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Er wäre gerne »ein Experte in Sachen Abschied«. Abwesenheit bestimmt sein Leben als Geschäftsmann und zerstört das Familienleben. Am Geburtstag seines Sohnes Philipp macht er sich auf zu einer langen Autofahrt nach Hause, um sein Kind zurückzugewinnen. Voller Vatergefühle wünscht er sich »Wiedergutmachung für 365 versäumte Tage ... jeder einzelne unverzeihlich«. Parallel stellt John von Düffel das Leben von Christina dar, deren Existenz von ihrer Schwester beherrscht wird. »Ich habe mein ganzes Leben im Vergleich mit dir gelebt«. Christina verliert sich und geht »ohne Abschied«, als Lena bei einem Unfall stirbt. »Wenn Geschwister ihre Eltern verlieren, heißen sie Waisen. Wenn sie einander verlieren, gibt es dafür kein Wort.« Mit angehaltenem Atem spricht John von Düffel in ›Zeit des Verschwindens‹ von zwei Menschen, deren Leben sich zuspitzt und verengt, von zwei Lebensgeschichten, die dramatisch zusammenprallen. John von Düffel erzählt mit Einfühlungsvermögen von Unsicherheit und vom Versuch, sich zu behaupten, von der Furcht vor Begegnung und von der Sehnsucht danach.
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Seitenzahl: 227
JOHN VON DÜFFEL
ZEIT DES
VERSCHWINDENS
ROMAN
eBook 2014
© 2000 DuMont Buchverlag, Köln
Alle Rechte vorbehalten
Ausstattung und Umschlag: Groothuis & Consorten
Satz: Greiner & Reichel, Köln
ISBN eBook: 978-3-8321-8810-8
www.dumont-buchverlag.de
I’ll never have breakfast again.
Autoradio, 10 Uhr 28
1
Philipp.
19. März. Ich biege vom Hotelparkplatz in die Straße ein, die mir die ganze Nacht durch den Kopf gerauscht ist, auf einmal dieses Datum. Ich denke an meinen Sohn, meine Frau, gewesene Geburtstagsfeiern. Für einen Moment Vatergefühle, dann ärgere ich mich, weil mir das alles heute einfallen muß und nicht morgen, wenn es zu spät ist. Meine Vergeßlichkeit läßt mich im Stich.
So tun, als wäre dies ein Tag wie jeder andere. Ich drehe das Autoradio auf und stähle mich gegen die gute Laune, die mir entgegenschallt. Ich bin spät dran. Abwechselnd schaue ich auf den Verkehr und den zerknitterten Stadtplan auf meinen Knien. Ich bin nicht bei der Sache, versuche, mich auf den Termin zu konzentrieren, und formuliere gleichzeitig Entschuldigungen heimwärts, die auf eine Postkarte passen könnten. Ich denke an Euch.
Aber ich kann nicht kommen. Es geht nicht. Ich habe keine Zeit mehr für diesen Tag. Selbst wenn ich alle geschäftlichen Verpflichtungen absagen würde – um die Einladung heute abend komme ich nicht herum, ein formloses Treffen im kleinen Kreis, da wird das Wichtigste verhandelt. Um rechtzeitig wieder hier zu sein, müßte ich sofort wenden und den Zubringer zur Autobahn nehmen. Dann acht, neun Stunden Fahrt nach Hause und zurück, wenn ich gut durchkomme. Das ergibt keinen Sinn, wir könnten uns kaum mehr als eine halbe Stunde sehen. Ich suche nach einem Sender, der keine Verkehrsinformationen bringt.
Er interessiert sich nicht wirklich für das, was ich mache. Er sieht immer nur, daß ich weg bin. Ich finde das ungerecht, schließlich arbeite ich nicht nur für mich. Es ist mir wichtig, daß er weiß, was ich tue. Wie will er an mich denken, wenn ich unterwegs bin, solange er das nicht weiß?
Er saß vor dem Fernseher, als ich abends nach Hause kam. Anderthalb Jahre ist das vielleicht her. Ich habe mir jede Bemerkung verkniffen. Wer nie da ist, kann nicht nach Hause kommen und sofort seine Regeln aufstellen, dessen bin ich mir bewußt. Ich setzte mich zu ihm. Irgendein amerikanischer Film. Highways und endlose Weiten, Autofahrten und Staub. Wir sagten kein Wort, starrten nur auf den Bildschirm. Der Held – ich nehme an, daß es der Held war – stieg nicht aus dem Wagen. Er nahm eine Anhalterin mit, Typ junge Studentin. Gitarrenkoffer und Rucksack landeten auf dem Rücksitz. Aber er stieg nicht aus, fuhr immer weiter. Irgendwann habe ich zu meinem Sohn gesagt, der Mann in dem Auto bin ich. Er ließ sich nichts anmerken, saß einfach nur da und verschwand in dem Film. Meine Frau kam ins Zimmer und machte den Fernseher aus. Ich weiß nicht, wie es weiterging.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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