre Freude so gar nicht nachempfinden kann.“

„Ich auch nicht“, erwidert Barbara. „Konnte ich noch nie. Das liegt sicher daran, dass bei uns Weihnachten weiß Gott kein Fest der Liebe war. Meine Mutter war immer völlig hysterisch und hat nur rumgeschrien. Meistens ist der Baum umgekippt, sie ist total ausgeflippt und hat in ihrer Wut auf uns eingedroschen. Wenn Weihnachten nahte, brannten ihr sämtliche Sicherungen durch. Ich war jedes Mal froh, wenn das alles vorbei war.“

„Ach, Babs, das ist so furchtbar traurig“, schaltet sich Lucy, die Dritte im Bunde, ein. „Du hast uns das ja schon öfter erzählt. Es tut mir so leid für dich. Bei uns war Weihnachten immer das schönste Fest im Jahr. Alles wurde festlich geschmückt, die ganze Familie kam zusammen, wir haben Weihnachtslieder gesungen, gut gegessen und uns unterhalten. Um Mitternacht sind wir zusammen in die Kirche gegangen und auch das war wunderschön. Am nächsten Tag sind wir zu anderen Verwandten gefahren und haben nett zusammen gesessen.“

„… und uns an den Händen gehalten und gesagt, wie lieb wir uns haben“, beendet Barbara sarkastisch Lucys Ausführungen.

„Bitte, Lucy, mir wird ganz schlecht von deinen zuckersüßen Erzählungen. Das ist total übertrieben und nicht auszuhalten! Also, ich kenne jedenfalls genug Leute, die sich höchst widerwillig zu ihrer Familie schleppen und froh sind, wenn sie wieder abhauen können. Aber sie sind alle zu feige und zu inkonsequent, um sich dem zu entziehen.“

„Meine Erzählungen sind nicht übertrieben, so war es wirklich“, sagt Lucy etwas eingeschnappt. „Ich kann nichts dafür, wenn du als Kind kein schönes Weihnachtsfest hattest. Aber darum musst du es anderen nicht vermiesen.“

„Da haben wir eben sehr verschiedene Meinungen“, erwidert Barbara und verdreht die Augen.

Ja, verschieden sind wir drei schon. Auch, wenn wir vor sehr langer Zeit mal auf denselben Mann abgefahren sind.

Barbara, Lucy und ich haben uns vor mehr als zehn Jahren auf eigentümliche Weise kennengelernt. Ich war damals mit einem Typen namens Arne zusammen und kam erst ziemlich spät dahinter, dass ich nicht die Einzige für ihn war. Die anderen Frauen, die er auch noch beglückte, hießen – Lucy und Barbara. Nachdem ich sie ausfindig gemacht hatte, trafen wir uns und waren überrascht, dass wir uns gleich von Anfang an mochten, anstatt uns gegenseitig die Augen auszukratzen. Wir verbündeten uns und ließen den Verräter auflaufen. Arne musste allein in den Urlaub fliegen, weil Lucy nicht am Flughafen erschien. Barbara klatschte ihm in einem vollbesetzten Café eine Torte ins Gesicht. Ich fesselte ihn ans Bett und ließ ihn drei Stunden dort liegen, während ich shoppen ging. Als ich wiederkam, hatte ich Lucy und Barbara im Schlepptau und wir amüsierten uns sehr über den nackten, angeketteten Arne und sparten nicht mit Häme und dummen Sprüchen, die er sich anhören musste. Schließlich befreiten wir ihn, ließen ihn seiner Wege ziehen und sahen ihn nie wieder.

Seitdem sind wir die dicksten Freundinnen und treffen uns jeden zweiten Freitag bei unserem Stamm-Italiener, um die Woche angenehm ausklingen zu lassen.

„Meine Meinung ist nun mal, dass man sich nicht für andere verbiegen sollte“, erklärt Barbara. „Warum gehst du zu deiner Familie, wenn du es gar nicht willst, Alina?“

„Ich will es eben heldenhaft aushalten“, stöhne ich. „Ich habe keine Lust auf lange Diskussionen und endlose Vorwürfe. Da sitze ich lieber die paar Stunden ab und habe meine Ruhe. Aber du hast schon recht: Warum eigentlich? Es kann nicht sein, dass mir der Gemütszustand meiner buckligen Verwandtschaft wichtiger ist als mein eigener.“

„Nein, das sollte niemals so sein“, pflichtet mir Barbara bei. „Die wichtigste Person in deinem Leben bist du selbst. Zuallererst musst du dich um deine eigenen Bedürfnisse kümmern.“

„Ich finde das egoistisch“, verkündet Lucy. „Was für eine Art Mensch bist du, wenn du immer nur an dich denkst und nie an die Bedürfnisse der anderen? Manchmal muss man eben zurückstecken und auch mal das machen, was einem nicht so angenehm ist.“

„Das hat Alina 34 Jahre lang getan“, trumpft Barbara auf. „Sie kann ja auch ein einziges Mal an sich selbst denken, oder? Also, Alina, was würdest du dieses Jahr an Weihnachten wirklich gern machen?“

Meine Augen fangen an zu leuchten und ich werde ganz aufgeregt.

„Das kann ich dir genau sagen. Hier, schau dir das mal an.“

Ich schiebe Barbara einen Flyer zu.

„Nordeuropa Kreuzfahrt No Christmas Bells on Board“, beginnt sie zu lesen. „Bist du den Weihnachtsstress leid? Hast du es satt, mit Verwandten am Tisch zu sitzen, mit denen du dir nichts zu sagen hast und Geschenke nach Hause zu tragen, die im Mülleimer landen? Sehnst du dich nach einer Reise ohne Weihnachtsbaum, Weihnachtslieder und das ganze Brimborium? Wir versprechen dir, dass keiner unserer Angestellten eine Weihnachtsmütze auf dem Kopf hat oder dich sonst irgendwie an das Fest erinnert. Unser Schiff ist eine weihnachtsfreie Zone! Dafür wirst du von einer Menge Leute umgeben sein, die ähnlich ticken wie du und mit Weihnachten nicht viel anfangen können. Diese Reise ist speziell für Singles gedacht, um in ungezwungener Atmosphäre neue Leute kennenzulernen, mit denen du ein paar schöne Tage verbringst – vielleicht lernst du sogar den Partner fürs Leben kennen! Letzteres können wir dir zwar nicht garantieren, aber wir garantieren dir ein paar unbeschwerte, fröhliche Tage an Bord. Los geht es am 16.12. in Hamburg. Den nächsten Tag verbringen wir auf See. Am 18.12. sind wir in Portland, am 19.12. in Falmouth, am 20.12. in Saint-Malo, am 21. + 22.12. in Rouen, dann haben wir unseren 2. Seetag. Am 24.12. sind wir in London, am 25. + 26.12. in Antwerpen, danach folgt der 3. Seetag. Am 28.12. legen wir wieder in Hamburg an. An Bord gibt es viele tolle Veranstaltungen, Disco, Live Bands und natürlich jede Menge kulinarische Köstlichkeiten.“

Barbara lässt den Flyer sinken und schaut mich überrascht an.

„Warum fährst du nicht wenigstens dorthin, wo es warm ist?“, erkundigt sich Lucy. „England, Frankreich, Belgien … brr. Da ist es um diese Zeit viel zu kalt und du frierst dir den Arsch ab. Ich würde in die Karibik fliegen.“

Ich schüttele den Kopf.

„Ich setze mich bestimmt nicht zwanzig Stunden in ein Flugzeug. Außerdem ist es mir egal, wo ich bin. Hauptsache, ich bin weit weg von diesem Weihnachtsbrimborium.“

„Da fahren bestimmt nur schräge Leute mit.“ Lucy lacht laut auf.

„So richtig frustrierte Singles, die niemand an Weihnachten bei sich haben will. Glaubst du echt, du bist da in besserer Gesellschaft als bei deiner buckligen Verwandtschaft?“

„So richtig frustrierte Singles, die niemand an Weihnachten bei sich haben will?“, wiederhole ich empört. „Hey, hast du vergessen, dass ich auch mitfahre?“

„Du bist natürlich die große und einzige Ausnahme“, grinst Barbara und will sich ausschütten vor Lachen.

„Auf jeden Fall glaube ich, dass es ganz spezielle Leute sind, die an so einer Kreuzfahrt teilnehmen“, beharrt Lucy. „Ein normaler Mensch bleibt zu Hause bei seiner Familie. Das ist meine Meinung. Ich liebe Weihnachten und freue mich schon das ganze Jahr darauf.“

„So langsam machst du dich bei mir unbeliebt“, seufze ich. „Willst du etwa behaupten, ich sei nicht normal – nur, weil ich Weihnachten nichts abgewinnen kann?“

Lucy grinst. „Ach komm, ein bisschen schräg bist du schon, Alina. Aber das ist ja gerade das Liebenswerte an dir. Du bist nicht langweilig.“

„Das ist doch super. Dann wird es an Bord nur interessante Leute geben“, frohlocke ich und strahle.

„Dürfen da wirklich nur Singles mit?“, will Barbara wissen. „Lassen die keine Paare an Bord? Wie wollen die das denn nachprüfen?“

„Natürlich sind nur Singles an Bord“, bestätige ich, obwohl ich das natürlich auch nicht mit Bestimmtheit sagen kann.

„Das würde sonst überhaupt keinen Sinn machen. Welcher Single will ausgerechnet an Weihnachten verliebte Paare sehen? Das geht gar nicht. Die werfen wir sofort von Bord.“

„Ich stelle mir so eine Kreuzfahrt eher traurig vor“, sinniert Lucy und schiebt sich eine Gabel Lasagne in den Mund.

„Da sitzen wildfremde Leute zusammen an einem Tisch, die alle niemanden mehr haben. Und das ausgerechnet an Weihnachten. Deprimierender geht es gar nicht mehr. Da muss man doch schlecht drauf sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da lustig zugeht. Wahrscheinlich flennen am 24. alle um die Wette.“

Lucy will mir diese Reise offenbar vermiesen, was sie aber nicht schaffen wird. Ich bin viel zu beseelt von der Vorstellung, diesmal nicht vor dem Weihnachtsbaum zu hocken und alberne Lieder zu singen, während meine Verwandten heilige Gesichter aufsetzen und so tun, als würden sie sich über irgendwelchen Kram freuen, den sie in Wirklichkeit verabscheuen.

Ich habe mich jedenfalls nicht über folgende Geschenke gefreut: eine schnell wirkende Augenmaske gegen Tränensäcke und Falten (richtig boshaft, oder?) von meiner Cousine Xenia; eine abgrundtief hässliche Porzellanfigur, die Onkel Heribert wohl irgendwo auf dem Speicher gefunden hat; eine DVD über einen Aufseher im Todestrakt eines Gefängnisses (ich muss schon sagen, das passt hervorragend zu Weihnachten); einen 700seitigen Roman über eine Familie, die düstere Geheimnisse mit sich herumträgt (stinklangweilig, außerdem ist mir fast der Arm abgefallen beim Versuch, das Buch abends im Bett zu lesen) sowie Pralinen, die ich nicht mag und Wein, den ich nicht trinke. Am liebsten hätte ich das ganze Zeug sofort in die Mülltonne gekippt. Ich war richtig aggressiv, als ich abends nach Hause kam. Wieder mal wurden nur höfliche Nichtigkeiten ausgetauscht und niemand hat gesagt, was er wirklich denkt. Zum Kotzen. Nein, diese verlogene Scheinheiligkeit brauche ich nicht. Da sitze ich lieber mit frustrierten, fremden Leuten am Tisch, ganz ehrlich. Schlimmer als meine Verwandten können sie überhaupt nicht sein.

„Also, ich finde die Idee toll“, kommt Barbara mir zur Hilfe und zwinkert mir zu. „Hey, was hältst du davon, wenn ich mitfahre?“,

„Seit wann bist du Single?“, stelle ich eine Gegenfrage. „Gibt es Steve nicht mehr?“

„Doch, schon, aber das muss die Reederei ja nicht wissen“, erwidert Barbara vergnügt. „Steve ist mit seiner Band sowieso auf Tournee in Italien. Normalerweise wäre ich mitgekommen, aber gerade diese Tour ist der reinste Stress. Im Grunde sitzen die den ganzen Tag nur im Bus und fahren endlose Strecken. Darauf kann ich echt verzichten. Und auf eine Kreuzfahrt hätte ich auch mal wieder Lust. Da Steve und ich uns aus Weihnachten nichts machen, ist es kein Problem, wenn wir in dieser Zeit nicht zusammen sind. Ich glaube, das fände ich wirklich besser, als den ganzen Tag in einem stickigen Bus zu hocken.“

„Au ja, das wäre super!“, rufe ich und klatsche begeistert in die Hände. Ich wäre natürlich heilfroh, wenn ich nicht allein an Bord antanzen müsste. Ein bisschen mulmig ist mir schon bei der Vorstellung, ganz allein unter fremden Leuten zu sein. Was, wenn Lucy recht hat und die Passagiere alle etwas seltsam sind? Dann bin ich zwölf Tage mit einer Horde Freaks unterwegs und kann nicht weg, denn wir sind zusammen auf dem Schiff eingesperrt.

Barbara wäre genau die richtige Begleitung für mich. Sie ist frech, nicht auf den Mund gefallen und echt witzig. Ich war vor einigen Jahren schon mal mit ihr im Urlaub und wir hatten jede Menge Spaß.

„Du willst auf eine Single-Kreuzfahrt gehen, obwohl du gar kein Single bist? Also, das ist meiner Meinung nach Betrug.“

Lucy runzelt wieder die Stirn. Sie scheint heute ihren kritischen Tag zu haben.

„Stell dir mal vor, es verliebt sich einer in dich und nimmt an, du seiest nicht liiert. Dem brichst du das Herz. Ich finde das gemein. Die Kreuzfahrt ist für Singles gedacht, und dann sollten auch nur Singles daran teilnehmen.“

„Ich werde mich schon so verhalten, dass sich niemand in mich verliebt.“ Barbara zuckt ungerührt mit den Schultern.

„Wichtig ist, dass man auf dieser Reise eine Menge Spaß hat. Und dafür werde ich schon sorgen. Wenn die Leute mit langen Gesichtern an ihren Tischen sitzen, werde ich sie mit ein paar deftigen Sprüchen aufheitern.“

„Daran habe ich keinen Zweifel“, grinse ich. „Au ja, du kommst mit, Babs! Das wäre super.“

„Ich finde das unmöglich“, mault Lucy zwischen zwei Bissen. Obwohl sie rund um die Uhr isst, ist sie gertenschlank, das ist wirklich beneidenswert.

„Es hat schließlich einen Grund, warum nur Singles an Bord kommen sollen.“

„Aber ich nehme Steve doch nicht mit“, erklärt Barbara. „Ich bin allein dort. Also bin ich Single.“

„Du weißt genau, was ich meine. Du bist nicht ehrlich. Ich prophezeie dir jetzt schon, dass du Probleme bekommen wirst – in welcher Hinsicht auch immer. Du wirst noch sehen, dass ich recht behalte.“

„Ach, Quatsch“, wischt Barbara Lucys Einwand brüsk weg. „Womit sollte ich denn Probleme bekommen?“

Lucy stöhnt auf und spült ihren Ärger mit einem Schluck Lambrusco hinunter.

„Das sagte ich schon – wenn du jemanden kennenlernst, der mehr von dir will.“

„Und ich sagte bereits, dass ich mich Männern gegenüber nicht so verhalte, dass sie sich in mich verlieben. Also Ende der Diskussion. Alina, hättest du was dagegen, wenn ich meinen Onkel und meinen Cousin mitnehmen würde?“

Etwas erstaunt sehe ich Barbara an.

„Du meinst deinen Onkel Burkhard und den dicken Dieter, mit denen du schon zweimal auf einer Kreuzfahrt warst?“

Barbara nickt. „Ja, genau die.“

„So ganz ohne Familie geht es anscheinend doch nicht“, beharrt Lucy auf ihrer Meinung und schüttelt den Kopf.

„Warum bleibt ihr nicht einfach hier und feiert Weihnachten zusammen?“

„Weil ich Weihnachten hasse und nicht Weihnachten feiern will“, wiederhole ich mich und wende mich dann wieder Barbara zu.

„Dein Onkel und dein Cousin? Sind die genauso schräg wie du?“

„Mindestens.“ Barbara lacht schallend. „Also, mein Onkel trinkt gern das eine oder andere Gläschen und läuft am liebsten Frauen nach, die halb so alt sind wie er. Dieter ist glücklich, wenn er den ganzen Tag lang essen kann, was auf einem Kreuzfahrtschiff kein Problem darstellt. Sie sind eine ganz charmante Reisebegleitung.“

„Hört sich so an“, sage ich wenig überzeugt.

In der Tat bin ich mir nicht sicher, ob ich Barbaras Mischpoke dabei haben will, wenn ich meine eigene an Weihnachten in die Wüste schicke. Aber ich kann sie schlecht daran hindern. Sie hätten sich schließlich auch ganz unabhängig von mir für diese Kreuzfahrt anmelden können.

„Wir müssen nicht ständig zusammenhängen“, sagt Barbara schnell, die meine Miene durchaus richtig gedeutet hat.

„Wir müssen nicht mal am selben Tisch sitzen, wenn du das nicht möchtest. Ich habe bloß letztens mit beiden telefoniert und sie maulten herum, dass sie so gar keine Lust auf Weihnachten hätten und schon gar nicht mit der Familie feiern wollten. Ich glaube, sie würden sich echt freuen, wenn sie eine Reise unternehmen könnten.“

„Naja, gut, dann frag sie halt“, gebe ich mich geschlagen.

Ich habe nichts gegen neue Leute einzuwenden, im Gegenteil. Vielleicht sind die beiden ja auch ganz nett. Bloß nicht so verschlossen sein!

„Okay, das mache ich“, freut sich Barbara.

„Sind die beiden denn Singles?“, frage ich.

Barbara nickt. „Ja, mein Onkel wollte zwar letztes Jahr heiraten, findet aber, dass er noch zu jung ist, um sich zu binden. Und Dieter ist schon Single, seit ich ihn kenne. Ich habe noch nie gehört, dass er mit einer Frau zusammen war.“

„Na, das sind schon mal zwei Anwärter auf den Posten an deiner Seite“, zieht Lucy mich auf und klimpert mit ihren falschen Wimpern.

„Ich will überhaupt niemanden an meiner Seite haben“, stelle ich klar.

„Nicht umsonst habe ich mich von Lucas getrennt.“

„Du hast dich von ihm getrennt, weil er ein notorischer Fremdgänger war“, erinnert mich Barbara. „Es hat nur leider viel zu lange gedauert, bis du endlich dahinter gekommen bist.“

„Er hat mir gesagt, er sei sexsüchtig und könne nichts dafür“, sage ich lahm. „Vielleicht ist das auch tatsächlich so. Wie auch immer, mit so etwas kann ich nicht leben.“

„Er hätte seine angebliche Sexsucht mit dir ausleben können“, findet Lucy und schüttelt den Kopf.

„Aber wenn ich mich recht entsinne, lief bei euch gar nicht so viel im Bett, oder?“

„Nicht wirklich“, seufze ich.

Im Nachhinein bin ich fest davon überzeugt, dass Lucas nur ein Dach über dem Kopf gesucht hat und eine Person, die ihn verpflegt. Er als sensibler Künstler hat es nämlich nie für nötig gehalten, einem schnöden Job nachzugehen, sondern sich den ganzen Tag seiner Schreibkunst gewidmet. Mehr als ein angefangener Roman ist allerdings in all den Jahren nicht dabei herausgekommen. Kurz gesagt: Ich hätte ihn schon viel eher vor die Tür setzen sollen. Aber das habe ich nun endlich vor mehr als einem Jahr getan und damit ist das Thema für mich erledigt. Ich will nicht mehr darüber reden. Ich will nicht einmal darüber nachdenken.

„Halten wir fest: Wir stechen zu viert in See“, frohlockt Barbara.

„Ich werde Dieter und Burkhard heute Abend anrufen und ihnen die frohe Botschaft übermitteln. Sie werden sich wie verrückt freuen. Unsere Kreuzfahrten waren immer sehr ereignisreich. Und eine Kreuzfahrt über Weihnachten nur mit Singles ist bestimmt aufregend und spannend. Bestimmt finden sich dort einige Paare.“

„Das ist nicht meine Intention“, stelle ich klar. „Ich will wirklich nur meiner buckligen Verwandtschaft entgehen und keine Weihnachtslieder singen müssen.“

Barbara klopft mir aufmunternd auf den Rücken.

„Dein Wunsch wird in Erfüllung gehen. Also, dann: Schiff ahoi!“

Kapitel 2

Wir schreiben den 16. Dezember, und zum ersten Mal seit Jahren habe ich kurz vor Weihnachten keine schlechte Laune. Im Gegenteil, ich stehe voller Vorfreude auf dem Bahngleis am Südkreuz und warte auf Barbara und ihre Verwandten. Ich freue mich darauf, neue Leute an Bord kennenzulernen und mit ihnen ein paar schöne Tage zu verbringen. Ich bin selbstverständlich nicht der Meinung, dass es sich bei meinen Mitreisenden um „asoziale Freaks“ handelt, wie mein Cousin Daniel gehässig bemerkte. Der ist ja nur neidisch, weil er selbst drei langweilige Tage mit seinen nervtötenden Kindern und seiner hysterischen Frau verbringen muss. Sicher würde er alles dafür geben, wenn er dem Weihnachtstrubel entgehen könnte, so wie ich. Aber außer mir traut sich das offenbar niemand. Jeder sitzt lieber die drei verhassten Feiertage irgendwie ab, anstatt die Regeln zu brechen und das zu tun, was er wirklich tun will. Aber ich war schon immer aufmüpfig und habe mich selten angepasst, und diesen Weihnachtszirkus habe ich sowieso viel zu lange mitgemacht. Aber damit ist jetzt Schluss. Gut, dass Barbara mich auf den rechten Weg geführt hat.

„Hey, Alina, hier sind wir!“, höre ich Barbaras Stimme und drehe mich um.

Ja, da sind sie. Unverkennbar. Ich lache laut los, denn sie tragen alle drei Mickymaus-Ohren auf dem Kopf, die lustig hin und her wackeln. Das war bestimmt Barbaras Idee, denn sie hat immer nur Blödsinn im Kopf. Der ganze Bahnsteig dreht sich nach ihnen um und fängt an zu kichern. Barbara ist immer ein Garant für gute Laune.

„Hallo, ihr Mickymäuse“, begrüße ich die drei und falle Barbara um den Hals. Danach gebe ich einem älteren Herrn die Hand, der sich mir als Burkhard vorstellt. Er ist sehr fesch und jugendlich angezogen: eine blaue Jeans mit Nieten und Löchern, dazu eine schwarze Lederjacke im Bikerstil. Barbara hat mir verraten, dass er schon über 70 ist, aber ich würde ihn glatt auf Anfang 60 schätzen. Er hat strahlende, blaue Augen, schneeweiße Zähne und ist total braun gebrannt. Er strahlt mich an, tätschelt meinen Arm und mein Herz fliegt ihm sofort zu. Was für ein sympathischer Mann! Mit dem werde ich mich bestimmt gut verstehen.

Die dritte Mickymaus ist ziemlich rundlich und im Gegensatz zu Burkhard eher unmodern gekleidet. Dieter trägt eine braune Jacke und eine beige Bundfaltenhose und ist nicht ganz so überschwänglich wie Burkhard. Trotzdem macht auch er einen sehr netten Eindruck.

Barbara trägt wie üblich bunte, schrille Klamotten und ihre langen, roten Haare offen. Wie immer ist sie ein Blickfang, was natürlich auch an ihrer lauten, burschikosen Art liegt. Barbara ist weder zu übersehen noch zu überhören.

„Wir fanden das besser als eine alberne Nikolausmütze“, erklärt Barbara und wackelt besonders heftig mit dem Kopf.

„Oh, unser Zug hat eine halbe Stunde Verspätung, guckt mal auf die Tafel!“ Sie seufzt abgrundtief. „Ich möchte auch nur ein einziges Mal erleben, dass ein Zug pünktlich kommt. Was steht da noch? Wir sollen die geänderte Wagenreihung beachten? Was soll denn das bedeuten?“

„Na, dass die Wagen des Zuges eine andere Reihenfolge haben als ursprünglich vorgesehen“, erkläre ich.

Barbara runzelt die Stirn.

„Das ist ja ganz toll“, meckert sie los. „Das bedeutet also, wenn ich Pech habe, stehe ich ganz am Anfang das Bahnsteigs und der Wagen, in dem ich einen Platz reserviert habe, ist am anderen Ende. Dann kann ich entweder hechelnd mit meinem Koffer den ganzen Bahnsteig entlang laufen oder, was noch viel schlimmer ist, mich mit meinem Koffer durch die viel zu engen Zugabteile drängen. Na, das fängt ja wirklich gut an.“

„Am besten, wir stellen uns in die Mitte“, schlägt Dieter vor. „Dann müssen wir vielleicht nicht ganz so weit laufen.“

„Ich kann gern deinen Koffer tragen“, bietet Burkhard hilfsbereit an. Barbara hat mir erzählt, dass ihr Onkel gerne den Diener spielt und hübschen, jungen Damen oft einen Gefallen tut.

Barbara schüttelt den Kopf, wobei ihre Mickymaus Ohren hin und her

hüpfen.

„Nee, lass mal, mein Koffer hat vier Rollen, das geht schon. Du bist auch nicht mehr der Jüngste, das will ich dir nicht zumuten.“

Eine steile Falte erscheint zwischen Burkhards Augenbrauen, und ich vermute, er fasst es nicht unbedingt als Kompliment auf, dass Barbara ihn soeben auf sein Alter hingewiesen hat.

„Ich kann sehr gut einen Koffer tragen, notfalls auch zwei“, erwidert er hitzig. „Gestern war ich noch im Fitnessstudio gewesen, da habe ich fünfzig Kilo gestemmt. Da ist ein Koffer gar nichts.“

„Du gehst ins Fitnessstudio?“, fragt Dieter und sieht ehrlich überrascht aus. „Seit wann das denn? Und warum?“

„Warum geht man wohl in ein Fitnessstudio?“ Burkhard sieht Dieter strafend an. „Natürlich geht man in ein Fitnessstudio, um fit zu sein. Das sagt doch schon der Name. Und warum will man wohl fit sein? Damit man sich besser fühlt und einem die Dinge besser von der Hand gehen. Darüber solltest du vielleicht auch mal nachdenken. Komm doch mal mit.“

„Dieter will nicht fit sein, sondern fett“, sagt Barbara ungerührt und knufft Dieter in seine rundliche Taille.

Ich sehe sie erschrocken an. Das war jetzt aber wirklich hart. Ob Dieter nicht beleidigt ist? Doch Dieter grinst nur.

„Charmant wie eh und je, unsere Cousine Barbara“, lässt er sich nicht die Laune verderben. „Aber du hast schon recht. Ich möchte mein Leben genießen und dazu gehört für mich nun mal Essen. Da nehme ich es gern in Kauf, dass ich ein bisschen mollig bin.“

„Ein bisschen mollig ist gut“, murmelt Barbara. „Du hast wohl auch einen Knick in der Optik.“

„Den hast wohl du, sonst würdest du nicht so nah an die Gleise herangehen“, weist Burkhard sie zurecht und zieht sie ein Stück nach hinten. „Das ist gefährlich, Mädchen.“

„Wieso, der Zug kommt doch erst in einer halben Stunde“, erinnert Barbara ihn. „Soll ich noch schnell was zu essen holen?“

„Auf gar keinen Fall.“ Burkhard schüttelt energisch den Kopf. „Wir sind gleich auf dem Schiff, und da gibt es alles umsonst. Warum sollen wir jetzt noch Geld ausgeben? Das wäre die totale Verschwendung.“

„Finde ich auch“, stimmt Dieter zu. „Nein, wir halten durch.“

Nach einer Dreiviertelstunde fährt der Zug schließlich ein und wir versuchen herauszukriegen, wo sich unser Wagen befindet, was uns aber leider nicht gelingt. Natürlich ist es genauso, wie wir schon befürchtet haben: Die Leute stehen mit ihren großen Koffern in den engen Gängen herum und keiner kommt vorwärts.

„Bis wir unsere reservierten Plätze erreicht haben, sind wir schon in Hamburg“, seufze ich. „Sollen wir nicht gleich hier stehen bleiben? Lohnt sich das überhaupt?“

„Ich stehe doch nicht zwei Stunden lang hier herum“, ereifert sich Barbara.

„Außerdem hat die Reservierung 4,50 € gekostet“, empört sich Burkhard. „Das wäre dann ja völlig umsonst gewesen.“

„Auf keinen Fall lasse ich jemanden auf meinem Sitz sitzen, für den ich die Reservierungsgebühr bezahlt habe“, erklärt Dieter. „Also los, auf in den Kampf.“

Und ein Kampf ist es wirklich, sich durch gefühlte hundert Wagen zu zwängen, vorbei an genervten Reisenden, die in die andere Richtung wollen. Es geht nur millimeterweise vorwärts und ich bin schweißgebadet, denn es ist überall unerträglich heiß. Leider habe ich aber keinen Platz, um meine Jacke auszuziehen.

„Nur noch drei Wagen“, ächzt Dieter vor mir. „Wir haben es gleich geschafft.“

Damit hat er ein bisschen übertrieben, denn wir brauchen noch ungefähr eine Viertelstunde, bis wir endlich bei unserem Wagen angekommen sind. Vorher können wir noch beobachten, wie ein Kind in eine Plastiktüte kotzt und sich die Tür zum Behinderten Klo öffnet, obwohl gerade jemand darauf sitzt und uns mit großen Augen erschrocken ansieht.

Barbara kennt natürlich wie immer keine Hemmungen und grüßt den Toilettenbesucher mit den Worten „Na, heute schon große Geschäfte erledigt?“

„So, hier wäre unser Wagen“, teilt Dieter uns schließlich mit. „Jetzt müssen wir nur noch unsere Plätze finden. Ah, da sind sie ja.“

Seine Miene verfinstert sich.

„Da hat sich doch tatsächlich jemand draufgesetzt, das habe ich mir gleich gedacht.“

Ich werfe einen Blick auf vier Jungs in schlabberigen Jeans, die sich auf unseren Sitzen herumlümmeln.

„Hallo, Leute, wir müssen euch leider aufscheuchen, das sind nämlich unsere Sitze“, erkläre ich und deute nach oben.

„Eigentlich kann man an der Anzeige sehen, dass sie reserviert sind.“

„Sofern man lesen kann“, murmelt Dieter genervt.

„Ham wa gelesen“, versichert eines der Bürschchen. „Aber ihr seid ja nicht gekommen.“

„Jetzt sind wir ja da“, erinnere ich und trommele ungeduldig mit meinen Fingern auf meinem Koffer herum.

„Drei Mickeymäuse, haha“, lacht einer der Jungs mit einer Bierdose in der Hand und macht keinerlei Anstalten aufzustehen.

„Echt luschtisch.“

„Junger Mann, wir haben einen langen, langen Weg durch diese verfickten Abteile hinter uns“, erklärt Barbara unwirsch.

„Und wir würden die anderthalb Stunden bis Hamburg sehr gerne noch auf unseren Plätzen verbringen. Wenn ihr also jetzt vielleicht euren Arsch bewegen würdet, wäre das sehr hilfreich.“

„Jo, jo, ein alter Mann ist kein D-Zug“, kennt einer der Rüpel erstaunlicherweise einen Satz aus der Zeit meiner Großeltern, bewegt sich aber immer noch nicht. Der andere verstaut im Schneckentempo seine Kopfhörer in einem Rucksack und bindet sich dann genauso langsam die Schnürsenkel zu. Barbara verdreht ihre Augen.

„Kannst du mir mal sagen, warum die jungen Leute von heute solche Schlaftabletten sind?“, fragt sie mich, ohne ihre Stimme im Geringsten zu senken.

„Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Youngsters für alles doppelt so lange brauchen wie ein wirklich alter Mensch mit Rollator?“

„Ja“, bestätige ich, denn das ist mir in der Tat schon sehr oft aufgefallen. Eigentlich sollte man meinen, die Jugend sei frisch und knackig, aber sie ist wirklich extrem umständlich und lahm. Wie zum Beispiel diese vier Jungen mit den viel zu weiten Hosen, die sich wie in Zeitlupe bewegen, was mich echt nervös macht.

„Wird das heute noch was?“, frage ich aggressiv. „Könnt ihr euch nicht mal ein bisschen beeilen?“

„Wir müssen erst unsere Sachen zusammen suchen“, erklärt der eine mit der Bierdose in der Hand. „Kannste mal mein Bier halten?“

„Wenn es dadurch schneller geht, ja“, seufze ich und halte nun auch noch eine Bierdose in der Hand.

Es dauert noch einige Minuten, bis die schläfrige Jugend von heute es endlich geschafft hat, unsere vier Plätze freizugeben und mit letzter Kraft den Gang entlang schlurft.

„Du liebe Güte, was soll aus unserem Land mal werden, wenn die Leute solche Schnarchnasen großziehen“, stöhnt Dieter und lässt sich entkräftet auf seinen hart erkämpften Platz nieder sinken.

„Da schläft man ja schon vom Zusehen ein.“

„Keinen Pepp mehr, diese Luschen“, charakterisiert Barbara unsensibel und wuchtet ihren Koffer auf die Ablage.

„Ich dachte schon, die schaffen es bis Hamburg gar nicht mehr.“

Burkhard lächelt mich freundlich an. Er ist wirklich ein netter Mensch.

„So, jetzt machen wir es uns erst mal gemütlich“, beschließt er. „Möchte jemand etwas Wein haben?“

„Du bist nach wie vor ein Trunkenbold und Weiberheld“, lacht Barbara. „Na, los, dann reich mal rüber, Onkelchen.“

Nach einer lustigen, feuchtfröhlichen Fahrt – Burkhard hat eine umfangreiche Auswahl diverser Weinsorten mitgeschleppt – kommen wir gegen Mittag in Hamburg an.

„Irgendwo hier am Bahnhof soll der Transportbus stehen, mit dem unsere Koffer an Bord gebracht werden“, gibt Dieter Auskunft und blickt sich suchend um.

„Ich sehe nichts. Ihr etwa?“

„Gib mir einen Schluck von dem köstlichen Roséwein“, fordert Barbara Burkhard auf, der sofort seine rote Thermoskanne zückt. Pfiffigerweise hat er den Wein nicht in Flaschen transportiert, sondern in diversen bunten Thermoskannen. Er glaubt, dass er auf diese Art und Weise unbehelligt durch die Kontrolle kommt.

„Aber gern.“ Burkhard strahlt. Er ist wirklich ein lieber, lustiger Geselle. Schade, dass nette Männer entweder zu alt oder schon vergeben sind.

„Da ist er!“, schreit Dieter plötzlich und rennt, sofern das sein Gewicht zulässt, auf einen blauen, kleinen Bus zu. „Los, Leute, beeilt euch.“

„Das wird ja nicht der letzte Bus sein.“

Ungerührt bleibt Barbara stehen und nimmt einen kräftigen Schluck, bevor sie die Thermoskanne an mich weiter reicht.

„Gleich sind wir besoffen“, gluckst sie. „Und dazu noch diese Mickymaus Ohren. Ich bin gespannt, ob sie uns überhaupt aufs Schiff lassen.“

„Natürlich lassen sie uns aufs Schiff“, ist Burkhard zuversichtlich. „Und meine Thermoskannen auch. Das wäre ja noch schöner.“

„Diesmal hast du es gut getroffen“, findet Barbara. „Bier und Wein zu den Mahlzeiten sind im Preis enthalten. Wahrscheinlich saufen alle wie die Löcher.“

„Ich saufe nicht wie ein Loch“, entgegnet Burkhard etwas ärgerlich.

„Ich genieße dann und wann ein gutes Glas Wein, das ist alles.“

„Das glaubt er wahrscheinlich auch noch selbst“, raunt Barbara mir zu und lacht.

Wir schreiten auf den Transportbus zu, auf dem mit großen Buchstaben der Name der Reederei steht, mit der wir in See stechen werden und händigen einem freundlichen Herrn unsere Koffer aus.

„Und wie kommen wir jetzt zum Hafen?“, erkundigt Dieter sich.

„Wir haben den Shuttle Bus gebucht“, füge ich hinzu.

„Der Shuttle Bus wartet gleich um die Ecke auf Sie“, antwortet der nette Herr. „Sie gehen einfach die Straße hier runter, dann über die Ampel dort, dann schräg nach rechts, danach die zweite Straße links, dann halten Sie sich rechts, dann noch mal über eine Ampel und schon sind Sie da.“

„Schon?“, echot Barbara. „Das hört sich nach einem Tagesausflug an.“

„Aber nein, Mickymaus.“

Der nette Mann berührt Barbaras Mickymausohren unzüchtig mit seinen Fingern und wackelt daran herum.

„Es sind höchstens fünf Minuten. Das schaffen Sie schon.“

„Das schaffen wir locker“, ist Burkhard überzeugt und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner grünen Thermoskanne.

„Wenn wir uns nicht verlaufen“, gebe ich zu bedenken. So ganz habe ich die Wegbeschreibung nämlich nicht verstanden bzw. sie schon wieder vergessen.

Doch tatsächlich, nach nicht einmal fünf Minuten sind wir an einer Bushaltestelle angelangt, an dem unser Shuttlebus steht.

„Herzlich willkommen“, strahlt uns eine wasserstoffblonde, grell geschminkte Frau in einer schicken schwarz-roten Uniform an und schüttelt uns forsch nacheinander die Hand.

„Das ist aber eine lustige Idee mit den Ohren“, freut sie sich. „Ich bin Marisa, eure Eventmanagerin. Schön, dass ihr hier seid. Verratet ihr mir eure Namen?“

Wir verraten Marisa unsere Namen und sie hakt diese auf einer Liste ab.

„Ihr könnt gern schon in den Bus einsteigen. Eure Koffer habt ihr sicher abgegeben, richtig?“

„Ja“, bestätigen wir im Chor.

„Koffer abgeben?“, echot jemand neben mir. „Wo soll ich meinen Koffer abgeben?“

Als ich mich umdrehe, erblicke ich ein junges Mädchen, das ganz in schwarz gekleidet ist und aussieht, als käme es direkt vom Heavy Metal Festival in Wacken. Alles an ihr ist schwarz, angefangen von den Haaren über ihre Klamotten bis hin zu den wuchtigen Ringen und den Fingernägeln. Hoffentlich ist ihre Seele nicht genauso schwarz, sonst wird das nichts mit dem lustigen Anti-Weihnachten.

Marisa lächelt das Mädchen an.

„Du hättest deinen Koffer direkt am Hauptbahnhof abgeben können. Hast du den kleinen Transporter nicht gesehen?“

Das Mädchen schüttelt den Kopf.

„Nö.“

„Das macht nichts.“

Marisas Lächeln scheint eingebrannt zu sein.

„Dann nimmst du deinen Koffer eben mit in den Bus. Das ist überhaupt kein Problem. Herzlich willkommen. Ich bin Marisa, eure Eventmanagerin. Schön, dass du hier bist. Verrätst du mir deinen Namen?“

Diese Sätze hat Marisa offenbar auswendig gelernt.

„Ich heiße Scarlett“, sagt das Mädchen.

Ich frage mich, ob sie tatsächlich so heißt oder ob das eine Art Künstlername ist.

„Was für ein schöner Name“, spricht Marisa meine Gedanken aus. „Und wie lautet dein Nachname?“

Scarlett seufzt abgrundtief.

„Meyer.“

Ich muss mir das Lachen verbeißen. Scarlett Meyer? Was haben sich ihre Eltern denn dabei gedacht?

„Ja, ich weiß“, sagt Scarlett. „Ich werde mir bald irgendjemanden suchen, der einen schönen Nachnamen hat und ihn bitten, mich zu heiraten. Danach lasse ich mich sofort wieder scheiden, aber den Namen behalte ich.“

Marisa verliert für einen Sekundenbruchteil ihr einstudiertes Lächeln, fängt sich aber erstaunlich schnell wieder.

„Das ist eine sehr gute Idee“, lobt sie das Mädchen mit dem schönen Vornamen und dem etwas einfallslosen Nachnamen.

„Geh bitte auf die andere Seite des Busses, dort kannst du Marek, unserem Busfahrer, deinen Koffer aushändigen.“

„Okay, mache ich“, ist Scarlett einverstanden.

Sie schleift den größten Koffer, den ich jemals gesehen habe – natürlich ist er pechschwarz – neben sich her und verschwindet hinter dem Bus.

Flüchtig schießt mir der Satz „Da sind doch nur Verrückte an Bord“ meiner Mutter durch den Kopf, doch ich scheuche ihn sofort wieder fort. Es ist doch nichts dabei, wenn jemand auf schwarze Klamotten steht und sich einen passenden Nachnamen wünscht. So what?

„Scarlett Meyer“, kichert Barbara neben mir. „Das ist echt die Krönung.“

„Ich b…. b…. bi…. bin Ambrosius Heiland“, stottert jemand hinter mir und ich wage es kaum, mich umzudrehen. Als ich es schließlich doch tue, sehe ich mich einem mindestens zwei Meter großen Hünen gegenüber, der aussieht, als käme er direkt von einer Bergbesteigung mit Luis Trenker. Er trägt ein weiß-rot-kariertes Hemd, eine dunkelblaue Hose aus den Fünfzigern, die nur bis zum Knie reicht und knallrote Wollstrümpfe. Auch Marisa verliert kurz die Fassung.

„Herzlich willkommen. Ich bin Marisa, eure Eventmanagerin. Schön, dass du hier bist. Verrätst du mir deinen Namen?“, leiert sie nämlich herunter, obwohl Ambrosius seinen Namen gerade laut und deutlich genannt hat.

„A…. A…. Am…“, versucht Ambrosius es ein zweites Mal, kommt aber nicht weiter.

„Ambrosius Heiland“, helfe ich ihm und der nächste Anwärter auf den skurrilsten Namen sieht mich dankbar an.

„Vom Winde verweht und der Heiland höchstpersönlich“, kichere ich Barbara ins Ohr und Barbara prustet los.

„Ihr könnt gern schon in den Bus einsteigen“, wiederholt Marisa.

Ich will ihren Vorschlag gerade befolgen, als mein Fuß stockt und gleichzeitig auch mein Atem.

Ich kann jetzt nicht einsteigen. Ich bin wie festgenagelt und bekomme Schnappatmung. Du lieber Himmel, habe ich gerade eine Erscheinung?

Kapitel 3

Mein Traummann ist soeben eingetroffen. Mit energischen Schritten kommt er auf uns zu. Er ist der umwerfendste und attraktivste Mann, den ich jemals in meinem Leben gesehen habe: dunkle, fast schwarze Haare, eine athletische Figur und ein unglaublich schönes, markantes Gesicht. Ich bin so hypnotisiert, dass ich mich gar nicht mehr bewegen kann. Auch Barbara sieht völlig entrückt aus. Ist das vielleicht einer der Reiseleiter? Ich werde mich sofort erkundigen, welche Touren er übernimmt und umgehend alle buchen.

„Hallo“, sagt der schönste Mann unter der Sonne. Seine smaragdgrünen Augen funkeln und ich erstarre gerade zur Salzsäule. Marisa ebenfalls. Sie bringt nicht mal mehr ein „Hallo“ heraus, von ihrer sonstigen Begrüßungsformel ganz zu schweigen.

Er kratzt sich am Kopf.

„Bin ich hier richtig für die Anti-Weihnachts-Kreuzfahrt? Ich habe gestern offenbar die letzte freie Kabine erwischt und freue mich riesig, dass ich mitfahren kann.“

Marisa starrt ihn noch immer wie betäubt an. Ich bin sowieso schon völlig benebelt. Er sieht nicht nur hammermäßig aus, sondern hat auch noch eine absolut irre, sexy Stimme.

Plötzlich wird mir klar, was seine Ansage bedeutet. Er ist auch ein Passagier! Er wird ebenfalls an dieser Kreuzfahrt teilnehmen! Ich habe fast zwei Wochen lang Zeit, ihn jeden Tag zu sehen und ihn vielleicht sogar kennenzulernen. Am liebsten würde ich in die Hände klatschen vor lauter Begeisterung.

Von wegen – an dieser Kreuzfahrt nehmen nur Verrückte teil! So einen Mann würde ich normalerweise nirgendwo kennenlernen, außer vielleicht im Fitnessstudio. Ich beglückwünsche mich mal wieder zu meiner Entscheidung, diese Schiffsreise gebucht zu haben.

„Ja“, antwortet Marisa verträumt. „Äh … Name?“

Ihr hat es offenbar komplett die Sprache verschlagen.

„Ich heiße Nicolas Sander“, sagt der schöne Mann und lächelt gewinnend.

Sein Lächeln haut mich um. Der ganze Mann haut mich um. Am liebsten würde ich auf ihn zuspringen und … Moment mal! Nicolas Sander? Das ist ja lustig. Es heißt genauso wie der oberste Boss der Firma, für die ich arbeite. Was für ein Zufall!

„Nicolas Sander“, haucht Marisa und blättert in ihrer Liste. „Nicolas Sander aus Berlin.“

Und dann kommt er auch noch aus Berlin! Das ist ja gleich noch ein Zufall. Also, Dinge gibt es, die gibt es eigentlich gar nicht.

Wir steigen endlich in den Bus ein und nehmen in der Mitte Platz.

„Was für ein Hammertyp“, findet Barbara und presst ihr Gesicht gegen die Fensterscheibe.

„Na, den würde ich auch nicht gerade von der Bettkante stoßen. Natürlich nur, wenn ich Steve nicht hätte.

---ENDE DER LESEPROBE---