Zanes Erlösung (Scanguards Vampire - Buch 5) - Tina Folsom - E-Book

Zanes Erlösung (Scanguards Vampire - Buch 5) E-Book

Tina Folsom

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Beschreibung

Das Letzte, was Bodyguard und Vampir Zane tun möchte, ist, einen Hybrid - halb Vampir, halb Mensch - zu beschützen, deren Vater ihre Jungfräulichkeit aufrechterhalten will. Bekannt für seine Brutalität und sein fehlendes Mitgefühl, die aus Zanes Erlebnissen während des Holocaust stammen, ist er auf Rache aus. Den letzten seiner Peiniger zu finden, ist sein einziges Lebensziel. Portia ist ein junger Hybrid mit einem ernsten Problem: In ein paar Wochen wird ihr Körper seine endgültige Form annehmen. Wenn sie nicht ihr Leben lang als Jungfrau leben möchte, muss sie schnell einen Liebhaber finden - etwas, das ihr Vater mit allen Mitteln versucht zu verhindern. Als Portia und Zane sich begegnen, öffnet ihre verbotene Liebe die alten Wunden von Zanes Vergangenheit. Dieselbe Vergangenheit droht sie auseinanderzureißen, wenn sie nicht Vorurteile überwinden können, Hass für Liebe aufgeben und Rache mit Vergebung ersetzen können. Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!" Über die Serie Die Scanguards Vampirserie ist voll von rasanter Action, brennenden Liebesszenen, witzigen Dialogen und starken Helden und Heldinnen. Vampir Samson Woodford lebt in San Francisco und besitzt die Sicherheits-/Leibwächterfirma Scanguards, die sowohl Vampire als auch Menschen beschäftigt. Und letztendlich auch einige Hexer. Später in der Serie tauchen auch ein paar unsterbliche Hüter und Dämonen auf. Jedes Buch kann als alleinstehender Roman gelesen werden (keine Cliffhanger) und dreht sich immer um ein neues Paar, das die Liebe findet, aber die Serie macht mehr Spaß, wenn sie chronologisch gelesen wird. Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie (Scanguards Hybriden - Band 1) Band 14 - Damians Eroberung (Scanguards Hybriden - Band 2) Band 15 - Graysons Herausforderung (Scanguards Hybriden - Band 3) Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Codename Stargate Band 1 - Ace – Auf der Flucht Band 2 - Fox – Unter Feinden Band 3 - Yankee – Untergetaucht Band 4 – Tiger – Auf der Lauer Der Clan der Vampire Der Clan der Vampire (Venedig 1 – 2) Der Clan der Vampire (Venedig 3 – 4) Der Clan der Vampire (Venedig 5) Jenseits des Olymps Band 1 - Ein Grieche für alle Fälle Band 2 - Ein Grieche zum Heiraten Band 3 - Ein Grieche im 7. Himmel Band 4 – Ein Grieche für Immer Die Scanguards Vampirserie hat alles: Liebe auf den ersten Blick, von Feinden zum Liebespaar, Alpha-Helden, Leibwächter, Brüderschaft, Jungfrau in Not, Frau in Gefahr, die Schöne und das Biest, verborgene Identität, Seelenverwandte, erste Liebe, Jungfrauen, gequälter Held, Altersunterschied, zweite Liebeschance, trauernder Liebhaber, Rückkehr von Totgeglaubten, heimliches Baby, Playboy, Entführungen, von Freunden zum Liebespaar, Coming-out, heimlicher Verehrer, unerwiderte Liebe, Amnesie, Aristokraten, verbotene Liebe, eineiige Zwillinge, Partner bei der Verbrechensbekämpfung.

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Table of Contents

Title Page

Kurzbeschreibung

Widmung

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Epilog

Auch in dieser Serie

Über Buchenwald

Über die Autorin

Copyright

ZANES ERLÖSUNG

(Scanguards Vampire - Buch 5)

von

Tina Folsom

Kurzbeschreibung

Das Letzte, was Bodyguard und Vampir Zane tun möchte, ist, eine Hybridin – halb Vampir, halb Mensch – zu beschützen, deren Vater ihre Jungfräulichkeit aufrechterhalten will. Bekannt für seine Brutalität und sein fehlendes Mitgefühl, die aus Zanes Erlebnissen während des Holocaust stammen, ist er auf Rache aus. Den letzten seiner Peiniger zu finden, ist sein einziges Lebensziel.

Portia ist eine junge Hybridin mit einem ernsten Problem: In ein paar Wochen wird ihr Körper seine endgültige Form annehmen. Wenn sie nicht ihr Leben lang als Jungfrau leben möchte, muss sie schnell einen Liebhaber finden – etwas, das ihr Vater um jeden Preis verhindern will.

Als Portia und Zane sich begegnen, öffnet ihre verbotene Liebe die alten Wunden von Zanes Vergangenheit. Dieselbe Vergangenheit droht, sie auseinanderzureißen, wenn sie nicht Vorurteile überwinden können, Hass für Liebe aufgeben und Rache mit Vergebung ersetzen können.

Bisher in der Scanguards Vampir Serie:

Samsons Sterbliche Geliebte

Amaurys Hitzköpfige Rebellin

Gabriels Gefährtin

Yvettes Verzauberung

Zanes Erlösung

Quinns Unendliche Liebe

Olivers Versuchung

Thomas‘ Entscheidung

Ewiger Biss

Cains Geheimnis

Luthers Rückkehr

Brennender Wunsch

Blakes Versprechen

Schicksalhafter Bund

Johns Sehnsucht

Ryders Rhapsodie

Damians Eroberung

*****

Copyright © 2012 Tina Folsom

Scanguards Vampire ® ist ein eingetragenes Markenzeichen.

*****

Widmung

Dieses Buch ist meinem Großvater, Josef Veselak, Gefangener Nr. 29658, gewidmet.

Er kam am 26. Juli 1942 im Konzentrationslager in Dachau um.

1

Zane hörte einen Schrei. Er blendete ihn aus und fuhr fort, an dem Hals des jungen Latinos zu saugen, den er in einer Gasse in der Mission, dem mexikanisch-südamerikanisch angehauchten Viertel von San Francisco, aufgegriffen hatte. Es war eine zwielichtige Gegend; auf der einen Seite zogen trendige Restaurants und Nachtclubs die reichen Anwohner des Nordteils der Stadt an, und auf der anderen Seite schlugen sich Einwanderer mit dem Mindestlohn durch. Doch als Zane dieses Viertel zum ersten Mal betreten hatte, hatte er sich sofort wie zu Hause gefühlt.

Als er seine Fänge tiefer in den jungen Mann tauchte, um mehr Blut aus ihm zu saugen, lauschte er dem donnernden Herzschlag seines Opfers und war sich völlig darüber bewusst, welche Macht er über das Leben des Teenagers hatte. Wenn er zu viel von ihm nahm, würde dieser verbluten; sein Herzschlag würde aussetzen und die Luft würde aus seinen Lungen weichen und ihn leblos zurücklassen.

Er mochte es, sich so zu ernähren: nicht von Flaschen mit leblosem, gespendetem Blut wie seine Kollegen bei Scanguards es taten, sondern von einem Menschen, dessen Lebenskraft er unter seinen Händen pulsieren spürte, während das warme, reichhaltige Blut seine Kehle hinunterfloss. Es gab keinen Ersatz für dieses Gefühl. Es ging über reine Nahrung hinaus, denn es appellierte an sein Bedürfnis, überlegen und mächtig zu sein und Kontrolle über das Leben in seinen Armen auszuüben.

Jede Nacht wiederholte sich der Kampf, dem Leben in seinen Händen zu gestatten, weiter zu existieren. Abgesehen von der Tatsache, dass jede Nacht ein anderer Mensch in seiner Gnade stand, änderte sich nichts. Der Kampf in ihm blieb derselbe: aufzuhören, während der Mensch noch am Leben war oder das Verlangen zu befriedigen, das Leben zu zerstören und Rache auszuüben. Denn es machte keinen Unterschied, ob er von einem Latino, einer schwarzen Frau oder einem asiatischen Mann trank, denn für ihn sahen sie alle gleich aus, sobald die Erinnerungen der Vergangenheit ihn in Besitz nahmen. Ihre Gesichtszüge verzerrten sich in die eines weißen Mannes mit dunkelblonden Haaren, braunen Augen und hohen Wangenknochen: das Gesicht eines seiner Peiniger. Des einzigen, den er in 65 Jahren immer noch nicht aufspüren und zur Strecke hatte bringen können. Des einzigen, den er nicht hatte töten können – noch nicht.

Zane spürte den sich verändernden Blutdruck seines Opfers und zog seine Fänge aus dem Hals des Jungen. Schnell leckte er über die Wunde, um sie zu versiegeln und zu verhindern, dass noch mehr Blut aus ihm wich, während sich seine Fänge wieder einfuhren und für einen Moment befriedigt waren. Sein eigenes Herz schlug wild, versicherte ihm, dass er nicht zu weit gegangen war. Heute Nacht hatte er den Kampf gewonnen, doch die Unruhe, die er schon seit Monaten verspürte, verschlimmerte sich weiter und drängte ihn dazu, immer höhere Risiken mit seinen Opfern einzugehen.

Er war vor neun Monaten aufgrund eines Auftrags von Scanguards, der Bodyguard Firma, die von Vampiren geleitet wurde und für die er schon seit mehreren Jahrzehnten arbeitete, nach San Francisco gekommen. Der Auftrag hatte sich zu einem Daueraufenthalt entfaltet. Zuerst hatte er gedacht, dass der Wechsel von New York zu der ruhigen Westküstenstadt, die regelmäßig von Nebel verschlungen wurde, ihm Ruhe und Frieden bringen würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Jagd nach seinem Peiniger war im Sande verlaufen. Mit jedem Tag, der verstrich seit er die Spur verloren hatte, peitschte sein Versagen seinen Zorn und Hass höher. Er verlangte danach, jemanden zu verletzen. Bald.

Ein Geräusch ließ Zane aufschrecken und seinen Kopf zur Seite schnellen. Er setzte den Latino zu Boden und lehnte ihn gegen eine Hauswand. Einen Moment lang schloss er seine Augen und konzentrierte sich auf die Stimme, die er in der Ferne gehört hatte. Neben den Geräuschen, die auf ein lebhaftes Nachtleben hindeuteten, drang ein Wimmern erfüllt von Angst und Verzweiflung zu ihm durch. Es war weit entfernt, doch sein empfindliches Vampir-Gehör identifizierte es als einen Hilferuf.

„Fuck!“

Er hätte den Schrei von zuvor nicht ignorieren sollen. Er hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte. Sowohl seine Vampir-Instinkte als auch die Tatsache, dass er ein geschulter Bodyguard war, bestätigten ihm dies. Ohne einen weiteren Blick an sein Opfer zu verschwenden, trat Zane aus der Gasse und eilte in Richtung des Hilferufs. Er hoffte, dass es nicht bereits zu spät war.

Einige Betrunkene taumelten den Bürgersteig entlang, ihr zusammenhangloses Lallen übertönte kurzzeitig die verzweifelten Rufe, denen er folgte. Hatte er die Spur verloren? Zane hielt an der nächsten Ecke inne und lauschte konzentriert. Einen Moment lang war alles völlig still, doch dann ertönte das Geräusch wieder und wurde stärker. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er gebraucht wurde.

Dieses Mal wurde das Schreien von einer gedämpften männlichen Stimme begleitet. „Halt den Mund, du Schlampe! Oder ich weide dich aus.“

Zanes Instinkt übernahm, als er um die Ecke in eine Zufahrt stürzte, die von zwei hässlichen Wohnhäusern eingegrenzt wurde. Seine ausgezeichnete Nachtsicht nahm die Situation sofort auf: Ein Mann zwang eine Frau, sich über einen Müllcontainer zu beugen, während er ein Messer an ihre Kehle hielt. Seine Hose hing auf Kniehöhe und sein nackter Hintern bewegte sich wild vor und zurück, während er sie vergewaltigte.

„Scheiße!“ Zane sprang auf den Mann zu, als dieser im selben Moment den Kopf zu ihm drehte, alarmiert von Zanes Fluch.

Zanes Zähne verlängerten sich und seine Finger verwandelten sich in scharfe Klauen, die selbst einen Elefanten zerfleischen hätten können. Zane riss den Vergewaltiger mit einem Ruck von seinem Opfer, seine Klauen bohrten sich durch die Kapuzenjacke in die Schultern des Übeltäters.

Der Schrei des Mannes war erst überrascht dann schmerzerfüllt, als Zanes Klauen tiefer in sein Fleisch drangen. Er genoss den Klang und zog eine Hand mit ausgefahrenen Klauen über die gesamte Schulter, schlitzte die Haut auf, verletzte Muskulatur und Nervengewebe. Blut spritzte aus der offenen Wunde und sättigte die Luft mit einem metallenen Geruch. Zane ließ seine Fänge aufblitzen, sorgte dafür, dass das Arschloch sie deutlich sehen konnte.

„Neeeiiiin!“

Der verzweifelte Schrei seines Opfers hielt ihn nicht auf. Absichtlich langsam erlaubte er seiner anderen Hand durch die Muskeln der linken Schulter zu schneiden, um dort denselben Schaden anzurichten. Beide Arme des Mannes hingen nun schlaff hinunter, die durchtrennten Sehnen und Nerven unterstützten deren Bewegungen nicht länger. Der Vergewaltiger war wehrlos.

Zanes Gnade ausgeliefert.

Wenn er ein Herz gehabt hätte, hätte er es zu Ende gebracht, doch es war zu spät. Ein Blick zu dem verängstigten Mädchen, das ihn entsetzt anstarrte, und seine Vergangenheit überwältigte ihn. Plötzlich verwandelte sich das Vergewaltigungsopfer mit den verängstigten blauen Augen und den rotblonden Haaren in jemanden, den er nur allzu gut kannte. Jemanden, den er Jahrzehnte nicht gesehen, jedoch niemals vergessen hatte.

Ihre dunkelbraunen Haare kringelten sich an den Spitzen und schmeichelten ihren blassen Schultern, während sie ihr junges Gesicht einrahmten. Ihre schokobraunen Augen blickten ihn an, unschuldig, flehten ihn an, ihr zu helfen; sie zu beschützen.

„Zacharias …“ Als ihre Stimme verstummte, streckte er seine Hand nach ihr aus, doch sie zuckte wie versteinert zurück.

„Rachel“, flüsterte er. „Hab keine Angst.“

Zane wurde sich des Mannes bewusst, der versuchte, gegen ihn zu kämpfen und wandte seinen Blick von ihr ab. Er würde den Kerl umbringen, der seiner kleinen Rachel etwas antat.

Zane schleuderte den Vergewaltiger ein paar Meter weiter gegen die Wand, hörte erfreut das Knacken seiner Rippen. Während er auf sein Opfer zuging, waren seine Schritte gezielt. Er versteifte seinen Körper und genoss den furchterfüllten Blick in den Augen des Übeltäters. Doch er sah das Gesicht des Vergewaltigers nicht mehr. Es hatte sich verändert. Er sah einen Mann mit dunkelblonden Haaren und braunen Augen. Endlich glänzten diese Augen vor Angst und mit dem Wissen, dass seine Zeit gekommen war. Er saß in der Falle und würde noch heute Nacht für seine Verbrechen bezahlen.

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, schlitzte Zane die Brust des Mannes mit einer todsicheren Präzision auf, wie es nur jemand tat, der bereits Erfahrung darin hatte. Er ignorierte die schauderhaften Schreie seines Opfers und riss dessen Rippen auseinander. Blut spritzte ihm entgegen, sickerte aus der offenen Brusthöhle. Er inhalierte den Duft. Der Geruch von Leben war ebenso stark wie der des Todes.

Obwohl er sich eben erst ernährt hatte, kam Hunger bei ihm auf. Doch dieses Mal war es eine andere Art von Hunger, kein Hunger nach Nahrung sondern nach Rache. Süßer als Hunger bettelte er, gestillt zu werden.

Zane schlug seine Hand durch die Brustwand des Vergewaltigers und umschloss das schlagende Herz. Das lebensgebende Organ wummerte in seiner Faust, seine Zuckungen noch immer stark, als es gegen das Unausweichliche ankämpfte.

„Du wirst nie wieder jemanden verletzen.“

Als er das Herz aus dem Körper riss, verblassten die Augen des Mannes. Zane starrte auf das noch immer schlagende Herz in seiner Hand, als das warme Blut aus den abgerissenen Venen und Arterien seinen Arm entlang floss. Ein Blutbach tunnelte sich in den Ärmel seines schwarzen Hemdes, durchtränkte ihn, klebte den Stoff an seine Haut.

Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder.

Es war vorbei.

„Rachel, er ist tot. Jetzt bist du in Sicherheit.“

Zane drehte sich um, doch Rachel war verschwunden. An ihrer Stelle kauerte eine rotblonde junge Frau an dem Müllcontainer. Sie wimmerte und zitterte. Ihre Tränen hatten ihre schwarze Wimperntusche verwischt und lange Schmierer an ihren Wangen hinterlassen. Ihre Lippen bebten.

Zane blinzelte. Rachel war nicht sicher. Rachel war weg und er konnte sie nicht zurückholen. Doch dieses Mädchen war am Leben und ihr Angreifer war tot.

Er ging einen Schritt auf sie zu, um ihr die gute Nachricht zu überbringen, doch sie wich vor ihm zurück.

„Neeiiin!“, rief sie atemlos, ihre Augen suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg als ob sie dachte, dass Zane sich als nächstes an ihr vergreifen wollte.

„Ich tu dir nichts.“ Er streckte seine blutige Hand nach ihr aus, doch diese Geste ließ sie nur noch mehr zurückschrecken.

Zane wusste, was sie sah. Seine Jeans und sein Hemd waren blutverschmiert. Die klebrig-warme Flüssigkeit hatte selbst seine Schuhe nicht verschont. Doch das war nicht das Schlimmste. Das Mädchen, das er gerettet hatte, sah sein Vampir-Ich, die tödlichen Klauen, die scharfen Fänge, die durch seine Lippen stießen und die glühend roten Augen, die ihn aussehen ließen wie einen Teufel. Sein kahler Kopf unterstrich die Gefahr, die stets von ihm ausging, auch wenn er in seiner menschlichen Form erschien. Selbst ohne seine Reißzähne fürchteten sich die Leute vor ihm – und das sollten sie auch.

Er hatte einen Mann abgeschlachtet, wie es nicht einmal ein Metzger mit einem Schwein machen würde, und er empfand keinerlei Reue. Er hatte getan, was nötig war, selbst wenn die meisten Menschen es nie verstehen würden. Das Böse musste sofort ausgelöscht werden, bevor es eine Gelegenheit hatte, sich auszubreiten und wie ein Krebs ein ganzes Volk zerstören konnte. So wie es einst geschehen war, als die Welt daneben gestanden und zugesehen hatte.

Bis es zu spät war, bis das Schlimmste schon geschehen war.

„Du wirst alles vergessen“, versprach Zane dem verängstigten Mädchen und erlaubte seinen mentalen Fähigkeiten, die Erinnerungen an die Geschehnisse der Nacht einschließlich der Vergewaltigung aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Wenn sie morgen aufwachte, würde sie sich an nichts erinnern können, weder an den Mann, der sie angegriffen hatte, noch an den Mann, der sie vor dem Monster gerettet hatte.

Oder war Zane das Monster? War er derjenige, vor dem man Angst haben musste, derjenige, der böse war, weil er Rache dafür wollte, was seiner Familie und ihm angetan worden war?

Während das warme Blut seines Opfers an seiner Haut und Kleidung trocknete, als er durch die Nacht schritt, schwebte erneut das Gesicht seines Peinigers vor seinem geistigen Auge und verspottete ihn. Er musste dieses Kapitel seines Lebens beenden und ihn finden. Sonst würde der Friede ihm für immer vorenthalten sein und Freude ein Fremdwort bleiben.

2

„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“

Samson, der Gründer von Scanguards, schleuderte die Tageszeitung auf den wuchtigen Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und erhob sich aus seinem Sessel. Er war groß und etwas breiter als Zane, der trotz seiner Schlankheit nicht minder tödlich war. Er hatte seinen Boss selten verärgert erlebt, doch heute Nacht war er wütend.

Zane schielte auf die Schlagzeile: Monströser Killer schneidet Herz aus unschuldigem Partygänger. Was für ein Schwachsinn! Er hatte überhaupt nichts geschnitten – diese Reporter sollten ihre Artikel besser recherchieren! Und sein Opfer war alles andere als unschuldig.

„Er hat’s verdient.“

„Habe ich dir erlaubt zu sprechen?“, fauchte Samson. Seine Fänge fuhren sich dabei aus und blitzten unter seiner Oberlippe hervor. „Du hast nicht nachgedacht, oder? Was war es, Zane? Blutlust? Konntest du dich dieses Mal nicht beherrschen? Es reicht dir wohl nicht mehr, dich einfach nur von deinen Opfern zu ernähren.“

Zanes Herzschlag beschleunigte sich, als sein Boss eine falsche Schlussfolgerung nach der anderen zog. „Ich habe nicht von ihm getrunken.“

Samson blinzelte überrascht. „Du hast ihn einfach wegen nichts umgebracht?“

Zane konnte schwören, er könne noch immer den schmerzerfüllten Schrei des Mannes hören. Die Erinnerung ließ seinen Gaumen schmerzen, was ein sicheres Zeichen war, dass seine Fänge Lust hatten, zum Spielen herauszukommen.

„Und ich habe jede einzelne Sekunde davon genossen.“

Samson trat instinktiv einen Schritt zurück, deutlich von Zanes Zugeständnis schockiert. „Mein Gott, du hast kein Herz.“

„So würde ich das nicht sagen. Kurzzeitig hatte ich sogar zwei.“

Samson schlug seine Faust auf den Schreibtisch; offensichtlich mochte er Zanes Humor nicht. Doch Zane kümmerte das nicht; er war schließlich nicht Samsons Hofnarr.

„Hast du eine Ahnung, welches Risiko du eingegangen bist? Das könnte unsere Identität bloßstellen!“

Zane stürzte auf den Schreibtisch zu, lehnte sich mit seinen Händen darauf abgestützt darüber. „Was hättest du denn getan? Das Arschloch hat ein unschuldiges Mädchen vergewaltigt! Er hat ihr das Messer an die Kehle gedrückt!“

Zufrieden bemerkte er, wie Samsons Augen sich weiteten.

„Ja, genauso war es. Aber du nimmst bei mir ja immer das Schlimmste an, oder?“ Genau, wie alle anderen es auch taten.

„Sie war wehrlos und er hat sie mit einem Messer bedroht, als er sich an ihr vergangen hat. Was, wenn es deine Frau gewesen wäre oder deine Schwester? Was, wenn jemand deiner Tochter so was antun würde? Würdest du dann auch tatenlos dasitzen und über Bloßstellung sprechen? Oder würdest du dem Kerl den Arsch aufreißen?“

Zane hob sein Kinn herausfordernd an und wusste, dass er diese Runde gewonnen hatte.

Als blutgebundener Vampir stand für Samson an erster Stelle, seine sterbliche Frau Delilah sowie seine zwei Monate alte Tochter Isabelle zu beschützen. Er würde jederzeit sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, um die beiden zu verteidigen und nicht davor zurückschrecken, jeden umzubringen, der versuchte, ihnen etwas anzutun.

Als Samson für einen Moment seine Augen schloss und sich durch sein rabenschwarzes Haar strich, ging Zane in eine entspanntere Haltung über.

„Du hättest ihn einfach umbringen können. Es gab keinen Grund, ihn förmlich abzuschlachten.“

„Es gab sehr wohl einen Grund.“

Zane hatte es gebraucht. Er hatte ihn leiden sehen müssen. Eine einfache Tötung hätte ihn nicht zufriedengestellt.

„Sein Genick zu brechen hätte ihm nicht genug wehgetan. Ich musste ein Exempel statuieren.“

„Um was zu beweisen?“

„Dass das Böse ausgelöscht wird; dass Vergewaltiger für ihre Taten büßen müssen.“

„Du kannst kein Exempel statuieren, wenn keiner weiß, worum es geht!“

Zane atmete scharf aus. „Die Tatsache, dass er mit heruntergelassenen Hosen dalag war nicht Erklärung genug? Was wollt ihr sonst noch? Ein Schild mit dem Wort Vergewaltiger um seinen Hals?“

„In dem Zeitungsartikel steht nichts von heruntergelassenen Hosen.“

„Dann solltest du vielleicht erst die Fakten von deinen Kontakten bei der Polizei herausfinden, bevor du mir vorwirfst, ein kaltblütiger Mörder zu sein.“

Da Samson mit dem Bürgermeister befreundet war, der ein Hybride war – halb Vampir, halb Mensch – hatte er direkten Zugang zur Polizei, was sich von Zeit zu Zeit als praktisch erwies. Vielleicht hätte Samson seine Kontaktpersonen konsultieren sollen, bevor er ihn grundlos niedermachte.

Zane richtete sich auf und marschierte in Richtung Tür.

„Oh, wir sind noch nicht fertig“, sagte Samson ruhig.

Zane hob eine Augenbraue, als er sich umdrehte, um ihn anzusehen.

„Die Tatsache, dass du einen Menschen niedergemetzelt und seinen toten Körper für jeden zugänglich liegen gelassen hast, steht noch immer zur Debatte. Dein Handeln steht all dem entgegen, wofür Scanguards sich einsetzt.“

Als Samson innehielt, breitete sich ein ekelerregendes Gefühl in Zanes Magengegend aus. Wollte sein Boss ihn feuern? Scanguards war sein Leben, seine Familie, seine einzige Verbindung zur Menschlichkeit. Ohne sie würde er in die Finsternis abdriften und seinen bösen Trieben nachgeben. Er würde nur noch für die Rache leben, auf einen Pfad gelangen, der ihn ohne Zweifel zerstören würde. Er war schlau genug zu wissen, dass er ohne seine Kollegen von Scanguards, die ihn auf dem Boden der Realität hielten, das letzte bisschen seiner Seele verlieren würde. Er würde so böse werden wie der Mann, der für Zanes Verwandlung zum Vampir verantwortlich war.

„Nein …“, stammelte er. Seine Kehle schnürte sich bei dem Gedanken zu, dass er alles verlieren könnte, was ihm etwas bedeutete.

Die Gesichter seiner Kollegen und Freunde schwebten an seinem geistigen Auge vorbei: das vernarbte Gesicht von Gabriel, dem zweiten Chef von Scanguards, der ihn eingestellt hatte; das von Thomas, dem schwulen Biker mit dem IT-Streber Hirn; und das von Amaury, seinem Freund, dessen Körpergröße von seinem eigentlich sehr sanftmütigen Wesen ablenkte. Besonders seiner blutgebundenen Gefährtin Nina gegenüber war er einfühlsamer als jeder andere, den Zane jemals getroffen hatte. Und dann Yvette, die zickige Frau, die bis vor zwei Monaten noch eine Nervensäge gewesen war, bis sie ihren Seelenpartner gefunden hatte, den Hexer, der zum Vampir wurde.

Seine Gedanken wanderten weiter, zurück nach New York zu seinem Freund Quinn, der dafür verantwortlich war, dass er noch lebte. Wenn Quinn ihn nicht aus der Abwärtsspirale gezogen hätte, in der er sich damals befunden hatte, und ihn Gabriel vorgestellt hätte, wäre er vermutlich mittlerweile Staub. Er konnte das alles nicht aufgeben. Dies waren seine Freunde, die einzigen Leute, auf die er sich verlassen konnte.

„Setz dich“, wies Samson ihn an.

„Ich stehe lieber.“ Wenn Samson ihn feuern wollte, würde er es wie ein Mann hinnehmen.

„Wie du willst. Ich werde diese Situation später mit Gabriel besprechen, aber ich bin sicher, wir werden einer Meinung sein.“

War ja klar! Wann wären die beiden auch mal nicht einer Meinung gewesen, besonders wenn es um die Bestrafung eines Vampirs ging? Paragrafenreiter, alle beide! Verdammt, er war ein Vampir, kein idiotischer Mensch. Er hatte seine eigenen Regeln.

„In der Zwischenzeit“, fuhr Samson fort, „ziehe ich dich von deinen Aufträgen ab und entziehe dir deine A-Lizenz.“

Zane biss die Zähne zusammen. Der Entzug der höchsten Freigabestufe innerhalb Scanguards bedeutete, dass er an keinem gefährlichen oder Hochsicherheitseinsatz mehr teilnehmen durfte. Es bedeutete, er wurde dazu degradiert, nur noch Routineaufgaben zu erledigen. Samson hätte ihm genauso gut die Hände abhacken können.

„Du kannst nicht …“

Er war kein verdammter Mietbulle mit Bierbauch und einem schlechten Haarschnitt, der die ganze Nacht in einer menschenleeren Lobby herumsaß und auf leere Büroräume aufpasste.

Samson hob seine Hand. „Bevor du etwas sagst, das du später bereuen könntest, möchte ich, dass du mir zuhörst.“

Zane schnaubte. Bereuen gehörte nicht zu seinem Vokabular. Genauso wenig wie Gewissensbisse.

„Ich kann es mir nicht leisten, eine tickende Zeitbombe in meinem Team zu behalten. Bis wir wissen, wie wir das Risiko minimieren können, das du darstellst, wirst du in risikoarmen, stressfreien Bereichen arbeiten. In zwei Tagen werde ich dir meine endgültige Entscheidung mitteilen.“

Zane nickte steif. „Gut“, presste er mit kaum geöffneten Lippen hervor, um seine Fänge nicht zu zeigen, die begonnen hatten, sich auszufahren.

Risikoarm! Stressfrei!

Worauf spielte Samson verdammt noch mal an? Dass er einen Nervenzusammenbruch hatte? Das war etwas für Weichlinge nicht für Männer wie ihn! Er würde den Nervenzusammenbruch in ihre Ärsche hochschieben, wenn sie ihm weiterhin mit solch einem Blödsinn kamen.

Zane verließ Samsons Büro und widerstand dem Verlangen, die Tür hinter sich zuzuknallen. Seine langen Beine überquerten die Distanz zum Foyer, als er den dunklen, holzvertäfelten Korridor entlangeilte. Er konnte es kaum erwarten, dem viktorianischen Wohnhaus zu entkommen, das plötzlich bedrückend auf ihn wirkte. Er musste etwas zerstören.

„Stressfrei!“, fluchte er vor sich hin.

„Abend, Zane!“ Delilahs sanfte Stimme kam von seiner Linken.

Er drehte den Kopf in ihre Richtung und beobachtete, wie sie mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm die breite Mahagonitreppe herunterkam.

„Delilah.“ Höflicher als das konnte er nicht sein. Schließlich hatte ihr Gefährte ihn gerade schwer beleidigt.

Sie lächelte ihn an, als ein Piepton aus der Küche sie erschreckte. „Oh, nein! Die Plätzchen. Die hätte ich jetzt fast vergessen.“

Bevor ihm klar wurde, was sie vorhatte, streckte sie ihre Arme aus und hielt das Baby an seine Brust.

„Hier, nimm sie mal kurz. Ich muss die Plätzchen aus dem Ofen holen, bevor sie verbrennen.“

Instinktiv hob er seine Arme, um ihr das Baby abzunehmen, bevor Delilah in die Küche lief. „Aber ich …“ Sein Protest kam zu spät. Verdammt!

Er blickte auf das kleine Bündel in seinen Armen, wusste nicht, was er tun sollte, als das Baby die Augen öffnete. Sie waren grün wie die ihrer Mutter und ebenso schön. Die kleine Dame schaute ihn direkt an. Sie war ein Hybride – halb Vampir, halb Mensch – und besaß die Eigenschaften beider Spezies.

Sie konnte ins Sonnenlicht gehen, ohne zu verbrennen, doch sie würde dennoch die Kraft und Schnelligkeit eines Vampirs haben, wenn sie erwachsen war. Selbst als Kind war sie schon stärker und wuchs schneller als normale Menschenkinder. Sie konnte normale Nahrung zu sich nehmen aber auch von Blut leben. Und sobald sie erwachsen war, würde sie aufhören zu altern genauso wie ein Vollblutvampir.

Sie war das Beste aus beiden Welten und stellte ein kleines Wunder dar. Nur männliche Vampire waren fruchtbar, doch ausschließlich mit blutgebundenen, menschlichen Frauen. Dieses kleine Mädchen hatte aber Glück: Dank ihrer menschlichen Gene war sie fruchtbar. Eines Tages würde sie Samson zum Großvater machen; ihre Kinder würden ebenfalls Hybriden sein, egal, welcher Rasse ihr Vater angehörte.

Fasziniert schaute Zane das kleine Wunder in seinen Armen an und streichelte ihre rosige Wange. Solch süße Anmut hatte er nicht mehr gesehen, seit seine kleine Schwester ein Baby gewesen war. Da er zehn Jahre älter als sie war, hatte er oft auf sie aufgepasst, sie gefüttert und in den Schlaf gewiegt.

„Du süße Kleine“, flüsterte er ihr zu und bemerkte, wie sie ihren Mund öffnete, um ihn anzulächeln. Winzig kleine Fänge spießten aus ihrem Oberkiefer hervor.

Die kleine Hand des Babys streckte sich nach ihm aus und er erlaubte ihr, seinen Zeigefinger zu schnappen. Sie war stark und zog seinen Finger spielend zu ihrem Gesicht.

Bevor ihm klar wurde was geschah, zog sie seinen Finger bereits in ihren Mund und umschloss ihn mit ihren Lippen.

„Autsch!“

Er entzog ihr blitzschnell seinen Finger. Blut tropfte heraus. Zane blickte das Baby wieder an und sah, wie sie ihre Lippen leckte, als wollte sie mehr. Das kleine Teufelchen hatte ihn gebissen!

Er schüttelte den Kopf. Als er aufschaute, traf sein Blick auf Delilah. Mit offenem Mund starrte sie auf seinen blutenden Finger und dann auf ihr Töchterchen.

„Sie hat dich gebissen.“ Es war keine Frage, eher eine Feststellung. „Sie hat noch nie jemanden gebissen. Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr?“

Oh, Scheiße! Das wusste er nur zu gut.

3

Portia Lewis fuhr ihren Laptop herunter, steckte ihn in ihre Schultertasche und wartete darauf, dass ihre Freundin Lauren es ihr gleich tat.

„Gehst du heute Abend auf Michaels Party?“

Portia schüttelte den Kopf, als sie und Lauren sich aus dem Hörsaal hinaus einen Weg durch das Gedränge von Studenten bahnten.

„Ich muss mich noch auf den Kriminalpsychologietest morgen vorbereiten.“

Lauren machte eine unbekümmerte Handbewegung. „Kinderspiel. Und überhaupt –“ Sie beugte sich näher zu Portia und dämpfte ihre Stimme. „– du kannst schließlich deine Kräfte benutzen.“

Portia machte einen Satz zurück und blickte sie böse an. „Du weißt, dass wir das nicht dürfen.“

Es wurde ihr schon so lange eingebläut, wie sie nur denken konnte. Sowohl ihr Vater, ein Vollblutvampir, als auch ihre menschliche Mutter hatten sie gelehrt, immer zu verstecken, was sie war: ein Hybride – halb Vampir, halb Mensch. Der einzige Grund, warum sie mit Lauren überhaupt darüber sprechen konnte war, weil diese auch ein Hybride war.

Als Portia und ihr Vater sechs Monate nach dem tödlichen Autounfall ihrer Mutter nach San Francisco gezogen waren, hatte sie sich mit der Tochter des Bürgermeisters angefreundet, als sie herausgefunden hatte, dass diese auch ein Hybride war. Sie besuchten viele der gleichen Kurse an der Universität von San Francisco, einer katholischen Privatschule. Da die Aura von Hybriden so anders war als die von Menschen, hatten sie sich sofort erkannt, beide darüber froh, endlich eine Freundin gefunden zu haben, mit der sie so viel gemeinsam hatten.

Als sie ihrem Vater von ihrer neuen Freundin erzählt hatte, hatte er wenig erfreut gewirkt. Portia wunderte sich, ob er irgendwie eifersüchtig darauf war, dass sie eine Freundin gefunden hatte, während er immer noch mit dem Verlust seiner Frau haderte. Sie vermisste ihre Mutter schrecklich, doch sie wusste, dass sie ihr Leben weiterleben musste.

Zum Glück fand Portia immer schnell neue Freunde. Es war eine Art Überlebensmechanismus, den sie schon sehr früh entwickelt hatte, da ihre Familie selten irgendwo länger als ein Jahr blieb. Ihr Vater war immer mit ihnen in eine neue Stadt umgezogen, gerade als sie sich irgendwo zu Hause gefühlt hatte. In gewisser Weise verstand sie ihn. Als Vampir musste er aufpassen, kein Aufsehen zu erregen. Die Menschen in seinem Umfeld könnten es seltsam finden, wenn er tagsüber nie nach draußen ging, nie Essenseinladungen annahm und nicht alterte. Sie hatte es akzeptiert, doch gleichzeitig sehnte sie sich nach einem Ort, an dem sie heimisch werden konnte.

„Eric wird auch da sein“, köderte Lauren sie und brachte sie damit zurück in die Gegenwart. „Du weißt, dass er dich mag.“

Wie so oft kaschierte Portia ihre Unsicherheit gegenüber dem anderen Geschlecht mit einer flapsigen Bemerkung. „So heiß ist er jetzt auch wieder nicht. Ich war schon mit schärferen Jungs aus.“

Was für eine Riesenlüge war das denn? Sie hatte noch nie einen richtigen Freund gehabt, doch das wusste nicht einmal Lauren. Obwohl sie beste Freundinnen waren, hatte Portia ihr noch nicht anvertraut, dass die Vorstellung, sich vor einem Mann nackt zu zeigen, sie nicht nur nervös machte, sondern sie geradezu in Schrecken versetzte.

„Nicht heiß? Willst du mich verarschen? Eric ist so ziemlich der Mädchenschwarm Nummer Eins auf dem ganzen Campus.“

„Schhh, nicht so laut“, warnte Portia. „Es muss ja nicht jeder hören, dass wir über ihn reden.“

Sie blickte nervös über ihre Schulter und hoffte, dass keiner von Erics Freunden in der Nähe war.

Lauren legte ihr die Hand auf den Arm und ließ sie dadurch abrupt stehen bleiben. Sie drehte sich zu ihrer Freundin um und wunderte sich, warum sie sie auf einmal so eindringlich anschaute.

„Was?“

Laurens Augen bohrten sich in sie. „Oh mein Gott! Warum habe ich das nicht schon viel früher erkannt?“

„Hey, weitergehen. Ihr seid mir im Weg“, wies sie eine ungeduldige Stimme von hinten an.

Portia trat einen Schritt zur Seite, bevor Lauren sie in eine Nische zerrte.

„Was tust du denn?“, protestierte Portia.

„Wir müssen reden“, sagte Lauren beharrlich und blickte sich vorsichtig um, als wäre sie gerade dabei, ein großes Geheimnis zu enthüllen. Sie öffnete die Tür zu einem kleinen Studierzimmer, schob Portia in den leeren Raum und schloss die Tür hinter sich.

„Lauren, ich habe in fünf Minuten die nächste Vorlesung.“ Portia blickte ungeduldig auf ihre Armbanduhr und drückte sich ihre Tasche an die Brust. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich wegen dem Kriminalpsychologietest nicht auf die Party gehen kann. Ehrlich, ich war in meinem Leben schon auf genug Partys und sie sind alle gleich. Nach einer Weile wird es wirklich langweilig. Also nerv nicht.“

Lauren atmete ungeduldig aus. „Vergiss die Party, das hier ist viel wichtiger.“

Wichtiger als eine Party, wenn alles, wofür sich Lauren momentan interessierte, Unterhaltung war? Herauszufinden, was dahinter steckte, war es wert, zu spät zur nächsten Vorlesung zu kommen.

„Was hat deine Meinung so plötzlich geändert?“

„Erzähl mir von deinem Exfreund.“ Laurens gleichgültiger Ton passte nicht zu dem intensiven Blick ihrer Augen, die aussahen, als wäre sie eine Tigerin, die darauf wartete, sich auf ihre Beute zu stürzen.

Portia legte ihre Stirn in Falten und wunderte sich, warum sich ihre Freundin plötzlich dafür interessierte. „Da gibt es echt nicht viel zu erzählen. Warum willst du das auf einmal wissen?“

„Beantworte einfach meine Frage.“

„Er war nett. Wir sind ein paar Monate miteinander ausgegangen, dann haben wir Schluss gemacht, ich bin weggezogen. Ende der Geschichte.“

„Ach ja? Wie war der Sex?“

Unbewusst spannte sich Portias Körper an und sie zog ihre Tasche enger an ihre Brust. „Ganz gut.“

„Gut, hah? Nicht heiß, aufregend, schwitzig, weltbewegend?“

Unbehagen schlich sich an Portias Wirbelsäule hoch. „Was soll das, Lauren?“

„Du hast noch nie Sex gehabt.“

Portia wich instinktiv einen Schritt zurück und stieß an den Schreibtisch, der hinter ihr stand. Schnell fand sie ihr Gleichgewicht wieder und zwang sich zu dem ausdruckslosen Gesichtsausdruck, den sie immer aufsetzte, wenn sie nicht bereit war, ihre Gefühle preiszugeben.

„Das … das ist doch lächerlich. Natürlich hatte ich schon Sex.“

Lauren gegenüber zuzugeben, dass dies eine Lüge war und dass sie völlig unschuldig war, war einfach zu demütigend.

„Ich weiß, wenn du lügst. Deine Augen verdrehen sich dann so komisch …“ Lauren machte eine kreisförmige Bewegung mit ihrer Hand. „Jedenfalls kenne ich dich mittlerweile gut genug, um zu erkennen, wenn du mich anlügst.“

Portia seufzte. Jemand hatte also schließlich ihren Schwindel durchschaut. Und sie hatte gedacht, sie spielte ihre Rolle gut genug: Sie gab immer vor, weltgewandt und erfahren zu sein und wann immer das Thema Jungs und Sex zur Sprache kam, tat sie immer so, als wisse sie über alles Bescheid. Sie war sogar so weit gegangen, alles darüber zu lesen und andere Mädchen zu zitieren, wenn es darum ging, was ihre bevorzugte Kondommarke war. Was für eine Riesenlüge das doch war. Sie hatte es nur getan, damit sie sich nicht wie ein Außenseiter vorkam; damit sie dazu passte, obwohl sie wusste, dass sie es nicht tat.

Lauren wartete geduldig, strich eine Strähne ihres kastanienbrauen Haars über ihre Schulter und lenkte dadurch Portias Aufmerksamkeit auf ihren grazilen Hals und den hübschen Kopf, der darauf saß. Sie sammelte all ihren Mut zusammen, als sie ihren Blick hob, um Lauren in die Augen sehen zu können.

„Ich bin noch Jungfrau.“

„Nicht gut“, murmelte Lauren und schüttelte gleichzeitig den Kopf.

„Ich warte eben auf den Richtigen.“

„Ich fürchte, diesen Luxus kannst du dir nicht leisten.“ Laurens Stimme wurde dringlicher.

Unbehaglich in der Situation, in der sie sich befand, und enttäuscht, dass Lauren sie nicht zu verstehen schien, wandte sich Portia zur Tür. „Ich muss zur Vorlesung.“

In Vampirgeschwindigkeit, die das Menschenauge nur als verschwommenes Etwas wahrnehmen würde, blockierte Lauren den Ausgang.

„Du schwänzt heute. Es gibt wichtigere Dinge im Leben als die Uni.“

„Übertreib nicht so. Nur weil Jungs und Sex für dich so wichtig sind, bedeutet das nicht, dass alle so denken. In dieser Sache sind du und ich sehr unterschiedlich.“

Portia drückte ihre Tasche noch enger an sich, als könnte sie sie vor den Dingen beschützen, denen sie nicht ins Auge sehen wollte.

„Da stimme ich dir schon zu: Jungs sind nicht wichtig. Sex schon.“

Portia verdrehte die Augen. „Für dich vielleicht.“

Sich vorzustellen, mit einem der Kerle, die sie geküsst hatte, im Bett zu liegen reizte sie gar nicht. Laurens Standards schienen eindeutig etwas geringer zu sein.

„Dein einundzwanzigster Geburtstag ist in fünf Wochen, stimmt’s?“

Verwirrt über den Themenwechsel antwortete Portia wie automatisch. „In sechs Wochen. Warum?“

Lauren drückte die Lippen zusammen und summte vor sich hin, als durchdachte sie ein massives Problem, wie etwa wie sie den Hunger in der Welt ausmerzen konnte.

„Dann bleiben uns sechs Wochen, um deine Jungfräulichkeit loszuwerden. Zugegeben, das ist nicht viel Zeit, aber es gibt genug Jungs, auf die wir zurückgreifen können, wenn sich nichts Besseres findet. Mir fallen da spontan schon mindestens ein Dutzend ein, die –“

„Stopp! Verdammt, was redest du da denn? Ich werde meine Unschuld nicht einfach so an irgendeinen Idioten verschwenden. Ich werde Sex haben, wenn es sich richtig anfühlt. Und überhaupt habe ich nicht vor, mit jemandem auszugehen bis ich die Uni abgeschlossen habe. Das habe ich meinem Vater versprochen.“

Ihre Eltern hatten ihr immer eingebläut, dass es wichtig war, den Richtigen zu finden. Und da sie wusste, wie glücklich sie miteinander gewesen waren, musste sie dem zustimmen. Die Liebe zwischen ihren Eltern war förmlich greifbar gewesen. Portia wollte dasselbe für sich. Sie wollte ihre Unschuld nicht an einen Kerl vergeuden, der ihr nichts bedeutete. Und bisher hatte sie noch keinen kennengelernt, der sie nur im Geringsten gereizt hätte.

„Hast du nicht zugehört? Du kannst es dir nicht leisten zu warten.“

Lauren ließ es klingen, als stünden sie kurz vor dem Weltuntergang.

„Du musst deine Jungfräulichkeit verlieren, bevor du einundzwanzig wirst, sonst bleibst du für immer eine Jungfrau!“

„Das ist doch lächerlich! Mit einundzwanzig bin ich immer noch jung genug, um Männer anzuziehen. Und überhaupt, sobald ich einundzwanzig bin, werde ich nicht mehr altern.“

„Eben!“ Lauren wedelte dramatisch mit den Händen. „Genau das ist mein Punkt. An deinem einundzwanzigsten Geburtstag wird dein Körper in seiner endgültigen Form einfrieren. Er wird wie in Stein gemeißelt werden. Deine körperliche Verfassung wird sich dann nicht mehr ändern lassen. Das heißt also, wenn dein Jungfernhäutchen dann noch intakt ist, wird es für immer so bleiben.“

Portias Herz blieb für einen Moment stehen. Ihr Jungfernhäutchen würde intakt bleiben? „Aber –“ Das konnte nicht wahr sein.

„Jedes Mal, wenn du Sex hast, wirst du Schmerzen haben, denn der Mann wird es jedes Mal durchstoßen müssen. Und jeden Tag wird es wieder zusammenwachsen, weil dein Körper denkt, du bist verletzt und es heilen wird. Sex wird für dich immer schmerzhaft sein. Verstehst du mich jetzt?“

Portia schluckte schwer. Ihre Knie gaben nach, und sie suchte am Schreibtisch hinter sich halt. „Das kann nicht dein Ernst sein…es kann nicht wahr sein.“

Warum war dies das erste Mal, dass sie davon gehört hatte? Ihre Mutter hatte niemals etwas dergleichen erwähnt und ihr Vater hatte sie vor Männern immer gewarnt. Sie blickte ihre Freundin an, ihr Kopf voller Fragen.

Lauren schüttelte ihre schönen Locken. „Es ist die Wahrheit. Geh und frag meinen Vater. Er hat dafür gesorgt, dass ich meine Unschuld früh genug verloren habe. Er hat die Kerle höchstpersönlich angeschleppt, sodass ich mir einen aussuchen konnte.“

Portia blickte auf die paar Male zurück, als sie sich einen Freund angelacht hatte. „Einmal hat mein Dad mich mit einem Jungen auf dem Rücksitz eines Autos erwischt, als wir geknutscht haben. Eine Woche später sind wir in eine andere Stadt gezogen, aber …“

Sie brach ab, als sie sich an die paar Male erinnerte, wo sie einem Jungen näher gekommen war. Es hatte nie zu mehr als ein paar Küssen und Berührungen geführt. Bevor sie mit einem weiter gehen konnte, oder das überhaupt gewollt hätte, fand sie sich in einer neuen Stadt und an einer neuen Schule wieder.

Lauren sog einen empörten Atemzug ein. „Dein Vater hat dich von Jungs ferngehalten? Er muss doch wissen, was er dir antut. Er kann es nicht nicht wissen.“

Portia schüttelte den Kopf, wollte der Bedeutung von Laurens Worten nicht folgen. „Nein! Mein Vater liebt mich. Er würde nie etwas tun, das mir wehtun könnte.“

Das glaubte sie. Er war ihr Fels in der Brandung. Er war immer für sie da. Nach dem Tod ihrer Mutter noch mehr als zuvor. Er war alles, was sie hatte.

„Du sagtest, du hättest ihm versprochen, bis nach dem College nicht mit Jungs auszugehen? War es deine Idee oder hat er es gefordert?“

„Er wollte es.“

Sie starrte ihre Freundin an und im selben Moment erinnerte sie sich daran, wie ihr Vater ihr erklärt hatte, dass es besser für sie wäre zu warten. Und sie hatte ihm zugestimmt, heimlich erleichtert, dass sie sich mit diesem Thema erst später herumschlagen musste.

„Er hat es eigentlich nicht gefordert. Wir haben es diskutiert.“

Lauren pfiff durch ihre Zähne. „Tust du immer alles, was dein Vater von dir verlangt? Hast du noch nie rebelliert?“

„Ich habe keinen Grund zu rebellieren. Ja, mein Vater ist streng. Aber das ist er, weil er das Beste für mich möchte. Und ich habe nur ihn. Ohne Mutti … habe ich sonst niemanden. Keine anderen Verwandten. Das kannst du nicht verstehen. Du warst noch nie alleine.“

Lauren legte ihre Hand auf Portias Arm. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Aber du musst es einsehen: Du musst deine Unschuld verlieren. Du musst dein Jungfernhäutchen loswerden.“

„Was, wenn mein Vater wirklich nichts davon weiß? Er trifft sich nie mit anderen Vampiren. Wir waren nie Mitglied eines Clans. Vielleicht weiß er es nicht, weil wir nie zu einer Vampirgemeinde gestoßen sind. Dafür sind wir einfach zu viel herumgezogen.“

Lauren schüttelte den Kopf, ihre Augen erfüllt von Mitleid. „Er muss es wissen. Du erziehst keine Hybriden-Tochter, ohne das zu wissen.“

„Das glaube ich nicht.“

Und sie würde Laurens Aussage widerlegen.

„Ich werde heute Nacht mit ihm sprechen.“

4

Die Sonne war schon über dem Pazifik verschwunden, als Portia nach Hause kam und ihren Vater auf der Couch über einem Ordner vertieft vorfand. Er schloss diesen sofort, als er sie erblickte.

„Hallo, Schatz. Wie war der Unterricht?“ Ihr Vater strahlte sie an.

Portia legte ihre Tasche auf eine der unteren Treppenstufen nieder und ging ins Wohnzimmer.

„Gut.“

Sie zögerte, da sie nicht wusste wie sie dieses schwierige Gespräch anfangen sollte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und vermied es, ihn anzusehen. Stattdessen starrte sie auf die Wand hinter ihm.

„Stimmt was nicht? Du wirkst so unruhig.“

„Ähm …also, es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen wollte.“ Jetzt schaute sie ihn direkt an.

Ihr Vater setzte sich auf, sein Oberkörper plötzlich versteift. „Bereitet dir jemand Probleme?“

Sie schüttelte schnell den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Alles ist gut. Es ist nur … Ich habe heute etwas herausgefunden, dessen du dir nicht bewusst bist und …“ Portia verstummte, um nach den richtigen Worten zu suchen. Es war schwieriger, als sie gedacht hatte.

„Worum geht es? Du weißt, dass du mir alles sagen kannst.“

Natürlich wusste sie das, aber darüber zu sprechen, war ihr unangenehm. In diesem Moment wünschte sie sich, dass ihre Mutter noch am Leben wäre. Dann könnte sie dieses Thema mit ihr besprechen statt mit ihrem Vater.

„Ich habe heute herausgefunden, dass wenn mein Körper seine endgültige Form annimmt, dann habe ich …dann werde ich mein Jungfernhäutchen noch immer haben, wenn ich vorher nicht meine Unschuld verliere.“

Sie schluckte. Jetzt war es endlich heraus, und sie und ihr Vater konnten das Thema wie zwei Erwachsene diskutieren.

„Wer hat dir das erzählt?“, polterte ihr Vater, als er vom Sofa hochschoss. „Lauren!“

Bei seinem Donnern wich Portia instinktiv zurück und nickte nur. „Du meinst, sie hat mir nicht die Wahrheit gesagt?“

„Es ist nicht ihre Aufgabe, dir irgendetwas zu erzählen. Du weißt nur, was ich dir sage, und das ist gut so. Ich bin derjenige, der dich erzieht!“

Der sie erzieht? Sie war schon erwachsen! „Vater, ich bin kein Kind mehr. Ich habe ein Recht darauf, es zu wissen.“

„Ruhe! Lauren hat kein Recht, deinen Kopf mit solchen Dingen zu füllen. Belaste dich nicht damit.“

Verwirrt öffnete Portia ihren Mund erneut. „Aber hat sie recht? Wird das mit mir geschehen?“

Ihr Vater starrte sie an, seine Augen rot vor Wut. „Du bist meine Tochter und ich bestimme, wann und mit wem du deine Unschuld verlieren wirst.“

In diesem Moment erkannte sie plötzlich die Wahrheit in seinem Gesicht. Er wusste davon. Er hatte es immer gewusst und entschieden, ihr diese Information vorzuenthalten.

„Warum? Wie kannst du mir das nur antun?“

Wie konnte er sie so hintergehen? Liebte er sie denn nicht? Tränen stiegen ihr in die Augen.

„Du wirst es bald verstehen und dann –“ Das Piepen seines Handys unterbrach ihn. Er blickte darauf, dann wieder zurück zu ihr.

„Ich habe einen Termin. Geh in dein Zimmer und studiere. Ich bin bald zurück.“

Dann wandte er sich um und verließ den Raum wie ein Mann, der es gewohnt war, dass seine Befehle befolgt wurden.

Portia stand wie gelähmt da. Sie hatte sich in ihrem gesamten Leben noch nie so alleine gefühlt.

Ihr Vater glaubte, es sei sein Recht, sie unwissend zu lassen, und was noch schlimmer war, er dachte, er könnte den Mann auswählen, mit dem sie ihre erste Nacht verbringen sollte – egal ob dies innerhalb der nächsten sechs Wochen stattfinden sollte oder nicht.

Tränen kullerten ihre Wangen hinab, bevor sie sie aufhalten konnte. Enttäuschung griff wie eine Faust um ihr Herz und drückte zu, bis der Schmerz unerträglich wurde. Ihr Vater liebte sie nicht, denn wenn er das täte, würde er ihr nie dieses Schicksal aufzwingen. Ihr ganzes Leben hatte sie zu ihm aufgeblickt. Das war jetzt vorbei.

Sie würde nicht länger seine gehorsame Tochter sein.

Dies war ihr Leben und sie alleine würde bestimmen, wie es verlaufen sollte.

~ ~ ~

Die Party fand in einem Verbindungshaus auf dem Campus statt. Die Musik dröhnte aus mehreren Lautsprechern, das Licht war bestenfalls schummrig und das Haus roch nach Alkohol und Rauch. Portia rümpfte ihre Nase – dieser Rauch wurde keinesfalls von einer legalen Zigarette erzeugt.

Sie brauchte gut zehn Minuten, um Lauren zu finden. Ihre Freundin sah in den Hüftjeans und dem engen Shirt, das auch als etwas breiterer Gürtel hätte durchgehen können, fantastisch aus.

Lauren starrte sie überrascht an. „Ich dachte, du wolltest nicht kommen.“

„Wollte ich auch nicht. Aber ich muss mit dir reden, und du bist nicht an dein Handy gegangen.“

Lauren deutete auf die Meute. „Zu laut hier drinnen; hab’s nicht klingeln gehört. Was ist los?“

„Du hattest recht.“ Das Eingeständnis fiel ihr schwer.

Sofort packte Lauren sie am Arm und zog sie aus dem Zimmer in den Flur. Einen Moment später waren die beiden in einem der Badezimmer eingesperrt.

„Was ist passiert?“, fragte Lauren.

Portia schniefte. „Ich habe ihn gefragt. Und er wusste, was er mir antut. Er wusste, dass ich für immer eine …“ Ihre Stimme versagte.

Lauren streichelte über ihre Haare und umarmte sie. „Tut mir leid, Schätzchen.“

Portia drückte die sich ankündigenden Tränen zurück. Sie würde nicht weinen. Sie musste stark bleiben. Langsam trat sie zurück und befreite sich aus Laurens Umarmung.

„Ich habe mir überlegt, wie ich es tun könnte.“

Ihr war die perfekte Idee gekommen, wie sie aus ihrer Zwickmühle entkommen konnte, und dafür brauchte sie Laurens Hilfe.

„Gut. Eric ist schon hier. Er war ziemlich enttäuscht, als ich ihm gesagt habe, dass du nicht kommst. Ich werde ihm gleich sagen –“

„Nein! Deshalb bin ich nicht hier. Du musst mich begleiten, ein Dildo zu kaufen.“ Bei dem Gedanken, allein in einen Sexshop zu gehen erschauderte sie.

Laurens Augen weiteten sich. „Was willst du denn mit einem … oh, nein. Du hast doch nicht etwa vor, dein Jungfernhäutchen mit einem Dildo zu durchstoßen?“

„Das ist die einfachste Lösung. Ich will wirklich nicht mit jemandem schlafen, nur um –“

„Das funktioniert nicht, Portia.“

Sprachlos starrte sie ihre Freundin an. „Warum nicht? Es ist so groß wie ein …du weißt schon. Es ist eine brillante Idee.“

„Wäre es auch, wenn es funktionieren würde. Wird es aber nicht. Es wird dein Jungfernhäutchen durchstoßen, aber morgen wird’s wieder zusammengewachsen sein. Nur das Sperma eines Mannes kann das Gewebe ganz auflösen.“

Portia unterdrückte einen Brechreiz. „Aber dann …dann …“ Die Rädchen in ihrem Kopf drehten sich. „Dann besorgen wir eben gespendetes Sperma. Du musst mir helfen.“ Sie nahm Lauren an den Schultern und schüttelte sie beinahe. „Kannst du nicht einen deiner Freunde dazu bringen, welches zu spenden? Ich bin sicher, du kannst eine Ausrede erfinden, warum du es brauchst.“

Lauren neigte ihren Kopf und lächelte sie traurig an. „Weißt du, deine Idee wäre genial, aber leider wird auch das nicht funktionieren. Das Sperma muss ultrafrisch sein und es muss von einem echten, blutgefüllten Glied kommen. Was immer du dir also noch einfallen lassen wirst, es wird nichts nützen.“

Diese Offenbarung traf sie ebenso sehr wie die Enttäuschung früher am Abend. Sie senkte ihren Kopf. „Warum? Warum?“

„Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes erzählen. Aber so ist es nun mal.“

Portia sah ihre Freundin an. „Was jetzt?“

„Wir sollten nach Eric Ausschau halten.“

Portia spürte, wie ihre Hände bei dem Gedanken schwitzig wurden. „Jetzt? Warum warten wir nicht noch ein bisschen und sehen, ob wir eine andere Lösung finden können? Es muss noch einen anderen Weg geben.“

Lauren schüttelte den Kopf. „Es gibt keinen anderen Weg. Glaub mir, du bist nicht der erste Hybride. Du wirst es überleben. Außerdem habe ich gehört, dass Eric gut im Bett ist.“

Portia stöhnte.

~ ~ ~

Dreißig Minuten später fand Portia persönlich heraus, dass Eric ganz passabel küssen konnte. Allerdings, egal wie er seine Zunge auch verdrehte, er machte sie nicht an. Sie fühlte sich in der ganzen Situation distanziert, als ob sie ein Zuschauer wäre. Tatsächlich hatte sie noch niemals ein Mann beim Küssen dazu verführen können, mehr zu wollen, obwohl es immer angenehm gewesen war, genauso angenehm wie es war, in der Sonne zu sitzen und ein Eis zu essen.

War sie gefühlskalt? War das der Grund, warum sie keinen Sex wollte und warum es sie bisher nicht gestört hatte, dass ihr Vater nicht wollte, dass sie sich mit Männern einließ?

Es würde nicht funktionieren, nicht mit Eric. Er war ein netter Kerl, aber bei ihrem ersten Mal wollte sie hin und weg sein und es nicht nur als eine lästige Pflicht ansehen. Sie wollte schwach in den Knien werden, ihr Herz flattern spüren; sie wollte einen Mann, der ihr den Atem raubte, wenn er sie küsste und dessen Berührungen ein Knistern verursachten. Eric war kein solcher Mann.

Gerade wollte sie sich aus seiner Umarmung winden, als ihre Haut plötzlich begann zu kribbeln. Ein anderer Vampir betrat das Schlafzimmer, in dem sie und Eric ein ruhiges Plätzchen gefunden hatten. Portia kannte die Aura des Vampirs nur zu gut.

Einen Bruchteil einer Sekunde später zerrte ihr Vater Eric weg und schleuderte ihn gegen die Wand. Die Augen ihres Vaters durchbohrten sie, als er zur Tür deutete und losdonnerte: „Du, junge Dame, nach Hause. Jetzt.“ Seine Stimme war ein tiefes Knurren, eines, das sie nur zu gut kannte.

Er war sauer. Genauso wie sie.

Portia richtete sich auf und hob ihren Kopf, was sie zu ihrer vollen Größe von fast 1,75 Metern brachte. Mit ihren fünf-Zentimeter Absätzen war sie nun fast auf Augenhöhe mit ihrem Vater.

„Du hast mir gar nichts zu sagen!“

„Ich bin dein Vater und du wirst auf mich hören!“ Seine Hand umfasste wie ein Schraubstock ihr Handgelenk, und trotz ihrer eigenen Vampirkraft kam sie gegen ihren Vater nicht an. Er war älter und stärker als sie.

„Nein! Du hast kein Recht mehr, mich herumzukommandieren!“ Er hatte dieses Recht verloren, als er sie hintergangen hatte.

„Du bist noch nicht volljährig.“

Portia versteinerte. Nach Vampirbrauch endete die Erziehungspflicht der Eltern erst dann, wenn der Körper ihres Kindes seine endgültige Form angenommen hatte, was am einundzwanzigsten Geburtstag der Fall war. Erst dann war ein Hybride erwachsen. Wie konnte sie das nur vergessen haben, als ihr Vater ihr diese Regel schon vor Jahren als Kind eingetrichtert hatte? Er hatte das Recht, Befehle zu erteilen. Aber sie würde diese nicht mehr befolgen.

„Ich werde keine Jungfrau bleiben!“

„Ich werde nicht zulassen, dass du dich an irgendeine niedrige Lebensform verschwendest, die dich nicht verdient! Du verbindest dich nur mit jemandem, der dir ebenbürtig ist! Jemandem, den ich für dich auswähle.“

Sie schüttelte ihren Kopf. Nein! Sie würde sich seinem Willen nicht mehr beugen. Sie war bereit zu rebellieren. Besser spät als nie.

Ihr Vater zerrte sie in Richtung Tür. Portia blickte zu Eric, der noch immer am Boden lag. Schmerzenslaute kamen von ihm. Sie richtete ihre geistigen Kräfte auf ihn und löschte die Erinnerungen der letzten halben Stunde aus seinem Gedächtnis. Sie brauchte keinen Zeugen für ihre Demütigung.

5

Samson bedeutete seinen Freunden Gabriel und Amaury sich hinzusetzen, während er weiter auf- und abschritt.

„Er muss bestraft werden“, begann Gabriel.

Amaury schüttelte seine dunkle Mähne. „Da muss ich widersprechen. Wenn wir ihn bestrafen, entgleist er komplett.“

„Ein Verbrechen wie dieses kann nicht ungestraft bleiben.“ Gabriel warf einen flehenden Blick in Samsons Richtung, bat damit im Stillen um Unterstützung.

„Ich sag ja nicht, dass wir überhaupt nichts tun sollen, aber wenn wir ihn offen bestrafen, wird er die Wände hochgehen“, meinte Amaury beharrlich.

Ein kurzes Klopfen an der Tür unterbrach sie.

„Herein“, rief Samson, der sofort wahrnahm, wer um Einlass bat.

Die Tür schwang auf und Thomas trat herein. Seine schweren Motorradstiefel scharrten auf dem Holzboden. Er grinste entschuldigend, während er seinen zweiten Handschuh abstreifte und sich beide in die Jackentasche schob. Dann kämmte er mit den Fingern durch sein aschblondes Haar und schüttelte auf, was sein Helm platt gedrückt hatte.

„Entschuldigt meine Verspätung; ich hatte Probleme mit dem Motorrad.“

Samson deutete zur Couch und Thomas ließ seinen in Leder gehüllten Körper in das Möbelstück fallen, was dieses knarren ließ. Sein Biker-Outfit addierte leicht fünfzehn Pfund zu seinem Körpergewicht.

„Ich dachte, deine Ducati ist in top Schuss“, wunderte sich Amaury.

„Ich habe nicht die Ducati genommen. Ich bin mit der R6 unterwegs.“

„Das Ding ist ein Schrotthaufen“, kommentierte Gabriel mit einem Kopfschütteln.

„Es ist antik! Aus dem Zweiten Weltkrieg“, berichtigte ihn Thomas. „Ich habe sie die letzten zwei Monate aufgemöbelt.“

Samson schmunzelte. Thomas’ Liebe für Motorräder war legendär und er verbrachte jede freie Minute damit, an einer seiner Errungenschaften herumzubasteln.

„So gerne ich auch deine Fähigkeiten als Mechaniker diskutieren möchte, haben wir dringendere Dinge zu besprechen.“

Thomas nickte. „Was machen wir mit Zane?“

„Amaury will ihn rehabilitieren anstatt zu bestrafen.“ Dann wandte Samson sich zu Amaury. „Was schwebt dir vor?“

Amaury rutschte auf seinem Sitz nach vorne. „Wir setzen ihn den sanfteren Dingen des Lebens aus.“

„Wie bitte?“ Gabriel warf seinem Freund einen verwirrten Blick zu und die Narbe in seinem Gesicht, die von seinem Ohr bis zum Kinn reichte, zuckte dabei.

Thomas spottete: „Gib ihm sanft und er wird es in alle Einzelteile zerschmettern.“

„Er wird dir ins Gesicht spucken“, fügte Samson an.

Amaurys blaue Augen funkelten. „Er hat nicht ins Gesicht deiner Tochter gespuckt.“

Samson versuchte nicht einmal, seinen düsteren Blick zu unterdrücken. Delilah hatte ihm sofort als Zane das Haus verlassen hatte mitgeteilt, dass Isabelle ihn gebissen hatte.

Der erste Biss eines Hybriden-Babys war ein bedeutungsvolles Ereignis. Es bedeutete, dass seine Tochter ihren Mentor oder Paten ausgewählt hatte. Nur hatte Samson gehofft, dass sie jemanden wie Gabriel oder Amaury auswählen würde, oder noch besser Thomas, der auch für Eddie, dem jungen Vampir, der unter seinen Fittichen stand, schon ein großartiger Mentor war, aber nicht Zane. Wie auch immer, es führte kein Weg daran vorbei. Isabelle hatte sein Blut gekostet und würde instinktiv seinen Rat suchen. Während Samson und Delilah Isabelles primäre Bezugspersonen waren, würde Zane eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen.

„Umso wichtiger ist es, sich jetzt darum zu kümmern, bevor die Sache aus dem Ruder läuft. Ich kann so eine tickende Zeitbombe nicht in der Gegenwart meiner Tochter dulden.“

„Das will keiner.“ Gabriel straffte das Haarband, mit dem er seinen Pferdeschwanz in Form hielt und änderte seine Sitzposition.

„Vorschläge bitte“, sagte Samson und nickte Amaury erwartungsvoll an.

„Als allererstes keine risikoreichen Aufträge mehr. Es war eine gute Entscheidung, ihn von seinem aktuellen Job abzuziehen. Er darf nicht ständig in Angriffsmodus stehen. Wir müssen ihn dazu bringen, gewaltlose Reaktionen für seine Aggressionen zu entwickeln.“

„Interessant“, grunzte Gabriel skeptisch. „Viel Glück dabei.“

Thomas schüttelte den Kopf. „Mal ehrlich: Wenn du die Gewalt aus Zanes Leben herausnimmst, dann kollabiert er doch. Es ist das Einzige, das ihn am Leben erhält.“

Samson hob die Hand. „Vielleicht ist Amaury da an etwas dran. Was hast du noch?“

„Er muss Drake aufsuchen.“

„Du willst, dass er einwilligt, zu einem Seelenklempner zu gehen?“ Gabriel schüttelte den Kopf. „Super Idee. Bitte achte darauf, dass ich nicht anwesend bin, wenn du ihm das mitteilst. Denn ich würde meinen Kopf gerne noch etwas länger auf meinem Hals tragen.“

„Ich habe ja nicht gesagt, dass es einfach wird, ihn dazu zu bringen.“ Amaury zuckte mit den Schultern. „Wir müssen nur dafür sorgen, dass er weiß, was auf dem Spiel steht, wenn er sich weigert.“

Samson hörte auf, auf und ab zu gehen. „Du hast recht, Zuckerbrot und Peitsche. Zeig ihm, was er haben könnte, dann entziehe es ihm, wenn er sich nicht benimmt. Könnte klappen.“

„Und was nehmen wir ihm weg?“, fragte Gabriel.

„Seinen Job.“

„Das wird ihm finanziell nichts ausmachen“, behauptete Gabriel.

Da hatte sein Stellvertreter natürlich recht. Viele Vampire, die schon einige Jahrzehnte lebten, hatten beträchtliche Vermögen angehäuft, meist durch Immobilien und risikoarme Aktien. Wie er Zane kannte, hatte dieser vermutlich risikoreichere Methoden gewählt und dadurch ein noch gewaltigeres Vermögen angespart.

„Er arbeitet nicht wegen des Geldes für uns“, erklärte Samson. „Wir sind seine Familie. Er braucht uns.“

Ebenso wie sie ihn brauchten. Jedes einzelne Mitglied von Scanguards war essenziell und der innere Kreis, bestehend aus Amaury, Gabriel, Thomas, Zane, Yvette, Quinn und Samson selbst, war wichtig für das Weiterbestehen der Firma. Sie waren die treibende Kraft.