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Eine schottische College Romance, herzzerreißend und wild Sorina und Leathan Sorina studiert in Glasgow Zoologie und möchte sich eigentlich ausschließlich auf die Uni konzentrieren. Besonders, da sie mit einem gebrochenen Herzen und einer Angststörung zu kämpfen hat. Als sie den charismatischen Leathan kennenlernt, bekommt sie ihn nicht mehr aus dem Kopf. Doch dann lässt er sie bei ihrem ersten Date sitzen und Sorinas Selbstzweifel rauben ihr die Hoffnung auf einen Neuanfang. Bis sie erfährt, dass sie nicht die Einzige ist, die eine Last mit sich trägt … Leathan studiert auf Wunsch seines Vaters Business Management und soll die Whisky-Destillerie der Familie übernehmen. Dabei brennt er eigentlich für Musik, Schauspielerei und Tiere. Doch als er bei einer Nachtschicht in der Bibliothek der tätowierten Sorina begegnet, erinnert sie ihn daran, dass er eigentlich etwas ganz anderes möchte … Für alle, die von sehnsuchtsvoller New Adult mitgerissen werden wollen.
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Seitenzahl: 577
You make me fly
Murphy Malone (26) lebt dafür, die Welt zu erkunden und ihre Lebenserfahrungen in Geschichten festzuhalten. Ihr Debüt »Wie Nebel im Sonnenlicht« basiert auf ihren Erlebnissen in Glasgow, wo sie vier Jahre an der Glasgow University Psychologie studiert hat und selbst Mitglied von zoologischen Forschungsexpeditionen nach Trinidad und Island war. Nun macht sie ihren PhD am King’s College London an, wo sie Intergruppenkonflikte mit Hilfe von Virtual Reality erforscht. Außerdem ist Murphy als Sensitvity Readerin tätig. In ihrer Freizeit macht sie Fotos und ist als Aktivistin laut. Dabei setzt sie sich vor allem für Mental Health Themen und queere Repräsentation ein.
Sorina studiert in Glasgow Zoologie und möchte sich eigentlich ausschließlich auf die Uni konzentrieren. Besonders, da sie mit einem gebrochenen Herzen und einer Angststörung zu kämpfen hat. Als sie den charismatischen Leathan kennenlernt, bekommt sie ihn nicht mehr aus dem Kopf. Doch dann lässt er sie bei ihrem ersten Date sitzen und Sorinas Selbstzweifel rauben ihr die Hoffnung auf einen Neuanfang. Bis sie erfährt, dass sie nicht die Einzige ist, die eine Last mit sich trägt …
Leathan studiert auf Wunsch seines Vaters Business Management und soll die Whisky-Destillerie der Familie übernehmen. Dabei brennt er eigentlich für Musik, Schauspielerei und Tiere. Doch als er bei einer Nachtschicht in der Bibliothek der tätowierten Sorina begegnet, erinnert sie ihn daran, dass er eigentlich etwas ganz anderes möchte …
Murphy Malone
Scottish Lovebirds
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Januar 2022 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-663-7
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Playlist
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Epilog
Kapitelweise Triggerwarnungen
Danksagung
Leseprobe: Hook me up
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Playlist
Make me a bird – Elektrik People Gay Gordons – Jim MacLeod & His BandUnder the Milky Way – The ChurchThe Bad Touch – Bloodhound GangPass this on – The KnifeEnough - SONOIORich Kids – FLØRE, NovaaGallowdance – Lebanon HanoverOcean Death - BathsI’m That Guy – Agar AgarTears for Animals – CocoRosieDrifted – The Shoes, SageJulia (Deep Diving) – Fred again…Dressed to Suppress – MetricWhen I was Done Dying – Dan DeaconNo Place for Lovers - AstronautDangerous Game – Lucy, Jekyll from Jekyll & Hyde
Angststörung, Panikattacken, Versagensängste, Thematisierung von Armut, Finanzielle Probleme, Alkoholkonsum, Drogenkonsum, Thematisierung von Rassismus, Alltagssexismus, Sexuelle Belästigung, Vergewaltigung/Thematisierung von Vergewaltigung, Dysfunktionale/Toxische Elternbeziehungen, Tiere, Tod eines Haustiers, Sex, Sexspielzeuge, Bondage, Gescheiteter Suizidversuch, Thematisierung von Suizidgedanken, Trauma, Thematisierung von Transfeindlichkeit, Andeutung von Body Dysphoria
Am Ende ist eine detaillierte Auflistung der einzelnen Kapitel und der dazugehörigen Triggerwarnungen.
Jedes kleinste Geräusch dröhnte in meinem Kopf, als hätte jemand die Sensibilität meiner Empfindungen auf unerträglich gestellt. Beim Krachen des Energydrinks, der vor mir aus dem Automaten fiel, zuckte ich zusammen. Mit zitternden Fingern öffnete ich die mittlerweile vierte Dose und leerte sie in einem Zug.
Es kam mir vollkommen surreal vor, um vier Uhr morgens noch andere Studierende in der Bibliothek zu sehen. Offensichtlich war ich nicht die Einzige, die gezwungen war, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Hinter mir schliefen ein paar junge Frauen auf den unbequemen Sofas direkt unter dem No Camping-Poster, während ich selbst bis zu den Automaten die Diskussion von einigen Menschen hörte, die sich über physikalische Gleichungen stritten.
Nur noch acht Stunden bis zur Abgabe.
Dabei war ich noch nicht einmal bei der Hälfte der nötigen Worte angekommen. Irgendwann während des letzten Jahres hatte ich die fürchterliche Angewohnheit entwickelt, erst am Vorabend der Abgabe mit dem eigentlichen Schreiben zu beginnen. Nicht, weil ich mich vorher nicht mit den Themen auseinandergesetzt hatte, nein. Sondern weil ich mich meist nicht von den verschiedenen Artikeln losreißen konnte und immer das Gefühl hatte, nicht genug Material zu haben, obwohl meine Referenzliste schon über fünfzig Zitationen enthielt.
Nie genug. Nicht gut genug.
Auch wenn ich alles gab, hatte ich das Gefühl zu versagen.
Erst mit genug Druck, erst in dem Moment, in dem mein panisches Herzrasen so laut wurde, dass es alle zweifelnden Gedanken übertönte, schaffte ich es, eine Gliederung zu Papier zu bringen und an meiner Hausarbeit zu schreiben.
Müde und laut gähnend schleifte ich mich zurück an meinen Platz in der hinteren Ecke des dritten Stockwerks, wo ich bis auf einen jungen Mann allein war.
Ich setzte wieder meine Kopfhörer auf und richtete den Blick auf den Monitor vor mir. In einem Delirium aus Müdigkeit und Koffein, bei dem sich ein seltsamer Nebel aus Konzentriertheit und wirren Worten um mich legte, versuchte ich voranzukommen. In einem Zustand, in dem es nur die Lo-Fi-Musik, meine Deadline und sechzig Seiten Notizen für mich gab.
Die Zeit tröpfelte zäh vor sich hin, und dennoch hatte ich das Gefühl, als würde sie mir davonrennen.
Um fünf Uhr dreißig wurde mir irgendwann so schwindelig, dass ich die Kopfhörer abnahm und mich dazu zwang, ruhig auf dem Stuhl zu sitzen und mehrfach tief durchzuatmen. Meine Therapeutin hatte mir eine Übung beigebracht, die mir in genau solchen Situationen helfen sollte, mich nicht komplett zu verlieren.
Ich fokussierte mich auf fünf Dinge, die ich sehen konnte. Beobachtete die Spiegelung der leeren Sitze im großen Fenster der Bibliothek, sah zu den Büchern hinter mir, nahm den Wasserspender und die Toilettentüren wahr und die feuerroten Haare des jungen Mannes, der immer noch über seine Notizen gebeugt dasaß und etwas dazuschrieb. Als Nächstes folgte das, was ich hörte.
Vier Geräusche.
Das Echo der Diskussion über Physik, das leise Surren meines Computers, der Wasserspender, an dem sich gerade eine Studierende einschenkte, und das Kratzen des Kugelschreibers des Rothaarigen an meinem Tisch.
Drei Empfindungen.
Meine Hände waren eiskalt und feucht vor Nervosität und trotz der Übung hämmerte mein Herz immer noch hart in meinem Brustkorb, als wollte es fliehen und sich irgendwo in einer Ecke verkriechen, um sich vor einem Raubtier zu schützen. Die Empfindung war so stark, das Gefühl von Panik in meiner Brust so beklemmend, dass ich nur noch daran denken konnte, wie viel ich noch zu schreiben hatte.
Statt weiterzumachen, setzte ich also wieder meine Kopfhörer auf, drehte die Lautstärke meiner Playlist hoch und widmete mich wieder der Hausarbeit.
Nur noch sechs Stunden.
So langsam begann die Bibliothek sich wieder zu füllen. Es war fast amüsant, mit anzusehen, wie sich ein paar Studierende um die beliebten Nischen mit den roten Bänken ein Wettrennen lieferten.
Mittlerweile verschwammen die Worte auf dem Bildschirm, und ich dachte ernsthaft darüber nach, mir noch einen fünften Energydrink zu holen, obwohl ich wusste, was für eine beschissene Idee das war.
Als ich plötzlich eine Berührung an der Schulter spürte, fuhr ich so heftig zurück, dass mein Drehstuhl gegen die Glaswand der Bücherabteilung hinter mir stieß und mir die Kopfhörer in den Schoß fielen. Verwirrt und desorientiert sah ich nach rechts, wo der rothaarige Kerl stand.
»Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er abwehrend und vergrub eine Hand in seinem zotteligen Haar.
Ich brauchte ein paar Momente, um mir über die von Müdigkeit verklebten Augen zu wischen, wobei ich mehrfach tief ein- und ausatmete, damit ich mich von dem Schock erholen und ihn richtig ansehen konnte.
Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war vollkommen absurd: Mit den roten Haaren, den vielen Sommersprossen und dem dichten Bart musste ich sofort an ein schottisches Highland-Kälbchen denken.
Meine Hausarbeit hat mir eindeutig den Verstand vernebelt.
»Schon okay«, presste ich hervor und gab mir Mühe, eine gelassene Sitzposition einzunehmen, indem ich ein Bein über das andere schlug. Das Letzte, was ich wollte, war, ihm meine Selbstzweifel zu offenbaren, obwohl ich mir fast sicher war, dass ich sie ausstrahlte, als wäre ich radioaktiver Abfall.
»Was gibt’s?«, erkundigte ich mich verwirrt und dachte fieberhaft darüber nach, ob wir uns schon einmal begegnet waren. Doch selbst in meinem Zustand ängstlicher Müdigkeit hätte ich mich sicher an jemanden wie ihn erinnert.
»Als ich eben kurz unten war, habe ich im Eingangsbereich eine Packung Shortbread gefunden mit der Notiz ›Bedient euch‹. Ich sehe dich schon die ganze Nacht hier arbeiten und dachte, du könntest vielleicht auch einen kleinen Zuckerschock vertragen.« Ein schelmisches Grinsen spielte um seine Lippen, und ich bemerkte den starken schottischen Akzent in seinem Englisch.
Erst jetzt ließ ich meinen Blick von seinem Gesicht zu den buttrigen Keksen wandern, wobei ich spürte, wie meine aufgesetzte Selbstsicherheit zerfloss. Während ich hier in einem viel zu großen, flauschigen University of Glasgow-Pullover kauerte, trug er ein weißes Hemd mit grauer Weste und grünem Sakko.
Er sah für diese Zeit des Tages verboten gut aus, doch seine Augenringe zeigten, dass auch er eher ins Bett gehörte als in eine Bibliothek.
»Das ist echt nett von dir«, murmelte ich dankbar und streckte eine Hand nach dem Shortbread aus. Ich nahm mir drei Stücke heraus und versuchte mich an einem Lächeln.
»Was hält dich so lange noch hier?«, erkundigte ich mich.
»Ich muss um zwölf Uhr mittags eine Hausarbeit abgeben. Aber ich weiß jetzt schon, dass ich keine gute Note dafür bekommen werde. Ich versuche zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Und du?«
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus, während er so leichtfertig darüber sprach, eine schlechte Note zu bekommen. Selbst in meinem Delirium hoffte ich immer noch darauf, mindestens ein schlechtes A zu bekommen.
»Auch Hausarbeit um zwölf. Ich denke, wir werden also noch ein paar Stunden hier festsitzen.« Ein atemloses Lachen entfuhr mir. Ich versuchte meine schweißnassen Hände an meiner Leggins abzuwischen, damit ich die Angst vielleicht abschütteln konnte. Vergeblich.
Noch ein paar Stunden. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich freute, dass es bald vorbei war, oder ob es mich nur noch mehr stresste.
Der Schotte machte eine aufmunternde Geste, wobei er beide Daumen nach oben streckte. Seine Pose brachte mich zum ersten Mal seit Stunden zum Schmunzeln.
»Du schaffst das! Ich bin genau hier drüben und feuere dich bis zum Schluss an.«
Er bewegte sich langsam zurück, schob sich ein Stück Shortbread in den Mund, wobei er mich weiterhin ansah. Bevor er sich setzte, signalisierte er mir mit den Fingern, dass er mich im Auge behielt.
Ich konnte nicht umhin zu kichern, als ich meine Kopfhörer wieder aufsetzte. Mein Magen fühlte sich nicht mehr so verkrampft an. Der Zucker der Shortbreads half tatsächlich, mich ein wenig wacher zu machen, und es tat gut, noch etwas anderes außer Energydrinks im Bauch zu haben.
Außerdem fühlte ich mich plötzlich nicht mehr allein in der Bibliothek. Der Fremde und ich lieferten uns mit unseren Hausarbeiten einen Wettlauf gegen die Zeit. Doch seine bloße Anwesenheit gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Selbst wenn ich fallen, wenn mich eine Panikattacke vom Stuhl zwingen würde, wusste ich, jemand wäre da, um mich aufzufangen.
Denn der Schotte und ich sahen ständig zueinander auf. Jedes Mal, wenn unsere Blicke sich trafen, zwinkerte er oder reckte einen Daumen hoch, und ich spürte ein Lächeln über meine Lippen huschen.
Es wurde zu einem kleinen Spiel, das mir half, wach zu bleiben. Nachdem wir alle Gesten mehrfach ausgetauscht hatten, schnitten wir irgendwann Grimassen, die bis Sonnenaufgang nur dämlicher wurden.
»Ich muss wirklich dringend schlafen«, dachte ich, als ich mit beiden Händen eine Schildkröte imitierte, die den Fremden so laut zum Lachen brachte, dass man ihn sicher bis vor die Glasgow University Library hörte.
Um zehn Uhr hatte sich die Etage der Bibliothek so weit gefüllt, dass der Unbekannte und ich uns mit den Gesten zurückhalten mussten, um die anderen Studierenden nicht zu stören.
Immerhin spürte ich, wie ich langsam ein bisschen zur Ruhe kam. Es war fast geschafft. Das Unmögliche hatte einen Hauch von Möglichkeit erhalten. Ich war gerade dabei, die Zusammenfassung meiner Hausarbeit zu schreiben, und holte mein Handy heraus, um Medea eine Nachricht zu schicken.
»Hey, meine Liebe. Ich bin endlich fast fertig. Ich weiß, es ist superknapp, aber hast du noch Zeit, mal auf Rechtschreibfehler drüberzulesen und mir zu sagen, ob das, was ich geschrieben habe, irgendeinen Sinn ergibt?«
Ich zerbrach mir gerade über den letzten Satz der Hausarbeit den Kopf, als mein Handy vibrierte und ich Medea am liebsten abgeknutscht hätte. Egal, wie gut meine Noten waren, egal, wie oft sie mir versicherte, dass das, was ich zu Papier brachte, erstklassig war, konnte ich es selbst nie sehen, geschweige denn glauben. Ohne die Bestätigung meiner besten Freundin ging ich davon aus, komplett versagt zu haben.
»ach. du auch mal fertig? =P klar. gibs mir. die arbeit ist bestimmt supi. xx«
»Du bist die Beste! Ich schicke sie dir direkt rüber.«
Kaum hatte ich den letzten Satz geschrieben und Medea das Dokument zugesendet, ließ ich mich in dem Bürostuhl nach hinten fallen und seufzte, wobei der Laut in ein ausgiebiges Gähnen überging. Der Marathon neigte sich endlich dem Ende zu.
Meine Glieder schmerzten vor Erschöpfung, und ich spürte, wie der Schwindel einem penetranten Stechen in meinem Kopf wich. Schwerfällig erhob ich mich von meinem Sitz und ging zu den Toiletten, wo ich mir Wasser ins bleiche Gesicht spritzte. Die strähnigen blauen Haare, die platt und verknotet von meinem Kopf hingen, halfen wirklich nicht dabei, mich gesünder aussehen zu lassen. Mittlerweile wirkte ich mehr wie ein Zombie als wie ein Mensch.
Ich verließ das Bad, und mein Blick fiel auf meine nächtliche Unterstützung. Das Highland-Kälbchen war gerade dabei, seine Flasche am Wasserspender aufzufüllen, wobei ich das Gefühl nicht loswurde, dass es kein Zufall war, ihn ausgerechnet hier zu treffen. Ich hielt kurz inne und beobachtete, wie er einen großen Schluck Wasser trank. Nun, da wir beide standen, bemerkte ich, dass er über einen Kopf größer war als ich.
»Wie läuft’s?«, fragte er fast schon beiläufig.
»Ich bin fast fertig. Meine beste Freundin liest noch mal drüber, und dann kann ich hoffentlich bald abgeben.«
»Das klingt super! Hat das Shortbread geholfen? Ich habe es extra für dich verzaubert, damit du den Rest der Nacht gut überstehst.« Er sagte das mit so einer Überzeugung, dass ich es ihm in meiner Müdigkeit glatt abgekauft hätte. Vielleicht war er ja sogar ein Zauberer – hier in Schottland konnte man sich nie so sicher sein, denn das ganze Land war förmlich von einer unbeschreiblich schönen, ganz eigenen Energie durchzogen.
»Sehr. Ich habe die Magie in meinem ganzen Körper gespürt.«
Und tatsächlich war sogar etwas Wahres dran. Seine bloße Gegenwart hatte mir geholfen, tiefer durchatmen zu können und mich nicht in meiner Panik zu verlieren. Da war außerdem dieses warme Kribbeln in meinem Bauch, das ein wenig gegen die Kälte in meinen Gliedern half.
Er lachte, und ich erkannte die tiefen Grübchen über seinem Bart.
»Was studierst du eigentlich?«, wollte er wissen und nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche.
»Zoologie. Ich muss eine Arbeit über die Tiere der schottischen Highlands und ihre Nützlichkeit abgeben. Wusstest du, dass Highland-Rinder umweltfreundlicher sind als alle anderen Rinderarten hier in Schottland?«
Ich hätte mir am liebsten gegen den Kopf geschlagen. Wieso musste ich ausgerechnet jetzt mit seltsamen Fakten um mich werfen?
Mein Gegenüber schien jedoch ehrlich amüsiert. »Nein, das wusste ich tatsächlich nicht. Da lebt man schon sein ganzes Leben hier und kann trotzdem noch überrascht werden. Das ist definitiv eine Info, die ich mir für die nächste Party merken werde.«
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das ernst meinte. Das Bild von ihm bei einer Party, wie er anderen von Highland-Rindern erzählte, wollte einfach nicht in meinen Kopf passen. Das tat kaum ein Mensch außer solchen Zoologie-Nerds wie mir.
»Jetzt machst du dich über mich lustig«, versuchte ich selbstbewusst zu sagen, aber der Gedanke setzte sich tief in meinem Körper fest und ließ die Wärme der letzten Stunden wieder einem Eisblock weichen. Sowieso hatte ich mich bestimmt schon mehrfach mit meinen komischen Gesten und den ungewaschenen Haaren vor ihm und seinem schicken Sakko blamiert.
Was tat ich hier eigentlich? Mir blieb keine Zeit für irgendwelchen belanglosen Small Talk. Ich sollte nachsehen, ob Medea mir geschrieben hatte, und die Hausarbeit endlich hinter mich bringen. Außerdem brauchte ich dringend Schlaf und Ruhe. Der Drang, wegzulaufen, wurde fast unerträglich. Ich hatte mich zu sehr in falscher Sicherheit gewiegt, denn ich war noch nicht am Ziel angekommen.
»Ganz und gar nicht. Ich habe eine Schwäche für Tiere.«
Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte den Blick ab, ohne auf seine letzte Aussage einzugehen. Das sanfte Gefühl der Ruhe, das er mir geschenkt hatte, war verflogen.
»Ich versuche mal, meine Arbeit fertig zu bekommen. Bis später vielleicht. Und danke noch mal für das magische Shortbread.«
»Okay, viel Erfolg! Bald ist es geschafft«, hörte ich ihn noch sagen, während ich mich wieder zu meinem Platz schleifte und mein Postfach überprüfte. Bisher hatte Medea noch nicht geantwortet, aber davon war ich auch nicht ausgegangen. Stattdessen setzte ich mich selbst noch mal mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge vor mein Dokument und las zum ersten Mal meinen eigenen Text.
Wie jedes Mal überkam mich ein komischer Zustand der Dissoziation. Nichts von dem, was ich da las, klang nach etwas, das ich tatsächlich geschrieben haben sollte.
Dementsprechend war ich mehr als nur überrascht, dass der Text überhaupt Sinn ergab und er sogar einen relativ guten Argumentationsfluss hatte. Nachdem ich ihn zweimal flüchtig durchgegangen war, ein paar Sätze umgestellt und innerlich allen Göttern da draußen gedankt hatte, dass die Hausarbeit nicht der größte Müll zu sein schien, vibrierte mein Handy.
»wow. keine ahnung, wie du das immer in so kurzer Zeit hinbekommst, Sorina. aber der text ist richtig, richtig gut. ich hab nur ein paar anmerkungen gemacht. sehen wir uns später?«
Obwohl mir mein Handy die Worte anzeigte und mein Verstand sie registrierte, konnten sie mir die Zweifel trotzdem nicht nehmen. Ich wusste, wie irrational meine Versagensängste waren, doch das machte sie kein Stück leichter. Ich musste einfach meiner besten Freundin vertrauen, die mich bisher durch jede Abgabe gebracht hatte.
»Danke, Medea! Du bist die Allerbeste! Ich muss dringend schlafen, aber wir können uns ja vor dem Graham-Kerr-Gebäude treffen, um zusammen abzugeben?«
»auf jeden fall. bis dann. xx«
Medeas Anmerkungen waren pures Gold wert. Sie hatte einige Rechtschreibfehler gefunden, die mir entgangen waren, und einige hilfreiche Kommentare geschrieben, die ich einarbeitete. Mittlerweile war es schon Viertel nach elf, und ich hatte nur noch eine Dreiviertelstunde, um zu drucken und zum Zoologie-Gebäude zu laufen.
Vor den Druckern hatten sich mittlerweile unglaublich lange Schlangen gebildet. Ich biss mir auf die Unterlippe. Warum gab es so viele Studierende, die alles auf den letzten Drücker machen mussten?
Sehr lustig, Sorina. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Mit meiner University-of-Glasgow-Karte bewaffnet versuchte ich den Drucker zu finden, bei dem die wenigsten anstanden. Aber es war unmöglich. An allen drei Geräten auf der dritten Etage waren mindestens fünfzehn Studierende, und ich hörte einen darüber fluchen, dass die Patrone leer war, sodass alle anderen aufstöhnten und sich bei den anderen Druckern verteilten.
Ich spürte, wie meine Beine sich in Pudding verwandelten und mein Atem sich wieder ungesund beschleunigte. Der Schwindel gewann fast die Oberhand, und ich musste mich an den Wasserspender lehnen, weil ich fürchtete, sonst umzukippen. Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war eine Panikattacke mitten in der Bibliothek. Wenn ich jetzt zusammenbrechen würde, konnte ich die Abgabe garantiert vergessen. Meine Augen brannten, als sie sich mit Tränen füllten, und ich sah mich hektisch um, um herauszufinden, was ich jetzt machen sollte. Mein Blick fiel wieder auf den Schotten, und ich drehte mich von ihm weg. Er sollte mich nicht weinen sehen. Ich wollte ihm nicht meine Schwäche zeigen, nicht meine ungesunden Gedanken mit ihm teilen.
»Hey. Ich muss auch zum Drucker. Komm mit, ich weiß, wo wir hinkönnen«, hörte ich seine Stimme plötzlich neben mir. Hastig wischte ich mir mit dem Ärmel meines Pullovers über das Gesicht und zwang mich zu einem Lächeln. Das Einzige, was ich zustande brachte, war ein Nicken, ehe er mich sanft am Arm berührte und zu den Aufzügen führte.
»Ich habe mir die Postgraduate-Studierendenkarte von einem Freund ausgeliehen. Im Masterraum sind die Schlangen nicht so lang.«
»Danke«, presste ich hervor, als wir gemeinsam den Fahrstuhl betraten und ich mich zum Durchatmen zwang. Es dauerte einige Momente, bis ich nicht mehr das Gefühl hatte, der Boden würde unter mir wegbrechen.
Konzentrier dich. Versuch, dich auf etwas anderes zu fokussieren.
Mein Blick wanderte wieder über den Fremden, und für den Bruchteil einer Sekunde stellte ich mir vor, wie schön seine mitellangen roten Haare, die er in einem kurzen Pferdeschwanz trug, wohl im Sonnenlicht aussehen würden, wenn er irgendwo draußen in den Highlands war und das satte Grün der Wiesen einen Kontrast dazu bildete.
»Darf ich fragen, wie du eigentlich heißt?«, erkundigte ich mich, damit mein Gehirn es sich nicht zur Gewohnheit machen würde, ihn permanent als Kälbchen zu bezeichnen. Wobei die Wahrscheinlichkeit, ihn nach dieser Nacht wiederzusehen, ohnehin beinahe null war.
»Aye. Leathan MacKenzie.«
»Ich bin Sorina. Ehm. Sorina Ciobanu, wenn wir schon bei Nachnamen sind.«
»Was höre ich da eigentlich für einen Akzent? Irgendwas Osteuropäisches, oder?«
Ich hasste nichts mehr, als wenn andere mich auf meinen Akzent ansprachen. Seit ich angefangen hatte, in Glasgow zu studieren, hatte ich mir unzählige Videos angeschaut, um britischer zu klingen, aber anscheinend war ich nicht gut darin, meine Herkunft zu verstecken. Es gab Gründe, warum ich von dort weggelaufen war. Warum ich am liebsten für immer vergessen wollte, wo ich einst aufgewachsen war. Aber mein Akzent würde mich daran erinnern, bis ich ihn unter Kontrolle hatte.
»Rumänien«, sagte ich also nur knapp.
»Ah. Das Land von Graf Dracula.«
Es gab kaum Worte dafür, wie leid ich die Vampiranspielungen mittlerweile war.
»Ja genau, das Land von Bram Stokers Reiseführer«, erwiderte ich leicht genervt, was Leathan allerdings nur zu belustigen schien.
»Was du sagst, ist übrigens falsch«, fügte ich also noch hinzu. »Vlad der Dritte, auf dem Dracula basiert, war gar kein Graf, sondern ein Prinz. Und den Namen Dracula gab er sich nur, weil er und sein Vater Teil des Ordens der Drachen waren. Dragul bedeutet Drache und Dracula Sohn der Drachen. Hier. Jetzt hast du noch etwas, mit dem du auf Partys angeben kannst.«
»Ich würde dich gerne mal auf eine Party mitnehmen. Es hat sehr viel mehr Stil, wenn du die Fakten erzählst.«
Fragte er mich gerade, ob ich mit ihm ausgehen wollte? Oder war er wirklich nur freundschaftlich daran interessiert, mich kennenzulernen?
Mein Blick huschte kurz zu meinem Spiegelbild, das einem Vampir alle Ehre gemacht hätte. Nein, er wollte garantiert nicht mit mir ausgehen.
»Tut mir leid, ich finde nur sehr selten die Zeit für Partys. Ich habe neben dem Studium und meinen anderen Verpflichtungen quasi kein Leben«, versuchte ich mich rauszureden.
»Oh, kein Problem. Ich wollte dich auch zu nichts drängen. Ich dachte nur, es wäre bestimmt cool, dich dabeizuhaben. Ich kenne nicht viele Zoologen und genieße es, Fakten aus anderen Ländern und Fächern zu hören.«
Er wirkte ehrlich interessiert, und ich fühlte mich ein wenig schuldig, ihn so schnell abgewimmelt zu haben, aber im Moment hatte ich wirklich dringendere Probleme. Ich war froh, als der Fahrstuhl endlich hielt und wir gemeinsam in den Masterraum gingen, wo ich meine Hausarbeit drucken konnte.
Mit meiner fertigen Arbeit in den Händen, fühlte ich mich entspannter, und eine riesige Last fiel von meinen Schultern.
»Ich habe dir gesagt, wir schaffen das!«, rief Leathan freudig, kaum dass wir wieder im Flur standen. Er hob einladend die flache Hand, und ich schlug grinsend ein.
»Danke noch mal für deine Hilfe«, sagte ich und meinte es so.
»Immer wieder gerne«, lachte er und verbeugte sich theatralisch. »Ich bin froh, einer Lady zur Seite stehen zu können.«
Ich schüttelte den Kopf und verdrehte spielerisch die Augen. Auch wenn meine Nerven gespannt waren wie ein Bogen vor dem Abschuss, war ich doch froh über die Gesellschaft, die mir Leathan in den letzten Stunden geleistet hatte. Ohne ihn wäre ich vielleicht wirklich auf einer der Toiletten oder in der hintersten Ecke der Bibliothek zusammengebrochen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen.
Wir liefen gemeinsam die Treppen hinunter und betraten wieder die dritte Etage, wo immer noch zahlreiche Studierende an den Druckern warteten. Die Nervosität unter ihnen war deutlich zu spüren, und ich war heilfroh, nicht dort in der Reihe zu stehen. Jetzt noch zu warten, wäre zu viel für mein panisches Herz gewesen.
»Wo musst du hin?«, fragte er, während er an seinem Platz die wirren Notizzettel zusammenpackte, die noch vor dem Computer lagen.
»Graham Kerr. Das ist die Straße runter.«
»Super. Das liegt auf dem Weg. Ich begleite dich noch nach draußen.«
Ich bemerkte, dass das keine Frage war, nahm es aber einfach hin. Kurz nachdem ich meine Sachen gepackt und meinen Mantel angezogen hatte, liefen wir gemeinsam aus der Bibliothek heraus.
Die Herbstluft war kalt, aber erfrischend, und während ich sie tief in meine Lungen sog, sickerte mein Erfolg endlich zu mir durch. Ich konnte nicht an mich halten und stieß einen Freudenschrei aus. Zu meiner großen Überraschung warf Leathan ebenfalls den Kopf in den Nacken und schrie enthusiastisch: »Freiheit!«
»Freiheit!«, wiederholte ich, und plötzlich überkam mich ein Lachanfall, in dem sich all die Spannung löste, die sich die letzten zwei Wochen angesammelt hatte. Die Sonne kitzelte auf meinem Gesicht, und nach so vielen Stunden der Panik fühlte sich das Leben endlich wieder in Ordnung an.
»Ich kann es kaum erwarten, ins Bett zu fallen. Das war ein neuer Rekord für mich. Fünfundzwanzig Stunden in der Bibliothek sind wirklich nicht gesund.«
Leathan drehte sich abrupt zu mir um.
»Fünfundzwanzig? Du sitzt seit über einem Tag in diesem Ding?« Er gestikulierte zu dem hohen Gebäude hinter uns.
»Jap.«
»Du bist doch verrückt.«
»Das nehme ich mal als Kompliment. Wo musst du eigentlich hin? Was studiert du?«
Wieder umspielte ein Grinsen seine Lippen.
»Rate mal.«
»Oh nein, ich bin fürchterlich schlecht in so was.«
»Versuch es trotzdem.«
Erst als ich ihn erneut musterte, fragte ich mich, ob er mich nur raten ließ, damit ich ihn noch mal genauer ansah. Im Gegensatz zu mir trug er keine Jacke, sondern stand lässig mit seiner Weste und der dunklen Hose vor mir. Mein erster Gedanke war Geschichte, durch den eleganten Stil seiner Kleidung, vor allem mit dem Lederbeutel, den er als Tasche benutze, aber irgendwie wollte das nicht so ganz passen.
Seine Schultern waren breit, und unter dem Sakko zeichneten sich Muskeln ab, was wahrscheinlich bedeutete, dass er in irgendeinem Sportclub war, aber das half mir nicht weiter.
Auch wenn er sich Mühe gab, ein wenig außergewöhnlicher auszusehen, konnte das genauso gut bedeuten, dass er etwas Superlangweiliges studierte.
»Business Management«, war also mein erster Vorschlag.
Leathan schob anerkennend die Unterlippe nach vorne. »Nicht schlecht. Und was ist mein zweites Fach?«
Noch bevor ich weiterraten konnte, spürte ich mein Handy in der Manteltasche vibrieren.
»Sorry, das ist wichtig«, sagte ich und nahm ab. »Hey, Medea.«
»Sorina, wo bist du? Wir haben nur noch zehn Minuten bis zur Abgabe. Ich stehe schon unten. Alles okay bei dir?«
»Oh verdammt! Ja. Ich komme. Bin in zwei Minuten da.«
Hektisch drehte ich mich zu Leathan um.
»Ich glaube, ich muss rennen. Danke noch mal. Vielleicht sieht man sich«, sagte ich und begann loszulaufen.
»Meine Band spielt heute Abend einen Ceilidh in der Queen Margaret Union! Du solltest kommen!«, hörte ich ihn noch rufen, aber für mich gab es nur noch ein Ziel, nur eine Sache, die wichtig war: Endlich diese Hausarbeit einreichen, mit der ich mich so lange herumgeplagt hatte.
Ohne zurückzusehen, hastete ich also den Library Hill hinunter und wich anderen Studierenden aus, bis ich atemlos am Zoologie-Gebäude ankam und Medea in die Arme fiel.
Die Bäume des Kelvingrove Parks leuchteten in goldorangen Tönen. Zu seiner Linken erhob sich das majestätische Gebäude der University of Glasgow über den Wipfeln wie ein magisches Schloss.
Obwohl Leathan nun schon seit drei Jahren in Glasgow lebte, konnte er immer noch nicht glauben, dass er es tatsächlich an eine der besten Universitäten Schottlands geschafft hatte, um dort Business Management und Theaterwissenschaften zu studieren.
Eigentlich verdienst du es überhaupt nicht, dachte er bitter, aber er wollte sich den Abend nicht von trüben Gedanken ruinieren lassen. Mit seiner Fiedel auf dem Rücken schlenderte er über die steinerne Brücke, unter der der River Kelvin plätscherte. Im Licht der untergehenden Sonne glitzerte seine Oberfläche, und Leathan musste lächeln. Der Anblick erinnerte ihn an die Highlands, seine Heimat.
Er konnte es kaum erwarten, wieder in den Norden zu fahren, auch wenn das bedeutete, dass er seine Eltern wiedersehen musste. Vielleicht würden sie ja endlich einsehen, wie sehr er Business Management hasste, wenn er durch die letzte Hausarbeit fiel.
Wobei er sich nicht mal sicher war, ob er es tatsächlich verkackt hatte. Im Endeffekt hatte er viel länger an der Ausarbeitung des Finanzplans gearbeitet, als es ihm lieb gewesen wäre. Aber aus irgendeinem Grund hatte er die blauhaarige Rumänin nicht allein lassen können. Immerhin hatten das Shortbread und seine Grimassen sie zum Lachen gebracht, und das war es ihm wert gewesen.
Er hatte noch nie jemanden so fokussiert und lange arbeiten sehen. Auf der einen Seite wünschte er sich, er hätte selbst mehr Disziplin, auf der anderen Seite hatte sie gewirkt, als würde sie jeden Moment von ihrem Stuhl fallen.
Leathan hoffte, dass sie seine Einladung zu dem Ceilidh noch mitbekommen hatte. Für ihn gab es keine bessere Medizin als bei einem Ceilidh zu tanzen und die Welt für die Dauer der Tänze zu vergessen.
Als er das Gebäude der Queen-Margaret-Studentenvereinigung erreichte, sah er bereits zwei seiner Bandmitglieder draußen stehen und rauchen.
»Einen wundervollen Nachmittag«, wünschte er ihnen und umarmte erst Niamh, dann Duncan.
»Hat dein Nickerchen gutgetan?«, wollte Niamh gleich wissen und grinste ihn zwischen zwei Zügen ihrer Zigarette an.
»Aye, sehr. Nach der Nacht bin ich froh, überhaupt noch aus dem Bett gekommen zu sein, aber ich konnte euch ja schlecht im Stich lassen.«
»Das ist unser Leathan«, sagte Duncan stolz und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er die Zigarette ausdrückte und in den Mülleimer an dem Geländer neben sich warf.
»Die Bühne müsste mittlerweile fertig sein. Wir können also schon mal die Instrumente aufbauen«, teilte Niamh mit, schmiss ebenfalls ihre Zigarette weg und drehte sich zu der Eingangstreppe um.
Leathan eilte ihr hinterher und betrat den großen Raum im Erdgeschoss, den die Queen Margaret Union für verschiedene Veranstaltungen und Partys zur Verfügung stellte. Er folgte Niamh auf die Bühne, wo er den Geigenkasten auf einer der Bänke ablegte. Bonnie, ihr viertes Bandmitglied, war bereits dabei, Kabel zu verlegen. Er winkte ihr zu, aber sie war so konzentriert, dass sie nur kurz lächelte und sich dann wieder der Arbeit zuwandte.
Niamh packte ihr Akkordeon aus und spielte ein paar Tonleitern auf und ab, während Duncan zu Bonnie eilte, um ihr zu helfen.
Das Wappen der MacKenzies prangte golden im Inneren von Leathans Geigenkasten, und während er das Motto Luceo non uro las, überkamen ihn wieder einmal Schuldgefühle dafür, dass er einen Teil seines Studiums hasste. Er wollte seinen Vater stolz machen, aber mit jedem weiteren Tag, an dem er sich durch das Material seiner Business-Kurse plagte, merkte er, dass ein Leben als Geschäftsmann überhaupt nicht für ihn infrage kam. Er wollte auf die Bühne. Wollte schauspielern, singen und irgendwann im gälischen Fernsehen auftreten. Aber all das waren Spinnereien, wie sein Vater sie nannte.
Um das Wappen nicht länger sehen zu müssen, nahm er seine Fiedel heraus, überprüfte, ob noch genug Kolophonium auf dem Bogen war und stellte die Schulterstütze in die richtige Position.
Niamh war immer noch dabei ihre Tonleitern zu spielen, und Leathan machte sich einen Spaß daraus, sie in Melodien zu verwandeln und den Bogen über die Saiten huschen zu lassen, bis Niamh mit ihrer Übung aufhörte und mit ihm die Musik aus sich herausfließen ließ.
Er liebte es, mit seinen Fingern und den Tönen zu experimentieren und genau auf Niamh zu achten, wenn sie die Tonart wechselte, um sich auf die neuen Grundakkorde einzulassen.
»Es ist ja schön, wenn ihr beide noch eine Jamsession einlegt, aber wir können hier wirklich noch ein wenig Hilfe brauchen«, rief Bonnie über die Musik hinweg, und Leathan senkte den Bogen. Niamh und er warfen sich einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu, ehe sie ihre Instrumente weglegten und beim Aufbau halfen.
Eine halbe Stunde später war alles hergerichtet, und sie begannen mit dem Soundcheck.
»Ich möchte mich noch mal frisch machen, kommst du mit?«, fragte Niamh, nachdem sie auch die Set-Liste abgesprochen hatten.
»Klar«, erwiderte Leathan, und gemeinsam nahmen sie den Aufzug in den dritten Stock, wo es geschlechtsneutrale Toiletten gab. Während er kurz in eine der Kabinen verschwand, machte Niamh sich daran, ihr Make-up auszupacken. Als er fertig war, sah er, wie Niamh an ihrem BH herumfummelte, eines ihrer Silikonpolster herausnahm und neu einsetzte, damit ihr Dekolleté besser zur Geltung kam.
»Geht das so?«, erkundigte sie sich, und Leathan legte den Kopf schief, um die Symmetrie zu überprüfen.
»Ich glaube, die linke Brust sitzt noch ein wenig unterhalb der rechten.«
»Danke.« Niamh versuchte ihre Brüste in die richtige Position zu bringen, während Leathan sich gegen die Wand neben dem Waschbecken lehnte und gedankenverloren mit den Kondomen spielte, die dort in einer Schüssel lagen. Er wusste, dass Niamh vor dem Konzert noch ein Date gehabt hatte und sie eigentlich mitbringen wollte. Da er aber niemand Fremden bei der Band sah, befürchtete er, dass die Verabredung nicht so gut gelaufen war. Er wollte Niamh trotzdem nicht dazu drängen, darüber zu reden, sondern ihr Zeit lassen, es von sich aus zu erwähnen.
»So. Ich denke, ich bin zufrieden! Jetzt noch ein paar Highlights, und ich bin unwiderstehlich.«
Niamh zog ihren plüschigen Pinsel hervor, und Leathan sah fasziniert dabei zu, wie sie sich den Ausschnitt konturierte.
»Das süße Mäuschen von heute Mittag weiß nicht, was ihr entgeht«, sprach sie ihr Date an.
»Oh absolut. Also ich würde dich sofort vernaschen«, witzelte er, obwohl er wusste, dass Niamh überhaupt nichts mit Männern anfangen konnte.
»Mi-au«, machte sie, und plötzlich hatte Leathan ihren Pinsel und Puder auf der Nase. Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu überspielen, aber er konnte in ihren Augen erkennen, wie sehr es sie doch belastete.
»Darf ich fragen, wie es gelaufen ist?«
»Ach, immer dasselbe. Ich habe in meinem Profil ganz deutlich stehen, dass ich trans bin, und sie wirkte beim Chatten echt okay damit, aber es war wieder nur eins dieser Dates, bei dem sie anscheinend mal ausprobieren wollte, eine Transfrau zu daten und komplett damit überfordert war. Whatever.«
Niamh zuckte mit den Schultern, zog ihren Lippenstift nach, warf ihrem Spiegelbild einen Kuss zu und hob kokett die Schultern.
»Beim nächsten Mal wird’s sicher besser. Oder wir gehen mal wieder ins Polo.«
»Klingt super, ich bin auf jeden Fall dabei.«
Niamh wandte sich vom Spiegel ab und musterte ihn mit einem verschwörerischen Blick.
»Darf ich dir auch ein wenig Make-up auf die Augen machen?«
Leathan fuhr sich verlegen durch die Haare. »Muss das wirklich sein?«
»Auf jeden Fall! Damit kommen deine langen Wimpern noch viel besser zur Geltung. Tu’s für deine beste Freundin.«
Sie sah ihn so flehend an, dass Leathan nicht wusste, wie er Nein sagen sollte. Selbst wenn Niamh ihre Enttäuschung über das Date zu verbergen versuchte, wollte er doch gerade alles tun, damit sie sich besser fühlte. Also seufzte er tief und schloss ergeben die Lider.
»Aber nur, wenn es farblich zu meinem Kilt passt«, witzelte er noch, während er Niamh begeistert in ihrem Beutel kramen hörte.
»Baby, glaub mir, was ich für dich zaubern werde, passt zu allem.«
Er hasste das Gefühl, wenn jemand ihm Wimperntusche auftrug, obwohl er es von seiner Musicalgruppe bereits gewohnt war, aber er blieb tapfer. Immerhin war Niamh bereits geübt darin, ihn als Model zu benutzen. Wenige Momente später betrachtete er sich im Spiegel, wo er den dunklen Strich unter seinen getuschten Wimpern begutachtete.
»Also ich finde, du siehst aus wie die Highlander-Version von Kurt Cobain«, bewertete Niamh stolz ihre Arbeit. »Wusstest du, dass er mal hier in der QMU gespielt hat? Nimm dich in Acht, die Frauen werden dir zu Füßen liegen.«
Leathan schüttelte abwehrend den Kopf, aber bei Niamhs letztem Kommentar musste er unweigerlich wieder an Sorina denken, und er ertappte sich dabei, wie er sich wünschte, sie heute Abend wiederzusehen. Einfach nur, um sie zu fragen, wie es ihr nach der Abgabe ergangen war und ob sie sich gut erholen konnte. Vor allem wollte er unbedingt wissen, was für spannende Dinge sie ihm wohl erzählen würde, wenn sie nicht komplett übermüdet war.
»Leathan? Bist du noch da?«, fragte Niamh und riss ihn damit aus seinen Gedanken.
»Aye. Sollen wir runtergehen?«
Er spürte, wie Niamh ihn genau musterte, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, und er fühlte, wie ihm Hitze in die Wangen schoss.
»Ist wahrscheinlich besser, oder Bonnie wird nachher noch versuchen, uns mit ihrem Keyboard zu erschlagen.«
Leathan schüttelte sich. Selbst wenn er Bonnie als Menschen wahnsinnig schätze, konnte sie ganz schön anstrengend sein, wenn es um die Band ging.
Duncan saß am Eingang und machte sich für den Ticketverkauf bereit. Leathan gesellte sich zu ihm und beobachtete, wie der Raum neben ihnen immer voller wurde. Es freute ihn unglaublich, so viele andere junge Männer in Kilts zu sehen. Es war wundervoll, dass manche Traditionen nicht ausstarben.
Nach einiger Zeit löste Niamh Duncan beim Verkauf ab, damit dieser noch einen letzten Lichtcheck machen konnte.
»Verrätst du mir, auf wen du da eigentlich wartest?«, fragte Niamh plötzlich, nachdem Leathan drei weitere Tickets verkauft hatte und erst mal niemand mehr in der Schlange stand.
»Auf niemanden«, erwiderte er unschuldig.
»Komm schon. Ich sehe dich ständig den Eingangsbereich absuchen. Hast du etwa jemanden kennengelernt und mir nichts davon erzählt?«
Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. Ihm war selbst gar nicht bewusst gewesen, dass er anscheinend nach Sorinas blauen Haaren Ausschau gehalten hatte. Wie konnte es nur ständig passieren, dass Niamh Dinge an seinem Verhalten bemerkte, die ihm selbst entgingen?
»Nicht direkt. Aber vielleicht indirekt. Ich war ja die ganze letzte Nacht in der Bibliothek, und da war diese junge Frau, mit der ich mich unterhalten habe. Ich hatte ihr von unserem Ceilidh erzählt, mehr nicht.«
»So, so. Dann hoffen wir mal, dass die Unbekannte deiner Einladung nachkommt. Ich will sie unbedingt kennenlernen, wenn sie dein Interesse endlich mal wieder geweckt hat. Außerdem: the more the merrier.«
Innerhalb der nächsten halben Stunde verkauften sie zwar noch einige Tickets, aber Sorina sah er nicht unter den Neuankömmlingen. Ein seltsamer Stich fuhr ihm durch die Brust, den er sich selbst nicht so ganz erklären konnte.
Was solls?, dachte er sich. Du hast schon so viele andere Studierende kennengelernt, eine gute Zeit gehabt und sie danach nie wiedergesehen. So ist das eben. Lenk dich einfach mit der Musik ab.
Die meisten Gäste des Ceilidhs hatten sich bereits auf den Bänken und Sitzen verteilt, während sich eine Schlange vor der Bar gebildet hatte. Leathan ging auf die Bühne, stimmte noch einmal seine Geige und sprach sich dann mit den anderen ab, wann sie beginnen würden. Wenige Augenblicke später stellte er sich vor das Mikrofon.
»Faesgar math! Einen wunderschönen Abend alle miteinander!«, rief er enthusiastisch und erntete direkt einen Begrüßungsapplaus. »Ich hoffe, ihr seid bereit, euch gegenseitig herumzuwirbeln und Schottlands traditionellen Tanz auszuprobieren. All diejenigen, die noch nie bei einem Ceilidh waren – ich empfehle, euch eine schottische Person zu suchen. Für den ersten Tanz braucht jeder einen Partner. Wir beginnen mit ›Gay Gordens‹!«
Leathan wartete einige Momente, bis er sah, dass jeder einen Tanzpartner gefunden hatte. Schüchternes Lachen und die Aussage, keine Ahnung von dem zu haben, was man machen sollte, erreichte seine Ohren. Genau aus diesem Grund liebte er es, an der Universität zu spielen. Unter den Tanzenden waren viele, die unter seiner Aufsicht ihren ersten Ceilidh hatten, was er als eine unglaubliche Ehre empfand.
»Bei Gay Gordens stellen sich alle Paare in einen Kreis und bewegen sich zunächst gegen den Uhrzeigersinn. Dann macht ihr vier Schritte nach vorne, dreht euch um, vier Schritte nach hinten, vier Schritte nach vorne, umdrehen, vier Schritte nach hinten. Dann drehen sich die Ladys unter dem Arm ihrer Partner, und wir machen vier Takte Polka! Danach wiederholt sich das Ganze. Los geht’s!«
Der Raum war erfüllt von verwirrten Fragen, die von der Musik übertönt wurden. Während Leathan begann, seine Fiedel zu spielen, beobachtete er amüsiert, wie die geübten Tanzenden im Raum die Schritte zu Gay Gordens vormachten und die Führung ihrer Partner übernahmen. Leathans Fuß klopfte den Takt auf den Boden, während er beim Spielen Anweisungen ins Mikrofon gab.
Auch wenn er es genoss, mit seinen Freunden Musik zu spielen, konnte Leathan es kaum abwarten, selbst bald wieder in einem Ceilidh zu tanzen. Doch diesmal lag es an ihm, all sein Herzblut und all seine Leidenschaft für die Musik an seine Saiten zu übermitteln und damit seine eigene Liebe zur schottischen Musik an die Tanzenden weiterzugeben.
Er und seine Band spielten noch einige Songs, zwischen denen sie den Tanzenden immer ein wenig Zeit gaben, um sich auszuruhen. Nach einer Stunde machten sie eine Pause, und er holte sich zusammen mit Niamh ein Bier an der Bar.
»Und? Ist deine neue Freundin noch aufgetaucht?«, fragte sie neugierig und sah durch den Raum.
»Leider nicht, aber das ist schon okay.«
Niamh nahm einen tiefen Schluck von ihrem Bier und legte einen Arm um Leathans Schulter.
»Wollen wir uns dann einfach ins Getümmel werfen?«, fragte sie, wobei er merkte, wie sie schnell versuchte das Thema zu wechseln.
Es ist okay, Niamh. Wirklich, dachte er sich noch, aber er hatte keine Kraft, weiter mit ihr zu diskutieren, denn er stand bereits in einer Gruppe Studierender, die ihnen für die Musik dankten. Leathan beobachtete Niamh dabei, wie sie subtil mit einer jungen Frau flirtete, deren Afro fast nur aus regenbogenfarbenen Strähnen zu bestehen schien. Es freute ihn, zu sehen, wie die Fremde gegenüber Niamhs Annäherungsversuchen nicht abgeneigt zu sein schien. Wenn jemand nach dieser dämlichen Abfuhr einen guten Abend verdiente, war es eindeutig seine beste Freundin.
Obwohl die Atmosphäre ausgelassen und freudig war und Leathan in einer großen Gruppe von netten Menschen stand, überkam ihn ein schleichendes Gefühl der Einsamkeit.
Er sehnte sich ebenfalls danach, eine der um ihn stehenden Frauen anzusprechen und in die ausgelassene Stimmung einzutauchen. Doch der bloße Gedanke daran fühlte sich wie ertrinken an.
Am liebsten hätte er sich noch ein weiteres Bier geholt, aber er wusste, dass es keine gute Idee war, vor dem Weiterspielen zu viel zu trinken.
Es war fast eine Erleichterung, wieder auf die Bühne zu treten und die Geige in die Hand zu nehmen. Dort oben, wo das Licht der Scheinwerfer sein Gesicht erhitzte, fühlte er sich seltsam wohl. Dort konnte er die Rolle spielen, die er sich selbst gab, ohne irgendwelche unrealistischen Erwartungen, die an ihn gestellt wurden. Hier konnte er mit seiner Fiedel Fremde zum Tanzen und Lachen bringen und die Musik durch seine Adern pulsieren spüren.
Die Zeit, in der er die Menge anfeuerte, verging wie im Flug, und bald waren sie bei Amazing Grace angekommen, dem Lied, das oft als letztes gespielt wurde und bei dem alle Tanzenden sich in einem großen Kreis an den Händen fassten, um gemeinsam in die Mitte zu rennen. Leathan nannte es liebevoll den schottischen Moshpit.
Während er die letzten Töne spielte, gab er sich vollkommen der Musik hin. Er schmiegte sich an seine Geige, als wäre sie ein Teil von ihm, und ließ die Finger immer schneller über die Saiten wandern, wobei er improvisierte und noch einige Doppelgriffe, Tremolos und lang gezogene Töne einbaute, bei denen er mit dem Finger den Geigenhals hinunterrutschte. Er sah, wie sich ein paar Haare aus seinem Bogen lösten, doch es war ihm egal. In diesem Moment gab es nur die Intensität des Instruments, die durch seinen ganzen Körper wanderte.
Nach seinem allerletzten Ton warf er förmlich den Bogen von den Saiten, streckte die Arme aus und verbeugte sich zu donnerndem Applaus, dessen Echo er in jeder Faser seiner Existenz zu spüren glaubte.
Jetzt ging es ihm besser.
Hier gehörte er hin.
Nicht hinter irgendeinen Schreibtisch.
Er drehte sich um und grinste Niamh an, die anerkennend einen Daumen in die Höhe streckte und zurückgrinste. Auch Bonnie wirkte mit ihrer Performance zufrieden. Sie trat zusammen mit Niamh und Duncan an ihn heran, sodass sie sich gemeinsam an den Armen halten und ein weiteres Mal verbeugen konnten.
Zu seiner freudigen Überraschung stand die junge Frau mit dem Regenbogen in ihren Haaren unten am Bühneneingang und hielt eine Palette Bier für alle Bandmitglieder in den Händen.
»Oh, Cheers! Wie unglaublich nett von dir!«, bedankte er sich, während er sich schuldig fühlte, sich ihren Namen nicht gemerkt zu haben.
»Danke, Medea«, hörte er Niamh sagen und freute sich, dass sich immerhin eines seiner Probleme wie aus dem Nichts auflöste.
Sie setzten sich zu fünft an den Rand der Bühne, sodass sie noch mit ein paar der Besucher reden konnten. Nachdem die meisten sich verabschiedet hatten, begannen sie mit dem Zusammenpacken des Equipments.
»Kann ich euch noch helfen?«, fragte Medea und gesellte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, zu Bonnie, die wieder mit den Kabeln rang.
»Erst Bier und jetzt noch Hilfe? Du kannst direkt in der Band einsteigen!«, rief Bonnie freudig und bat Medea darum, die Kabel zu halten, während sie den Rest draufrollte.
Nachdem alles verstaut war, traten sie alle gemeinsam vor die Queen Margaret Union, wo sich Duncan, Niamh und Medea erneut eine Zigarette anzündeten.
»Ich verabschiede mich für heute. Ich bin todmüde«, gähnte Bonnie und gab den Umstehenden noch eine Umarmung.
»Ein paar Freunde von mir schmeißen heute Abend noch eine Hausparty, möchtest du nicht noch mitkommen, Bonnie? Ihr anderen seid natürlich auch eingeladen«, hielt Medea sie auf.
Bonnie schüttelte den Kopf. »Leider nein, ich habe morgen früh um zehn ein Seminar, das ich nicht verpassen darf. Aber beim nächsten Mal gerne. Hat mich echt gefreut, dich kennenzulernen.«
»Schade. Bis dann auf jeden Fall.«
Auch Leathan konnte ein Gähnen nicht unterdrücken, und er fuhr zusammen, als Niamh sich enthusiastisch von hinten auf ihn warf und die Arme um ihn legte.
»Leathan und ich würden aber unglaublich gerne mitkommen«, sagte sie und zerzauste mit ihren Fingern seinen Bart.
»Ach, würden wir das?«, fragte er und versuchte sie abzuwimmeln, sodass er die Haare wieder ordnen konnte.
»Ja, auf jeden Fall. Ansonsten lasse ich dich nicht in unsere Wohnung.«
Niamh trat einen Schritt zurück und hielt einen Schlüsselbund mit einem Papageitaucher-Anhänger in die Höhe.
»Hast du gerade ernsthaft meinen Schlüssel geklaut?«
»Vielleicht«, erwiderte Niamh unschuldig, steckte den Bund in ihren synthetischen Fellmantel und hakte sich bei Medea ein. »Duncan? Kommst du auch mit?«
»Ich bin leider auch raus. Ich fahre morgen zu meinen Eltern für ein langes Wochenende. Viel Spaß euch und gute Nacht!«
Leathan seufzte, zuckte mit den Schultern und folgte Niamh, die sich bereits glücklich mit Medea entfernte und mehrfach ein paar Zentimeter in die Luft hopste. Ein letztes Mal drehte sich Leathan zu der Queen Margaret Union um. Mit einem traurigen Lächeln verabschiedete er sich von dem Gedanken, Sorina so schnell noch einmal wiederzusehen. Erst jetzt realisierte er, dass er bis zum Schluss gehofft hatte, sie würde vielleicht doch noch auftauchen.
Na ja. Was solls? Es ist schon okay, sie nicht noch mal zu treffen. So ist es besser. So kann ich sie nicht enttäuschen.
Leathan eilte den beiden Frauen hinterher, wobei er die stechenden Scherben in seinem Herzen zu ignorieren versuchte, die er seit Monaten noch nicht wieder zusammengeklebt hatte.
Die Welt um mich herum war dunkel, als ich schwerfällig die Augen öffnete. Das einzige Licht, das ich wahrnahm, stammte von den gelben Straßenlaternen, die Schatten in mein Zimmer warfen. Ich brauchte einige Momente, um mich zu orientieren.
Wie lange hatte ich geschlafen? Meine Glieder fühlten sich wie mit Blei gefüllt an. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und gleich weitergeschlafen, doch stattdessen sah ich auf mein Handy. Zehn unbeantwortete Anrufe und dreiundzwanzig ungelesene Nachrichten von Medea.
»Oh fuck!«, rief ich in den leeren Raum hinein und sprang aus dem Bett, von einer plötzlichen Wachheit wie elektrisiert. Wie spät war es? Zehn Uhr.
Scheiße! Verdammte Scheiße!
Statt Medeas Nachrichten zu lesen, machte ich eilig meine Darkwave Playlist an. Ich riss mir das Nachthemd über den Kopf und sprang, ohne zu zögern, in die Dusche, wo ich mir eilig die Haare wusch, die es mittlerweile mehr als nötig hatten. Statt sie zu föhnen, rubbelte ich sie nur aggressiv mit einem Handtuch trocken.
Ich zog eines meiner Lieblingskleider aus dem Schrank. Der dunkelblaue Samtstoff fühlte sich weich und vertraut auf meiner Haut an, zumindest da, wo das Kleid nicht meinen Rücken und die oberen Schultern frei ließ oder meinen Ausschnitt mit Spitze verdeckte.
Auf einem Bein hüpfend versuchte ich so schnell wie möglich in meine Strumpfhose zu kommen, die natürlich sofort riss und mehrere Laufmaschen im schwarzen Material hinterließ.
Egal. Ich hatte keine Zeit, noch eine andere zu suchen. Ich schlüpfte in meine Doc Martens und eilte noch mal ins Bad, um meine Augenbrauen blau nachzuzeichnen, damit es nicht so aussah, als ob ich gar keine hätte. Am liebsten wäre ich direkt losgegangen, aber während ich mich im Spiegel begutachtete, konnte ich nicht umhin, mir auch noch Foundation und Lidschatten aufzutragen.
Ich hasste, wie unwohl ich mich ohne Schminke fühlte, vor allem, wenn ich mir endlich einmal vorgenommen hatte, auszugehen. Wie gerne wäre ich eine dieser wunderschönen Frauen, die sich wohlfühlten, egal, was sie mit ihrem Körper machten.
In meiner Hektik zog ich meinen Eyeliner schief, aber damit musste ich jetzt leben. Immerhin gelang es mir, den dunkelblauen Lippenstift nicht über mein ganzes Gesicht zu verschmieren. Bevor ich mich auf den Weg machte, trat ich an Hamiltons Käfig, wo meine kleine Flauschkugel vergnügt in ihrem Laufrad umherflitzte. Normalerweise nahm ich mir jeden Abend ein paar Momente, um mich mit ihm zu beschäftigen. Vor allem, weil ich ihm schon wegen meiner Nacht in der Bibliothek nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Aber ich hoffte, er vergab es mir. Er war ohnehin nicht der sozialste Hamster und machte lieber sein eigenes Ding. Ich wechselte schnell das Wasser, verteilte sein Futter im Käfig und legte ihm noch eine Walnuss hinein, damit er sich mit dieser beschäftigen konnte.
Ein weiterer Blick auf mein Handy verriet mir, dass es bereits zehn Uhr dreißig war. Ich brauchte fast dreißig Minuten, um zur Queen Margaret Union zu laufen, denn mir allein ein Taxi zu rufen, war einfach zu teuer.
Ich hoffte so sehr, dass der Ceilidh noch nicht vorbei wäre, wenn ich ankommen würde. Als ich auf Social Media danach suchte, fand ich heraus, dass er bereits um sieben Uhr beginnen würde.
Wie konntest du ernsthaft fünf Wecker verschlafen?!
Ich warf mein Portemonnaie und Handy in meine dunkle Umhängetasche mit den unzähligen Buttons, setzte meine Kopfhörer auf und machte mich daran, so schnell ich konnte zur Universität zu laufen.
Vielleicht hätte ich mir doch die Haare föhnen sollen. Wenn ich mir mit den nassen Haaren bei dem kühlen Wind keine Erkältung holte, wäre das wirklich ein Wunder.
Eigentlich hätte ich umdrehen müssen. Bei all den Terminen, die die nächsten Tage anstanden, war Krankwerden das Letzte, was ich brauchen konnte. Aber Leathans Ruf nach Freiheit hatte irgendetwas in mir wachgekitzelt.
Ich wollte ausgehen. Ich wollte nach den letzten Wochen, in denen ich mir überhaupt keine Zeit für mich genommen hatte, einfach mal einen Abend abschalten und mich gehen lassen. Sogar der Gedanke, irgendwelchen Fremden von Highland-Rindern zu erzählen, war verlockend.
Doch während ich zur Uni hetzte, merkte ich, wie die Beklemmung in meiner Brust immer weiterwuchs. Es war so typisch, so typisch für mich, dass ich selbst dann versagte, wenn ich mal etwas Schönes machen wollte.
Wie hatte ich nur verschlafen können? Wäre ich wie geplant aufgewacht, würde mein Hals sich jetzt nicht anfühlen, als hätte ich Glas geschluckt.
Keuchend erreichte ich endlich die Queen Margaret Union, wo ich die Hände auf die Knie stützte, um mehrfach schwer und rasselnd durchzuatmen. Ich sah zum Eingang, der viel zu dunkel war.
Vielleicht sind sie ja alle noch drin, hoffte ich panisch, doch noch bevor ich vor die verschlossenen Türen trat, wusste ich, dass ich mir etwas vormachte. Ich unterdrückte den Drang, gegen die Tür zu treten, und rammte mir stattdessen die Fingernägel in die Handinnenflächen. Wieder sammelten sich Tränen in meinen Augen, und ich legte den Kopf in den Nacken, damit ich mich nicht in einen Panda verwandelte.
Wenigstens das hast du perfektioniert. Zu weinen, ohne deine Maske zu ruinieren.
»Medea?«, schniefte ich ins Handy und räusperte mich, damit meine Stimme nicht so gebrochen klang, wie ich mich fühlte.
»Du lebst ja doch noch«, hörte ich meine beste Freundin gedämpft, wobei ihre Worte fast von den Hintergrundgeräuschen und lautem Jubeln übertönt wurden. So störend es auch war, gab mir der Lärm ein kleines bisschen Hoffnung.
»Warte. Ich geh kurz ins Bad.« Ich hörte, wie es bei Medea leiser wurde und eine Tür sich schloss. »Was ist passiert? Ich war bei dem Ceilidh, zu dem du mich eingeladen hattest, aber du hast auf keine meiner Nachrichten reagiert.«
Mit zittrigen Beinen erhob ich mich und fuhr mir mit dem Handrücken vorsichtig über die Augen.
»Es tut mir so, so leid. Ich habe all meine Wecker verschlafen. Ich stehe gerade vor der Queen Margaret Union, aber ich bin zu spät. Du bist noch aus, oder?«, erkundigte ich mich hoffnungsvoll und trat die Treppen der Studentenunion hinunter.
»Ja. Ein paar meiner Freunde aus der Feminist Society schmeißen eine Hausparty. Hier sind echt so viele intersektional-aktivistische Menschen. Ich liebe es! Wenn du magst, schick ich dir sofort die Adresse.«
»Das wäre wundervoll. Ich glaube, ich halte es heute Nacht nicht allein in meiner Wohnung aus, und mein Biorhythmus ist sowieso schon im Arsch.«
Ich hörte das Echo eines panischen Klopfens und einige unterdrückte Rufe am anderen Ende der Leitung.
»Shit, ich glaube, hier muss jemand aufs Klo. Bis gleich dann, ja?«
»Bis gleich«, sagte ich noch, aber ich war mir nicht sicher, ob Medea mich noch gehört hatte. Mit geschlossenen Augen sog ich die Nachtluft tief in meine Lungen und spürte ein Lächeln auf meinen Lippen. Selbst wenn ich Leathan verpasst hatte, konnte ich immer noch eine gute Nacht mit Medea verbringen.
Als ich mich wieder umsah, erschien mir das Licht der Straßenlaternen golden und verheißungsvoll.
Wie gut, dass du überhaupt keine plötzlichen Stimmungsschwankungen hast.
Ich war so erleichtert, nicht zurück zu meiner Wohnung zu müssen. Nach all der Zeit in der Bibliothek fühlte sich Alleinsein wie ein Gefängnis an, in das ich nicht zurückkehren wollte. Stattdessen gab ich die Adresse, die mir Medea geschickt hatte, bei Maps ein.
Zu meiner Beruhigung war die Wohnung nicht weit weg, und ich verfluchte voller Neid die Glückspilze, die kaum zehn Minuten zum Campus brauchten.
Ich nahm die Abkürzung durch die von Lichtern und Musik erfüllte Ashton Lane, um auf die Byres Road zu kommen, und wandte mich dann nach links. Obwohl es ein Donnerstagabend war, tummelten sich viele vergnügte Menschen auf den Straßen. Die Ausgelassenheit, die ich so oft hier in Schottland spürte, war das, was ich an dem Land so schätzte. Ich lebte noch nicht lange hier, und dennoch fühlte sich Glasgow mehr nach Heimat an, als mein Dorf – wenn man es überhaupt so nennen konnte – oder die Stadt meiner Oberstufe es je getan hatten.
People make Glasgow, war das Motto der Stadt, und es lebte in jeder Faser, jedem Lachen, jedem Klang des Abends. In der Musik, die aus den Pubs und selbst den Eckläden strömte und dem herrlichen Duft von Essen aus den zahlreichen Restaurants, die selbst jetzt noch geöffnet hatten.
Ich sog die Atmosphäre der Stadt in mich ein und schwor mir heimlich, öfter auszugehen, damit ich mich wenigstens hin und wieder lebendig fühlte. Die ersten zwei Jahre meines Studiums waren viel zu schnell vergangen, und ich musste eigentlich jede Sekunde ausnutzen, um mein Studierendenleben noch zu genießen.
Die Adresse, zu der Medea mich geschickt hatte, befand sich in einer der Seitenstraßen der Byres Road. Ich konnte die Party bis zur Straße hören, denn die Nacht trug Gelächter, Jubel und schummerige Musik bis zu mir herunter. Die Klänge drangen tief in meine Brust ein, und eine elektrisierende Mischung aus Vorfreude und Nervosität überkam mich.
Ich hatte keine Ahnung, zu wem Medea mich da gelotst hatte. Zwar erzählte sie mir oft von ihren Feminismustreffen, und ich hatte sie schon zu der einen oder anderen offenen Diskussion begleitet, aber das bedeutete nicht, dass die Chancen gutstanden, irgendwen dort oben zu kennen. Dennoch überwog die Vorfreude.
Angstzustände konnten seltsam sein. Während der Gedanke an eine Hausarbeit oder an ein Examen mein Herz schier stehen bleiben ließen, war die Aussicht darauf, mit Fremden einen guten Abend zu haben, gar nicht mal so schlecht. Es war eine angenehme Nervosität, die sich mehr nach mir selbst anfühlte als die Angst in der Bibliothek, die aus mir ein chaotisches Durcheinander gemacht hatte.
Die untere Tür zum Haus stand offen, und ich nahm die Stufen zum zweiten Stock, wo ich die Klingel betätigte und mir Sekunden später jemand Unbekanntes die Tür aufmachte. Er lächelte mir kurz zu, wandte sich aber gleich wieder um. Der komplette Eingangsbereich war voll mit Fremden, die sich lachend unterhielten und an ihren Drinks nippten. Es war jedes Mal so faszinierend, zu sehen, wie manche Studierenden ihre komplette Wohnung einer Party öffneten und gefühlt jeden hineinließen. Jeden, der jemanden kannte, der wiederum jemanden kannte, der eigentlich eingeladen war.
Ich bahnte meinen Weg nach vorne und hielt nach Medea oder anderen bekannten Gesichtern Ausschau, während ich ihr nebenbei eine Nachricht schrieb.
Die ausgelassene Atmosphäre legte sich wie eine zweite Haut auf mich, und das angenehme Prickeln tat überraschend gut. Irgendein Indie-Rocksong wehte aus einem der Zimmer mit funkelnden bunten Lichtern an den Wänden, in dem ich ein paar Menschen tanzen sah. Am liebsten wäre ich direkt zu ihnen gegangen und hätte mich ins Getümmel geworfen, doch zuerst brauchte ich meine beste Freundin und einen Drink.
Medeas leuchtende Haarpracht war nicht zu übersehen, als sie in den Flur trat, und ich drängte mich zu ihr, um sie sofort in die Arme zu schließen. Wir drückten uns fest aneinander, wobei ihr Atem bereits nach Alkohol und ihre Haare nach ihrem Kokosshampoo und Rauch rochen.
»Es ist so toll, dass du es noch geschafft hast«, rief sie, um die anderen Geräusche um uns zu übertönen.
»Vielen Dank für die Einladung!«
Medea legte den Kopf schief und musterte mich. »Ich liebe den Lippenstift. Du siehst toll aus.«