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Unser Dasein auf diesem Planeten kann nicht ewig währen. Ein paar Tausend Jahre noch. Wenn's gut läuft, einige Zehntausend, wenn's schlecht läuft und der Mensch nachhilft, einige Hundert - und das gespaltene Atom, das pandemische Virus, die nächste Eiszeit, der Supervulkan im Yellowstone Park oder ein großer Komet löscht fast alles Leben aus; wie schon viermal geschehen auf unserer Erdkugel. Dies ist ein Szenarium, das Astrophysiker und Zukunftsforscher von Carl Sagan bis Michio Kaku umtreibt, nicht unrealistisch angesichts der Vielzahl von Gefahren. Es wird Zeit, sagt Kaku, die nächste Zivilisationsstufe zu erklimmen und den Aufbruch ins Weltall voranzubringen: gleichsam Weltraum-Archen zu planen und zu bauen. In diesem Buch erklärt Kaku, wie und wann es im Einzelnen gehen könnte: natürlich unter Einhaltung der herrschenden physikalischen Gesetze. Die ersten Schritte führen zum Mars. Um das Jahr 2030 will die NASA eine bemannte Mission zum Roten Planeten schicken, zehn Jahre vorher schon mit der Erkundung des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter anfangen. Diese Himmelskörper geologisch auszubeuten, könnte die nächsten Schritte finanzieren: Terraforming mit technischen Mitteln wie Quantencomputer, superharte Nano-Werkstoffe und sich selbst reproduzierende Schürf- und Arbeitsroboter. Bereits um das Jahr 2050, schätzt Kaku, könnten Mittel und Technik ausreichen, um schon einmal einen ständigen Außenposten auf dem Mars zu errichten. Vom umgeformten Mars aus geht es die Entwicklung dann weiter zu einer Stadt im Weltraum und zu Reisen in andere Sternensysteme. Kaku stellt das ganze Arsenal heute denkbarer Zukunftstechnologien auf die Probe: Weltraumaufzüge, Meteoritenabwehr, lasergetriebene Minisonden nach Alpha Centauri, die ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit erreichen könnten (wie Stephen Hawking sie propagiert), Raumschiffe mit Antimaterie-Antrieb (gleich dem Atom nicht unheikel), das Produzieren von Wurmlöchern via negativer Energie mithilfe des "Casimir-Effekts" oder - in ganz, ganz ferner Zukunft - mit Planck-Energie. Theoretisch ist das meiste davon möglich. Und Kaku entfaltet vor unseren Augen ein ebenso unterhaltsames wie kenntnisreiches Breitwand-Panorama künftiger technischer (und biologischer) Wunder, die uns den Weg ins Weltall ebnen können. Der Zeitrahmen geht dabei weit über die 100 Jahre von "Die Physik der Zukunft" hinaus: Was ist denkbar in rund 100, 1.000, 10.000 Jahren und, im Ausblick, noch sehr viel später? Auch hier passt, was die New York Times Book Review über den Vorgänger schrieb: "Was für ein wunderbares Abenteuer ist dies, der Versuch, das Undenkbare zu denken!"
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Seitenzahl: 554
Michio Kaku
Die Zukunft der Menschheit
Die Zukunft hat bereits begonnen. Welches Schicksal hält sie für die Menschheit bereit? Bestsellerautor Michio Kaku gibt Einblicke in die spannende Welt von morgen und übermorgen. Und er stellt für uns das ganze Spektrum denkbarer Zukunftstechnologien auf die Probe: Weltraumaufzüge, Meteoritenabwehr, lasergetriebene Minisonden nach Alpha Centauri, Raumschiffe mit Antimaterie-Antrieb, das Erschaffen von Wurmlöchern durch negative Energie.
Denn das Schicksal der Erde ist ungewiss. Allzu viele Risiken bedrohen das Leben auf unserem Blauen Planeten. Deshalb rät nach Carl Sagan und Stephen Hawking auch Michio Kaku dringend zum Aufbruch ins Weltall.
Auch in diesem Buch zeigt Michio Kaku, dass die technischen und biologischen Wunder der Zukunft längst begonnen haben und wohin sie uns noch führen können.
«Mit einem ansteckenden, geradezu phantastischen Optimismus breitet Michio Kaku die potentielle Zukunft der Menschheit im Weltall aus. Sein Buch ist Science Fiction im besten Sinne. Es ist leicht lesbar wie ein Roman.» Deutschlandfunk Kultur
Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der berühmtesten Physiker der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für Theoretische Physik an der City University of New York. In den USA ist er zudem ein Medienstar mit großer TV-Präsenz und eigener Radiosendung; längst hat er auch in Deutschland durch seine Auftritte in vielen Science-Dokus TV-Präsenz und Bekanntheit erlangt.
Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde.
Bernd Schuh, geboren 1948, ist Physiker, Dozent, Journalist, Autor und Übersetzer. Er studierte Mathematik, Physik und Chemie in Köln, wurde 1977 promoviert und habilitierte sich 1982 in Physik. Er ist Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, April 2019
Copyright © 2019 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
«The Future of Humanity: Terraforming Mars, Interstellar Travel, Immortality, and Our Destiny Beyond Earth» © 2018 by Michio Kaku
Covergestaltung zero-media.net, München, nach einem Entwurf von Anzinger und Rasp, München
Coverabbildung Detlev van Ravenswaay/Picture Press/Getty Images
ISBN 978-3-644-00143-5
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Gewidmet meiner lieben Frau Shizue und meinen Töchtern Michelle und Alyson
Eines Tages vor rund 74000 Jahren wäre die Menschheit fast ausgestorben.[1]
Eine gewaltige Explosion in Indonesien sandte eine kolossale Wolke aus Asche, Rauch und Staub in den Himmel, die, nachdem sie sich gelegt hatte, eine Fläche von vielen tausend Quadratkilometern bedeckte. Der Ausbruch des Vulkans Toba war so heftig, dass er als die stärkste vulkanische Eruption der letzten 25 Millionen Jahre gilt. Dabei wurden unvorstellbare 2800 Kubikkilometer vulkanischen Materials in die Atmosphäre geschleudert. In der Folge wurden große Teile von Malaysia und Indien unter einer bis zu 10 Meter dicken Ascheschicht begraben. Die giftigen Gase und der Staub wanderten schließlich über Afrika und zogen eine Schleppe von Tod und Zerstörung hinter sich her.
Stellen Sie sich einen Moment lang das Chaos vor, das von dieser erdgeschichtlichen Katastrophe hervorgerufen wurde. Unsere Vorfahren wurden von der sengenden Hitze und den grauen Aschewolken, die die Sonne verdunkelten, in Angst und Schrecken versetzt. Viele wurden vergiftet oder erstickten an Ruß und Staub. Dann begannen die Temperaturen abrupt zu fallen, was zu einem so genannten vulkanischen Winter führte. So weit das Auge reichte, gingen Pflanzen und Tiere zugrunde, sodass nur eine öde, verwüstete Landschaft zurückblieb. Die überlebenden Menschen und Tiere waren gezwungen, in einer zerstörten Landschaft nach Nahrungsbrocken zu suchen, und die meisten unserer Vorfahren verhungerten. Es war, als würde die ganze Erde sterben. Die wenigen Überlebenden hatten nur ein einziges Ziel: so rasch und so weit wie möglich aus dieser Todeszone zu entkommen, in die sich ihre Welt verwandelt hatte.
Starke Hinweise auf diese Katastrophe lassen sich möglicherweise in unserem Erbgut finden.[2]
Genetikern ist die seltsame Tatsache aufgefallen, dass zwei beliebige heute lebende Menschen über eine fast identische DNA-Zusammensetzung verfügen. Im Gegensatz dazu kann die DNA zweier beliebiger Schimpansen eine größere genetische Variationsbreite aufweisen, als man sie innerhalb der gesamten menschlichen Bevölkerung findet. Mathematisch lässt sich das Phänomen durch die Annahme erklären, dass die meisten Menschen durch den Vulkanausbruch ausgelöscht wurden und nur eine Handvoll unserer Vorfahren überlebten – rund 2000 Individuen. Bemerkenswerterweise sollte diese abgerissene, zerlumpte Bande von Menschen zu den Urmüttern und Urvätern werden, deren Nachkommen schließlich die ganze Welt besiedeln würden. Wir alle sind demnach fast so eng verwandt wie Brüder und Schwestern, die von einer sehr kleinen und sehr widerstandsfähigen Gruppe von Menschen abstammen, die leicht in den Festsaal eines modernen Hotels gepasst hätte.
Während diese Menschen durch die öde Landschaft streiften, hätten sie sich wohl kaum vorstellen können, dass ihre Nachfahren eines Tages jeden Winkel unseres Planeten beherrschen würden.
Wenn wir heute einen Blick in die Zukunft werfen, erkennen wir, dass die Ereignisse, die vor 74000 Jahren stattfanden, tatsächlich eine Generalprobe für zukünftige Katastrophen sein könnten. Daran musste ich 1992 denken, als ich die erstaunliche Nachricht hörte, dass ein Planet entdeckt worden war, der einen fernen Stern umkreiste. Damit konnten die Astronomen erstmals belegen, dass es auch außerhalb unseres Sonnensystems Planeten gibt. Das war ein bedeutender Paradigmenwechsel in unserem Verständnis des Universums. Traurig machte mich jedoch der zweite Teil der Nachricht: Dieser fremde Planet umkreiste einen toten Stern, einen Pulsar, der von einer Supernovaexplosion zurückgeblieben war, die dabei wahrscheinlich alles Leben auf diesem Planeten ausgelöscht hatte. Kein der Wissenschaft bekannter Organismus kann der alles vernichtenden Gewalt nuklearer Energie widerstehen, die frei wird, wenn ein naher Stern explodiert.
Dann stellte ich mir eine Zivilisation auf diesem Planeten vor, die sich bewusst war, dass ihr Muttergestirn im Begriff war zu sterben, und die mit aller Kraft daran arbeitete, eine riesige Armada an Raumschiffen fertigzustellen, die sie in ein anderes Sternsystem bringen könnte. Auf dem Planeten musste ein schreckliches Chaos geherrscht haben, als die Bewohner voller Panik und Verzweiflung versuchten, einen der letzten Plätze in einem der abhebenden Raumschiffe zu ergattern. Ich stelle mir das Entsetzen der Zurückgelassenen vor, die ihr Ende fanden, als ihre Sonne explodierte.
Es ist so unausweichlich wie die Gesetze der Physik, dass die Menschheit eines Tages mit einem Ereignis der einen oder anderen Art konfrontiert wird, das ihr Aussterben bedeuten könnte. Aber werden wir wie unsere Vorfahren genug Schwung und Entschlossenheit besitzen, zu überleben und sogar zu blühen und zu gedeihen?
Wenn wir all die Lebensformen an unserem inneren Auge vorüberziehen lassen, die jemals auf Erden gelebt haben, von mikroskopisch kleinen Bakterien zu hoch aufragenden Bäumen, gigantischen Dinosauriern und unternehmungslustigen Menschen, stellen wir fest, dass 99,9 Prozent von ihnen schließlich ausgestorben sind. Das heißt, dass Aussterben die Norm ist und unsere Chancen bereits sehr schlecht stehen. Wenn wir den Boden unter unseren Füßen ausheben, um nach Fossilien zu suchen, finden wir Belege für viele frühere Lebensformen. Aber nur eine kleine Handvoll hat bis heute überlebt. Vor uns gab es Millionen Arten; sie tummelten sich unter der Sonne, und dann welkten sie dahin und starben aus. Das ist die Geschichte des Lebens.
Ganz gleich, wie sehr wir den Anblick eines romantischen Sonnenuntergangs schätzen, den Geruch einer frischen Meeresbrise und die Wärme eines Sommertages, eines Tages wird das alles enden und der Planet für menschliches Leben unbewohnbar werden. Die Natur wird sich schließlich gegen uns wenden, wie sie es bei all den bereits ausgestorbenen Lebensformen getan hat.
Wie die Geschichte des Lebens auf der Erde zeigt, gibt es für Organismen angesichts einer feindlichen Umwelt drei Möglichkeiten: Sie können diese Umwelt verlassen, sie können sich ihr anpassen oder sie werden aussterben. Doch wenn wir weit genug in die Zukunft schauen, werden wir uns eines Tages einer Katastrophe gegenüber sehen, die so gewaltig ist, dass Anpassung praktisch unmöglich ist. Entweder verlassen wir die Erde, oder wir werden untergehen. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Solche Katastrophen haben sich in der Vergangenheit immer wieder ereignet, und sie werden sich zweifellos auch in der Zukunft ereignen. Die Erde hat bereits fünf große Aussterbezyklen durchlaufen, bei denen jeweils bis zu 90 Prozent aller Lebensformen ausgelöscht wurden. Und weitere derartige Ereignisse werden folgen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
In den nächsten Jahrzehnten sehen wir uns Bedrohungen gegenüber, die nicht natürlich, sondern weitgehend hausgemacht sind, eine Folge unserer eigenen Dummheit und Kurzsichtigkeit. Wir sind von einer globalen Klimaerwärmung bedroht, wenn sich die Erdatmosphäre gegen uns stellt. Wir sind von atomaren Massenvernichtungswaffen bedroht, da sich Kernwaffen in einigen der instabilsten Regionen der Welt ausbreiten. Wir sind von biologischen Massenvernichtungsmitteln wie aerogenen AIDS- oder Ebola-Erregern bedroht, die durch simples Husten oder Niesen übertragen werden können. Das könnte bis zu 98 Prozent der menschlichen Spezies vernichten. Zudem sehen wir uns weiterhin einer wachsenden Bevölkerung gegenüber, die die irdischen Ressourcen in rasender Geschwindigkeit aufbraucht. An irgendeinem Punkt könnten wir die Tragfähigkeitsgrenze der Erde überschreiten und uns in einem ökologischen Armageddon wiederfinden, in dem wir um die letzten verbliebenen Vorräte des Planeten konkurrieren.
Zu den selbstgeschaffenen Bedrohungen kommen Naturkatastrophen, auf die wir kaum Einfluss haben. Auf einer Skala von Jahrtausenden betrachtet, sehen wir uns dem Beginn einer neuen Eiszeit gegenüber. Im Lauf der letzten 100000 Jahre war der größte Teil der Erdoberfläche von einer fast 800 Meter dicken Eisdecke überzogen. Die öde, gefrorene Landschaft führte zum Aussterben zahlreicher Tierarten. Dann, vor rund 10000 Jahren, setzte Tauwetter ein. Diese kurze Warmperiode brachte den plötzlichen Aufstieg moderner Zivilisationen mit sich, und die Menschheit hat sich diese Periode zunutze gemacht, um sich auszubreiten und zu vermehren. Doch dieser Aufschwung hat sich während einer Zwischeneiszeit (Interglazialperiode) entwickelt, was bedeutet, dass es innerhalb der nächsten 10000 Jahre wahrscheinlich zu einer weiteren Eiszeit kommen wird. Wenn sie eintritt, werden unsere Städte unter Bergen von Schnee verschwinden, und die Zivilisation wird unter einer Eisdecke begraben werden.
Zudem ist es möglich, dass der Supervulkan unter dem Yellowstone National Park aus seinem langen Schlummer erwacht, die Vereinigten Staaten auseinanderreißt und die Erde in eine erstickende, giftige Wolke aus Ruß- und Staubteilchen hüllt. Frühere Eruptionen fanden vor 630000 Jahren, 1,3 Millionen und 2,1 Millionen Jahren statt. Zwischen den Ereignissen lagen also ungefähr 700000 Jahre, daher steht uns in den nächsten 100000 Jahren vielleicht ein weiterer Ausbruch bevor.
Auf einer Skala von Millionen Jahren droht uns ein weiterer Meteoriten- oder Kometeneinschlag ähnlich dem, der vor 65 Millionen Jahren das Ende der Dinosaurier einläutete. Damals schlug ein Felsbrocken von knapp 10 Kilometern Durchmesser auf der Halbinsel Yucatán im heutigen Mexiko ein und schleuderte feurige Trümmer in den Himmel, die anschließend zurück auf die Erde regneten. Wie beim Ausbruch des Toba-Vulkans, nur in viel größerem Maßstab, verdunkelten die Aschewolken anschließend die Sonne und führten weltweit zu Temperaturstürzen. Dadurch verkümmerte die Vegetation, und die Nahrungskette kollabierte. Pflanzenfressende (herbivore) Dinosaurier verhungerten, und das bedeutete auch das Ende für ihre fleischfressenden (carnivoren) Verwandten. Schließlich gingen 90 Prozent aller Lebensformen im Gefolge dieses katastrophalen Ereignisses zugrunde.
Jahrtausende lang hatten wir keine Ahnung davon, dass die Erde in einem Schwarm potenziell tödlicher Felsbrocken treibt. Erst in den letzten 20 Jahren haben Wissenschaftler begonnen, das reale Risiko eines großen Einschlags (Impakt) abzuschätzen. Inzwischen wissen wir, dass es mehrere tausend erdnahe Objekte (near-Earth objects, kurz NEOs) gibt, die die Erdumlaufbahn kreuzen und eine Gefahr für das Leben auf unserem Planeten darstellen. Bis Januar 2018 sind 17566 dieser Objekte katalogisiert worden. Aber das sind nur diejenigen, die wir gefunden haben. Astronomen schätzen, dass es möglicherweise mehrere Millionen unkartierter Objekte im Sonnensystem gibt, die an der Erde vorbeiziehen.
Bei einem früheren Interview sprach ich mit dem Astronomen Carl Sagan über diese Bedrohung. Und er meinte zu mir: «Wir leben in einem kosmischen Schießstand», umgeben von potenziellen Risiken. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis ein großer Asteroid die Erde treffe, so Sagan. Wenn wir all diese Asteroiden auf irgendeine Weise zum Leuchten bringen könnten, würden wir sehen, dass der Nachthimmel mit Tausenden von bedrohlichen Lichtpunkten gefüllt ist.
Selbst in dem Fall, dass wir all diese Gefahren überstehen, gibt es eine weitere Bedrohung, die alle anderen in den Schatten stellt. In fünf Milliarden Jahren wird sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufblähen, der den ganzen Himmel füllt. Dann wird die Sonne so gigantische Ausmaße annehmen, dass die Umlaufbahn der Erde innerhalb der sengenden solaren Atmosphäre verläuft, und die höllische Hitze wird jedes Leben in diesem Inferno auslöschen.
Im Gegensatz zu allen anderen Lebensformen auf diesem Planeten, die sich passiv in ihr Schicksal ergeben müssen, sind wir Menschen Herr über unser eigenes Geschick. Zum Glück haben wir inzwischen begonnen, Werkzeuge zu schaffen, die uns ermöglichen, unseren schlechten natürlichen Chancen zu trotzen, sodass wir nicht zu einer der 99,9 Prozent zum Aussterben bestimmten Lebensformen werden. In diesem Buch werden wir die Pioniere treffen, die über die Energie, die Vision und die Ressourcen verfügen, um das Schicksal der Menschheit zu verändern. Wir werden den Träumern begegnen, die glauben, dass die Menschheit im All leben und gedeihen kann. Wir werden die revolutionären technologischen Fortschritte analysieren, die es möglich machen, die Erde zu verlassen und uns anderswo im Sonnensystem und selbst jenseits davon niederzulassen.
Wenn es jedoch eine Lehre gibt, die wir aus der Geschichte ziehen können, dann die, dass sich die Menschheit angesichts von lebensbedrohenden Krisen der Herausforderung gewachsen gezeigt und immer nach noch höheren Zielen gestrebt hat. In gewissem Sinne steckt uns der Forschergeist in den Genen und ist fest in unserer Seele verankert.
Heute sehen wir uns jedoch der vielleicht größten aller Herausforderungen gegenüber: die engen Grenzen der Erde zu verlassen und uns ins All zu wagen. Die Gesetze der Physik sind klar; früher oder später werden wir uns globalen Krisen gegenübersehen, die unsere Existenz im Kern bedrohen.
Das Leben ist zu kostbar, um es auf einen einzigen Planeten zu beschränken und damit der Gnade all dieser planetaren Bedrohungen auszuliefern.
Wir bräuchten eine Versicherungspolice, erklärte mir Sagan. Er meinte, wir sollten eine «Zwei-Planeten-Species» werden. Mit anderen Worten: Wir brauchen einen Plan B.
In diesem Buch wollen wir die Geschichte, die Herausforderungen und die möglichen Lösungen diskutieren, die vor uns liegen. Der Weg wird nicht einfach sein, und es wird Rückschläge geben, aber uns bleibt keine Wahl.
Nach dem Beinahe-Aussterben vor rund 75000 Jahren wagten sich unsere Vorfahren in die weite Welt hinaus und begannen, die ganze Erde zu besiedeln. Dieses Buch wird, so hoffe ich, aufzeigen, welche Schritte nötig sind, um die Hürden zu überwinden, auf die wir in Zukunft ohne Zweifel stoßen werden. Vielleicht ist es unser Schicksal, zu einer Art zu werden, die auf vielen Planeten zu Hause ist und zwischen den Sternen lebt.
Wenn es um unser langfristiges Überleben geht, haben wir eine grundsätzliche Verpflichtung unserer Art gegenüber, kühn nach anderen Welten zu greifen.
Carl Sagan
Die Dinosaurier starben aus, weil sie kein Raumfahrtprogramm hatten. Falls wir jemals aussterben sollten, weil wir kein Raumfahrtprogramm haben, dann geschieht es uns recht.
Larry Niven
Als Kind habe ich Isaac Asimovs Foundation-Trilogie gelesen, die als eine der berühmtesten Sagas in der Geschichte der Science-Fiction gilt. Ich war verblüfft, dass Asimov, statt über Schlachten mit Lasergewehren und Kriege mit Außerirdischen zu schreiben, eine einfache, aber profunde Frage stellte: Wo wird die menschliche Zivilisation in 50000 Jahren stehen? Was ist letztendlich unser Schicksal?
In seiner wegweisenden Trilogie entwarf Asimov das Bild einer Menschheit, die sich über die gesamte Milchstraße ausgebreitet hat und Millionen Planeten besiedelt, welche zu einem riesigen galaktischen Reich vereinigt sind. Die Menschheit ist so weit gereist, dass die Lage der ursprünglichen Heimat, aus der diese große Zivilisation hervorging, im Nebel der Vorgeschichte verloren gegangen ist. Und in der Galaxie gibt es so viele hoch entwickelte Gesellschaften mit so vielen Menschen, die durch ein komplexes Netz wirtschaftlicher Bande verknüpft sind, dass es dank dieser riesigen statistischen Basis möglich ist, den zukünftigen Verlauf von Ereignissen so präzise vorherzusagen, als handele es sich um die Bewegung von Molekülen.
Vor Jahren lud ich Dr. Asimov ein, an unserer Universität zu sprechen. Während ich ihm zuhörte, war ich überrascht von der Breite seines Wissens. Dann stellte ich ihm eine Frage, die mich seit meiner Jugend interessierte: Was hatte ihn dazu gebracht, den Foundation-Zyklus zu schreiben? Wie war er dazu gekommen, sich ein Thema auszudenken, so groß, dass es die ganze Galaxie umfasste? Ohne Zögern antwortete er, er habe sich vom Aufstieg und Fall des Römischen Reiches inspirieren lassen. An der Geschichte des Reiches ließ sich ablesen, wie sich das Schicksal des römischen Volkes im Lauf seiner turbulenten Historie entwickelte.
Ich begann mich zu fragen, ob die Menschheit ebenfalls ein Schicksal hatte. Vielleicht besteht unser Geschick darin, schließlich eine Zivilisation zu schaffen, die die gesamte Milchstraße umfasst. Vielleicht sind die Sterne wirklich unser Schicksal.
Viele der Themen, die sich durch Asimovs Werk ziehen, wurden schon früher, in Olaf Stapledons bahnbrechendem Roman Der Sternenschöpfer (Star Maker) angesprochen. In diesem Roman träumt der Held davon, durch den Raum zu treiben, bis er ferne Planeten erreicht. Als reines Bewusstsein driftet er durch die Galaxie, wandert von Sternensystem zu Sternensystem und besucht fantastische fremde Reiche. Einige von ihnen steigen zu bedeutender Größe auf und läuten eine Ära der Fülle und des Friedens ein, manche schaffen mit ihren Sternenschiffen sogar interstellare Reiche. Andere zerfallen, zerstört von Bitterkeit, Zwietracht und Krieg.
Viele der revolutionären Konzepte in Stapledons Roman fanden Eingang in nachfolgende Science-Fiction-Erzählungen. So entdeckt unser Held im Sternenschöpfer beispielsweise, dass viele sehr weit fortgeschrittene Zivilisationen bewusst ihre Existenz vor weniger entwickelten Zivilisationen geheim halten, um sie nicht versehentlich mit fortschrittlicher Technologie zu infizieren. Dieses Konzept ähnelt der Ersten Direktive, einem der Leitprinzipien der Föderation in den Star-Trek-Serien.
Unser Held stößt auch auf eine Zivilisation, die technisch so weit fortgeschritten ist, dass ihre Vertreter ihre Sonne in eine gigantische Kugel hüllen, um all ihre Energie zu nutzen. Dieses Konzept, das später als Dyson-Sphäre bezeichnet werden sollte, ist inzwischen ein fester Bestandteil der Science-Fiction-Literatur.
Er trifft auch auf eine Rasse von Individuen, die in ständigem telepathischen Kontakt zueinander stehen. Jeder kennt die intimen Wünsche der anderen. Diese Idee geht den Borg in Star Trek voraus, einer Gruppierung, bei denen sämtliche Individuen mental miteinander verbunden und dem Willen der Gesamtgesellschaft untergeordnet sind.
Und am Ende des Romans trifft der Held auf den Sternenschöpfer selbst, ein himmlisches Wesen, das ganze Universen schafft, alle mit eigenen physikalischen Gesetzen, und daran herumbastelt. Unser Universum ist nur eines in einem viel größeren Multiversum. Voller Staunen und Ehrfurcht beobachtet unser Held den Sternenschöpfer bei der Arbeit, wie dieser neue und aufregende Welten schafft und diejenigen verwirft, die ihm missfallen.
Stapledons wegweisender Roman war ein ziemlicher Schock für eine Welt, in der das Radio noch immer als Wunder der Technik galt. In den 1930er Jahren erschien die Idee einer raumfahrenden Zivilisation absurd. Damals waren Propellerflugzeuge Stand der Technik, die kaum die Wolkendecke durchstoßen konnten, und die Möglichkeit, zu den Sternen zu reisen, erschien hoffnungslos weit entfernt.
Der Sternenschöpfer war sofort ein Erfolg. Arthur C. Clarke bezeichnete ihn als einen der besten SF-Romane aller Zeiten. Er regte die Fantasie einer ganzen Generation von Nachkriegs-SF-Autoren an. In der allgemeinen Öffentlichkeit geriet der Roman jedoch inmitten des Chaos und des Gemetzels des Zweiten Weltkriegs bald in Vergessenheit.
Nun, da die Kepler-Sonde und irdische Astronomenteams rund 4000 Planeten entdeckt haben, die um andere Sterne in der Milchstraße kreisen, beginnt man sich zu fragen, ob die von Stapledon beschriebenen Zivilisationen vielleicht tatsächlich existieren.
Im Jahr 2017 identifizierten NASA-Wissenschaftler nicht nur einen, sondern gleich sieben erdgroße Planeten, die um einen nahen, nur 39 Lichtjahre von der Erde entfernten Stern kreisen. Von diesen sieben Planeten befinden sich drei so nahe an ihrem Mutterstern, dass sie flüssiges Wasser aufweisen könnten. Schon sehr bald werden Astronomen sagen können, ob diese und andere Planeten eine Atmosphäre haben, die Wasserdampf enthält. Da flüssiges Wasser das «universelle Lösungsmittel» ist und als ideale Umgebung für die organischen Verbindungen dienen kann, aus denen sich das DNA-Molekül zusammensetzt, ließe sich möglicherweise nachweisen, dass die Voraussetzungen für Leben im Universum häufig gegeben sind. Vielleicht stehen wir kurz davor, den Heiligen Gral der planetarischen Astronomie zu finden, eine Zwillingsschwester der Erde im All.
Etwa um dieselbe Zeit machten Astronomen eine weitere bahnbrechende Entdeckung: Sie stießen auf einen erdgroßen Planeten namens Proxima Centauri b, der um den Stern Proxima Centauri kreist; dieser steht unserer Sonne am nächsten und ist nur 4,2 Lichtjahre entfernt. Wissenschaftler spekulieren, dass dieser Stern zu den ersten gehören wird, die erkundet werden.
Diese Planeten stellen nur einige wenige der neueren Einträge in die riesige Enzyklopädie extrasolarer Planeten dar, die praktisch jede Woche auf den neuesten Stand gebracht werden muss. Sie enthält seltsame, ungewöhnliche Sternensysteme, von denen Stapledon nur hätte träumen können – darunter Systeme, in denen sich vier oder mehr Sterne umeinander drehen. Wenn man sich irgendeine bizarre Formation von Himmelskörpern vorstellen kann, glauben manche Astronomen, dann existiert sie wahrscheinlich auch irgendwo in der Galaxie, solange sie kein physikalisches Gesetz verletzt.
Das heißt, dass wir grob abschätzen können, wie viele Planeten von Erdgröße es in der Milchstraße gibt. Da sie rund 100 Milliarden Sterne enthält, könnte es allein in unserer Galaxie 20 Milliarden erdgroße Planeten geben, die um einen sonnenähnlichen Stern kreisen. Und da es 100 Milliarden Galaxien gibt, die wir mit unseren Instrumenten sehen können, können wir abschätzen, wie viele erdgroße Planeten es im sichtbaren Universum gibt: erstaunliche zwei Milliarden Billionen.
Wenn man einmal realisiert hat, dass unsere Milchstraße voller bewohnbarer Planeten steckt, sieht man den Nachthimmel nicht mehr in derselben Weise wie zuvor.
Nachdem Astronomen diese erdgroßen Planeten identifiziert haben, wird das nächste Ziel sein, deren Atmosphäre zu analysieren und nach Sauerstoff und Wasserdampf zu suchen, die als Anzeichen für Leben gelten, sowie auf Radiowellen zu lauschen, die die Existenz einer intelligenten Zivilisation signalisieren. Eine derartige Entdeckung wäre einer der großen Wendepunkte der menschlichen Geschichte, vergleichbar mit der Beherrschung des Feuers. Sie würde nicht nur unsere Beziehung zum Rest des Universums neu definieren, sie würde auch unser Schicksal verändern.
Dank dieser aufregenden Entdeckungen von Exoplaneten und der frischen Ideen einer neuen Generation von Visionären erlebt das Publikumsinteresse an der Raumfahrt gegenwärtig eine Renaissance. Ursprünglich wurde das amerikanische Raumfahrtprogramm vom Kalten Krieg und der Rivalität der Großmächte befeuert. Die Öffentlichkeit hatte nichts dagegen, atemberaubende 5,5 Prozent des nationalen Bundeshaushalts in das Apollo-Mondprogramm zu stecken, weil das nationale Prestige auf dem Spiel stand. Dieser fieberhafte Wettstreit ließ sich jedoch nicht auf Dauer durchhalten, und die Finanzierung brach schließlich zusammen.
Vor rund 50 Jahren betraten amerikanische Astronauten zum ersten Mal die Mondoberfläche. Nun sind die Saturn-V-Rakete und das Space Shuttle demontiert und rosten, in Einzelteile zerlegt, in Museen und auf Schrotthalden, ihre Geschichte verstaubt in alten Büchern. In den darauf folgenden Jahren wurde die NASA als «Reisebüro für Reisen ins Nirgendwo» kritisiert. Jahrelang hat sie Zeit verschwendet, um doch nur dorthin zu kommen, wo schon alle anderen vor ihr waren.
Die wirtschaftliche Situation hat sich jedoch inzwischen geändert. Die Kosten für die Raumfahrt, die einst so hoch waren, dass sie das Budget einer Nation ernsthaft belasten konnten, sind ständig gefallen, und zwar größtenteils durch den Zustrom von Energie, Geld und Enthusiasmus einer wachsenden Kohorte von Unternehmern. Unzufrieden mit dem Schneckentempo der NASA, haben Milliardäre wie Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos ihre Scheckhefte gezückt, um neue Raketen zu bauen. Sie wollen nicht nur Profit machen, sondern sich auch ihren Jugendtraum erfüllen, nämlich zu den Sternen zu fliegen.
Inzwischen gibt es einen wiedererwachten nationalen Willen. Die Frage ist nicht länger, ob die USA Astronauten zum Roten Planeten schicken werden, sondern wann. Der ehemalige amerikanische Präsident Barack Obama meinte, Astronauten würden den Roten Planeten irgendwann nach 2030 betreten, und Präsident Donald Trump hat die NASA aufgefordert, dieses Ziel rascher zu erreichen.
Eine Flotte von Raketen und Raumschiffmodulen, die für eine interplanetare Reise geeignet sind – wie das Weltraum-Startsystem (Space Launch System, SLS) der NASA, eine Trägerrakete mit der Orion-Kapsel, und Elon Musks Falcon-Heavy-Trägerrakete mit der Dragon-Kapsel –, befindet sich in einer frühen Testphase. Sie werden den Transport schwerer Lasten übernehmen und unsere Astronauten zum Mond, zu den Asteroiden, zum Mars und weiter ins All bringen. Tatsächlich sind durch diese Mission so viel Publicity und Enthusiasmus entfacht worden, dass sich bereits ein Wettstreit zu entwickeln beginnt. Vielleicht wird sich ein Raketenstau rund um den Mars bilden, wenn die verschiedenen Gruppen darum konkurrieren, die erste Flagge in den Marsboden zu rammen.
Manche Experten vertreten die Ansicht, dass wir in ein neues Goldenes Zeitalter der Raumfahrt eintreten und die Erforschung des Universums nach Jahren der Vernachlässigung wieder zu einem aufregenden Teil der amerikanischen Agenda werden wird.
Wenn wir in die Zukunft schauen, können wir in Umrissen erkennen, wie die Wissenschaft die Erforschung des Alls transformieren wird. Aufgrund revolutionärer Fortschritte auf einer breiten Front moderner Technologien können wir nun spekulieren, dass sich unsere Zivilisation eines Tages womöglich ins All wagt, um zu den Sternen zu reisen und Planeten zu besiedeln. Auch für dieses langfristige Ziel kann man inzwischen einen plausiblen Zeitrahmen angeben und abschätzen, wann gewisse kosmische Meilensteine erreicht sein werden.
In diesem Buch möchte ich die Schritte diskutieren, die nötig sind, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Der Schlüssel, um zu verstehen, wie sich unsere Zukunft entwickeln könnte, liegt jedoch im Verständnis der Wissenschaft, die hinter all diesen wunderbaren Entwicklungen steckt.
Wir wissen nicht, wo die Grenzen der Wissenschaft liegen, aber es könnte helfen, die bisherige Menschheitsgeschichte kurz Revue passieren zu lassen. Wenn unsere Vorfahren uns heute sehen könnten, was würden sie von uns denken? Den größten Teil der menschlichen Geschichte hindurch war unser Leben erbärmlich, ein Überlebenskampf in einer feindlichen, mitleidlosen Welt, und die durchschnittliche Lebenserwartung lag, auch aufgrund der hohen Kindersterblichkeit, bei 20 bis 30 Jahren. Die meisten Menschen waren Nomaden und trugen all ihr Hab und Gut auf dem Rücken. Jeder Tag war ein Kampf um Nahrung und Unterschlupf. Unsere Vorfahren lebten in ständiger Furcht vor Raubtieren, Krankheiten und Hunger. Wenn unsere Ahnen uns heute sehen könnten – mit unserer Fähigkeit, Bilder von einem Moment zum anderen über den ganzen Planeten zu schicken, mit bemannten Raketen, die zum Mond und noch weiter fliegen können, mit selbständig fahrenden Autos –, würden sie uns wohl für Magier und Zauberer halten.
Wie die Geschichte zeigt, kommen wissenschaftliche Revolutionen in Wellen, oft angeregt durch Fortschritte in der Physik. Im 19. Jahrhundert wurde die erste naturwissenschaftlich-technische Welle durch Physiker ermöglicht, die die Theorie der Thermodynamik entwickelten. Das erlaubte Ingenieuren den Bau der Dampfmaschine, was die Lokomotive und die Industrielle Revolution nach sich zog. Dieser tiefgreifende technologische Wandel befreite die Zivilisation vom Fluch der Unwissenheit, zermürbender körperlicher Arbeit und Armut und katapultierte uns ins Maschinenzeitalter.
Im 20. Jahrhundert wurde die zweite Welle von Physikern in Gang gesetzt, die die Gesetze der Elektrizität und des Magnetismus entschlüsselten, was wiederum das elektrische Zeitalter auf den Weg brachte. Das ermöglichte die Elektrifizierung der Städte, denn es kamen Dynamos, Generatoren, TV, Radio und Radar auf. Die zweite Welle hob das moderne Raumfahrtprogramm aus der Taufe, das uns zum Mond brachte.
Im 21. Jahrhundert hat uns die dritte Welle des naturwissenschaftlichen Fortschritts, bei der Quantenphysiker an vorderster Front standen, High-Tech-Geräte wie Transistor und Laser beschert. Das machte den Supercomputer, das Internet, moderne Telekommunikation, GPS und die Masse der winzigen Chips möglich, die in jeden Bereich unseres Lebens vorgedrungen sind.
In diesem Buch werde ich die Technologien beschreiben, die uns bei der Erforschung der Planeten und Sterne noch weiter führen werden. In Teil I werden wir über die Bemühungen sprechen, eine permanente Mondbasis zu errichten und den Mars zu kolonisieren wie auch zu terraformieren. Dazu werden wir die vierte naturwissenschaftliche Welle einsetzen müssen, zu der künstliche Intelligenz, Nanotechnologie und Biotechnologie gehören. Das Terraforming des Mars überfordert unsere heutigen Fähigkeiten noch, doch die Technologie des 22. Jahrhunderts wird uns erlauben, diesen öden Eisblock in eine bewohnbare Welt zu verwandeln. Wir werden auf selbstreplizierende Roboter, superstarke, leichte Nanomaterialien und gentechnisch veränderte Pflanzen zurückgreifen, um die Kosten drastisch zu senken und den Mars in ein veritables Paradies zu verwandeln. Schließlich werden wir den Mars hinter uns lassen und Siedlungen auf den Asteroiden sowie auf den Monden der Gasriesen Jupiter und Saturn errichten.
In Teil II riskieren wir einen Blick in eine Zeit, in der wir so weit sind, das Sonnensystem zu verlassen und die nahe gelegenen Sterne zu erkunden. Wiederum geht diese Mission über das hinaus, was gegenwärtig technisch möglich ist, doch Technologien der fünften Welle werden uns diesen Schritt ermöglichen: Nanoschiffe, Lasersegel, Staustrahltriebwerke mit Fusionsantrieb, Antimaterie-Antriebe. Bereits heute finanziert die NASA die nötigen physikalischen Studien, die nötig sind, um interstellare Reisen Wirklichkeit werden zu lassen.
In Teil III analysieren wir, was erforderlich wäre, um unseren Körper so zu verändern, dass wir ein neues Zuhause zwischen den Sternen finden können. Eine interstellare Reise kann unter Umständen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern, daher müssen wir uns möglicherweise gentechnisch verändern, um längere Zeit im All überleben zu können – vielleicht durch Verlängern der menschlichen Lebensspanne. Auch wenn es heute noch keinen Jungbrunnen gibt, verfolgen Forscher vielversprechende Ansätze, die uns erlauben, den Alterungsprozess zu verlangsamen und vielleicht gar zu stoppen. Unsere Nachkommen werden vielleicht eine Art von Unsterblichkeit erleben. Zudem müssen wir vielleicht unseren Körper gentechnisch verändern, um auf fernen Planeten mit einer anderen Schwerkraft, anderer Zusammensetzung der Atmosphäre und anderen ökologischen Bedingungen überleben zu können.
Dank des Human Connectome Project, bei dem jedes Neuron im menschlichen Gehirn kartiert werden soll, sind wir eines Tages vielleicht in der Lage, unsere Konnektome auf gigantischen Laserstrahlen ins All zu schicken, was eine Reihe von Problemen interstellarer Reisen beseitigen würde. Ich nenne dies Laser-Porting («Laser-Übertragung»), und dieses Verfahren könnte unserem Bewusstsein erlauben, die Milchstraße oder selbst das Universum mit Lichtgeschwindigkeit zu erkunden, sodass wir uns keine Sorgen über die offensichtlichen Gefahren interstellarer Reisen zu machen brauchen.
Wenn unsere Vorfahren vergangener Jahrhunderte uns heute für Magier und Zauberer hielten, wie würden wir dann unsere Nachkommen in einem Jahrhundert ansehen?
Höchstwahrscheinlich würden wir unsere Nachfahren für etwas Ähnliches wie griechische Götter halten. Wie Merkur werden sie in der Lage sein, durch den Raum zu eilen, um nahe gelegene Planeten zu besuchen. Wie Venus hätten sie einen perfekten, unsterblichen Körper. Wie Apollo hätten sie unbegrenzten Zugang zur Energie der Sonne. Wie Zeus könnten sie mentale Befehle formulieren und ihre Wünsche in Wirklichkeit umsetzen. Und dank Gentechnik könnten sie mythologische Tiere wie Pegasus realisieren.
Anders gesagt ist es unser Schicksal, zu den Göttern zu werden, die wir einst fürchteten und verehrten. Wir werden diskutieren, was passieren könnte, wenn wir auf eine Zivilisation treffen, die uns eine Million Jahre voraus ist und über die Fähigkeit verfügt, die Galaxie zu durchstreifen und das Gefüge von Raum und Zeit zu verändern. Vielleicht können sie mit Schwarzen Löchern spielen und Wurmlöcher für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit nutzen.
Im Jahr 2016 erreichten Spekulationen über fortgeschrittene Zivilisationen im All unter Astronomen und in den Medien einen fiebrigen Höhepunkt; damals machte die Nachricht die Runde, Astronomen hätten Indizien für eine kolossale «Megastruktur» gefunden, vielleicht so groß wie die Dyson-Sphäre, die um einen fernen Stern in vielen Lichtjahren Entfernung kreist. Auch wenn die Beweislage keineswegs überzeugend ist, wurden Wissenschaftler zum ersten Mal mit Indizien konfrontiert, dass «da draußen» möglicherweise tatsächlich eine weit fortgeschrittene Zivilisation existiert.
Und schließlich werden wir die Möglichkeit diskutieren, dass wir uns nicht nur dem Tod der Erde, sondern des ganzen Universums gegenübersehen. Auch wenn unser Universum noch jung ist, lässt sich in ferner Zukunft der Tag voraussehen, an dem es zum Big Freeze, dem «Großen Einfrieren», kommen könnte, wenn die Temperaturen auf Werte nahe dem absoluten Nullpunkt fallen und alles Leben, das wir kennen, wahrscheinlich aufhört zu existieren. An diesem Punkt ist unsere Technologie vielleicht so weit fortgeschritten, dass wir das Universum verlassen und uns durch den Hyperraum in ein neues, jüngeres Universum wagen können.
Die Theoretische Physik (mein eigenes Arbeitsgebiet) lässt es möglich erscheinen, dass unser Universum nur eine einzelne Blase ist, die in einem Multiversum anderer Blasenuniversen treibt. Vielleicht lässt sich unter den anderen Universen im Multiversum eine neue Heimat für uns finden. Wenn wir die Vielzahl der Universen bestaunen, können wir vielleicht die großen Entwürfe des Sternenschöpfers entschlüsseln.
Die fantastischen Ideen der Science-Fiction, die einst als Produkte einer überhitzten Vorstellungskraft von Träumern angesehen wurden, könnten demnach eines Tages Wirklichkeit werden.
Die Menschheit ist dabei, sich auf ihr vielleicht größtes Abenteuer einzulassen. Und die Lücke, die die Spekulationen von Asimov und Stapledon von der Realität trennt, könnte von den erstaunlichen und raschen Fortschritten der Naturwissenschaften überbrückt werden. Und der erste Schritt auf unserer langen Reise zu den Sternen beginnt, wenn wir die Erde verlassen. Wie ein altes chinesisches Sprichwort sagt, beginnt eine Reise von tausend Meilen mit dem ersten Schritt. Die Reise zu den Sternen beginnt mit der allerersten Rakete.
Jeder, der oben auf dem größten Wasserstoff-Sauerstoff-Treibstoffgemisch der Welt sitzt, wohl wissend, dass sie die ganze Sache unten gleich zünden werden, und der sich dann nicht ein paar Sorgen macht, versteht nicht ganz, was da abläuft.
Astronaut John Young
Am 19. Oktober 1899 kletterte ein 17-jähriger Junge auf einen Kirschbaum und hatte eine Offenbarung. Er hatte gerade H.G. Wells’ Krieg der Welten (War of the Worlds) gelesen und mit Begeisterung die Idee aufgegriffen, den Weltraum mit Raketen zu erforschen. Er stellte sich vor, wie wunderbar es wäre, eine Vorrichtung zu entwickeln, die möglicherweise sogar zum Mars reisen könnte, und sah die Menschheit vor seinen inneren Augen den Roten Planeten erkunden. Als er wieder von dem Baum herunterkletterte, hatte sich sein Leben für immer verändert. Dieser Junge sollte sein Leben dem Traum widmen, eine Rakete zu konstruieren, die seine Vision Wirklichkeit werden lassen würde. Diesen 19. Oktober sollte er den Rest seines Lebens feiern.
Sein Name war Robert Goddard, und er machte sich daran, die erste flüssigkeitsgetriebene Mehrstufenrakete zu perfektionieren. Damit setzte er Ereignisse in Gang, die den Lauf der menschlichen Geschichte veränderten.
Goddard gehörte zu einer Handvoll Pionieren, die, obwohl isoliert, arm und von ihren Zeitgenossen verspottet, gegen alle Widerstände ihren Weg machten und die Grundlagen für die Raumfahrt legten. Einer dieser Visionäre war der große russische Raketenwissenschaftler Konstantin Ziolkowski (1857–1935), der die theoretische Basis für die Raumfahrt schuf und Goddard den Weg ebnete. Ziolkowski lebte zurückgezogen und in großer Armut und schlug sich als Lehrer durch. Als Jugendlicher verbrachte er den größten Teil seiner Zeit in der Bibliothek, verschlang wissenschaftliche Zeitschriften, lernte die Newton’schen Bewegungsgesetze kennen und wandte sie auf die Raumfahrt an.[3] Sein Traum war, zum Mond und zum Mars zu reisen. Ganz allein und ohne Hilfe der wissenschaftlichen Gemeinschaft ergründete er die Mathematik, Physik und Mechanik von Raketen. Unter anderem berechnete er die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde – das heißt, die Geschwindigkeit, die nötig ist, um der Anziehungskraft der Erde zu entkommen – zu 40000 Kilometer pro Stunde, was deutlich mehr war als die 24 Kilometer pro Stunde, die man damals mit Pferden erreichen konnte.
Im Jahr 1903 veröffentlichte er seine berühmte Raketengrundgleichung, mit deren Hilfe sich die Maximalgeschwindigkeit einer Rakete berechnen ließ, wenn man ihr Gewicht und ihre Treibstoffversorgung kennt. Wie die Gleichung zeigte, bestand zwischen Treibstoffmenge und Geschwindigkeit ein exponentieller Zusammenhang. Normalerweise könnte man annehmen, dass man, um die Geschwindigkeit einer Rakete zu verdoppeln, einfach die Treibstoffmenge verdoppeln muss. Stattdessen steigt die benötigte Treibstoffmenge jedoch exponentiell mit der Geschwindigkeitsänderung an, sodass enorme Treibstoffmengen nötig sind, um der Rakete einen zusätzlichen Schub zu verleihen.
Diese exponentielle Beziehung machte deutlich, dass man riesige Treibstoffmengen brauchen würde, um die Erde zu verlassen. Mit seiner Formel konnte Ziolkowski zum ersten Mal abschätzen, wie viel Treibstoff nötig war, um den Mond zu erreichen, lange bevor seine Vision Wirklichkeit wurde.
Ziolkowski ließ sich von dem Motto leiten: «Es stimmt, die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber der Mensch kann nicht ewig in der Wiege bleiben. Das Sonnensystem wird unser Kindergarten.» Er war Anhänger einer philosophischen Denkrichtung, die als Kosmismus bezeichnet wird und besagt, dass die Zukunft der Menschheit in der Erforschung des Weltraums liegt. 1911 schrieb er: «Seinen Fuß auf den Boden eines Asteroiden zu setzen, einen Stein vom Mond in die Hand zu nehmen, im ätherischen Raum Stationen einzurichten, Ringe des Lebens um Erde, Mond und Sonne zu bilden, den Mars aus wenigen Dutzend Werst zu beobachten, auf seinen Monden oder gar auf ihm selbst zu landen – was könnte närrischer erscheinen?»[4]
Ziolkowski war zu arm, um seine mathematischen Gleichungen in reale Modelle umzusetzen; der nächste Schritt wurde daher von Richard Goddard übernommen, der tatsächlich den Prototyp baute, der eines Tages die Basis der Raumfahrt bilden würde.
Robert Goddard begann sich bereits als Kind für Naturwissenschaft und Technik zu interessieren, als er miterlebte, wie seine Heimatstadt elektrischen Strom bekam. Er gelangte zu der Überzeugung, dass die Wissenschaft jeden Aspekt unseres Lebens revolutionieren würde. Sein Vater ermutigte dieses Interesse und schenkte ihm ein Teleskop, ein Mikroskop sowie ein Abonnement des Scientific American. Zunächst begann der Junge mit Flugdrachen und Ballons zu experimentieren. Eines Tages stieß er bei seiner Lektüre in der Bibliothek auf Isaac Newtons berühmte Principia Mathematica und lernte die Bewegungsgesetze kennen. Bald konzentrierte er sich auf die Anwendung der Newton’schen Gesetze auf die Raketentechnik.
Systematisch verwandelte Goddard seine Neugier in ein nützliches wissenschaftliches Werkzeug, indem er drei Erfindungen einführte. Zunächst experimentierte er mit verschiedenen Treibstofftypen und erkannte, dass Treibstoff in Pulverform ineffizient ist. Die Chinesen hatten bereits vor Jahrhunderten das Schießpulver entwickelt und es zum Antrieb von Raketen eingesetzt, doch Schießpulver verbrennt ungleichmäßig, und daher blieben ihre Raketen vorwiegend Spielzeug. Goddards erster Geistesblitz war, pulverförmigen durch flüssigen Treibstoff zu ersetzen, der sich präzise kontrollieren ließ, sodass er sauber und stetig verbrannte. Er baute eine Rakete mit zwei Tanks, von denen der eine einen Treibstoff wie Alkohol, der andere ein Oxidationsmittel wie flüssigen Sauerstoff enthielt. Diese Flüssigkeiten wurden mit Hilfe einer Reihe von Leitungen und Ventilen in die Brennkammer eingespeist, wo es zu einer sorgfältig kontrollierten Explosion kam, die die Rakete antrieb.
Goddard erkannte, dass sich die Treibstofftanks der Rakete während des Fluges allmählich leerten. Seine nächste Neuerung bestand daher in der Einführung von mehrstufigen Raketen, die leere Treibstofftanks abwarfen und sich daher unterwegs eines Teils des toten Gewichts entledigen konnten: dadurch vergrößerten sich ihre Reichweite und Effizienz beträchtlich.
Und drittens führte er Kreiselstabilisatoren, so genannte Gyroskope, ein. Sobald ein Gyroskop in Rotation versetzt wird, weist seine Achse stets in dieselbe Richtung, selbst dann, wenn man das Gerät dreht. Wenn die Achse beispielsweise zum Polarstern weist, zeigt sie weiterhin in diese Richtung, wenn man sie auf den Kopf stellt. Das heißt, dass ein Raumschiff, wenn es von seiner Flugbahn abkommt, seine Antriebsraketen verändern kann, um diese abweichende Bewegung zu kompensieren und auf seinen ursprünglichen Kurs zurückzukehren. Goddard erkannte, dass er seine Raketen mit Hilfe von Gyroskopen auf Zielkurs halten konnte.
Im Jahr 1926 schrieb er mit dem ersten erfolgreichen Start einer flüssigkeitsgetriebenen Rakete Geschichte. Sie erhob sich knapp 14 Meter über den Boden, blieb 2,5 Sekunden in der Luft und landete rund 50 Meter entfernt in einem Kohlfeld. (Der Startplatz der Rakete ist heute für jeden Raketenwissenschaftler heiliger Boden und zu einer National Historic Landmark erklärt worden.)
In seinem Labor am Clark College entwickelte er die Grundarchitektur sämtlicher chemischer Raketen. Die donnernden Ungetüme, die wir heute von ihren Startrampen abheben sehen, sind direkte Nachfahren der von ihm gebauten Prototypen.
Trotz seiner Erfolge erwies sich Goddard als der ideale Prügelknabe für die Medien. Als 1926 durchsickerte, dass er sich ernsthaft mit Raumfahrt beschäftigte, veröffentlichte die New York Times eine vernichtende Kritik, die einen weniger großen Wissenschaftler am Boden zerstört hätte. «Dass Professor Goddard», ätzte die Times, «mit seinem ‹Lehrstuhl› im Charles College … die Beziehung zwischen Kraft und Gegenkraft wie auch die Tatsache, dass es etwas Besseren als eines Vakuums bedarf, gegen das man die Gegenkraft einsetzen kann, nicht bekannt sei – so etwas zu behaupten, wäre absurd. Natürlich scheint es nur so, als fehle ihm das Wissen, das jedes Schulkind in der Mittelstufe erwirbt.»[5] Und 1929 erschien die Lokalzeitung von Worchester mit der süffisanten Schlagzeile: «Mondrakete verfehlt ihr Ziel um 238799 ½ Meilen.» Klar war, dass die Times und andere Zeitschriften Newtons Bewegungsgesetze nicht verstanden und irrigerweise annahmen, Raketen könnten sich im Vakuum des Weltraums nicht bewegen.
Newtons drittes Gesetz, das besagt, dass es für jede Kraft (actio) eine gleich große, entgegengerichtete Kraft (reactio) gibt, regiert die Raumfahrt. Dieses Gesetz ist jedem Kind bekannt, das schon einmal einen Ballon aufgeblasen und zugesehen hat, wie er nach dem Loslassen in alle Richtungen davonfliegt. Die Triebkraft ist die Luft, die plötzlich aus dem Ballon strömt, und die Reaktion ist die Vorwärtsbewegung des Ballons. Genauso ist bei einer Rakete die Kraft das heiße Gas, das aus dem einen Ende ausgestoßen wird, während die Gegenkraft der Vortrieb der Rakete ist, die sie selbst im Vakuum des Weltraums vorwärts treibt.
Goddard starb 1945 und erlebte daher nicht mehr, dass sich die Redakteure der Times nach der Apollo-Landung auf dem Mond 1969 bei ihm entschuldigten. Sie schrieben: «Es ist nun zweifelsfrei erwiesen, dass eine Rakete im Vakuum funktionieren kann. Die Times bedauert ihren Irrtum.»
In der ersten Phase der Raketentechnik gab es Träumer wie Ziolkowski, die die Physik und Mathematik der Raumfahrt ausarbeiteten. In der zweiten Phase gab es Leute wie Goddard, die die ersten Prototypen dieser Rakete tatsächlich bauten. In der dritten Phase gerieten Raketenwissenschaftler in den Blick wichtiger Regierungen. Wernher von Braun sollte die Skizzen, Träume und Modelle seiner Vorgänger nehmen und mit Hilfe der deutschen Regierung – und später der US-Regierung – riesige Raketen konstruieren, die die ersten Menschen auf den Mond brachten.[6]
Der berühmteste aller Raketenwissenschaftler war von Adel. Sein Vater, ein Freiherr, war während der Weimarer Republik Ernährungsminister, und seine Mutter konnte ihre Wurzeln bis zu den Königshäusern von Frankreich, Dänemark, Schottland und England zurückverfolgen. Als Kind war von Braun ein talentierter Pianist und komponierte sogar eigene Musikstücke; möglicherweise hätte er zu einem berühmten Musiker oder Komponisten heranwachsen können. Doch sein Schicksal nahm seinen Lauf, als seine Mutter ihm ein Teleskop schenkte. Denn der Weltraum schlug ihn in seinen Bann. Er verschlang Science-Fiction-Bücher und ließ sich von den Geschwindigkeitsrekorden raketenbetriebener Automobile inspirieren. Als Jugendlicher rief er auf der Tiergartenallee in Berlin einen Tumult hervor, als er eine Reihe von Feuerwerksknallern an einem Spielzeugauto befestigte und zündete. Zu seiner großen Freude zischte das Auto ab wie, nun, eben wie eine Rakete. Die Polizei zeigte leider wenig Verständnis. Er wurde in Gewahrsam genommen, doch aufgrund des Einflusses seines Vaters rasch wieder entlassen. Wie er sich Jahre später noch gern erinnerte: «Das Ganze übertraf meine kühnsten Erwartungen. Der Wagen zog einen Feuerschweif hinter sich her wie ein Komet. Als die Raketen ihr funkensprühendes Leben mit einem mächtigen Donnerschlag aushauchten, rollte der Wagen majestätisch aus und hielt an.»
Wie von Braun gestand, war er nie gut in Mathematik. Aber sein brennender Wunsch, die Raketentechnik zu perfektionieren, brachte ihn dazu, Differenzial- und Integralrechnung, Newtons Gesetze und die Mechanik der Raumfahrt zu meistern. Wie er seinem Lehrer irgendwann anvertraute: «Ich plane, zum Mond zu fliegen.»[7]
Er studierte Physik und machte 1934 seinen Doktor. Doch er verbrachte viel Zeit beim Berliner Verein für Raumschiffahrt, einer Organisation, die auf dem Raketenflugplatz Berlin in Reinickendorf aus übrig gebliebenen Teilen Raketen baute und testete. In diesem Jahr testete der Verein erfolgreich eine Rakete, die eine Höhe von mehr als drei Kilometern erreichte.
Von Braun hätte Physikprofessor an irgendeiner deutschen Universität werden und gelehrte Artikel über Astronomie und Astronautik schreiben können. Aber Krieg lag in der Luft, und alle deutschen Gesellschaften und Vereine, einschließlich der Hochschulen, wurden militarisiert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Robert Goddard, der das US-Militär um finanzielle Unterstützung bat, aber abgewiesen wurde, wurde von Braun von der nationalsozialistischen Regierung mit offenen Armen empfangen. Das deutsche Heereswaffenamt, immer auf der Suche nach neuen Waffen, kam auf ihn zu und bot ihm großzügige finanzielle Unterstützung an. Seine Arbeit galt als so heikel, dass seine Doktorarbeit von der Armee als «geheim» eingestuft wurde und erst 1960 veröffentlicht wurde.
Allen Berichten zufolge war von Braun apolitisch. Raketentechnik war seine Leidenschaft, und wenn die Regierung seine Forschung finanzierte, dann akzeptierte er das. Die NSDAP bot ihm einen Lebenstraum an: Leitung eines massiv unterstützten Projekts zum Bau der Rakete der Zukunft mit einem so gut wie unbegrenzten Budget unter Mitarbeit der Crème de la Crème der deutschen Wissenschaft. Von Braun behauptete später, seine Mitgliedschaft in der NSDAP und selbst in der SS sei eine Art Initiationsritus für Regierungsmitarbeiter gewesen und habe keineswegs seine politischen Ansichten widergespiegelt. Aber wenn man einen Pakt mit dem Teufel schließt, fordert der Teufel immer mehr.
Unter von Brauns Leitung wurde aus den Notizen und Skizzen von Ziolkowski und den Prototypen von Goddard die «Vergeltungswaffe» V2, eine hochentwickelte Rakete, die London und Antwerpen terrorisierte und ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legte. Die V2 war die erste Großrakete. Sie ließ Goddards Raketen wie Spielzeuge erscheinen. Die V2 war rund 14 Meter hoch und startbereit rund 13 Tonnen schwer. Sie flog mit einer Geschwindigkeit von 5600 Kilometern pro Stunde und erreichte eine Maximalhöhe von 84,5 Kilometern. Sie traf ihr Ziel mit dreifacher Schallgeschwindigkeit, und bis auf ein doppeltes Knackgeräusch beim Durchbrechen der Schallmauer gab es keine akustische Warnung. Und sie besaß eine Reichweite von etwa 320 Kilometern. Gegenmaßnahmen waren nicht möglich, denn kein Mensch konnte sie verfolgen und kein Flugzeug sie vom Himmel holen.
Die V2 setzte eine Anzahl von Weltrekorden und stellte alle früheren Leistungen im Hinblick auf Geschwindigkeit und Reichweite von Raketen in den Schatten. Es war die erste Langstreckenrakete und die erste Rakete, die die Schallmauer durchbrach. Und besonders eindrucksvoll: Es war die erste Rakete, die die Grenzen der Atmosphäre durchbrach und in den Weltraum eindrang.
Die britische Regierung war so verblüfft vom Auftauchen dieser modernen Waffe, dass es ihr buchstäblich die Sprache verschlug. So erfanden sie die Geschichte von den fehlerhaften Gasleitungen, die all diese Explosionen hervorgerufen haben sollten. Da der Urheber dieser schrecklichen Explosionen jedoch eindeutig aus der Luft gekommen war, sprach man in der Öffentlichkeit sarkastisch von «fliegenden Gasleitungen». Erst als die Nationalsozialisten offiziell bekannt gaben, eine neue Kriegswaffe gegen die Briten eingesetzt zu haben, gab Winston Churchill schließlich zu, dass England von Raketen angegriffen worden war.
Plötzlich sah es so aus, als könnte die Zukunft Europas und der westlichen Zivilisation selbst von der Arbeit einer kleinen, isolierten Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung Wernher von Brauns abhängen.
Deutschlands fortgeschrittene Raketentechnik forderte enorm viele Menschenleben. Mehr als 3000 V2-Raketen wurden gegen die Allierten abgefeuert, was zu 9000 Toten führte. Vermutlich war der Blutzoll unter den Kriegsgefangenen, die die V2-Raketen unter schrecklichen Bedingungen in Arbeitslagern bauten, sogar noch höher – mindestens 12000 Tote. Der Teufel forderte seinen Preis. Von Braun erkannte zu spät, dass er bis zum Hals mit drinsteckte.
Er war entsetzt, als er den Ort besuchte, wo die Raketen gebaut wurden. Als ein anderer Kollege gefragt wurde, ob von Braun die Todeslager jemals kritisiert habe, antwortete er: «Wenn er das getan hätte, wäre er meiner Meinung nach auf der Stelle erschossen worden.»
Von Braun wurde zu einer Schachfigur des Monsters, das er geholfen hatte zu erschaffen. 1944, als sich die militärische Lage für das Deutsche Reich verschlechterte, betrank er sich auf einer Party und meinte, der Krieg liefe nicht gut. Alles, was er wolle, sei, an Raketentechnik zu arbeiten. Und er bedauerte, dass sie an diesen Kriegswaffen arbeiteten statt an einem Raumschiff. Leider war auf der Party ein Spitzel zugegen, und als seine betrunkenen Äußerungen nach oben gemeldet wurden, wurde er von der Gestapo verhaftet. Zwei Wochen verbrachte er in einer Gefängniszelle in Polen, wobei er jeden Augenblick befürchten musste, erschossen zu werden. Während Hitler überlegte, was mit von Braun geschehen sollte, kamen weitere Anschuldigungen ans Licht, darunter Gerüchte, er sympathisiere mit dem Kommunismus. Einige Entscheidungsträger befürchteten, er könne sich nach England absetzen und die V2-Einsätze sabotieren.
Schließlich rettete ein direkter Appell Speers bei Hitler von Brauns Leben, denn man hielt ihn noch immer für unverzichtbar für das Raketenprogramm.
Die V2 war ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus, aber sie wurde erst Ende 1944 permanent im Kampf eingesetzt – zu spät, um den Kollaps des Nazi-Regimes zu verhindern, denn die Rote Armee und die alliierten Kräfte standen schon vor Berlin.
Im Jahr 1945 ergaben sich von Braun und hundert seiner Mitarbeiter den Alliierten. Zusammen mit 300 Eisenbahnwaggons voller V2-Raketen und Raketenteilen wurden sie in die USA geschmuggelt. Das geschah im Rahmen eines Programms namens Operation Paperclip, bei dem es darum ging, ehemalige Nazis eingehend zu befragen und zu rekrutieren.
Die amerikanische Armee untersuchte die V2 penibel – diese wurde schließlich die Grundlage der Redstone-Rakete –, und von Brauns Akten sowie diejenigen seiner Mitarbeiter wurden «entnazifiziert». Doch von Brauns höchst ehrgeizige Rolle im Dritten Reich sollte ihn auch weiterhin verfolgen. Der Comedian Mort Sahl spottete über von Brauns Karriere: «Ich strebe nach den Sternen, doch manchmal treffe ich dabei London».[8] Und der Sänger Tom Lehrer reimte trocken: «Sind die Raketen erst oben, wen kümmert’s, wo sie reinhau’n. Das ist nicht meine Sache, sagt Wernher von Braun.»
In den 1920er und 1930er Jahren verpassten die Vertreter der US-amerikanischen Regierung eine strategische Gelegenheit, als sie die zukunftsweisende Arbeit, die in ihrem eigenen Hinterhof geleistet wurde, nicht erkannten. Eine zweite strategische Gelegenheit verpassten sie nach dem Krieg im Zusammenhang mit der Ankunft von Wernher von Braun. In den 1950er Jahren ließen sie von Braun und seine Mitarbeiter in der Luft hängen, ohne sich wirklich für deren Arbeit zu interessieren. Schließlich kam es zu einem Wettstreit unter den Streitkräften. Die Army baute unter von Brauns Führung die Redstone-Rakete, die Navy hatte die Vanguard- und die Air Force die Atlas-Rakete.
Ohne unmittelbare Verpflichtungen für die Army begann von Braun, sich für naturwissenschaftliche Bildung zu interessieren. Zusammen mit Walt Disney schuf er eine Fernsehserie, die die Fantasie zukünftiger Raketenwissenschaftler anregte. In den Folgen skizzierte von Braun in groben Umrissen einen ehrgeizigen Plan, auf dem Mond zu landen wie auch eine Raumschiffflotte zu entwickeln, um den Mars zu erreichen.
Während das US-amerikanische Raumfahrtprogramm nur mühsam vorankam, legten die Russen ein rascheres Tempo vor.[9] Josef Stalin und Nikita Chruschtschow erkannten die strategische Bedeutung des Raumfahrtprogramms und machten es zur Chefsache. Das sowjetische Programm wurde Sergei Koroljow unterstellt, dessen Identität höchster Geheimhaltung unterlag. Jahrelang wurde er nur anonym als «der Chefkonstrukteur» bezeichnet. Die Russen hatten ebenfalls eine Reihe V2-Ingenieure gefangen genommen und brachten sie in die Sowjetunion. Unter ihrer Anleitung nahmen die Sowjets den Grundentwurf der V2 und bauten auf dieser Basis rasch eine Reihe von Raketen. Im Wesentlichen basierten sowohl das gesamte Arsenal der USA als auch dasjenige der UdSSR darauf, V2-Raketen zu modifizieren oder zu verkoppeln, die wiederum auf Goddards bahnbrechenden Prototypen basierten.
Eines der Hauptziele der USA wie auch der UdSSR war es, den ersten künstlichen Satelliten ins All zu schießen. Es war Isaac Newton selbst, der als Erster das Konzept vorschlug. In einer heute berühmten Zeichnung notierte Newton, dass eine Kanonenkugel, wenn man sie von einer Bergspitze abfeuert, in der Nähe des Bergfußes landet. Seiner Bewegungsgleichung zufolge gilt jedoch: Je schneller sich die Kanonenkugel bewegt, desto weiter gelangt sie. Wenn die Anfangsgeschwindigkeit groß genug ist, kann die Kanonenkugel in eine Umlaufbahn um die Erde gelangen und zu einem Satelliten werden. Newton erzielte damit einen historischen Durchbruch: Wenn man «Kanonenkugel» durch «Mond» ersetzt, dann sollte sich die Umlaufbahn des Mondes anhand seiner Bewegungsgleichung präzise voraussagen lassen.
In seinem Gedankenexperiment mit der Kanonenkugel stellte er eine Schlüsselfrage: Wenn ein Apfel fällt, fällt der Mond dann ebenfalls? Da sich die Kanonenkugel im freien Fall befindet, wenn sie um die Erde kreist, muss Gleiches für den Mond gelten. Newtons Erkenntnis setzte eine der bedeutendsten Revolutionen in der ganzen Geschichte in Gang. Er konnte nun die Bewegung von Kanonenkugeln, Monden, Planeten – von fast allem – berechnen. So lässt sich mit Hilfe seines Bewegungsgesetzes zum Beispiel leicht zeigen, dass man die Kanonenkugel mit einer Geschwindigkeit von knapp 29000 Kilometer pro Stunde abfeuern muss, um sie auf eine Umlaufbahn um die Erde zu bringen.
Newtons Vision wurde Wirklichkeit, als die Sowjetunion im Oktober 1957 den Sputnik, den ersten künstlichen Satelliten der Welt, ins All schoss.
Der immense Schock, den der Start des Sputnik für die amerikanische Psyche bedeutete, ist nicht zu unterschätzen. Die amerikanische Bevölkerung erkannte rasch, dass die Sowjetunion im Hinblick auf Raketentechnik führend in der Welt war. Die Demütigung verstärkte sich, als der Start der Vanguard-Rakete der Navy zwei Monate später, der per Fernsehen in alle Welt übertragen wurde, katastrophal fehlschlug. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich als Kind meine Mutter bat, noch aufbleiben zu dürfen, um die Rakete starten zu sehen. Widerstrebend stimmte sie zu. Zu meinem großen Schrecken musste ich miterleben, wie die Rakete kurz abhob, dann zurückfiel, umkippte und in der darauf folgenden gewaltigen Explosion ihre eigene Startrampe zerstörte. Ich konnte genau erkennen, wie der Kegel an der Spitze der Rakete, der den Satelliten enthielt, umfiel und in einem riesigen Flammenball verschwand.
Die Demütigung setzte sich fort, als der zweite Startversuch einer Vanguard-Rakete einige Monate später ebenfalls fehlschlug. Die Presse schäumte und bezeichnete die Rakete in Anlehnung an «Sputnik» als «Flopnik» und «Kaputnik». Die sowjetische UN-Delegation spottete sogar, man sollte den Vereinigten Staaten wohl ein wenig Hilfe anbieten.
Dieses Mediendesaster, das ein schwerer Schlag für das amerikanische Selbstbewusstsein war, führte dazu, dass Wernher von Braun den Auftrag erhielt, so schnell wie möglich einen Satelliten, Explorer I, mit der Juno I als Trägerrakete ins All zu bringen. Die Juno I basierte auf der Redstone-Rakete, die wiederum auf die V2 zurückging.
Aber die Sowjets hatten noch einige Asse im Ärmel. In den nächsten Jahren dominierte eine Reihe von historischen «ersten Malen» die Schlagzeilen:
1957: Sputnik 2 trug das erste Tier, einen Hund namens Laika, in eine Umlaufbahn um die Erde.
1957: Lunik 1 war die erste Rakete, die am Mond vorbeiflog.
1959: Lunik 2 war die erste Rakete, die auf dem Mond aufschlug.
1959: Lunik 3 war die erste Rakete, die die Rückseite des Mondes fotografierte.
1960: Sputnik 5 brachte die ersten Tiere (u.a. zwei Hunde) sicher aus dem All zurück auf die Erde.
1961: Venera 1 war die erste Sonde, die an der Venus vorbeiflog.
Das russische Raumfahrtprogramm krönte seine Leistung 1961 mit der sicheren Rückkehr des Astronauten Juri Gagarin auf die Erde.
Ich erinnere mich genau an diese Jahre, als Sputnik überall in den USA für Verstörung sorgte. Wie konnte eine anscheinend unterentwickelte Nation wie die Sowjetunion uns plötzlich überholt haben?
Kommentatoren kamen zu dem Schluss, das Grundübel dieses Fiaskos sei das US-amerikanische Bildungssystem. Amerikanische Schüler fielen hinter ihre sowjetischen Altersgenossen zurück. Eine Crash-Kampagne musste auf die Beine gestellt werden, um mit Hilfe von viel Geld, Ressourcen und medialer Aufmerksamkeit eine neue Generation amerikanischer Naturwissenschaftler hervorzubringen, die mit den Russen konkurrieren konnte. Artikel aus dieser Zeit trugen Überschriften wie «Iwan kann lesen, Johnny hingegen nicht».
Aus dieser aufgewühlten Zeit stammte die Sputnik-Generation, eine Gruppe von Studenten, die es als ihre nationale Pflicht ansahen, Physiker, Chemiker oder Raketenwissenschaftler zu werden.
Präsident Eisenhower stand unter enormem Druck, dem Militär zu erlauben, scheinbar glücklosen zivilen Wissenschaftlern die Kontrolle über das amerikanische Raumfahrtprogramm aus den Händen zu nehmen, doch er beharrte tapfer auf einer fortgesetzten zivilen Oberaufsicht und schuf die NASA (National Aeronautics and Space Administration. Dann forderte Präsident John F. Kennedy 1962 in Antwort auf Gagarins Raumflug ein beschleunigtes Programm und verlangte, bis zum Ende des Jahrzehnts Menschen auf den Mond zu bringen.
Dieser Aufruf rüttelte die Nation wach. Ab dem Jahr 1966 gingen atemberaubende 5,5 Prozent des amerikanischen Bundeshaushalts in das Mondlandeprogramm. Wie immer unternahm die NASA nur vorsichtige Schritte und perfektionierte in einer Serie von Starts die Technik, die nötig war, um eine Mondlandung zu bewerkstelligen. Zuerst kam die mit einer Person bemannte Mercury-Raumkapsel, dann die mit zwei Personen bemannte Gemini-Kapsel und schließlich die mit drei Personen bemannte Apollo-Kapsel. Zudem meisterte die NASA auch sorgfältig jeden einzelnen Schritt der geplanten Weltraumreise. Zunächst verließen die Astronauten die Sicherheit ihres Raumschiffs und unternahmen ihren ersten Raumspaziergang. Dann übten die Astronauten das komplizierte Andocken ihres Raumschiffs an ein anderes Schiff. Anschließend umkreisten Astronauten den Mond vollständig, ohne ihn zu betreten. Und schließlich war die NASA bereit, Astronauten direkt auf dem Mond landen zu lassen.
Von Braun wurde zum Bau der Saturn V hinzugezogen, der damals größten Rakete, die jemals gebaut worden war. Diese Rakete war ein wirklich wunderbares Meisterwerk der Ingenieurskunst. Sie überragte die Freiheitsstatue um 20 Meter. Sie konnte eine Nutzlast von 120 Tonnen in eine Erdumlaufbahn tragen. Am wichtigsten war jedoch, dass sie große Nutzlasten auf eine Geschwindigkeit von mehr als 40000 Kilometer pro Stunde beschleunigen konnte, die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde.
Die Möglichkeit einer tödlichen Katastrophe war bei der NASA immer gegenwärtig. Präsident Richard Nixon hatte für seine Fernsehansprache zum Ergebnis der Apollo-11-Mission zwei Texte vorbereitet, einen für den Fall, dass das Unternehmen fehlgeschlagen war und die amerikanischen Astronauten auf dem Mond umgekommen waren. Und dieses Szenario wäre auch beinahe Wirklichkeit geworden. In den letzten Sekunden vor dem Aufsetzen der Mondlandefähre gab der Computer in der Kapsel Alarm. Daraufhin übernahm Neil Armstrong die manuelle Kontrolle und landete die Kapsel sanft auf dem Mond. Wie spätere Analysen zeigten, hatten sie nur noch Treibstoff für 50 Sekunden; die Kapsel hätte abstürzen können. Zum Glück konnte Präsident Nixon am 20. Juli 1969 die andere Ansprache verlesen und den Astronauten zu ihrer erfolgreichen Landung gratulieren. Bis heute ist die Saturn V die einzige Rakete, die jemals Menschen über den erdnahen Orbit hinaus transportiert hat. Erstaunlicherweise funktionierte sie perfekt. Insgesamt wurden 15 Saturn-Raketen gebaut, und 13 wurden ins All geschickt, ohne dass irgendetwas passierte. Zwischen Dezember 1968 und Dezember 1972 transportierte die Saturn V insgesamt 24 Astronauten Richtung Mond, sei es, um dort zu landen, oder um an unserem Trabanten vorbeizufliegen, und die Apollo-Astronauten wurden zu Recht als Helden bejubelt, die die nationale Reputation wiederhergestellt hatten.
Auch die Russen beteiligten sich mit aller Macht am Rennen zum Mond. Sie stießen jedoch auf eine Reihe von Schwierigkeiten. Koroljow, der das sowjetische Raumfahrtprogramm geleitet hatte, starb 1966. Vier Testflüge der N1-Rakete, die russische Astronauten zum Mond bringen sollte, schlugen fehl. Aber entscheidend war wahrscheinlich die Tatsache, dass die Wirtschaft der Sowjetunion, die schon durch den Kalten Krieg strapaziert war, mit der doppelt so leistungsfähigen amerikanischen Wirtschaft nicht mithalten konnte.
Ich erinnere mich an den Moment, als Neil Armstrong und Buzz Aldrin ihren Fuß im Juli 1969 auf den Mond setzten. Ich war in der US Army, beim Training in Fort Lewis, Washington, und fragte mich, ob ich zum Kämpfen nach Vietnam geschickt werden würde. Es war aufregend zu wissen, dass direkt von unseren Augen Geschichte geschrieben wurde, aber es war auch beunruhigend zu wissen, dass ich, sollte ich auf dem Schlachtfeld fallen, meine Erinnerungen an die historische Mondlandung nicht mit meinen zukünftigen Kindern würde teilen können.
Nach dem letzten Start einer Saturn-V-Rakete 1972 richtete die amerikanische Öffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Der Kampf gegen die Armut war in vollem Gange, und der Vietnamkrieg verschlang immer mehr Geld und Menschenleben. Zum Mond zu fliegen erschien wie Luxus, wenn Landsleute nebenan hungerten oder fern der Heimat starben.
Die astronomischen Kosten des Raumfahrtprogramms ließen sich nicht mehr vermitteln, und es wurden Pläne für die Post-Apollo-Ära geschmiedet. Auf dem Tisch lagen mehrere Vorschläge. Einer der Vorschläge war, unbemannte Raketen ins All zu schicken; er wurde von den militärischen, kommerziellen und wissenschaftlichen Gruppen unterstützt, denen es weniger um heroische Bilder als um wertvolle Nutzlasten ging. Ein anderer Vorschlag betonte, wie wichtig es sei, Menschen in den Weltraum zu schicken, denn es war schon immer einfacher, Kongress und Steuerzahler zu bewegen, Geld für Astronauten im All zu bewilligen, als dafür, irgendeine namenlose, langweilige Sonde auf Reisen zu schicken.
Beide Gruppen wollten einen raschen und preisgünstigen Zugang zum Weltall statt teurer Missionen im Abstand von mehreren Jahren. Das Endergebnis war jedoch ein seltsames Mischwesen, mit dem keiner zufrieden war: Astronauten sollten zusammen mit Ladung und Fracht ins All geschickt werden.