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Vampirjäger und Kopfgeldjäger Haven hasst Vampire, denn sie sind verantwortlich für den Tod seiner Mutter und das Verschwinden seiner Schwester. Doch wenn ein Versuch, seinen Bruder aus den Klauen einer Hexe zu retten, schief läuft, hat Haven plötzlich keine Wahl, sondern muss die Hilfe der Vampirin Yvette annehmen, um sich und seinen Bruder zu retten. Scanguards Bodyguard Yvettes erster Gedanke ist, Haven umzubringen, als er sie und ihre Klientin entführt, um sie im Austausch gegen seinen Bruder einer Hexe auszuliefern. Doch Haven ist anders als jeder Mann, dem sie je begegnet ist. Er erweckt lang verborgene Emotionen in ihr. Während zwischen Haven und Yvette Leidenschaft entfacht, müssen sie feststellen, dass es an ihnen liegt, ihr Leben und ihre aufkeimende Liebe zu riskieren, um die Hexe daran zu hindern, die größte Magie der Welt an sich zu reißen und damit die Machtverteilung der Unterwelt zu erschüttern. Aber kann Haven seinen Hass für Vampire überwinden, um das einzige Opfer darzubringen, das einen Sieg über das Böse gewährleistet? Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!" Über die Serie Die Scanguards Vampirserie ist voll von rasanter Action, brennenden Liebesszenen, witzigen Dialogen und starken Helden und Heldinnen. Vampir Samson Woodford lebt in San Francisco und besitzt die Sicherheits-/Leibwächterfirma Scanguards, die sowohl Vampire als auch Menschen beschäftigt. Und letztendlich auch einige Hexer. Später in der Serie tauchen auch ein paar unsterbliche Hüter und Dämonen auf. Jedes Buch kann als alleinstehender Roman gelesen werden (keine Cliffhanger) und dreht sich immer um ein neues Paar, das die Liebe findet, aber die Serie macht mehr Spaß, wenn sie chronologisch gelesen wird. Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie (Scanguards Hybriden - Band 1) Band 14 - Damians Eroberung (Scanguards Hybriden - Band 2) Band 15 - Graysons Herausforderung (Scanguards Hybriden - Band 3) Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Codename Stargate Band 1 - Ace – Auf der Flucht Band 2 - Fox – Unter Feinden Band 3 - Yankee – Untergetaucht Band 4 – Tiger – Auf der Lauer Der Clan der Vampire Der Clan der Vampire (Venedig 1 – 2) Der Clan der Vampire (Venedig 3 – 4) Der Clan der Vampire (Venedig 5) Jenseits des Olymps Band 1 - Ein Grieche für alle Fälle Band 2 - Ein Grieche zum Heiraten Band 3 - Ein Grieche im 7. Himmel Band 4 – Ein Grieche für Immer Die Scanguards Vampirserie hat alles: Liebe auf den ersten Blick, von Feinden zum Liebespaar, Alpha-Helden, Leibwächter, Brüderschaft, Jungfrau in Not, Frau in Gefahr, die Schöne und das Biest, verborgene Identität, Seelenverwandte, erste Liebe, Jungfrauen, gequälter Held, Altersunterschied, zweite Liebeschance, trauernder Liebhaber, Rückkehr von Totgeglaubten, heimliches Baby, Playboy, Entführungen, von Freunden zum Liebespaar, Coming-out, heimlicher Verehrer, unerwiderte Liebe, Amnesie, Aristokraten, verbotene Liebe, e
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Seitenzahl: 408
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Title Page
Kurzbeschreibung
Prolog
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Epilog
Auch in dieser Serie
Über die Autorin
Copyright
YVETTES VERZAUBERUNG
(Scanguards Vampire – Buch 4)
von
TINA FOLSOM
Vampirjäger und Kopfgeldjäger Haven hasst Vampire, denn sie sind verantwortlich für den Tod seiner Mutter und das Verschwinden seiner Schwester.
Doch wenn ein Versuch, seinen Bruder aus den Klauen einer Hexe zu retten, schiefläuft, hat Haven plötzlich keine Wahl, sondern muss die Hilfe der Vampirin Yvette annehmen, um sich und seinen Bruder zu retten.
Scanguards Bodyguard Yvettes erster Gedanke ist, Haven umzubringen, als er sie und ihre Klientin entführt, um sie im Austausch gegen seinen Bruder einer Hexe auszuliefern. Doch Haven ist anders als jeder Mann, dem sie je begegnet ist. Er erweckt lang verborgene Emotionen in ihr.
Während zwischen Haven und Yvette Leidenschaft entfacht, müssen sie feststellen, dass es an ihnen liegt, ihr Leben und ihre aufkeimende Liebe zu riskieren, um die Hexe daran zu hindern, die größte Magie der Welt an sich zu reißen und damit die Machtverteilung der Unterwelt zu erschüttern.
Aber kann Haven seinen Hass für Vampire überwinden, um das einzige Opfer darzubringen, das einen Sieg über das Böse gewährleistet?
Bisher in der Scanguards Vampir Serie:
Samsons Sterbliche Geliebte
Amaurys Hitzköpfige Rebellin
Gabriels Gefährtin
Yvettes Verzauberung
Zanes Erlösung
Quinns Unendliche Liebe
Olivers Versuchung
Thomas‘ Entscheidung
Ewiger Biss
Cains Geheimnis
Luthers Rückkehr
Brennender Wunsch
Blakes Versprechen
Schicksalhafter Bund
Johns Sehnsucht
Ryders Rhapsodie
Damians Eroberung
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Yvettes Verzauberung Copyright © 2012 Tina Folsom
Scanguards Vampire ® ist ein eingetragenes Markenzeichen.
*****
Haven war der Erste, der seine Mutter alarmiert aufschreien hörte. Sofort packte er seinen jüngeren Bruder Wesley am Kragen seines Polohemdes, was diesen kreischend protestieren ließ.
„Lass mich los, Hav! Ich will spielen.“
Haven ignorierte seinen achtjährigen Bruder und hielt ihm den Mund zu. „Sei still!“, befahl er mit gedämpfter Stimme.
Er konnte die wachsende Angst seiner Mutter wahrnehmen, obwohl er und sein Bruder sich im Spielzimmer aufhielten, während ihr Schrei aus der Küche gekommen war, wo sie Zaubertränke zusammenbraute.
„Jemand ist im Haus. Sei still.“ Er blickte seinen Bruder eindringlich an.
Wesleys Augen weiteten sich verängstigt, nichtsdestotrotz nickte er. Langsam nahm Haven die Hand von seinem Mund, was Wesley ihm mit Schweigen dankte.
Für eine solche Situation hatte ihre Mutter ihnen strickte Anordnungen gegeben: verstecken und ruhig bleiben. So sehr Haven auch seiner Mutter gehorchen wollte, war ihm ihr Schrei durch und durch gegangen und er wäre ein Feigling, wenn er ihr nicht helfen würde.
Für sein Alter war er groß, schon fast ein Mann. Nachdem ihr Vater sie vor fast einem Jahr verlassen hatte, war er dazu gezwungen gewesen, schnell erwachsen zu werden. Er war jetzt der Mann im Haus. Es war seine Pflicht, seiner Mutter zu helfen.
„Geh und hol Katie und versteckt euch unter der Treppe.“
Das Baby schlief im Schlafzimmer im Erdgeschoss anstatt im oberen Kinderzimmer, damit man sie hören konnte, sollte sie aufwachen. Sie sollte erst in zwei Stunden wieder Hunger bekommen, hoffentlich bedeutete das auch, dass sie ohne Unterbrechung weiterschlafen würde.
Nur mit Socken an seinen Füßen rannte Wesley den Flur entlang, ohne einen Ton auf dem Holzboden zu verursachen. Haven nahm all seinen Mut zusammen und schlich zur Küchentür.
„Du weißt, dass du einen von ihnen opfern musst. Also, wer soll’s sein?“, fauchte ein Mann in der Küche.
Die Böswilligkeit darin war unmissverständlich und ein kalter Schauer schlängelte sich wie eine Kreuzotter an Havens Rücken hinauf.
„Niemals“, antwortete Havens Mutter. Ein weiß blitzendes Licht begleitete ihre Worte.
Wenn sie Magie an dem Eindringling benutzte, bedeutete dies, dass es sich um ein übernatürliches Wesen handeln musste: Der Eindringling war kein Mensch!
Mist!
Mit einem Einbrecher würde Mutter spielend fertig werden, aber dies war anders. Darum brauchte sie seine Hilfe, ob sie es verboten hatte oder nicht. Sie könnte ihm deswegen später Hausarrest aufbrummen, aber er würde sich jetzt nicht wie ein rückgratloses Wiesel verkriechen. Wesley konnte auf Katie aufpassen, doch Haven war nun alt genug – elf, um genau zu sein – um seiner Mutter zu helfen, den Angreifer in die Flucht zu schlagen.
Haven schlich vorwärts und schielte um den Türstock in die gut beleuchtete Küche. Fassungslos wich er zurück.
Verdammter Mist!
Zweifellos war ihr Angreifer ein Vampir – und die standen auf der obersten Stufe der Nahrungskette. Seine Fänge waren ausgefahren und schoben sich an seinen offenen Lippen vorbei. Seine Augen leuchteten rot wie die Heckleuchten eines Autos bei Nacht.
Vampire waren nicht immun gegen Hexenzauber, doch Havens Mutter war nur eine mittelmäßige Hexe, die außer ihren Zaubertränken und -sprüchen keinerlei besondere Fähigkeiten besaß. Sie hatte es nie fertig gebracht, eines der Elemente zu kontrollieren: Wasser, Luft, Feuer und Erde, wie andere ihrer Gattung. Sie war so gut wie hilflos.
Der große, schlanke Vampir schlang seine Hände um ihren Hals, gerade als sich ihr Mund bewegte, als versuche sie, einen Zauberspruch zu formulieren. Doch kein Wort kam ihr über die Lippen. Sie kämpfte gegen seinen Griff an, ihre Augen schnellten zur Seite, suchten verzweifelt nach einem Mittel, das ihr helfen konnte, sich zu befreien. Es gab keinen Ausweg – keine Möglichkeit, wie sie entkommen konnte, solange sie nicht einen Spruch anwandte, der dem Vampir befahl, sie freizulassen. Und selbst dann …
Haven wusste, was er zu tun hatte. Er nahm all seinen Mut zusammen und rauschte in die Küche auf die Anrichte zu, wo einige Küchenutensilien in einem Tonkrug aufbewahrt wurden. Er griff nach dem Holzlöffel und brach ihn entzwei.
Bei dem Geräusch riss der Vampir seinen Kopf zu Haven herum und ließ irritiert seine Fänge aufblitzen. Ein warnendes Knurren löste sich aus seiner Kehle. „Großer Fehler, kleiner Mann, großer Fehler.“
Keiner würde ihn klein nennen und damit davonkommen.
Ein Gurgeln kam von seiner Mutter. Sie blinzelte Haven zu, entschlossen, ihm trotz ihrer offensichtlichen Not eine Nachricht zu übermitteln. Sie wollte, dass er sich in Sicherheit brachte. Er verstand sie nur zu gut, doch er würde nicht davonlaufen. Er war kein Feigling. Wie konnte sie nur denken, dass er flüchten und sie in den Händen dieses Monsters zurücklassen würde?
„Lass meine Mutter gehen!“, forderte er den Vampir, während er die Hand hob, in der er seinen provisorischen Pflock hielt.
Haven stürzte sich mit einem Kampfschrei auf den Vampir, wie er es im Fernsehen in den Western gesehen hatte, die er so gerne anschaute. Bevor er den Blutsauger erreichte, ließ der Vampir seine Mutter los und schleuderte sie gegen den Herd. Das Geräusch, als ihr Rücken gegen die Metalltüre des Ofens stieß, sandte einen Wutanfall durch Haven. Schneller als Havens Augen dem Vampir folgen konnten, schnappte dieser sein Handgelenk und immobilisierte ihn.
Haven biss die Zähne zusammen und trat der massiven Kreatur mit dem Fuß ans Schienbein. Der Vampir schrie auf. Hinter ihm sah Haven, dass seine Mutter sich aufrichtete. Schmerzerfülltes Stöhnen begleitete ihre Bewegungen. Doch ihr Gesicht wirkte entschlossen, und ihre Lippen formten einen Zauberspruch.
„Nacht bringt Tag, Tag bringt Nacht, hilf den kleinen …“
Der Vampir verdrehte Havens Arm und zog den Pflock aus seiner geballten Faust. Er fiel zu Boden, rollte außer Reichweite. Dann ließ der Vampir ihn los. Während er sich herumdrehte, zog er ein Messer aus seiner Jacke.
„Du dumme Hexe!“, knurrte er. „Ich wollte dich am Leben lassen.“
Unverdrossen fuhr seine Mutter mit ihrem Spruch fort. „... groß und gib ihnen Macht ...“
Haven hechtete von hinten auf den Vampir, versuchte, ihm das Messer aus der Hand zu schlagen, doch sein Gegner stieß seinen Ellbogen in Havens untrainierten Bauch und brachte ihn damit zu Boden.
Als Haven aufblickte, sah er lediglich, wie der Vampir sein Handgelenk ruckartig bewegte und das Messer auf dessen Ziel zuflog. Ein überraschter Schrei unterbrach den Zauberspruch seiner Mutter.
Das Messer war in ihrer Brust gelandet. Als sie zu Boden taumelte, sickerte Blut auf ihre weiße Schürze. Haven versuchte, näherzukommen, doch der Vampir blockierte ihm den Weg.
„Haven“, jammerte seine Mutter. „Denk immer daran … zu lieben …“
„Nein! Du Bastard!“, schrie Haven. „Ich bringe dich um!“
Doch bevor er irgendetwas tun konnte, erfüllte das Weinen eines Kindes das Haus. Katie.
Der Vampir drehte seinen Kopf in Richtung Flur. Dann breitete sich ein selbstgefälliges Grinsen auf seinem Gesicht aus. Es half allerdings nicht, die Hässlichkeit in seiner Erscheinung zu lindern.
„Viel einfacher“, verkündete er. „Als wollte ich mich mit einem lästigen kleinen Jungen belasten.“
„Nein!“, schrie Haven, als ihm klar wurde, dass er Katie wollte. Der Vampir hatte gesagt, dass er nur einen von ihnen brauchte.
Der Blutsauger rannte aus der Küche, den Flur hinunter. Haven folgte ihm und ergriff einen Besen, der an der Wand lehnte. Er zerbrach den Griff über seinem Knie und nahm das kürzere Ende wie einen Pflock.
Als er einige Sekunden nach dem Vampir das Versteck unter der Treppe erreichte, vermischte Katies Quengeln sich mit Wesleys panischen Schreien.
„Hilfe! Haven, Mama, helft mir!“
Der Vampir riss das kleine Bündel, Katie, aus Wesleys Armen und drückte es an seine Brust, während er Havens kleinen, zappelnden Bruder mit der anderen Hand von sich weg hielt. Wesleys Versuche, ihn in den Magen zu boxen waren nutzlos – seine kleinen Fäuste konnten ihm nichts anhaben.
„Hör auf, du kleiner Randalierer!“
Weder Wesley noch Haven hörten auf den Befehl des Vampirs. Stattdessen rammte Haven den behelfsmäßigen Pflock in der Hand gegen den Vampir, der sich allerdings zu schnell umdrehte. Er schleuderte Wesley gegen die Wand und hob seinen Arm, um sich gegen den Pflock zu wehren, während er Katie mit seiner anderen Hand noch höher hielt.
Haven war der übernatürlichen Kreatur deutlich unterlegen, selbst mit seiner Entschlossenheit, seine kleine Schwester zu retten.
Der Blutsauger stieß ihn gegen die Wand, der Aufprall raubte Haven den Atem. Schmerz erfüllte ihn und erinnerte ihn daran, dass er lediglich ein Mensch war, der keine besonderen Fähigkeiten hatte, die er gegen den Blutsauger anwenden konnte.
„Ich will dir nichts antun. Ich will nur einen von euch.“ Da war ein Blitzen von etwas in seinen Augen, fast als bereute er seine Tat. „Um das Gleichgewicht zu wahren.“
Eine Sekunde später war er verschwunden. Die Haustür stand offen, und Dunkelheit drang in Havens zerstörtes Zuhause ein. Frost und Nebel nahmen den Platz ein, wo noch kurz zuvor Wärme und Liebe wohnten.
Wesley stöhnte: „Mama, hilf uns.“
Haven kroch die paar Meter, die sie trennten, zu seinem Bruder. Wie sollte er Wes beibringen, was mit ihrer Mutter geschehen war? Und Katie, was würde mit Katie passieren?
„Mama kann uns nicht helfen“, flüsterte Haven seinem Bruder zu, während er den Schmerz seiner geprellten Rippen so gut er konnte ignorierte. Es war nichts gegen den Schmerz, den er in seinem Herzen verspürte.
Er blickte Wesley an und sah, wie Tränen der Erkenntnis dessen Wangen hinab kullerten. Haven konnte nicht weinen; stattdessen füllte sich sein Herz mit Hass: Hass gegen alles Magische, alles Übernatürliche, alles nicht Menschliche. Denn obwohl er nicht wusste, was der Vampir wollte oder warum er seine Mutter umgebracht hatte, vermutete er, dass es etwas mit Magie zu tun hatte. Es gab keinen anderen Grund. Er war nicht gekommen, um sie ihrer irdischen Besitztümer zu berauben. Um das Gleichgewicht zu wahren, hatte er gesagt. Das Gleichgewicht wovon?
Haven starrte seinen Bruder an und drückte dessen Hand. „Ich werde ihn finden. Und ich werde ihn umbringen, und alle Vampire, die meinen Weg kreuzen. Und wir werden Katie zurückholen. Das verspreche ich.“
Und er würde nicht ruhen, bis er sein Versprechen erfüllt hatte.
San Francisco, 22 Jahre später
Es war eine Falle – was für eine riesige hätte sich Haven nie vorstellen können.
Nachdem er Wesleys SMS erhalten hatte, dass er ihn in der verlassenen Lagerhalle in einem der weniger guten Stadteile treffen solle, hatte er die Gegend abgesucht und angenommen, dass höchstens ein oder zwei Angreifer auf ihn warteten. Das würde ein Kinderspiel sein, hatte er gedacht.
Es wäre nicht das erste Mal, dass er seinen kleinen Bruder aus den Krallen eines Kredithais oder eines anderen Kleinkriminellen, mit dem er sich angelegt hatte, befreien musste. Und um wie viel Geld es auch ging, das er als Auslöse für seinen Bruder zahlen sollte, sie würden nie auch nur einen Penny von ihm bekommen. Seine verborgene Knarre würde dafür sorgen.
Die Tür des Lagerhauses war unverriegelt. Er drückte sie auf und huschte hinein, nahm den muffigen Geruch des Gebäudes auf. Er vermischte sich mit einer ihm unbekannten Mixtur aus Kräutern, die zusammen mit anderen fremdartigen Düften und Geschmäckern Gedanken an Chinatown in ihm wachriefen. Der lange Korridor vor ihm war dunkel. Die einzelne Glühbirne, die an der Decke hing, war bedeckt mit Staub und Spinnweben. Es gab nichts Einladendes an diesem Ort.
Jegliche weitere Erkundung der Lagerhalle wurde durch den kalten Windstoß, der ihn erreichte, zunichtegemacht. Kurz darauf fühlte Haven eine Kraft, die seinen 1,90 Meter großen, neunzig Kilo schweren muskulösen Körper wie eine Flutwelle gegen die Wand drückte. Trotz seines Trainings im Nahkampf konnte er nicht gegen seinen unsichtbaren Feind ankämpfen.
Mist!
Dieses Mal hatte er es nicht mit einem armseligen Kleinkriminellen zu tun.
Haven verabscheute das Gefühl von Hilflosigkeit, das sich in seinem Körper ausbreitete, als das Kraftfeld ihn weiterhin festhielt. Als skrupelloser Kopfgeldjäger war das Wort Verletzlichkeit nicht Teil seines Vokabulars. Und er würde es jetzt auch nicht darin aufnehmen. Seine Kartei V war bereits voll: Vampir, Verbrecher, Vagabunden, Vergewaltiger. Es war kein Platz für Verletzlichkeit. Er würde dieses Wort den Leuten beim Duden überlassen, die könnten Verwendung dafür haben.
Und sollte er dieser misslichen Lage entkommen, würde er seinen Bruder filetieren. Aber nicht, bevor er ihm die Seele rausgeprügelt hatte.
„Wie ich sehe, hast du meine Nachricht erhalten“, kommentierte eine Frau gelassen.
Im nächsten Moment zeigte sie sich. Sie war hübsch; lange rote Haare, die ihr Gesicht einrahmten und über ihre Schultern fielen. Ihre Wangenknochen waren hoch, ihre Haut blass und ihre Lippen voll. Auf den ersten Blick hin war diese Frau der Traum aller Männer.
Haven wettete, dass, in welch misslicher Lage Wesley auch immer steckte, es an dieser Frau lag, die eindeutig sein Gehirn lahmgelegt hatte, damit er nur noch das kleinere zwischen seinen Beinen benutzen konnte. Haven war von Frauen nicht so beeinflussbar wie sein Bruder. Er hatte nie jemandem erlaubt, ihm den Kopf derart zu verdrehen. Und er war auch nicht so leichtgläubig wie sein kleiner Bruder. Nein, er war knallhart und unerschütterlich. Und irgendwie würde er aus dieser Situation herauskommen.
Haven knirschte mit den Zähnen, während er in die eisblauen Augen der teuflischen Schönheit starrte. „Was hast du mit meinem Bruder gemacht, du Hexe?“
Da sie sich ihm noch nicht vorgestellt hatte, war es seiner Ansicht nach angebracht, dass er sie mit ihrem Berufsstand ansprach statt mit ihrem Namen. Und über ihren Beruf war er sich sicher: Die Kräfte, die sie gegen ihn verwendete, waren etwas, das ein Physiker nicht zu erklären wusste. Es war Magie. Und Magie erkannte er, wenn sie ihn in den Arsch biss.
„Bei dir hört es sich an wie ein Schimpfwort.“
„Ist es das nicht?“
Sie schüttelte missbilligend den Kopf und ihre kupferfarbenen Locken hüpften dabei um ihre Schultern. „Ich heiße Bess, nicht, dass es dich etwas angehen würde. Und als Sohn einer Hexe hätte ich mehr Respekt von dir erwartet. Schätzt du die Kräfte deiner Mutter nicht?“
Die Erinnerung an seine Mutter nagte an ihm. Er schob sie beiseite, versuchte, die Gefühle, die dabei aufkamen, zu verdrängen. Gefühle, die er seit ihrem grausamen Tod versuchte zu verbannen. Er würde dieser verdammten Hexe nicht erlauben, ihn zu schwächen, indem sie Dinge ausgrub, die begraben bleiben sollten.
„Lass meine Mutter aus dem Spiel. Wo ist mein Bruder und was willst du?“
„Dein Bad-Boy-Kopfgeldjäger-Getue funktioniert bei mir nicht. Also lass es draußen und komm rein.“
Haven funkelte sie an und biss die Zähne zusammen.
„Außer du willst deinen Bruder nicht mehr sehen. Dann lass ich ihn einfach verrotten.“
Plötzlich verschwand der Druck an seiner Brust, und er konnte sich von der Wand lösen. Er schüttelte das verbleibende Gefühl von Platzangst von sich und griff in seine Jackentasche. Der Gedanke, sie umzubringen, dominierte in seinem Kopf. Doch ohne zu wissen, wo sie Wesley versteckte, konnte er die Kugeln nicht ihren Job machen lassen. Zumindest noch nicht.
„Nimm deine Hand von deiner Knarre weg.“
Man musste keine Hexe sein, um zu wissen, wonach er gerade griff. Haven schnaubte. „Komm auf den Punkt. Wo ist Wesley?“
Bess ging in einen großen Raum, eine Art Wohnzimmer. Er folgte ihr. Einige zusammengewürfelte Möbelstücke füllten das Zimmer. Teppiche waren auf dem Betonboden ausgebreitet und schwere Samtvorhänge hingen vor den Fenstern. Zusammen mit dem Bücherregal, das mit Büchern und Krügen, die mit grausig aussehenden Dingen gefüllt waren, vollgestellt war, verlieh es dem Raum einen gotischen Ausdruck. Nicht gerade sein Einrichtungsstil.
In seinen acht Jahren als Kopfgeldjäger, in denen er für die verschiedensten Auftraggeber gearbeitet hatte, hatte Haven schon so einiges gesehen, deshalb konnte ihn nichts mehr überraschen. Doch selbst ohne seine Erfahrungen wäre er über die Wahl ihrer Dekoration nicht verblüfft gewesen. Sie hatte recht; er war der Sohn einer Hexe und als solcher hatte er schon genug gesehen. Mehr, als er jemals sehen – oder wissen – wollte.
Haven schüttelte die Gedanken von sich. „Wo ist Wesley?“
Die Hexe setzte sich auf eines der überladenen Sofas und deutete auf einen Sessel. „In Sicherheit. Hinsetzen.“
„Ich bin nicht dein Hund.“ Hexe oder nicht, er mochte es nicht, herumkommandiert zu werden.
„Ich kann dich in einen verwandeln, wenn du willst.“
Mit grunzender Missbilligung ließ er sich in den Sessel fallen und erzeugte dadurch eine Staubwolke. „Ich sitze.“
Die Hexe ließ ihren Blick über seinen Körper schweifen. Unbehagen breitete sich in ihm aus; er mochte es nicht, angestarrt zu werden, als wäre er irgendein Ausstellungsstück. Oder noch schlimmer, die Zielperson eines Experiments.
„Dein Bruder ist dir kein bisschen ähnlich. Er scheint viel… höflicher. Nicht so –“
„Ich bin sicher, du hast mich nicht für eine Psychologiestunde hierherbestellt; und überhaupt schätze ich diese Art Einladung nicht.“
Warum hatte er nicht vermutet, dass die Nachricht nicht von seinem Bruder stammte? Vielleicht weil sie von Wesleys Handy kam und genau nach ihm geklungen hatte: hoffnungslos in der Patsche und geplagt von Rechtschreibfehlern. Sein Bruder konnte ums Verrecken nicht buchstabieren. Haven hatte die Echtheit der Nachricht nicht in Frage gestellt.
„Wärst du gekommen, wenn ich einen freundlichen Brief geschickt hätte? Scherz beiseite, wir haben Geschäfte zu besprechen.“
Haven hob eine Augenbraue. Er machte keine Geschäfte mit einer Hexe. Obwohl seine Mutter eine Hexe gewesen war, hatten weder er noch sein Bruder ihre Fähigkeiten geerbt. Es hatte ihn nie gestört, denn er zog es vor, seine Opfer aus der Nähe zu töten, sodass er die Angst in ihren Augen sehen konnte, wenn sie erkannten, dass er gewinnen würde. Er hatte nicht den Wunsch, von der Ferne aus mit Magie zu kämpfen.
Seine Opfer waren immer Vampire – nicht dass es ein Problem für ihn darstellte, auch eine Hexe auf seine Liste zu setzen. Wer auch immer ihm oder seiner Familie etwas antun wollte, um den würde er sich rasch kümmern. Auf tödliche Art.
„Was willst du von mir im Tausch gegen meinen Bruder?“
„Du begreifst schnell. Angesichts deines ungewöhnlichen Berufes wird es für dich nur wie ein zusätzlicher Arbeitstag sein.“
Er hasste es, wenn jemand mit ihm spielte. Und das Katz-und-Maus-Spiel, das sie gerade mit ihm führte, war das Schlimmste von allen. „Spuck’s aus.“
„Es gibt da eine Frau, eine junge Schauspielerin. Ich möchte, dass du sie zu mir bringst.“
„Da du es problemlos geschafft hast, mich in deine Lagerhalle zu locken, leuchtet mir nicht ein, warum du sie nicht selbst hierher bringst.“
Bess schürzte ihre Lippen. „Ah, hier fangen die kleinen Problemchen an. Schau, das Mädel hat einen Bodyguard.“
Die Hexe fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. „Hat was mit den Paparazzi zu tun.“ Ihre Verachtung gegenüber Promis deutlich erkennbar, verdrehte sie ihre kalten blauen Augen.
„Und du kommst nicht an dem Bodyguard vorbei? Du hast doch auch deine Kräfte angewandt, um mich festzuhalten. Woraus ist der Kerl gemacht? Stahl?“
Etwas war faul. Und es war nicht der brennende Weihrauch, der dem Raum den Sauerstoff raubte.
„Dummerweise ist der Bodyguard ein Vampir.“
Haven schaute auf. Gerade begann es, interessant zu werden. Er beugte sich im Sessel nach vorne, fasziniert von ihren Worten.
„Na endlich schenkst du mir deine Aufmerksamkeit. Du könntest zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: deinen Bruder befreien, indem du mir das Mädchen beschaffst, und als Bonus noch einen Vampir umbringen. Es ist eine Win-win-Situation.“
Win-win, aber für wen? „Willst du damit sagen, dass du nicht mal mit einem einzelnen Vampir fertig wirst?“
Haven wusste mit Sicherheit, dass Hexenkraft genauso gut an Vampiren funktionierte wie bei Menschen. Und so wie es aussah, war diese Hexe stark genug, einen Vampir mit Zaubersprüchen und -tränken zu bekämpfen. Und offensichtlich konnte sie dazu noch mindestens ein Element kontrollieren: die Luft. Er hatte es zuvor am eigenen Leib gespürt. Mit einer Hexe, die Elemente kontrollieren konnte, war nicht zu spaßen.
„Ich könnte es, wenn ich nahe genug rankommen würde. Doch Vampire können Hexen bereits aus großer Entfernung wahrnehmen. Ich könnte niemals nahe genug rankommen, um Magie einzusetzen. Darum brauche ich einen Menschen; du könntest dich ihm nähern, ohne einen Verdacht zu erwecken.“
Sie schob ihre Hand in die Tasche ihrer Strickjacke und zog eine kleine Ampulle heraus. Sie war mit einer violetten Flüssigkeit gefüllt. „Sobald du nahe genug an ihn herangekommen bist, zerbrichst du die Ampulle und das entstehende Gas macht ihn innerhalb von Sekunden bewusstlos. Und du weißt ja, was du dann tun musst.“
Ihn pfählen.
Haven grinste. Während er es nicht mochte, von einer Hexe, die seinen Bruder gefangen hielt, Befehle entgegenzunehmen, war die Aussicht, einen Vampir umzubringen durchaus ein Anreiz. Seit dem Tod seiner Mutter suchte er nach dem Vampir, der sie umgebracht und seine kleine Schwester entführt hatte. Er hatte ihn noch nicht gefunden, doch seitdem hatte er zahlreiche andere Vampire getötet.
Doch der Gedanke daran, einen unschuldigen Menschen an diese Hexe auszuliefern, verschaffte ihm ein ungutes Gefühl. „Wer ist das Mädchen?“
Die Hexe machte eine abwertende Handbewegung. „Niemand, um den du dich sorgen solltest.“
Haven schüttelte den Kopf. „Was willst du von ihr? Wenn sie nur eine Schauspielerin ist, wie du sagst, warum hast du dann Interesse an ihr?“
Es gab vieles, das Bess ihm nicht sagte. Vielleicht sollte er nicht zu tief graben, vielleicht sollte er den Auftrag einfach annehmen und seinen Bruder aus den Klauen der Hexe befreien. Doch er hatte noch ein kleines bisschen Gewissen übrig.
„Es geht dich nichts an“, schnappte sie und stand auf. „Bring mir das Mädel oder ich vernichte deinen Bruder.“
„Und wo befindet sich mein lieber Bruder?“, fragte er gleichgültig. Sobald er wusste, wo sie ihn versteckt hielt, konnte er einen Plan erarbeiten, ihn zu befreien, ohne ihre Drecksarbeit erledigen zu müssen.
„Selbst wenn ich dir sage, wo er ist, wärst du nicht in der Lage, ihn zu befreien. Seine Zelle wird von Magie bewacht. Gegen die kommst du nicht an.“
Wenn Haven eines über Hexenkraft wusste, war es, dass wenn eine Hexe starb, auch all ihre Zaubersprüche aufgelöst wurden. Nun, das brachte ihn auf eine Idee.
„Er ist also hier“, vermutete er und beobachtete ihr Gesicht, um eine Bestätigung seiner Vermutung darin zu erkennen. Er war nicht umsonst ein hervorragender Pokerspieler.
Ihr linkes Augenlid flatterte und er folgte der Richtung.
Fast hätte er die Tür nicht erkannt; sie war gut neben dem Bücherregal versteckt. Als er wieder zu ihr blickte, erkannte er, dass sie ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst hatte.
Haven neigte seinen Kopf in Richtung Tür. „Ich verstehe.“
„Es hilft dir nichts. Er wird zu gut beschützt. Du kannst den Zauber niemals besiegen.“
Das musste er auch nicht. Wenn die Hexe tot war, gab es keinen Zauber mehr.
„Gut. Wir machen es auf deine Art.“
Er stand vom Sessel auf und drehte sich leicht, um die Bewegung seiner rechten Hand zu verbergen. Er war schnell und hatte schon so manchen Wettkampf gegen die Besten gewonnen. Bess war so gut wie tot.
Haven schob seine Hand in seine Jacke, legte seine Finger um den Pistolengriff und zog sie aus der Halterung.
„Autsch!“, kläffte er und ließ von der Waffe ab, welche im nächsten Moment mit gedämpftem Poltern auf dem Teppich landete.
Schockiert blickte er auf die gerötete Haut seiner Handfläche. Die Pistole war in seiner Hand siedend heiß geworden. „Was zum Teufel?“
„Es ist besser, du erkennst gleich, dass du mich nicht übers Ohr hauen kannst. Entweder du tust, was ich sage – oder dein Bruder stirbt.“
Haven funkelte sie an und erkannte die Ungeduld in ihren Augen. Er schluckte seine Wut hinunter, zwang sich, sich zu beruhigen. Den Kopf zu verlieren würde Wesley nicht helfen. Er musste seinen Stolz und seine Skrupel beiseiteschieben. Nur sein Bruder zählte. Wesley war der Einzige, der von seiner Familie noch übrig war.
Jetzt musste er einen kühlen Kopf bewahren.
„Du gewinnst. Wie heißt sie und wo kann ich sie finden?“
Yvette ging hinter den Pavillon in Mayas Untersuchungszimmer und zog den Kittel aus. Wie sie diese Untersuchungen doch hasste, aber um zu bekommen, was sie wollte, nahm sie sie in Kauf.
„Es stimmt mit den Laborergebnissen überein“, erklärte Maya, die hinter ihrem Schreibtisch saß. „Mit deiner Gebärmutter und deinen Eierstöcken ist alles in Ordnung.“
„Und die Eier?“, fragte Yvette, während sie in ihre viel zu enge Lederhose schlüpfte, einatmete und dann den Reißverschluss hochzog. Dann zwängte sie ihre Zehen in ihre schwarzen Stilettos. Die meisten Frauen würden sich beide Knöchel brechen, wenn sie in diesen Pfennigabsätzen laufen müssten, doch sie fühlte sich damit stark. Außerdem konnte ein gut platzierter Kick damit jedem Angreifer ernsthaften Schaden zufügen.
„So frisch und existenzfähig wie am Tag deiner Verwandlung.“
Yvette zog sich ihr schwarzes Top über den Kopf, kam hinter dem Pavillon hervor und blickte Maya an, die durch die Laborakte blätterte. In den letzten Monaten hatte sie zahllose Untersuchungen über sich ergehen lassen, um Maya zu helfen herauszufinden, warum Vampirinnen nicht schwanger wurden und wie man das ändern konnte. Sie konnte Mayas Hingabe dem Projekt gegenüber nicht verleugnen, obwohl sie sich nicht immer gut verstanden hatten.
Nach Mayas ungewollter Verwandlung hatte Gabriel, Yvettes Boss, sich Hals über Kopf in sie verliebt. Zu dieser Zeit hatte aber auch Yvette ein Auge auf ihn geworfen und die Tatsache, dass Maya hereingeplatzt war und ihn ihr innerhalb einer Woche weggeschnappt hatte, war schmerzhaft.
Doch keine ihrer vorausgegangenen Meinungsverschiedenheiten zählten jetzt noch. Maya, die vor ihrer Verwandlung als Ärztin gearbeitet hatte, wurde nun zu einer Kämpferin für ihre Gattung: Sie suchte nach einer Möglichkeit, wie Vampirinnen schwanger werden konnten. Doch bisher hatten alle Tests in einer Sackgasse geendet; nichts wies auf die Ursache der Unfruchtbarkeit hin.
„Dann verstehe ich es nicht. Ich hatte immer angenommen, dass meine Eier bei meiner Verwandlung abgestorben sind. Doch wenn sie intakt sind, warum bin ich nie schwanger geworden?“
Yvette hatte in den letzten Jahrzehnten reichlich Sex ohne Verhütung gehabt. Und nicht nur mit Vampiren, sondern auch mit sterblichen Männern.
Maya deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und Yvette setzte sich. „Du meinst abgesehen davon, dass du seit wir uns kennen mit keinem Mann zusammen warst?“
Das brachte sie auf die Palme, auch wenn sie es die letzten Monate auf die lange Bank geschoben hatte. Doch das ging Maya nun wirklich nichts an. Es war leicht für Maya zu reden: Sie hatte einen Mann, der sie liebte und verrückt nach ihr war, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Alles, was sie hatte, waren unbefriedigende One-Night-Stands und in den letzten Monaten hatte sie sich damit nicht belasten wollen.
„Das ist irrelevant. Ich hatte reichlich Sex mit potenten Männern, die andere Frauen geschwängert haben. Es geht momentan lediglich etwas schleppend voran.“
Wen wollte sie denn da verarschen? Sie war an keinem mehr interessiert, seit Gabriel sich mit Maya gebunden hatte. Nicht, dass sie eifersüchtig war – die beiden passten wirklich gut zusammen – doch sie mied Männer, hatte Angst, sich wieder in den Falschen zu verlieben.
„Hör zu, Yvette. Wir sind hier noch ganz am Anfang. Ich will nicht, dass du das Ziel aus den Augen verlierst. Konzentrier’ dich auf das, was wir schon herausgefunden haben: Dein Uterus sieht genauso aus wie bei einem Menschen, was bedeutet, dass die Verwandlung nichts verändert hat. Das ist gut. Deine Eileiter sind ohne Befund und auch deine Eierstöcke sind voll mit gesunden Eiern. Das Labor hat das bestätigt.“
Sie warf Maya einen hoffnungsvollen Blick zu. „Was passierte mit dem gespendeten Sperma?“
„Da habe ich gute Neuigkeiten.“ Maya blätterte durch ihre Unterlagen und zog ein Blatt Papier hervor. „Hier, die neuesten Ergebnisse. Das gespendete Sperma in Kontakt mit deinem Ei zu bringen endete in einem befruchteten Ei im Reagenzglas. Es gibt also –“
„Aber mein Körper wird das Ei nicht behalten, oder? Liegt es daran?“
Genau wie die anderen Fehlgeburten. Yvette schob die Gedanken beiseite. Sie wollte nicht daran erinnert werden. Keiner wusste von ihrer Vergangenheit, als sie noch ein Mensch war. Und sie würde es auch nicht zur Sprache bringen. Wenn Maya von ihren Fehlgeburten wüsste, die sie als Mensch erlitten hatte, hätte sie nie versucht, ihr zu helfen. Sie hätte Yvette als hoffnungslosen Fall abgestempelt und aufgehört, ihre Zeit mit ihr zu verschwenden. Doch trotz der Hindernisse konnte Yvette nicht aufgeben.
Maya würde es nie herausfinden. Doch Yvette erinnerte sich an alles; den Schmerz und die Enttäuschung – sowie an ihr gebrochenes Herz. Sie war verheiratet gewesen. Robert wollte eine Familie: sie, Kinder, einen Hund, eine Katze, einen weißen Zaun, der ihr Haus umgab… Was er bekommen hatte, war eine Frau, die das Leben, das in ihr heranwuchs nicht halten konnte. Die erste Schwangerschaft hatte gut begonnen. Er hatte sich gefreut, hatte es jedem erzählt, dass sie ein Kind erwartete. Jeden Tag hatte er sie mit Blumen und anderen kleinen Aufmerksamkeiten beschenkt. Doch eines Tages, am Ende ihres ersten Trimesters hatte sie angefangen zu bluten. Sie erlitt eine Fehlgeburt. Robert war enttäuscht, doch er hatte gesagt, sie würden es erneut versuchen.
Er hatte sie unterstützt. Ihr Ehemann hatte sie umsorgt. Sechs Monate später wurde sie erneut schwanger. Doch es endete genauso. Im dritten Monat verlor sie ihr Baby. Dieses Mal war ihr Mann nicht so verständnisvoll. Er beschuldigte sie, ihre Schwangerschaften absichtlich aufs Spiel zu setzen.
Es war lächerlich. Doch es hielt ihn nicht davon ab, sie zu verlassen. Sie war ihm nicht wichtig genug. Alles, was er wollte, war ein Kind. Und das konnte sie ihm nicht geben, also hörte er auf, sie zu lieben. Sie wollte nicht, dass dies erneut geschah; sie hatte lange Zeit keinen Mann mehr so nahe an sich herangelassen. Beim nächsten Mann wollte sie genau wissen, dass sie ihm geben konnte, was er wollte. Dann gäbe es keinen Grund, sie zu verlassen – und sie scherte sich nicht darum, ob der Mann Vampir war oder nicht.
„Yvette?“
Yvette blickte auf und sah in Mayas besorgtes Gesicht. „Wir müssen geduldig sein. Du bist gesund und es gibt keinen sichtbaren Grund dafür, warum du nicht schwanger werden kannst. Ich muss nur herausfinden, was während der Empfängnis im Körper einer Vampirin geschieht.“
Yvette stand auf und strich sich durch ihr kurzes, schwarzes Haar. „Es ist nur… nun, ich bin eben ungeduldig.“
Und verdammt noch mal, sie fühlte sich ein bisschen schuldig, weil sie Maya ihre medizinische Vorgeschichte verheimlicht hatte. Sie konnte diese Informationen nicht ausplaudern – oder den Schmerz preisgeben, der so eng mit diesen Ereignissen verbunden war. Keiner brauchte zu wissen, dass sie als Frau eine Versagerin war. Es war schlimm genug, dass sie tagtäglich dieser Tatsache ins Auge blicken musste. Genauso wie der Wahrheit, dass sie nicht Frau genug war, einem Mann zu geben, was er wollte. Nicht als Mensch und sicherlich nicht als Vampirin.
„Ich tue alles, was in meiner Macht steht.“
„Danke.“ Mit einem letzten Nicken zu Maya verließ sie die Praxis und ging die Stufen zum Erdgeschoss des Hauses hinauf, erleichtert, den Untersuchungsraum hinter sich lassen zu können.
Nachdem sie sich vor einigen Monaten gebunden hatten, hatten Gabriel und Maya ein großes, altes, edwardianisches Haus in Nob Hill gekauft, nicht weit entfernt von Samsons Haus. Ah, Samson, der Gründer von Scanguards. Noch einer, der Liebe und Glückseligkeit gefunden hatte – mit einer Sterblichen, einer Frau, die gerade ihr erstes gemeinsames Kind erwartete. Neid durchdrang sie wie ein Messer. Es war nicht ein Kind, nach dem sie sich wirklich sehnte, sondern die Liebe eines Mannes. Doch wie sollte ein Mann sie ernsthaft ewig lieben, wenn sie ihm nicht geben konnte, was er wollte? Wenn sie nicht all seine Bedürfnisse befriedigen konnte?
„Ah, genau die, die ich sehen wollte“, begrüßte Gabriel sie, als sie das Foyer erreichte.
Yvette blickte ihren Boss an. Wie so oft trug er schwarze Jeans und ein weißes Hemd. Sein langes braunes Haar war in einen Pferdeschwanz gebunden. Er versuchte nicht einmal, die lange Narbe in seinem Gesicht zu verbergen, die sich von seinem Ohr bis zu seinem Kinn erstreckte. Sie verlieh ihm ein gefährliches Aussehen. Doch darunter war er gut aussehender und freundlicher als irgendjemand anders. Was aber nicht auf den Mann zutraf, der neben ihm stand: Zane.
Genau wie sie war auch Zane einer der Bodyguards von Scanguards, der Sicherheitsfirma, die Samson Woodford gehörte. Zane war so groß wie Gabriel, doch sein Kopf war kahlgeschoren und abgesehen von einem einzigen Mal hatte Yvette Zane noch nie lächeln oder gar lachen sehen. Zu sagen, dass Zane brutal und gewalttätig war, wäre pure Untertreibung. Doch gleichzeitig war er ein Teil ihrer Familie, genauso wie die anderen Vampire, die für Scanguards arbeiteten. Sie waren die einzige Familie, die sie kannte. Die einzige, die sie je haben würde.
„Was kann ich für dich tun, Gabriel?“
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er und deutete nach unten Richtung Mayas Praxis.
Yvette versteifte ihren Rücken. „Sicher, was sollte auch nicht stimmen?“
„Gut, gut.“
„Hör zu, Gabriel. Ich denke nicht, dass wir Yvette da mit reinziehen müssen“, unterbrach Zane, dessen Stiefel ungeduldig auf dem Holzfußboden hin und her schliffen.
Gabriel unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Das haben wir bereits besprochen. Du wirst an deinem Klienten keine Gedankenkontrolle anwenden. Das erlaube ich nicht. Wenn sie Angst vor dir hat, dann ist es besser, dass wir die Aufgabe jemand Anderem übergeben.“
Yvette hob eine Augenbraue. Ein Klient, den Zane beschützen sollte, hatte Angst vor ihm – oder wenn sie richtig verstanden hatte, eine Klientin? Das war ja nichts Neues.
„Du hast einen Auftrag für mich?“
„Ja. Der Agent einer jungen Schauspielerin hat uns angeheuert, sie zu beschützen, solange sie auf Werbetour hier in der Gegend ist. Es gab einige Drohungen gegen sie. Ich hatte ihr Zane zugewiesen, doch es stellt sich heraus, dass das Mädel sich von ihm eingeschüchtert fühlt.“
„Wie kann das nur möglich sein?“, murmelte Yvette. Zane sah sie wütend an, was nichts Gutes für ihre unmittelbare Zukunft bedeutete.
„Ich könnte sie spielend beeinflussen. Ihr würde gar nicht klar werden, dass sie mich nicht ausstehen kann“, bot Zane an.
Sie kannte ihren Kollegen gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht darum scherte, ob ihn jemand leiden konnte oder nicht – meistens nicht – doch sie wusste auch, dass sein Ego angegriffen wurde, wenn er von einem Auftrag abgezogen wurde. Zane war keiner, der schnell aufgab. Man konnte viel Schlechtes über ihn sagen – Yvette hatte eine ganze Litanei von Dingen auf Lager, die sie herunterrattern könnte, um auszudrücken, was sie nicht an ihm mochte – doch eines musste sie zugeben: Er war loyal und willensstark.
„Du wirst deine Fähigkeiten nicht an ihr ausüben. Es gibt keinen Grund dafür; Yvette kann deinen Job übernehmen, und dich werde ich jemand Anderem zuweisen.“
„Von mir aus“, antwortete Yvette. „Muss ich sonst noch etwas wissen?“ Sie ignorierte Zanes Schnauben.
„Ihr Name ist Kimberly. Sie ist jung, Anfang Zwanzig, eine aufstrebende Schauspielerin. Ihr neuer Film ist gerade in die Kinos gekommen, er ist ein Riesenerfolg. Da gibt es zwangsläufig haufenweise Verrückte, die denken, sie lieben sie. Schütze sie vor Stalkern und halte ihr die Paparazzi vom Hals. Sie ist den Trubel um ihre Person noch nicht gewohnt.“
„Kein Problem. Wann fange ich an?“
„Morgen Nacht. Im Fairmont ist eine Premierenparty. Ich schicke dir die Anweisungen auf dein iPhone. Viel Glück.“
„Alles klar. Dann melde ich mich morgen bei dir.“
Yvette ging in Richtung Tür. Das prickelnde Gefühl in ihrem Nacken sagte ihr, dass Zane ihr folgte.
„Ich verschwinde von hier“, sagte Zane.
„Zane“, warnte Gabriel ihn, das Wort voller Tadel.
„Was?“ Zane ging weiter.
„Sind meine Anweisungen bei dir angekommen?“
Mit einer eher gegrunzten als gesprochenen Antwort blieb Zane neben der Tür stehen und streckte seine Hand nach dem Griff aus. Yvette war schneller und öffnete sie. Dann hielt sie inne. Dort auf den Stufen lag ein Golden Retriever. Als er sie erblickte, erhob er sich und wedelte mit dem Schwanz.
„Dein Hund?“, fragte Zane über ihre Schulter.
„Nein. Er folgt mir seit vier Monaten. Ich weiß nicht, was er von mir will.“
Es war nicht ganz die Wahrheit. Ja, der Hund verfolgte sie, seit sie und ihre Kollegen Maya aus den Klauen eines kriminellen Vampirs gerettet hatten. Was sie verschwieg, war, dass sie begonnen hatte, den Streuner zu füttern.
„Sieht aber aus, als würde er dir gehören“, bemerkte Zane.
Machte Sinn. Seit sie ihn in ihr Haus in Telegraph Hill gelassen hatte, glaubte der Köter tatsächlich, dass er zu ihr gehörte.
Zane genoss offensichtlich ihr Unbehagen und fuhr unbeirrt fort, „Wie heißt er?“
„Hund.“ In dem Moment, als er seinen Namen hörte, stellte das Tier seine Ohren auf und wedelte noch schneller mit seinem Schwanz. Verdammt, er hörte sogar auf sie.
„Ja. Der gehört dir. Viel Spaß damit.“ Und schon war Zane verschwunden, verschluckt von der Finsternis der menschenleeren Straße.
Yvette schaute den Hund an, dessen intelligente Augen sie etwas zu fragen schienen. Er hob seinen Kopf und es wirkte, als lächelte er. Konnten Hunde lächeln?
Sie gab nach. „Also gut, wir gehen nach Hause.
Yvette hörte das Flattern der Hundetür gegen den Holztürrahmen und öffnete ihre Augen. Die Hundetür einbauen zu lassen, damit der Hund in den Garten gehen konnte, wann er wollte, war ein Segen; doch gleichzeitig war es auch ein Fluch. Jetzt glaubte der Streuner wirklich, dass er hierher gehörte. Wie sie ihn jemals loswerden sollte, wusste sie nicht. Er begann sogar, den Briefträger anzukläffen, als wollte der arme Postangestellte sein Territorium in Anspruch nehmen.
„Hey, Hund“, begrüßte sie ihn, als er aufs Bett sprang. Eines, was sie sicherlich nicht tun würde, war, dem Tier einen Namen zu geben. Sobald er einen Namen hatte, würde er nie verschwinden.
„Ist die Sonne schon untergegangen?“ Es war eine rhetorische Frage; der Hund würde keine Antwort geben, was sie auch nicht wirklich von ihm erwartete. Ihr eigener Körper hatte ihr bereits mitgeteilt, dass die Sonne hinter dem Pazifik verschwunden war und es Zeit war, sich auf ihren Auftrag vorzubereiten.
Yvette streckte sich, dann legte sie die Hände auf ihren Kopf. Wie jedes Mal nach dem Aufwachen war der kurze Haarschnitt, den sie gewöhnlich trug verschwunden, ersetzt von langen, dunklen Locken. Während ihres Regenerierungsschlafes wuchsen ihre Haare auf die Länge zurück, die sie bei ihrer Verwandlung hatten. Anfangs hatte sie ihre langen Haare behalten, doch über die Jahre hatte sie beschlossen, dass sie sie nicht mehr lang tragen wollte. Sie sah damit zu weiblich aus, zu verletzlich.
Sie ging in ihr Badezimmer und griff nach der Schere, die auf dem Waschtisch lag. Selbst ohne Spiegel hatte sie gelernt, sich ihre Haare zu schneiden. Sie hielt eine Strähne mit der linken Hand und schnitt sie mit der rechten ab. Statt die Haare wegzuwerfen, packte sie sie in eine Plastiktüte mit der Aufschrift St. Jude’s Hospital – Krebsstation. Jemand Anderer konnte ihre langen Haare haben. Sie hatte dafür keine Verwendung.
Sobald das Gewicht ihrer Haare von ihrem Kopf verschwand, fühlte es sich für sie an, als würde sich der Schmerz der Vergangenheit von ihren Schultern heben. Die langen Haare erinnerten sie an ihr Leben als Mensch, die Zeit mit ihrem Ehemann, der es liebte, sein Gesicht in ihren langen Locken zu vergraben, wenn sie Liebe machten. Robert. Sein Gesicht war nicht mehr so klar in ihrer Erinnerung als in den ersten Jahren nach ihrer Trennung. Fast fünfzig Jahre waren seither vergangen. Während ihre Erinnerung an sein Gesicht verblasst war, war der Wunsch nach einem Kind geblieben. Oder eher nach dem, was ein Kind repräsentierte.
Yvette legte ihre Hand auf ihren flachen Bauch. Als sie noch ein Mensch war, wuchs dort ein Leben in ihr heran, nicht nur einmal, sondern zweimal. Sie hatte sich wie eine richtige Frau gefühlt, eine Frau, die ihrem Ehemann alle Wünsche erfüllen konnte. Während der kurzen Monate ihrer Schwangerschaften fühlte sie sich geliebt, nicht nur von ihrem Mann, sondern auch von dem Kind in ihr.
Verrückt. Yvette schüttelte den Kopf und fuhr fort, ihr Haar zu schneiden. Sie war am Boden zerstört gewesen, als sie ihr zweites Baby verloren hatte und Robert sie nicht getröstet hatte. Er hatte sie beschuldigt. Ein Jahr lang lebte sie wie in Trance, nahm jedes Betäubungsmittel zu sich, das sie nur in die Hände bekommen konnte. Die Gefühllosigkeit, die die Medikamente hervorriefen, bewahrten sie davor, sich das Leben zu nehmen. Doch dann, eines Nachts, wachte sie im Haus eines Fremden auf, bekifft. Er hatte sie gefragt, ob sie für immer leben und Sex ohne Konsequenzen wollte. Sicher, hatte sie gescherzt, während sie noch immer auf einem Trip war.
Zuerst hatte sie sich gegen seinen Biss gewehrt, doch dann hatte sie dem Tod erlaubt, sie zu nehmen, in der Hoffnung, dass ihr nächstes Leben besser würde. Erst als sie wieder erwachte, begriff sie, was mit ihr geschehen war. Der Fremde hatte sie in einen Vampir verwandelt – in einen unfruchtbaren Vampir. Es war eine Tatsache, der sie ins Auge blicken musste.
Als Mensch hätte sie vielleicht noch eine Chance bekommen, ein Kind zu kriegen und damit einen Mann glücklich zu machen. Aber als Vampir existierte eine solche Hoffnung nicht. Und Männer waren Männer, egal in welcher Form oder von welcher Gattung. Zum Ficken war sie gut genug. Doch sobald alles gesagt und getan war, hatte selbst ihr Schöpfer sie weggeschickt. Zu anhänglich, nannte er sie. Zu bedürftig.
Nicht mehr. Jetzt war sie so stark wie jeder männliche Vampir und keiner würde das jemals anders sehen. Die zerbrechliche Frau in ihr war für diese Welt gestorben.
~ ~ ~
Genau wie Gabriel gesagt hatte, war das Mädchen, das Yvette beschützen sollte, jung. Was er verschwiegen hatte, war, dass sie zudem extrem hübsch war. Ein Stich von Eifersucht erfüllte Yvette in dem Moment, in dem sie ihre Klientin erblickte. Dieses Mädchen hatte alles: eine aufstrebende Karriere, Schönheit und einen menschlichen Körper, um ein Kind zu gebären. Das Leben war ungerecht. Jetzt wünschte sie sich, Gabriel hätte es Zane erlaubt, Gedankenkontrolle an ihr auszuüben, um sie vergessen zu lassen, dass sie Zane nicht leiden konnte. Yvette brauchte wirklich keine stetige Erinnerung an das, was sie nicht haben konnte. Viel lieber hätte sie einen wohlhabenden, übergewichtigen Manager mit schlechtem Haarschnitt, Körpergeruch und Bierbauch beschützt.
Ihr Trost war, dass der Auftrag lediglich eine Woche dauern würde, bis Kimberly nach Los Angeles zurückkehren und an ihrem neuen Film arbeiten würde.
„Das ist viel besser“, blubberte es aus dem Mädchen heraus. „Mal ehrlich, der andere Kerl, Zane, oder wie er heißt, war wirklich neben der Spur. Ich konnte ihn nicht ausstehen. Wie er mich angesehen hat, ich sage Ihnen, machte mich wirklich nervös. Und ich werde nie nervös. Normalerweise. Das einzige andere Mal, als ich wirklich nervös wurde, war, als ich dieses eine Vorsprechen hatte für …“
Yvette blendete Kimberlys Geplapper aus und blickte aus dem verdunkelten Fenster der Limousine. Das war ja mal super. Nicht nur hatte Kimberly alles, was ein Mensch haben konnte, sie redete auch noch pausenlos. Yvette hoffte nur, dass sie nicht wirklich erwartete, dass sie dem Getratsche auch folgte und ihr antwortete. Sie schwor, sie würde Gabriel dazu bringen, ihr als Entschädigung einen Scheck über eine enorme Bonuszahlung auszustellen.
„… also sagte ich zu ihm Als ich im Waisenhaus war, hatten wir dieses Spiel …‘“
Yvette bot ihr ein gekünsteltes Lächeln an und nickte, als hörte sie ihr intensiv zu, während sie die Geschehnisse draußen beobachtete. Die Limousine steckte im Stau auf der California Street fest und bewegte sich nur zentimeterweise vorwärts in Richtung Fairmont Hotel.
„… dachte, dass ich erst neunzehn bin, obwohl ich wirklich schon zweiundzwanzig bin, doch es änderte nichts, weil die jemand Erwachseneren für die Rolle wollten ...“
Kein Wasserfall hätte einen konstanteren Schwall von Worten produzieren können. Yvette warf ihr einen Blick von der Seite zu. Versunken in den bequemen Ledersitz trug Kimberly ein rosa Abendkleid. Es stand ihr. Ihr weizenblondes Haar fiel über ihre nackten Schultern und wirkte ganz natürlich. Nur der leicht chemische Duft, den Yvettes empfindlicher Geruchssinn aufnahm, ließ sie vermuten, dass blond nicht ihre natürliche Haarfarbe war.
Zum ersten Mal seit langem trug Yvette ein Kleid. Es war nicht ihre Wahl gewesen, doch Kimberly bestand darauf und meinte, wenn sie in einem Hosenanzug auftauchte, würde sie auffallen wie ein bunter Hund und jeder würde denken, sie wäre von der CIA.
Also hatte Yvette ihren Kleiderschrank durchforstet und ein kleines Schwarzes entdeckt, dass taugen würde. Es war ein altes, tief ausgeschnittenes, rückenfreies Kleid. Sollte jemand das Kleid genauer betrachten, so würde er herausfinden, dass es Vintage war, denn sie hatte es in den 60er Jahren gekauft. Warum sie das nutzlose Ding fast fünfzig Jahre aufgehoben hatte, ohne es jemals zu tragen, wusste sie nicht.
Sie hätte es schon vor Jahren zur Kleidersammlung geben sollen. Sie hatte ja in den letzten Jahrzehnten keinerlei Kleider oder Röcke getragen; Lederhosen waren ihr am liebsten. Zusammen mit den gleichen Stöckelschuhen, die ihre Füße gerade umspielten, war sie allzeit bereit, jemanden in den Hintern zu treten. In dem Kleid, obwohl es schwarz war – die einzige Farbe, in der sie sich wirklich wohlfühlte – war sie unsicher. Als täuschte sie allen etwas vor. Und vielleicht tat sie das auch. Ihrer Kundin zuliebe musste sie so wirken, als wäre ein Kleid ein völlig normales Kleidungsstück für sie, obwohl es ihr innerlich widerstrebte.
„Ma’am“, unterbrach der Fahrer ihre Gedanken. „Ich denke, näher kommen wir nicht heran. Es scheint, als wäre ein Cable Car kaputt gegangen und versperrt nun die Straße.“
Sofort alarmiert spähte Yvette durch die verdunkelte Fensterscheibe und suchte die Straße nach unmittelbaren Gefahren ab.
„Warten Sie hier“, wies sie Kimberly an und stieg aus dem Wagen.
Sie blickte die Straße hoch und sah, dass die nächste Kreuzung von dem Cable Car, das von der Powell Street hochkam, blockiert wurde. Es sah alles normal aus. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass die alten Cable Cars von Zeit zu Zeit liegen blieben.
Das Fairmont Hotel war nur einen Block entfernt. Sie blickte die Straße hoch und runter und schätzte die Fußgänger schnell ein. Alles sah unauffällig aus. Der Fußgängerverkehr war mäßig. Yvette steckte ihren Kopf zurück ins Auto.
„Wir gehen von hier aus zu Fuß. Es ist alles in Ordnung.“
„Sind Sie sicher?“, fragte Kimberly zum ersten Mal mit verunsicherter Stimme.
Yvette bot dem Mädchen ihre Hand an und zog sie aus dem Auto. „Ich bin sicher. Lassen Sie uns gehen. Sie wollen doch nicht zu spät zu Ihrer eigenen Party kommen, oder?“
Yvette warf die Tür zu, trat dann ans Beifahrerfenster, behielt aber ihre andere Hand an ihrer Klientin. Der Fahrer öffnete sofort das Fenster.
„Ich rufe Sie an, sobald sie uns abholen sollen.“
Der Hügel war steil, doch Yvette wusste, dass das Hotel über einen Seiteneingang verfügte, der auf halber Strecke lag. Sie erreichten diesen innerhalb von Sekunden. Sie bevorzugte Seiteneingänge sowieso – es war einfacher, der Aufmerksamkeit anderer zu entkommen. Und sicherlich warteten am Vordereingang Autogrammjäger und Fotografen.
„Hier.“
Sie schob Kimberly durch den Seiteneingang und entlang des engen Korridors, bis dieser in einem opulenten Foyer endete, das die Architektur der Jahrhundertwende zur Schau stellte.
Yvettes Augen überprüften die Umgebung. Kellner sowie gut angezogene Gäste gingen an ihnen vorbei. Sie bemerkte die Blicke, die Kimberly erntete und wusste, dass sie erkannt wurde. Flüstern traf Yvettes Ohren, als die Leute an ihnen vorbeigingen.
Als sie die Halle fand, in der die Premierenparty stattfinden sollte, erblickte sie die Sicherheitsbeamten an der Tür und war erleichtert. Wenigstens hatte das Filmstudio für zusätzliche Sicherheit gesorgt, um die ankommenden Gäste zu überprüfen.
Yvette zeigte ihren Scanguards-Ausweis.
Der Türsteher nickte, dann wandte er sich an Kimberly. „Miss Fairfax, darf ich Ihnen sagen, dass ich Ihren Film sehr genossen habe? Sie sind so begabt. Könnte ich ein Autogramm bekommen?“
Als er in seine Tasche griff, war Yvette sofort alarmiert und brachte sich in Angriffsposition, bereit ihn zu Boden zu werfen. Doch einen Moment später zog er eine Postkarte mit Kimberlys Foto heraus und Yvette entspannte sich ein wenig.
„Natürlich“, flötete Kimberly und unterschrieb die Karte, bevor sie sich zur Tür wandte.