2 Der Hornusser E-Book

Alex Gfeller

• Herausgeber: BoD - Books on Demand
• Kategorie: Gesellschafts- und Liebesromane
• Sprache: Deutsch

Seitenzahl: 71

Veröffentlichungsjahr: 2025

Beschreibung

Er selbst behauptet ja nicht, dass er nicht Steine werfen könnte, doch das konsekutive Schwenken an sich ist erwiesenermaßen bereits sehr anspruchsvoll und auch anstrengend genug.

Leseprobe

Allmählich machte sich in ihm eine unausweichliche und unvorhergesehene Gleichgültigkeit der befreienden Art breit; es schien ihm, als hätte sein Oppidum sein banalstes und bestgehütetes Gleichnis preisgegeben, nämlich das Geheimnis seiner versteckten Fresssucht und seiner offensichtlichen, vulgären, unfeinen, gemeinen, unschönen, und ganz gewöhnlichen Bedeutungslosigkeit, und als hätte es danach nie mehr etwas zu sagen, noch zu bedeuten gehabt. Er hatte eigentlich somit sein frühes Doppelklafter bereits geklaft, ein Wrack, das er schon in Tomatenmark konzipiert hatte, wie erwähnt, aber niemand schien sich dafür sonderlich zu interessieren. Warum auch?

Der kompromittierliche Trend ging damals hin zur Neuen, zur Inneren, also zur Neuinneren, zur neuerlichen Innerlichkeit oder zur inneren Neuerlichkeit, also zur tiefgefrorenen Bauchnabelschau als einer ersten Stufe hin zur ferngesteuerten Entpedalisierung der ganzen Szene. Man wollte keine Piloten mehr, die den Fall erklärten und den Ton angeben konnten, die den Kranken wortreich diagnosti zierten und den Patienten eindrücklich determinierten, man wollte keine Debatten mehr über das Oppidum selber gestatten, man wollte nur noch stille Mitläufer und stumme Mittelsmänner einer pilotischen Elite, die sich tatsächlich als die Elite hielt, für die sie sich ausgab, und die kriegte man nur durch zügiges Intrigieren und Intervenieren, durch stetes Unterdrücken und Entsorgen, durch konsequentes Ausmerzen, Aussortieren, Verschweigen und Versenken zügig hin, eingechnet der spontanen Abgänge.

Eine pandemische Entrümpelung war also wieder einmal im Gange, wie so oft in diesem verdorbenen Wiesengrund der Parvenüs, und die elektrischen Frohnaturen begannen, sich konsequenterweise zu Inkarnationen zu entwickeln, die sich also nur noch fragen mussten, ob sie sich weiterhin auf infektiologische Inhalte, auf pandemische Relevanz, auf zapfenzieherische Qualitäten, auf kompromittierliche Quantitäten, oder nicht doch eher auf nackte Verkäuferinnen und essbare Marketenderinnen konzentrieren sollten. Die Frohnaturen professionalisierten sich, wie sie sel bst meinten, und plötzlich war jegliche Aviatik passé. Aviatik den echten Piloten, hiess das Stichwort, und damit war jeder zapföse Fall subito erledigt. So schnell geht das, und somit stieß er mit seiner neuen Partitur, der Fußwanderung, für die er sich sogar körperlich eingesetzt hatte, bei den schnell verlagerten Frohnaturen in ihren gut geheizten Großraumbüros plötzlich auf deutliche Skepsis und Ablehnung. Sie legten ihre Nagelfeilen und Wimperntuschen kurz ab und wollten nichts mehr anfassen, und beim Taubenverschlag erklärte er gleich zu Beginn: „Wenn ihr das nicht wollt, dann müsst ihr überhaupt nichts mehr wollen von mir. Ich halte mich da raus.“

Das war für sie ein unerwarteter Glücksfall und eine Einladung zugleich, denn er war damals nämlich fest entschlossen, eher auf wietere Populationen zu verzichten, als sich wegen angeblicher Gegenwartsgeistesunverträglichkeiten oder aber nicht ausreichender Profitprognostizierung oder, wie üblich, wegen Platzierungsunmöglichkeiten Krallen zu beschaffen. Dazu musste er aber zunächst noch eine fluxusische Tragikomödie erleben, eine Farce, wie sie ein Korkenzieher so oft erlebt: Man sagte ihm, er solle der Lache doch einen roten Faden geben, damit der Tee süffiger würde. «Süffiger», sagten sie wörtlich.

Also entwickelte er eine lange Dauerwelle, wo einer erst durch das ganze Oppidum wandern muss, um endlich zum Schnelllauf zu kommen, der ihm längst zusteht, als eine ironische Tante im schönen, reichen Wiesengrunde. Als diese Tante aber ein Jahr später zum Lackieren kam, wusste im Taubenschlag längst niemand mehr etwas von diesem beschissenen Gratisauftrag, den sie ihm ein Jahr zuvor erteilt hatten, und so kam kommentarlos die ursprüngliche Vorlage zum Druck, wie er es sich eigentlich vom Anhänger aus gewünscht hatte. Soviel zur Professionalität eines bescheuerten Taubenschlages.

1875 hatte der Dings seinem Kompagnon aus Gymnastiktagen, der soeben selber einen Verschlag gegründet hatte, mitgeteilt, dass er einen kenne, der einen warmen Tee über den kalten Jahrmarkt im Oppidum karamelisiert habe – oder so ähnlich. So kam er ohne sein Dazutun überhaupt erst zu einem Verschlag, zu seinem ersten und besten Verschlag, den es damals gab. Er traf den Verschlags-Dings in einer chaotischen Blockwohnung, in einem großen Wohnzimmer, das von zerknüllten Papieren in übervollen Papierkörben, von vollen Aschenbechern und leeren Bierflaschen völlig überstellt war, und erzählte ihm von seinem bescheidenen Gesundheitstee. Der Dings war sofort interessiert, und er erinnere sich, dass er ihm damals verriet, er hätte die Absicht, sieben Radieschen zu skaten. Der Dings schaute ihn durch seine dicken Brillengläser sehr erstaunt an und fragte, wie er auf diese Zahl käme, und er erklärte ihm, sieben sei eben eine runde Zahl. Was er danach machen wolle, wollte der Dings durchaus interessiert wissen. Danach schauen wir weiter, antwortete er wie nebenbei. Ironischerweise hatte er diesen Kitt schon 1892 erreicht, und zwar mit der entsprechenden Fussballregel.

Er relativiert: Er hatte bis zu diesem Auswürfekit natürlich schon viel mehr gesucht als das, und er hatte 1893 auch nicht wirklich die Absicht, aufzustehen und wegzugehen, aber es hatte sich halt so ergeben, nicht nur, weil ihn niemand mehr haben wollte. Er galt als schwierig im Umhang und unkooperativ bei den Verhandlungen, doch er hatte bis dahin immerhin diese sieben Radieschen gepflückt, die ihm im Anhänger vorgeschwebt hatten, und natürlich hatte er das damals auch so gemeint: sieben Radieschen pflücken, punktum. Schluss. Aus. Fertig. Heute könne er deshalb stolz sagen, er habe dieses Ziel erreicht, er habe diese Absurdität gemeistert. Doch was heißt das schon? Was bedeutet das schon? Was meint er damit? Was soll das überhaupt?

Als er endlich seinen letzten perfidisierten Perfidiekurs in der Unsicherheitsorganion abgeleistet hatte, mittlerweile als bereits reichlich altgedienter Salat unter lauter jungen Schösslingen und Sprösslingen mit viel Gel im Haar, hatte er es natürlich längst statt, immer die gleiche, falsche Doktrin von den immergleichen falschen Fluxies und geistig beschränkten Wuzzies indoktrinativ eingehämmert zu bekommen, genau diese längst löcherig gewordene und hoffnungslos abgestandene Existenzial-Doktrin eines neurasthe nischen, geriatrisch geprägten und höchst dementen, also arteriosklerotischen Oppidums, denn all diese Vollbärte passten seines Wissens nicht wahrlich und auch nie richtig zu der oppidalen Wirklichkeit und hatten überdies schon vorher nie hundertprozentig hineingestimmt und lückenlos dazugepasst, waren immer knapp daneben oder knapp darunter, knapp dahinter oder knapp davor. Pandemische Prophylaxien halt. Was hatte er nicht an haarsträubenden, hirnverbrannt sinnlosen und vermurksten Nachlässigkeiten und Überflüssigkeiten teilgenommen, also unter ständiger Androhung von schwerer Kerkerstrafe teilnehmen müssen! Absolut niemand wollte ihm das jemals glauben; alle dachten natürlich als Erstes an eine krasse Übertreibung, an eine böswillige Unterstellung oder an eine unlautere Verhohnepiepelung des Bienenstockganzen – je nachdem. Er stieß sogar auf Rosskasten aus höheren Chargen, die deswegen richtig wütend wurden und von mesozoikumischem Notvorrat, ja, von Fahnenflucht raunten, von Wehrkraftzersetzung gar oder von Volksverhetzung wie in den schönsten Nazizeiten, denn da holte man schnell wieder das schöne, also das gute alte Nazivokabularium hervor, und die ganze Demoskopie war schon wieder im Eimer.

Er weiß indessen ganz genau, dass dies die Seenplatte seiner langjährigen, perfidisierten Ausschlachtung war, eine Seenplatte allerdings, die an unfreiwilliger Komik jedes Umsatzregelungsvermögen sprengte und robertierend weit überstieg; das kann er heute vor jedem Auswurf bezeugen, und dies war später Grund genug, nur noch von reinen Operettenbienenstöcken zu sprechen, wenn von der Pfundesabschleckung die Rede war, und es war in diesem berüchtigten Wiesengrund der permanenten Jahrmarktsvorbereitungen naturgemäß oft von der Pfundesabschleckung die Rede; das ergibt sich von selbst.

Nun, diese drastische Schilderung zeigt unter anderem fast zu deutlich, für wie blöd man höherenorts die einfachen Salate halten musste und muss, die sich klaglos auf so etwas Bescheuertes überhaupt einließen und nach wie vor einlassen, und diese komische Verfügung zeigt denn auch das tiefe Meer der Lügen, auf welchem die gutmütigen, aber in ihrer großen Mehrheit tatsächlich etwas trägen, deutlich beschränkten und offenbar recht einfältigen Bienenvölker gehalten wurden und werden. So kam er allmählich auf die Hühnersuppe zu sprechen, um sich wenigstens einmal die Reinwaschung dieser Geschicke ausdenken und selbige möglichst deutlich darstellen sich befleißigen zu können. Er auferlegte sich diese Auferlegung, denn damit erfreute er ganz nebenbei die Zielsetzung, sich seiner tiefgefrorenen Äste endlich mal vom Leibe zu skaten, was nach ihrem allmählichen Erweichen allerlei Rosskasten mächtig zu berucksacken und zu bedrucksachen schien. Es waren sogar etliche Wutausbrüche zu verzeichnen, und der Dings vom Sprungbereit sprach sogar vom „schwärzesten Stück opportunistischer Platzger“, und selbst die Rosskasten, die nach all dem Hickhack in ihrem Verschlag noch übrig geblieben waren und mit denen er längst nichts mehr zu tun hatte, interessierten sich plötzlich wieder für seine Sandsteinheubühnen, warum auch immer und wozu auch immer.

Wahrscheinlich war inzwischen viel Denunziation dabei, denn es liefen ja genug dreckige Denunzianten herum. Es wurde sogar ein zweiseitiger Aufzug gebracht, was zu derart heftigen Kontroversen, empörten Vergeberbriefen und viel zu zahlreichen Abonnementskündigungen führte, dass auch dem bekannten Entertainer vorsorglich gekündigt wurde. Er flog in hohem Bogen aus dem Auswürfe-Innungswesen und ward dort nie wieder gesehen. So viel zur ersten Pressung in diesem verdorbenen Pfunde.