Die Physik des Unmöglichen - Michio Kaku - E-Book

Die Physik des Unmöglichen E-Book

Michio Kaku

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Beschreibung

Werden wir irgendwann durch Wände gehen können? In Raumschiffen mit Lichtgeschwindigkeit zu fernen Planeten reisen? Wird es uns möglich sein, Gedanken zu lesen? Oder Gegenstände allein mit unserer Willenskraft zu bewegen? Bislang waren derlei Fähigkeiten Science-Fiction- und Fantasy-Helden vorbehalten. Aber müssen sie deshalb auf immer unerreichbar bleiben? Der renommierte Physiker Michio Kaku zeigt uns, was nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft möglich ist und was vielleicht in Jahrhunderten oder Jahrtausenden realisierbar sein wird. Seine Ergebnisse überraschen – und eröffnen faszinierende Perspektiven auf die Welt von morgen. «Eine großartige Quelle der Wissenschaftsunterhaltung.» DIE ZEIT «Man wird geradezu hineingezogen in die Welt der kleinsten Teilchen und größten Dimensionen – und stellt mit Verwunderung fest, dass es trotz der phantastischen Ideen letztlich um den eigenen Alltag geht.» Saarländischer Rundfunk

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Seitenzahl: 556

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Michio Kaku

Die Physik des Unmöglichen

Beamer, Phaser, Zeitmaschinen

Aus dem Englischen von Hubert Mania

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Werden wir irgendwann durch Wände gehen können? In Raumschiffen mit Lichtgeschwindigkeit zu fernen Planeten reisen? Wird es uns möglich sein, Gedanken zu lesen? Oder Gegenstände allein mit unserer Willenskraft zu bewegen? Bislang waren derlei Fähigkeiten Science-Fiction- und Fantasy-Helden vorbehalten. Aber müssen sie deshalb auf immer unerreichbar bleiben?

Der renommierte Physiker Michio Kaku zeigt uns, was nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft möglich ist und was vielleicht in Jahrhunderten oder Jahrtausenden realisierbar sein wird. Seine Ergebnisse überraschen – und eröffnen faszinierende Perspektiven auf die Welt von morgen.

 

«Eine großartige Quelle der Wissenschaftsunterhaltung.»

DIE ZEIT

 

«Man wird geradezu hineingezogen in die Welt der kleinsten Teilchen und größten Dimensionen – und stellt mit Verwunderung fest, dass es trotz der phantastischen Ideen letztlich um den eigenen Alltag geht.»

Saarländischer Rundfunk

Über Michio Kaku

Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der Väter der Stringtheorie und zählt zu den berühmtesten Physikern der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für theoretische Physik an der City University of New York. Wie Albert Einstein und Stephen Hawking ist er auf der Suche nach der einen Theorie von allem zur Erklärung der fundamentalen Kräfte der Natur.

Inhaltsübersicht

WidmungVorwortErster Teil Unmöglichkeiten ersten Grades1. Kraftfelder2. Unsichtbarkeit3. Phaser und Todessterne4. Teleportation5. Telepathie6. Psychokinese7. Roboter8. Außerirdische und UFOs9. Raumschiffe10. Antimaterie und AntiuniversenZweiter Teil Unmöglichkeiten zweiten Grades11. Schneller als das Licht12. Zeitreisen13. ParalleluniversenDritter Teil Unmöglichkeiten dritten Grades14. Perpetuum mobile15. PräkognitionEpilog: Die Zukunft des UnmöglichenDankAnmerkungenBibliographieRegister

Ich möchte dieses Buch meiner lieben Frau Shizue sowie Michelle und Alyson widmen.

Vorwort

Wenn eine Idee anfangs nicht absurd klingt, besteht keine Hoffnung für sie.

ALBERT EINSTEIN

Werden wir eines Tages durch Wände gehen? Raumschiffe bauen, die sich schneller fortbewegen als das Licht? Die Gedanken anderer Menschen lesen? Unsichtbar sein? Objekte allein kraft unserer Gedanken bewegen? Unsere Körper blitzartig durch den Weltraum transportieren?

Schon als Kind haben mich diese Fragen fasziniert. Und als Jugendlicher war ich, wie viele Physiker, von der Aussicht begeistert, auf Zeitreise zu gehen, Strahlenpistolen zu haben sowie Kraftfelder, Paralleluniversen und dergleichen zu erforschen. Magie, phantastische Literatur und Science-Fiction-Geschichten regten meine Vorstellungskraft an, und so begann meine lebenslange Liebe zum Unmöglichen.

Ich erinnere mich an die Wiederholungen alter Flash-Gordon-Comics im Fernsehen. Jeden Samstag saß ich wie gebannt vor dem Bildschirm und staunte über die Abenteuer von Flash, Dr. Zarkov und Dale Arden. Ich war hingerissen von der umwerfenden futuristischen Technik, die ihnen zur Verfügung stand: Raumschiffe, Unsichtbarkeitsschilde, Strahlenpistolen und Städte im Himmel. Nie verpasste ich eine Folge. Mit dieser Sendung erschloss ich mir eine völlig neue Welt. Ich war begeistert von der Vorstellung, eines Tages mit einer Rakete zu einem fremden Planeten zu reisen und sein exotisches Territorium zu erforschen. Ich geriet in den Sog dieser phantastischen Erfindungen und war davon überzeugt, dass mein eigenes Schicksal mit den Wundern der Wissenschaft verknüpft war, die in dieser Sendung in Aussicht gestellt wurden.

Wie sich herausstellen sollte, war ich nicht der Einzige. Mancher erfolgreiche Wissenschaftler kam durch die Beschäftigung mit Science-Fiction zu seiner Disziplin. So war beispielsweise der großartige Astronom Edwin Hubble von Jules Vernes Werk fasziniert. Nachdem er dessen Bücher gelesen hatte, gab Hubble seine aussichtsreiche Anwaltskarriere auf, ignorierte den Wunsch seines Vaters und begann eine wissenschaftliche Laufbahn. Schließlich wurde er zum bedeutendsten Astronomen des 20. Jahrhunderts. Die Vorstellungskraft von Carl Sagan, ein ebenfalls berühmter Astronom und Bestsellerautor, wurde durch Edgar Rice Burroughs’ Mars-Abenteuerromane angeregt. Wie dessen Romanheld John Carter träumte auch Sagan davon, eines Tages den Marssand zu untersuchen.

Ich war noch ein Kind, als Albert Einstein starb, aber ich erinnere mich, dass die Leute mit gedämpfter Stimme über sein Leben und Sterben sprachen. Am nächsten Tag sah ich in der Zeitung ein Foto mit dem Manuskript seiner größten unvollendeten Arbeit auf seinem Schreibtisch. Was konnte denn so schwierig sein, dass der größte Wissenschaftler unserer Epoche es nicht zu Ende bringen konnte? Im Artikel wurde behauptet, dass Einstein einen unmöglichen Traum gehabt habe, also mit einem so komplizierten Problem befasst gewesen sei, an dem ein Sterblicher einfach scheitern musste. Es dauerte einige Jahre, bis ich herausfand, worum es in dem Manuskript ging, nämlich um eine große einheitliche und «allumfassende Theorie». Sein Traum, der die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens beherrscht hatte, half mir, meine eigene Vorstellungskraft auf einen Punkt zu konzentrieren. Ich wollte einen bescheidenen Beitrag zu den Anstrengungen leisten, Einsteins Arbeit zu vollenden und die Naturgesetze zu einer einzigen Theorie zu vereinen.

Mit zunehmendem Alter erkannte ich allmählich, dass Flash Gordon zwar der Held war und immer das Mädchen kriegte, der Wissenschaftler jedoch die Fernsehserie überhaupt erst möglich machte. Ohne Dr. Zarkov hätte es kein Raumschiff und keine Ausflüge nach Mongo gegeben. Und die Rettung der Erde schon gar nicht. Sieht man vom Draufgängertum einmal ab, dann gäbe es ohne die Wissenschaft keine Science-Fiction.

Mir wurde klar, dass diese Geschichten aus Sicht der betroffenen Wissenschaft undenkbar und nichts weiter als Höhenflüge der Einbildungskraft waren. Zum Erwachsenwerden gehörte aber der Verzicht auf solche Phantasien. Der Ernst des Lebens, so wurde mir gesagt, zwinge den Menschen, das Unmögliche aufzugeben und sich mit dem Machbaren abzufinden.

Allerdings kam ich zu dem Schluss, dass ich, sollte meine Begeisterung für das Unmögliche andauern, den Schlüssel dafür im Reich der Physik suchen müsste. Ohne fundiertes physikalisches Wissen würde ich endlos weiter über Zukunftstechniken spekulieren, ohne jemals zu verstehen, ob sie realistisch wären. Ich erkannte, dass ich mich in fortgeschrittene Mathematik versenken und theoretische Physik studieren müsste. Und genau das habe ich getan.

In der Garage meiner Mutter bastelte ich für mein Forschungsausstellungsprojekt an der Highschool einen Atomzerstäuber. Von der Firma Westinghouse besorgte ich mir 400 Pfund ausgediente Transformatoren. In der Weihnachtszeit wickelte ich 35 Kilometer Kupferdraht um das Fußballfeld der Highschool. Daraus wurde schließlich ein Betatron-Teilchenbeschleuniger mit einer Leistung von 2,3 Millionen Elektronenvolt, der sechs Kilowatt schluckte – was der elektrischen Gesamtleistung unseres Haushalts entsprach – und ein Magnetfeld erzeugte, das den Erdmagnetismus um das 20000 fache übertraf. Mein Ziel war es, genügend Gammastrahlen zu erzeugen, um Antimaterie herzustellen.

Mein Forschungsprojekt brachte es bis zur National Science Fair und führte schließlich zur Erfüllung meines Traums. Ich bekam ein Stipendium für die Harvard University, wo ich endlich mein Ziel in Angriff nehmen konnte. So wurde ich theoretischer Physiker und konnte in die Fußstapfen meines Vorbilds Albert Einstein treten.

Inzwischen bekomme ich sogar E-Mails von Science-Fiction- und Drehbuchautoren, die mich bitten, ihnen bei der Ausarbeitung ihrer Geschichten an den Grenzen der Naturgesetze zu helfen.

Die relativität des «Unmöglichen»

Als Physiker habe ich gelernt, dass sich das «Unmögliche» häufig als relativer Begriff erweist. Ich erinnere mich, dass während meiner Schulzeit meine Lehrerin eines Tages zu der Weltkarte an der Wand ging und auf die Küstenlinien von Südamerika und Afrika zeigte. Es sei doch in der Tat ein seltsamer Zufall, dass die beiden Gebilde beinahe wie zwei Teile eines Puzzles zusammenpassten. Sie erzählte uns von den Spekulationen einiger Wissenschaftler, Amerika und Afrika könnten vor langer Zeit einmal Teile desselben riesigen Kontinents gewesen sein. Aber das sei natürlich Blödsinn. Keine Kraft könne wohl jemals zwei gigantische Erdteile auseinandertreiben. Daraus folgerte sie, eine solche Vermutung sei unsinnig.

Gegen Ende des Schuljahres nahmen wir die Dinosaurier durch. Sei es nicht merkwürdig, fragte uns die Lehrerin, dass die Dinosaurier viele Millionen Jahre lang die dominierenden Lebewesen auf der Erde waren und eines Tages verschwanden? Niemand wusste, warum sie alle plötzlich gestorben waren. Ein paar Paläontologen vermuteten, ein Meteorit aus dem Weltall habe sie getötet, aber das sei selbstverständlich unmöglich und gehöre eigentlich schon in die Welt der Science-Fiction.

Heute wissen wir, dass die Kontinente sich durch Plattentektonik tatsächlich bewegen und dass vor 65 Millionen Jahren ein riesiger Meteorit von etwa zehn Kilometern Durchmesser mit großer Wahrscheinlichkeit die Dinosaurier und die meisten anderen irdischen Lebewesen ausgelöscht hat. In der kurzen Zeitspanne meines eigenen Lebens habe ich erfahren, wie das vermeintlich Unmögliche immer wieder zu bestätigter wissenschaftlicher Erkenntnis avancierte. Ist es daher wirklich so undenkbar, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, uns von einem Ort zum anderen zu «beamen» oder ein Raumschiff zu bauen, das uns zu Sternen bringen wird, die viele Lichtjahre von uns entfernt sind?

Normalerweise würden zeitgenössische Physiker derartige Kunststücke für völlig ausgeschlossen halten. Aber könnten sie vielleicht in ein paar Jahrhunderten Wirklichkeit werden? Oder in 10000 Jahren, wenn unsere Technik weiter fortgeschritten ist? Oder in einer Million Jahren? Um es anders zu formulieren: Wären wir irgendwie in der Lage, einer Zivilisation zu begegnen, die der unsrigen um eine Million Jahre voraus wäre, würde uns dann deren Alltagstechnik nicht wie Zauberei vorkommen? Dies ist eine zentrale Frage, die in diesem Buch immer wieder auftauchen wird: Muss etwas auch in künftigen Jahrhunderten oder Jahrmillionen undenkbar bleiben, nur weil es heute «unmöglich» erscheint?

Angesichts der bemerkenswerten wissenschaftlichen Fortschritte im letzten Jahrhundert – vor allem durch die Konzepte der Quantenmechanik und der allgemeinen Relativitätstheorie – ist es heute möglich, grob abzuschätzen, wann, falls überhaupt, einige dieser phantastischen Techniken Wirklichkeit werden könnten. Im Rahmen weiter fortgeschrittener Denkmodelle, wie etwa der Stringtheorie, werden inzwischen sogar Konzepte, die an Science-Fiction grenzen wie Zeitreisen und Paralleluniversen, von Physikern neu bewertet. Werfen wir einmal einen Blick auf die technischen Fortschritte, die vor 150 Jahren von Wissenschaftlern als «unmöglich» bezeichnet wurden. 1863 hatte Jules Verne seinen Roman Paris im 20. Jahrhundert geschrieben, den er in seiner Schublade verwahrte und der mehr als 100 Jahre verschollen blieb, bis er zufällig von seinem Urenkel entdeckt und erstmals 1994 veröffentlicht wurde. Darin stellte Verne sich vor, wie es im Paris des Jahres 1960 aussehen würde. Er bringt eine Technik zum Einsatz, die im 19. Jahrhundert zweifellos als unmöglich betrachtet wurde, nämlich Faxgeräte, ein weltumspannendes Kommunikationsnetzwerk, Wolkenkratzer aus Glas, benzinbetriebene Automobile und Hochgeschwindigkeitszüge auf Stelzen.

Es überrascht kaum, dass Verne derlei erstaunlich genaue Vorhersagen machen konnte, denn er fühlte sich in der Welt der Wissenschaft zu Hause und kommunizierte mit den herausragenden Köpfen seiner Zeit. Da er großes Verständnis für die Grundlagen der Wissenschaft aufbrachte, gelang ihm dieser bemerkenswerte Blick in die Zukunft.

Bedauernswerterweise vertraten einige der bedeutendsten Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts die entgegengesetzte Position und hielten so manche Technik für völlig ausgeschlossen. Lord Kelvin, der vielleicht prominenteste Physiker des Viktorianischen Zeitalterser liegt neben Isaac Newton in der Westminsterabtei begraben –, behauptete, dass Flugapparate, die «schwerer sind als Luft», undenkbar seien. Röntgenstrahlen betrachtete er als Schwindel, und für das Radio sah er keine Zukunft. Lord Rutherford, der den Atomkern entdeckte, verwarf die Möglichkeit einer Atombombe und bezeichnete sie als «Unsinn». Chemiker des 19. Jahrhunderts erklärten die Suche nach dem Stein der Weisen – eine sagenhafte Substanz, die Blei in Gold verwandeln sollte – zur wissenschaftlichen Sackgasse. Die damalige Chemie beruhte auf der grundlegenden Unwandelbarkeit von Elementen wie etwa Blei. Dennoch ließen sich mit Atomzerstäubern, also mit Teilchenbeschleunigern von heute, Bleiatome zumindest prinzipiell in Goldatome verwandeln. Stellen Sie sich vor, wie phantastisch den Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Fernsehen, Computer und das Internet vorgekommen wären.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden schwarze Löcher als Science-Fiction betrachtet. Einstein höchstpersönlich schrieb 1939 einen Artikel, in dem er «bewies», dass die Bildung schwarzer Löcher ausgeschlossen sei. Und trotzdem haben das Hubble-Teleskop und das Chandra-Röntgenteleskop tausende schwarze Löcher im Weltraum entdeckt.

All dies wurde deshalb als «unmöglich» betrachtet, weil die grundlegenden Gesetze der Physik im 19. und frühen 20. Jahrhundert unbekannt waren. Angesichts der riesigen Lücken im damaligen wissenschaftlichen Verständnis – insbesondere auf der atomaren Ebene – ist es kein Wunder, dass derlei Fortschritte als undenkbar galten.

Das Studium des Unmöglichen

Ironischerweise sind durch das Studium des Unmöglichen gar nicht selten lohnende und völlig unerwartete Wissenschaftsbereiche erschlossen worden. So hat beispielsweise die jahrhundertelange frustrierende und vergebliche Suche nach einem Perpetuum mobile Physiker zu der Erkenntnis geführt, dass eine solche Maschine ein Ding der Unmöglichkeit sei, was schließlich auf die Formulierung des Energieerhaltungssatzes und der drei Sätze der Thermodynamik hinauslief. Demnach hatten all die Anstrengungen ihren Anteil an der Erschließung des völlig neuen Zweigs der Thermodynamik, die einen Beitrag zur Grundsteinlegung für die Dampfmaschine, das Maschinenzeitalter und die moderne Industriegesellschaft leistete.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts behaupteten Wissenschaftler, es sei «unmöglich», dass die Erde ein paar Milliarden Jahre alt sei. Lord Kelvin erklärte rundweg, eine geschmolzene Erde würde innerhalb von 20 bis 40 Millionen Jahren abkühlen. Damit stand er im Widerspruch zu Geologen und den von Darwin beeinflussten Biologen, die behaupteten, das Alter der Erde ließe sich womöglich in Jahrmilliarden messen. Das Undenkbare erwies sich mit der Entdeckung der Kernkraft durch Madame Curie und andere schließlich doch als möglich. Denn nun wurde deutlich, wie das Erdinnere in der Tat über Milliarden Jahre hinweg flüssig bleiben konnte.

Wenn wir das Unmögliche ignorieren, dann geschieht das auf eigene Gefahr. In den 1920er und 1930er Jahren stand Robert Goddard, der Begründer der modernen Raketentechnik, im Kreuzfeuer der Kritik jener, die nicht daran glaubten, dass Raketen jemals in den Weltraum vordringen würden. Sie nannten sein Streben spöttisch «Goddards Torheit». Die Redakteure der New York Times wetterten 1923 gegen Goddards Arbeit: «Professor Goddard kennt offenbar nicht den Zusammenhang zwischen Aktion und Reaktion sowie die Notwendigkeit, etwas Besseres als ein Vakuum zur Verfügung zu haben, auf das reagiert werden muss. Es mangelt ihm an jenem Grundlagenwissen, das täglich an jeder Highschool vermittelt wird.» Raketen seien ein Ding der Unmöglichkeit, schnauften die Redakteure, da es im Weltraum keine Luft gäbe, gegen die man sich ins Zeug legen könne. Leider gab es einen Staatschef, der das Potenzial von Goddards «unmöglichen» Raketen ganz klar erkannte, nämlich Adolf Hitler. Im Zweiten Weltkrieg brachte die Bombardierung Londons mit undenkbar fortschrittlichen V2-Raketen der Stadt Tod und Zerstörung und zwang sie beinahe in die Knie.

Wir sehen, dass das Studium des Unmöglichen immer wieder völlig neue Perspektiven eröffnet und den Horizont von Physik und Chemie erweitert hat, sodass die Wissenschaftler gezwungen waren, den Begriff des «Unmöglichen» neu zu definieren. Wie Sir William Osler einmal sagte: «Die Weltanschauungen einer Epoche haben sich in der darauf folgenden Ära als Absurditäten erwiesen, und die Dummheiten von gestern wurden zu den Weisheiten von morgen.»

Manche Physiker pflichten dem berühmten Ausspruch von T.H. White bei, der in Der König auf Camelot schrieb: «Alles, was nicht verboten ist, muss obligatorisch sein.» In der Physik finden wir ständig Indizien dafür. Wenn es kein Naturgesetz gibt, das ein neues Phänomen ausschließt, finden wir schließlich heraus, dass dieses Phänomen existiert. Das ist ein paarmal bei der Suche nach neuen subatomaren Teilchen passiert. Bei der Untersuchung der Grenzen des Verbotenen haben Physiker schon häufig unerwartet neue Naturgesetze entdeckt. Eine logische Folgerung aus T.H. Whites Statement könnte auch lauten: «Alles, was nicht unmöglich ist, ist obligatorisch!»

So hat beispielsweise Stephen Hawking zu beweisen versucht, dass Zeitreisen unmöglich seien, indem er ein neues physikalisches Gesetz vorstellte, das sie verbot. Er nannte es die «Chronologieschutz-Vermutung». Unglücklicherweise war er nach jahrelanger harter Arbeit nicht in der Lage, dieses Prinzip zu beweisen. Und tatsächlich haben Physiker nun das genaue Gegenteil gezeigt, dass nämlich ein Gesetz zur Verhinderung von Zeitreisen über die uns heute zur Verfügung stehende Mathematik hinausginge. Heutzutage müssen die Physiker ihre Verantwortung sehr ernst nehmen, weil es kein Gesetz gibt, das die Existenz von Zeitmaschinen verhindert.

Ich möchte in diesem Buch Techniken betrachten, die heute zwar als «unmöglich» gelten, die aber vielleicht in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten alltäglich geworden sein werden.

Eine «unmögliche» Technik hat sich inzwischen bereits als machbar erwiesen, nämlich das Phänomen der Teleportation – zumindest auf atomarer Ebene. Noch vor ein paar Jahren hätten Physiker das Senden oder «Beamen» eines Objekts von einem Ort zu einem anderen für eine Verletzung quantenphysikalischer Gesetze gehalten. Die Autoren der Fernsehserie Raumschiff Enterprise waren in der Tat so beeindruckt von der Kritik einiger Physiker, dass sie «Heisenberg-Kompensatoren» erfanden, um diesen vermeintlichen Mangel ihrer Teleportationsapparate wegzuerklären. Heute können Physiker dank eines kürzlich geschehenen Durchbruchs Atome durch ein Zimmer oder Photonen unter der Donau entlangteleportieren.

Die Zukunft vorhersagen

Es ist immer ein wenig gefährlich, Vorhersagen zu machen, vor allem, wenn es dabei um künftige Jahrhunderte oder gar Jahrtausende geht. Der Physiker Niels Bohr liebte den Ausspruch: «Voraussagen zu treffen ist schwierig. Vor allem, wenn es dabei um die Zukunft geht.» Aber es gibt einen elementaren Unterschied zwischen der Zeit von Jules Verne und unserer Gegenwart. Heute sind wir mit den grundlegenden Naturgesetzen im Großen und Ganzen vertraut. Physiker verstehen sie inzwischen entlang einer schwindelerregenden Skala von 43 Größenordnungen: vom Inneren des Protons bis zum expandierenden Universum. Deshalb können die Wissenschaftler mit berechtigtem Selbstvertrauen die groben Umrisse künftiger Technik skizzieren und besser zwischen jenen Technologien unterscheiden, die lediglich unwahrscheinlich sind, und denen, die wahrhaft unmöglich erscheinen.

Deshalb teile ich die «unmöglichen» Dinge in diesem Buch in drei Kategorien ein.

Die erste nenne ich «Unmöglichkeiten ersten Grades». Es sind Techniken, die heute noch nicht möglich sind, die aber keine bekannten Naturgesetze verletzen. Deshalb könnten sie, in veränderter Form, noch in diesem oder vielleicht im nächsten Jahrhundert möglich werden. Dazu gehören Teleportation, Antimaterie-Maschinen, bestimmte Formen der Telepathie, Psychokinese und Unsichtbarkeit.

Die zweite Kategorie habe ich als «Unmöglichkeiten zweiten Grades» bezeichnet. Es sind Techniken, die am äußersten Rand unseres Verständnisses der physikalischen Welt angesiedelt sind. Sollten sie überhaupt möglich sein, dann ließen sie sich erst im Lauf künftiger Jahrtausende oder Jahrmillionen verwirklichen.

Die letzte Kategorie nenne ich «Unmöglichkeiten dritten Grades». Diese Techniken verletzen die bekannten Naturgesetze. Erstaunlicherweise gibt es nur sehr wenige solcher unmöglichen Techniken. Sollte sich herausstellen, dass sie realisierbar sind, würde dies einen grundlegenden Wandel unseres Physikverständnisses bewirken.

Ich glaube, die Klassifizierung ist bedeutsam, weil so viele in der Science-Fiction vorkommende Technologien von Wissenschaftlern rundweg als völlig unmöglich abqualifiziert werden, womit sie eigentlich nur sagen wollen, dass sie für eine primitive Zivilisation wie die unsrige undenkbar sind. Die Besuche Außerirdischer werden beispielsweise ausnahmslos als unmöglich bewertet, weil die Entfernungen zwischen den Sternen so enorm groß sind. Während interstellare Reisen für uns eindeutig ausgeschlossen sind, könnten sie für eine Zivilisation, die der unsrigen um Jahrhunderte, Jahrtausende oder Jahrmillionen voraus ist, durchaus im Bereich des Realen liegen. Deshalb ist es wichtig, eine Rangliste für solche «Unmöglichkeiten» aufzustellen. Techniken, die unsere jetzige Zivilisation nicht verwirklichen kann, sind nicht unbedingt auch für andere Zivilisationstypen unmöglich. Deshalb müssen Behauptungen über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten stets technische Entwicklungen in Erwägung ziehen, die unserem Stand der Dinge um Tausende oder Millionen von Jahren voraus sind.

Carl Sagan schrieb einmal: «Was bedeutet es für eine Zivilisation, eine Million Jahre alt zu sein? Radioteleskope und Raumschiffe haben wir erst seit ein paar Jahrzehnten; unsere technische Zivilisation ist ein paar hundert Jahre alt … eine fortschrittliche, viele Millionen Jahre alte Zivilisation bewegt sich genauso weit außerhalb unseres Spielraums, wie wir selbst über ein Buschbaby oder einen Makaken hinausgewachsen sind.»

Bei meiner eigenen Forschungsarbeit konzentriere ich mich auf die Vervollständigung des Einstein’schen Traums einer «vereinheitlichten Theorie». Ich finde es wirklich berauschend, an einer «endgültigen Theorie» mitzuarbeiten, die ein paar der schwierigsten «unmöglichen» wissenschaftlichen Fragen von heute klären könnte – etwa, ob Zeitreisen möglich sind, was sich im Inneren eines schwarzen Lochs befindet oder was vor dem Urknall geschah. Noch immer hänge ich meinen Tagträumen von meiner lebenslangen Liebe zum Unmöglichen nach und frage mich, ob und wann manche dieser Unmöglichkeiten wohl einmal zum Alltag gehören werden.

Erster TeilUnmöglichkeiten ersten Grades

1.Kraftfelder

I. «Wenn ein angesehener, aber älterer Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich ist, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Wenn er behauptet, dass etwas unmöglich ist, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.»

II. «Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden, ist, ein klein wenig über diese hinaus in das Unmögliche vorzustoßen.»

III. «Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.»

ARTHUR C. CLARKES «DREI GESETZE»

«Schilde hoch!»

In zahllosen Raumschiff-Enterprise-Episoden ist dies der erste Befehl, den Captain Kirk seiner Besatzung zuruft. Die Kraftfelder werden aktiviert, um die Enterprise gegen feindliches Feuer zu schützen.

Die Kraftfelder sind entscheidend in Raumschiff Enterprise, der Verlauf einer Schlacht hängt unmittelbar von ihrer Stabilität ab. Immer wenn ihnen Leistung entzogen wird, treffen zerstörerische Schläge auf den Rumpf des Sternenschiffs, bis schließlich die Kapitulation unvermeidlich wird.

Was also ist ein Kraftfeld? In Science-Fiction-Romanen ist das Konzept trügerisch einfach: eine dünne, unsichtbare, aber undurchdringliche Barriere, die wirksam Laserstrahlen und Raketen gleichermaßen abwehren kann. Auf den ersten Blick erscheint ein Kraftfeld derart simpel, dass seine Funktion als Schlachtfeldschild auf der Hand zu liegen scheint. Schon erwartet man, dass irgendwann ein risikofreudiger Erfinder die Entwicklung eines Verteidigungskraftfeldes bekannt gibt. In Wahrheit ist es jedoch wesentlich komplizierter. So wie Edisons Glühbirne die moderne Welt revolutionierte, könnte sich auch ein Kraftfeld erheblich auf alle unsere Lebensbereiche auswirken. Das Militär könnte Kraftfelder benutzen, um unverwundbar zu werden und ein undurchdringliches Schutzschild gegen feindliche Flugkörper und Projektile errichten. Theoretisch ließen sich auch Brücken, Autobahnen und Straßen einfach auf Knopfdruck bauen. Ganze Städte könnten augenblicklich aus der Wüste sprießen, deren Wolkenkratzer ausschließlich aus Kraftfeldern bestünden. Über Ansiedlungen errichtete Kraftfelder würden den Bewohnern erlauben, die Auswirkungen des Wetters – heftige Winde, schwere Schnee- und Wirbelstürme – beliebig abzumildern. Der Bau von Städten auf dem Meeresboden unter dem sicheren Baldachin eines Kraftfeldes wäre denkbar. Glas, Stahl und Beton ließen sich vollständig ersetzen.

Und dennoch stellt sich die Erzeugung eines solchen Kraftfeldes im Labor womöglich als eine der schwierigsten Herausforderungen schlechthin dar. Tatsächlich sind manche Physiker der Meinung, es sei eigentlich unmöglich, ohne dabei die Eigenschaften des Feldes zu verändern.

Michael Faraday

Das Kraftfeldkonzept stammt aus der Arbeit des bedeutenden englischen Wissenschaftlers Michael Faraday, der im 19. Jahrhundert lebte.

Faradays Eltern gehörten der Arbeiterklasse an. Sein Vater war Schmied, und der junge Michael fristete in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts ein armseliges Dasein als Buchbinderlehrling. Er war fasziniert von den erstaunlichen Durchbrüchen, die mit der Entdeckung der geheimnisvollen Eigenschaften zweier neuer Kräfte einhergingen, nämlich der Elektrizität und des Magnetismus. Faraday verschlang alles, was ihm zu diesen Themen in die Hände fiel, und besuchte die Vorlesungen von Professor Humphry Davy an der Royal Institution in London.

Eines Tages erlitt Professor Davy bei einem Unfall mit Chemikalien schwere Augenverletzungen und bot Faraday den Job als sein Sekretär an. Allmählich gewann Faraday das Vertrauen der Wissenschaftler an der Royal Institution und erhielt die Erlaubnis, eigene wichtige Experimente durchzuführen, wenngleich er nicht immer mit Respekt behandelt wurde. Im Lauf der Jahre wurde Professor Davy zunehmend eifersüchtig auf die Genialität, die sein junger Assistent zeigte. Sein Ruhm verbreitete sich in den Kreisen der Experimentalphysiker und überstrahlte schließlich Davys eigenes Renommee. Als der Professor 1829 starb, gelangen Faraday ein paar spektakuläre Durchbrüche, die zur Erzeugung von Generatoren führten, die schon bald ganze Städte mit Energie versorgen und den Lauf der Weltzivilisation verändern sollten.

Der Schlüssel zu Faradays größter Entdeckung waren seine «Kraftfelder». Verteilt man Eisenspäne auf einen Magneten, stellt man fest, dass die Späne ein spinnennetzartiges Muster erzeugen, das den ganzen Raum einnimmt. Das sind Faradays Kraftlinien, die in graphischer Form beschreiben, wie elektrische und magnetische Kraftfelder den Raum durchdringen. Will man beispielsweise die Magnetfelder der Erde graphisch darstellen, dann kommen die Linien in der Nordpolregion aus der Erde hervor und enden in der Südpolgegend wieder in der Erde. Wollte man auf ähnliche Weise die elektrischen Feldlinien eines Blitzes während eines Gewitters zeichnen, entdeckte man, dass sich die Kraftlinien an der Spitze des Blitzableiters konzentrieren. Aus Faradays Sicht war der leere Raum ganz und gar nicht leer, sondern mit Kraftlinien erfüllt, die entfernte Objekte in Bewegung versetzen konnten.

Aufgrund seiner in Armut verbrachten Jugend war er mathematisch ungebildet, weshalb seine Notizbücher keine Formeln enthalten, sondern von Hand gezeichnete Kraftliniendiagramme. Ironischerweise brachte ihn ausgerechnet sein Mangel an mathematischen Kenntnissen dazu, wunderschöne Diagramme von Kraftlinien zu zeichnen, die mittlerweile in jedem Physiklehrbuch zu finden sind. In der Wissenschaft ist eine graphische Darstellung oftmals wichtiger als die Mathematik, die sie beschreibt.

Historiker haben darüber spekuliert, wie Faraday zu seiner Entdeckung der Kraftfelder kam, die als eines der wichtigsten Konzepte in der Wissenschaftsgeschichte gelten. Denn in der Tat ist die gesamte moderne Physik in der Sprache der Faraday’schen Kraftfelder geschrieben. 1831 gelang ihm der entscheidende Durchbruch, der die Zivilisation für alle Zeiten verändert hat. Eines Tages bewegte er einen Spielzeugmagneten über eine Drahtspule und stellte fest, dass er auf diese Weise elektrischen Strom im Draht erzeugen konnte, ohne diesen überhaupt zu berühren. Dies bedeutete, dass das unsichtbare Feld des Magneten – über den leeren Raum hinweg – Elektronen in einem Draht in Bewegung setzen und dabei Strom erzeugen konnte.

Faradays «Kraftfelder», die zuvor als sinnlose, unbegründete Kritzeleien galten, waren plötzlich wirkliche materielle Kräfte, die Objekte bewegen und elektrische Leistung erzeugen konnten. Heute geht das Licht, das Sie vermutlich benutzen, um diese Seite zu lesen, auf Faradays elektromagnetische Entdeckungen zurück. Ein in Bewegung befindlicher Magnet erzeugt ein Kraftfeld, das die Elektronen in einem Draht anschiebt und sie dazu bringt, sich in einem elektrischen Strom fortzubewegen. Diese Elektrizität im Draht kann dazu benutzt werden, eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Dasselbe Prinzip kommt überall auf der Welt bei der Erzeugung von Elektrizität zur Anwendung, um die Städte mit Energie zu versorgen. So versetzt beispielsweise das über einen Damm fließende Wasser einen riesigen Magneten in einer Turbine in Bewegung, wodurch die Elektronen in einem Draht angeschoben werden, was wiederum elektrischen Strom erzeugt, der durch Hochspannungsdrähte in unsere Häuser fließt.

Mit anderen Worten, die Kraftfelder Michael Faradays sind die Kräfte, welche die moderne Zivilisation antreiben: von unzähligen elektrischen Geräten bis zu den Computern, dem Internet und den iPods von heute.

Faradays Kraftfelder inspirieren die Physiker seit 150 Jahren. Einstein fühlte sich so von ihnen angeregt, dass er seine Gravitationstheorie in Kraftfeldbegriffen formulierte. Auch ich selbst war begeistert von Faradays Arbeit. Vor ein paar Jahren schrieb ich die Stringtheorie in der Sprache der Faraday’schen Kraftfelder nieder und begründete damit die Stringfeldtheorie. Wenn in der Physikergemeinde jemand sagt: «Sein Denken folgt einer Kraftlinie», dann ist das ein großes Kompliment.

Die vier Kräfte

In den letzten 2000 Jahren ist die Trennung und Identifizierung der vier Kräfte, die das Universum regieren, eine der bedeutsamsten Leistungen der Physik gewesen. Sie alle lassen sich in der Feldersprache beschreiben, wie Faraday sie entwickelt hat. Unglücklicherweise jedoch zeigt keine von ihnen die Eigenschaften der Kraftfelder, die in den meisten Science-Fiction-Romanen beschrieben werden. Die Kräfte heißen wie folgt:

1. Gravitation, die stille Kraft, die unsere Füße am Boden hält, die den Zerfall von Erde und Sternen verhindert sowie Sonnensystem und Galaxis zusammenhält. Ohne Gravitation würden wir mit einer Geschwindigkeit von etwa 1500 Kilometern pro Stunde von der rotierenden Erde abgestoßen und ins Weltall geschleudert werden. Das Problem besteht darin, dass die Gravitation exakt die gegenteiligen Eigenschaften eines Kraftfeldes hat, wie wir es in der Science-Fiction finden. Die Gravitation wirkt anziehend, nicht abstoßend. Sie ist, relativ betrachtet, außerordentlich schwach und funktioniert über enorme astronomische Entfernungen hinweg. Die Gravitation ist nahezu das Gegenteil der flachen, dünnen, undurchdringlichen Barriere aus den Zukunftsphantasien. So ist beispielsweise die Anziehungskraft des gesamten Planeten Erde gefordert, damit eine Feder zu Boden fallen kann. Aber wir können der Erdanziehung entgegenwirken, indem wir etwa die Feder mit einem Finger anheben. Die Bewegung unseres Fingers kann die Gravitation eines ganzen Planeten aufheben, der über sechs Billionen Billionen Kilogramm wiegt.

2. Elektromagnetismus (EM), die Kraft, die unsere Städte zum Leuchten bringt. Laserstrahlen, Radio, Fernsehen, moderne Elektronik, Computer, das Internet, Elektrizität, Magnetismus – dies alles sind Resultate der elektromagnetischen Kraft. Sie ist vermutlich die nützlichste Kraft, die sich der Mensch je angeeignet hat. Im Gegensatz zur Gravitation wirkt sie sowohl anziehend als auch abstoßend. Allerdings gibt es einige Gründe, warum sie als Kraftfeld untauglich ist. Zunächst lässt sie sich problemlos neutralisieren. Kunststoffe und andere Isolatoren können ohne weiteres ein starkes elektrisches oder magnetisches Feld durchdringen. Ein in ein Magnetfeld geworfenes Stück Plastik würde glatt hindurchfallen. Zweitens wirkt der Elektromagnetismus über große Entfernungen hinweg und lässt sich nicht so einfach auf eine Ebene fokussieren. Seine Gesetze werden von den Gleichungen beschrieben, die James Clerk Maxwell entwickelt hat und die Kraftfelder als Lösungen offenbar nicht zulassen.

3. und 4. Die schwache und die starke Kernkraft. Die schwache Kernkraft ist die Kraft des radioaktiven Zerfalls. Sie heizt den Erdkern auf, der radioaktiv ist. Sie ist die Kraft, die hinter Vulkanen, Erdbeben und der Kontinentaldrift steht. Die starke Kernkraft hält den Atomkern zusammen. Die Energie der Sonne und der Sterne stammt von der Kernkraft, die für die Beleuchtung des Universums sorgt. Ein problematischer Aspekt der Kernkraft ist ihre kurze Reichweite. Sie wirkt nicht über den Durchmesser eines Atomkerns hinaus. Da sie an die Eigenschaften des Kerns gebunden ist, lässt sie sich außerordentlich schwer manipulieren. Gegenwärtig besteht ihre einzige technische Anwendungsmöglichkeit darin, subatomare Teilchen in Atomzerstäubern (Teilchenbeschleunigern) zu zertrümmern oder Atombomben detonieren zu lassen.

 

Obwohl die in der Science-Fiction eingesetzten Kraftfelder nicht unbedingt den bekannten Naturgesetzen gehorchen, gibt es dennoch so etwas wie Gesetzeslücken, die die Erschaffung eines solchen Kraftfeldes möglich machen könnten. Erstens könnte es eine fünfte Kraft geben, die in den Labors noch nicht aufgetaucht ist. Eine solche Kraft könnte beispielsweise auf eine Entfernung von einigen Zentimetern oder wenigen Metern wirken statt über astronomische Strecken hinweg. Anfängliche Versuche, die Existenz einer solchen fünften Kraft aufzuspüren, blieben allerdings ergebnislos.

Zweitens wäre es möglich, mit Hilfe von Plasma ein paar Eigenschaften eines Kraftfeldes nachzuahmen. Ein Plasma ist sozusagen der vierte Zustand der Materie. Die drei vertrauten Materiezustände sind Festkörper, Flüssigkeiten und Gase, doch die überwiegende Materieform im Universum ist das Plasma, ein Gas ionisierter Atome. Und weil die Plasmaatome auseinandergerissen sind – dabei trennen sich Elektronen vom Atom –, sind sie elektrisch geladen und lassen sich ohne Weiteres durch elektrische und magnetische Felder beeinflussen.

Plasmen gehören zu den am häufigsten vorkommenden Formen sichtbarer Materie im Universum. Sie sind Bestandteile der Sonne, der Sterne und des interstellaren Gases. Uns Menschen sind Plasmen nicht so sehr geläufig, weil sie auf der Erde nur selten vorkommen, doch wir können sie in Blitzen, in der Sonne und im Gehäuse unserer Plasmafernseher wahrnehmen.

Plasmafenster

Ein Gas, das auf eine ausreichend hohe Temperatur erhitzt wird und dadurch ein Plasma erzeugt, lässt sich durch magnetische und elektrische Felder schmelzen und neu gestalten. Denkbare Formen sind Platten oder Fenster. Außerdem kann so ein «Plasmafenster» dazu verwendet werden, ein Vakuum von gewöhnlicher Luft zu trennen. Im Prinzip ließe sich damit nicht nur verhindern, dass die Luft aus einem Raumschiff ins Weltall hinausströmt, sondern auch eine praktische und transparente Schnittstelle zwischen Weltraum und Raumschiff herstellen.

In Raumschiff Enterprise wird ein solches Kraftfeld benutzt, um die Shuttle-Rampe, in der eine kleine Raumfähre bereitsteht, vom Vakuum des Weltalls zu trennen. Das ist nicht nur eine schlaue Lösung, um Geld für Requisiten zu sparen, sondern auch eine Vorrichtung, die funktioniert.

Der Physiker Ady Herschcovitch hat das Plasmafenster 1995 am Brookhaven National Laboratory in Long Island, New York, erfunden. Er entwickelte es als Lösung für das Problem, Metalle mit Hilfe von Elektronenstrahlen zu schweißen. Aus einem Acetylen-Schweißbrenner strömt heißes Gas, das die Metallteile schmilzt und dann zusammenschweißt. Mit einem Elektronenstrahl hingegen lassen sich die Werkstücke schneller, sauberer und billiger schweißen als mit herkömmlichen Methoden. Das Elektronenstrahlschweißen ist allerdings problematisch, da es in einem Vakuum stattfinden muss. Diese Voraussetzung ist überaus unpraktisch, weil dafür ein Vakuumkasten gebaut werden müsste, der womöglich die Ausmaße eines ganzen Arbeitsraums hat.

Um dieses Problem zu lösen, erfand Dr. Herschcovitch das Plasmafenster. Es ist knapp einen Meter hoch und hat einen Durchmesser von weniger als 30 Zentimetern. Es erhitzt Gas auf 6650 Grad Celsius, wobei ein Plasma entsteht, das von elektrischen und magnetischen Feldern eingeschlossen ist. Diese Teilchen üben – wie in jedem Gas – Druck aus, was das Einströmen von Luft in die Vakuumkammer verhindert. Benutzt man Argon im Plasmafenster, glüht es bläulich auf, genau wie das Kraftfeld in Raumschiff Enterprise.

Das Plasmafenster findet breite Anwendung in Raumfahrt und Industrie. Häufig wird für den Herstellungsprozess von Mikrostrukturen und bei Trockenätztechniken für industrielle Zwecke ein Vakuum benötigt. Das Arbeiten im Vakuum kann teuer werden. Doch mit dem Plasmafenster lässt sich ein Vakuum kostengünstig und auf Knopfdruck herstellen.

Aber kann man das Plasmafenster auch als undurchdringlichen Schild benutzen? Wehrt es den Feuerstoß einer Kanone ab? Für die Zukunft lässt sich ein Plasmafenster von viel größerer Leistungsfähigkeit und höherer Temperatur vorstellen, das vermag, anfliegende Projektile zu beschädigen oder in Luft aufzulösen. Um allerdings ein realistischeres Kraftfeld zu erzeugen, wie es in der Science-Fiction gang und gäbe ist, benötigte man eine Kombination unterschiedlicher, übereinanderliegender Schichten. Vielleicht ist jede Schicht allein nicht stark genug, um eine Kanonenkugel aufzuhalten, aber in Kombination mit den anderen könnte es gelingen.

Die Außenschicht sollte ein aufgeladenes Plasmafenster sein, das so stark erhitzt ist, dass es Metalle verdampfen kann. Eine zweite Schicht könnte ein Vorhang aus hochenergetischen Laserstrahlen sein. Diesesaus Tausenden sich kreuzender Laserstrahlen bestehende Gebilde würde ein Gitter erzeugen, das ankommende Objekte aufheizen und wirksam in Dampf auflösen könnte. Über Laserstrahlen werde ich ausführlicher im nächsten Kapitel sprechen.

Und hinter diesem Laservorhang wäre ein Gitter aus Kohlenstoff-Nanoröhren vorstellbar, winzige Röhrchen, die aus einzelnen Kohlenstoffatomen gefertigt sind. Sie sind nur ein Atom stark und um ein Vielfaches stabiler als Stahl. Wenngleich der augenblickliche Weltrekord für eine Kohlenstoff-Nanoröhre bei einer Länge von nur 15 Millimetern steht, lässt sich vorstellen, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, solche Röhren in beliebiger Länge herzustellen. Angenommen, Kohlenstoff-Nanoröhren ließen sich zu einem Gitter verknüpfen, könnten sie einen Schirm von enormer Stärke erzeugen, der die meisten Objekte abwehren würde. Der Schirm wäre überdies unsichtbar, da kein Nanoröhrchen die Größe eines Atoms überschreitet. Trotzdem wäre dieses Gitter aus Kohlenstoff-Nanoröhren stabiler als jedes uns bekannte, gewöhnliche Material.

So ließe sich also mit einer Kombination von Plasmafenster, Laservorhang und Kohlenstoff-Nanoröhrenschirm ein unsichtbarer Schutzschild konstruieren, den wohl kaum irgendein Objekt durchdringen könnte.

Dennoch würde selbst dieser mehrlagige Schild nicht all die Eigenschaften haben, die ein Kraftfeld in der Science-Fiction hat – weil er durchsichtig wäre und dadurch außerstande, einen Laserstrahl aufzuhalten. In einer Schlacht mit Laserkanonen wäre unser mehrlagiger Schirm nutzlos.

Um einen Laserstrahl aufzuhalten, müsste der Schild außerdem eine fortschrittliche Form von Photochromatik haben. Dieser Prozess kommt in Sonnenbrillen zur Anwendung, die sich verdunkeln, wenn sie einer UV-Strahlung ausgesetzt sind. Die Grundlage der Photochromatik sind Moleküle, die in mindestens zwei Zuständen existieren. In einem Stadium ist das Molekül transparent. Wenn es aber einer UV-Strahlung ausgesetzt wird, wechselt es augenblicklich in die zweite, lichtundurchlässige Form über.

Es ist durchaus denkbar, dass wir eines Tages mit Hilfe der Nanotechnik eine Substanz herstellen können, die so stabilist wie Kohlenstoff-Nanoröhren. Außerdem ließen sich deren optische Eigenschaften verändern, wenn sie Laserlicht ausgesetzt sind. Und so könnte ein Schild in der Lage sein, einen Laserangriff, einen Teilchenstrahl oder auch nur Kanonenfeuer abzuwehren. Heutzutage aber gibt es noch keine photochromatischen Anwendungen, die Laserstrahlen aufhalten könnten.

Magnetisches Schweben

In der Science-Fiction lassen die Kraftfelder nicht nur das Feuer aus Strahlenpistolen abprallen, sondern erfüllen auch noch einen anderen Zweck, das heißt, sie dienen als Plattform, um sich der Gravitation zu widersetzen. In dem Film Zurück in die Zukunft bewegt sich Michael J. Fox auf einem «hover board» fort, das einem Skateboard ähnelt, nur dass es über der Straße schwebt. Ein solcher Antigravitationsapparat ist angesichts der Naturgesetze, wie wir sie heute kennen – und in Kapitel 10 sehen werden –, ein Ding der Unmöglichkeit. Aber magnetisch aufgebrezelte Schwebebretter und entsprechende Automobile könnten in der Zukunft Wirklichkeit werden und uns die Fähigkeit verleihen, schwere Objekte nach Belieben anzuheben. Vorausgesetzt, «Supraleiter bei Zimmertemperatur» wären in der Zukunft möglich, könnten wir mit Hilfe magnetischer Kraftfelder Objekte schweben lassen.

Wenn wir zwei Stabmagneten mit ihren jeweiligen Nordpolen einander gegenüberlegen, stoßen sie sich gegenseitig ab. Wenn wir einen der Magneten drehen, sodass der Nordpol dem Südpol des anderen nahe genug gegenüberliegt, dann ziehen sich die beiden Magneten gegenseitig an. Dasselbe Prinzip, nämlich die gegenseitige Abstoßung gleicher Pole, lässt sich anwenden, um erstaunlich schwere Gewichte vom Boden hochzuheben. In einigen Ländern werden bereits fortschrittliche Magnetzüge gebaut, die mit Hilfe gewöhnlicher Magneten unmittelbar über der Trasse schweben. Und da sie keiner Reibung unterliegen, können sie rekordverdächtige Geschwindigkeiten erreichen, während sie auf einem Luftkissen schweben.

1984 ging der erste kommerzielle und automatisierte Magnetzug der Welt in England in Betrieb. Er fuhr auf der Strecke vom internationalen Flughafen von Birmingham zum nahegelegenen internationalen Bahnhof. Auch in Deutschland, Japan und Südkorea wurden Magnetzüge gebaut, wenngleich die meisten nicht für hohe Geschwindigkeiten konzipiert worden sind. Das erste kommerzielle Magnetzugprojekt, bei dem hohe Geschwindigkeiten erreicht wurden, war die Demonstrationstrasse IOS (Initial Operating Segment) in Schanghai, wo die Spitzengeschwindigkeit bei 431 Stundenkilometern lag. Der japanische Magnetzug im Amtsbezirk Yamanashi erzielte eine Geschwindigkeit von 580 Stundenkilometern und war damit schneller als die üblichen Züge auf Rädern.

Doch sind diese Magnetzüge außerordentlich teuer. Eine Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz wäre die Verwendung von Supraleitern, die ihren elektrischen Widerstand verlieren, sobald sie bis knapp über den absoluten Nullpunkt abgekühlt worden sind. Die Supraleitfähigkeit wurde 1911 von dem niederländischen Physiker Heike Onnes entdeckt. Werden bestimmte Substanzen auf -253 Grad Celsius abgekühlt, gibt es keinen elektrischen Widerstand mehr. Normalerweise nimmt der elektrische Widerstand allmählich ab, wenn wir die Temperatur eines Metalls verringern. Der Grund dafür sind zufällige atomare Schwingungen, die den Elektronenfluss in einem Draht erschweren. Verringert man die Temperatur, nehmen auch diese zufälligen Bewegungen ab, sodass die Elektrizität mit weniger Widerstand fließt. Aber Onnes staunte nicht schlecht, als er feststellte, dass der Widerstand gewisser Materialien bei einer bestimmten Temperatur abrupt auf null absinkt.

Die Physiker erkannten sofort die Bedeutung dieser Entdeckung. Stromkabel verlieren eine beträchtliche Menge Energie, wenn sie Elektrizität über große Entfernungen hinweg transportieren. Wenn aber jeglicher Widerstand eliminiert werden könnte, ließe sich die elektrische Kraft nahezu verlustfrei übertragen. Und tatsächlich: Wenn man die Elektrizität dazu bringen könnte, in einer Drahtspule zu zirkulieren, würde sie viele Millionen Jahre weiter zirkulieren, ohne Energie zu verlieren. Außerdem könnte man aus diesen gewaltigen elektrischen Strömen vergleichsweise mühelos Magneten von unglaublicher Kraft bauen und mit ihrer Hilfe riesige Lasten heben.

Trotz all dieser wunderbaren Eigenschaften der Supraleitfähigkeit bleibt das Problem bestehen, dass es sehr teuer ist, Riesenmagneten in Fässern mit supergekühlter Flüssigkeit zu lagern. Gewaltige Kühlmaschinen sind erforderlich, um die Flüssigkeiten nahezu auf den Nullpunkt abzukühlen, was supraleitende Magneten unerschwinglich teuer macht.

Eines Tages aber könnten die Physiker doch in der Lage sein, einen Supraleiter bei Zimmertemperatur zu erschaffen, den Heiligen Gral der Festkörperphysik. Die Erfindung eines solchen Supraleiters würde eine zweite industrielle Revolution in Gang setzen. Leistungsfähige Magnetfelder, die Autos und Züge anheben könnten, würden so billig werden, dass schwebende Autos ökonomisch machbar wären. Mit Supraleitern bei Zimmertemperatur könnten die phantastischen fliegenden Autos aus den Filmen Zurück in die Zukunft, Minority Report und Krieg der Sterne Wirklichkeit werden.

Im Prinzip könnten Sie dann einen Gürtel aus supraleitenden Magneten tragen, mit dem Sie mühelos abheben würden. Er ließe Sie wie Superman durch die Luft fliegen. Supraleiter bei Zimmertemperatur sind so erstaunlich, dass sie in zahlreichen Science-Fiction-Romanen auftauchen – zum Beispiel in der «Ringwelt»-Reihe, die Larry Niven 1970 zu schreiben begann.

Jahrzehntelang haben Physiker erfolglos nach Supraleitern bei Zimmertemperatur gesucht. Es ist ein langwieriger, unzuverlässiger Prozess gewesen, in dessen Verlauf ein Material nach dem anderen getestet wurde. Aber 1986 fand man dann eine neue Kategorie von Substanzen, die man Hochtemperatur-Supraleiter nannte und die bereits bei –183 Grad Celsius supraleitend wurden, was für die Physikergemeinde eine Sensation war. Plötzlich schienen alle Dämme gebrochen zu sein. Monatelang versuchten die Physiker, sich gegenseitig zu übertreffen und den nächsten Weltrekord für einen Supraleiter zu brechen. Für eine kurze Zeitspanne sah es so aus, als könnten jeden Augenblick die Supraleiter bei Zimmertemperatur aus den Science-Fiction-Büchern direkt in unseren Wohnzimmern landen. Aber nach ein paar Jahren der Forschung in halsbrecherischer Geschwindigkeit geriet die Suche nach dem Hochtemperatur-Supraleiter ins Stocken.

Gegenwärtig wird der Weltrekord für einen Hochtemperatur-Supraleiter von einer Substanz namens Quecksilber-Thallium-Barium-Kalzium-Kupferoxid gehalten, die bei -135 Grad Celsius supraleitend wird. Diese relativ hohe Temperatur ist zwar noch immer weit entfernt von Zimmertemperatur. Dennoch ist dieser Rekord von Bedeutung. Stickstoff verflüssigt sich bei -196 Grad Celsius, und flüssiger Stickstoff kostet ungefähr so viel wie gewöhnliche Milch. Also ließen sich diese Hochtemperatur-Supraleiter recht kostengünstig damit kühlen. Natürlich benötigten Zimmertemperatur-Supraleiter überhaupt keine Kühlung.

Unerfreulich ist nur, dass es gegenwärtig keine Theorie gibt, die die Eigenschaften dieser Hochtemperatur-Supraleiter erklären kann. Der rührige Physiker, dem dies gelingt, kann mit dem Nobelpreis rechnen. Die Hochtemperatur-Supraleiter bestehen aus Atomen, die in unverwechselbaren Schichten arrangiert sind. Viele Physiker vertreten die Ansicht, dass diese Schichtung des keramischen Materials es Elektronen ermöglicht, sich innerhalb jeder Lage frei zu bewegen und dabei einen Supraleiter zu erzeugen. Aber wie dies im Detail funktioniert, ist weiterhin ein Rätsel.

Aufgrund dieser Wissenslücke müssen die Physiker leider auf ziemlich unsichere Methoden zurückgreifen, um neue Hochtemperatur-Supraleiter zu finden. Was bedeutet, dass der sagenhafte Supraleiter bei Zimmertemperatur vielleicht schon morgen, nächstes Jahr oder auch nie entdeckt werden wird. Niemand ist in der Lage, eine solche Prognose zu treffen.

Sollten aber Zimmertemperatur-Supraleiter tatsächlich entdeckt werden, würde dies eine Kettenreaktion kommerzieller Anwendungen auslösen. Magnetfelder, die das Erdmagnetfeld, das 0,5 Gauss stark ist, um ein Millionenfaches übertreffen, wären durchaus denkbar.

Eine übliche Eigenschaft der Supraleitfähigkeit wird Meißner-Ochsenfeld-Effekt genannt. Platziert man einen Magneten über einem Supraleiter, schwebt er in der Luft, als werde er von einer unsichtbaren Kraft getragen. Dieser Effekt resultiert daraus, dass der Magnet einen «Spiegelbildmagneten» im Supraleiter erzeugt, sodass der wirkliche Magnet und sein Spiegelbild einander abstoßen. Aus einer anderen Perspektive sieht es so aus: Da magnetische Felder nicht in einen Supraleiter eindringen können, werden sie ausgeschlossen. Wenn daher ein Magnet über einen Supraleiter gehalten wird, prallen seine Kraftlinien vom Supraleiter ab, woraufhin sie den Magneten nach oben drücken, sodass er zu schweben beginnt.

Der Meißner-Effekt lässt eine Zukunft vorstellbar werden, in der die Autobahnbeläge mit dieser Spezialkeramik beschichtet sind. Mit Magneten im Gürtel oder in den Reifen unserer Autos könnten wir wie durch Zauberei ohne Reibung und Energieverlust auf unsere Ziele zuschweben.

Der Meißner-Effekt funktioniert nur bei magnetischen Materialien wie Metallen. Aber es ist auch möglich, nichtmagnetische Stoffe, die para- oder diamagnetisch genannt werden, mit supraleitenden Magneten anzuheben. Diese Substanzen haben selbst keine magnetischen Eigenschaften; sie nehmen lediglich in Gegenwart eines externen Magnetfelds derlei Merkmale an. Paramagneten werden von einem externen Magneten angezogen, während Diamagneten abgestoßen werden.

So ist zum Beispiel Wasser ein Diamagnet. Da alle Lebewesen aus Wasser bestehen, können sie in Reichweite eines starken Magnetfeldes schweben. In einem Magnetfeld von rund 15 Tesla Stärke, dem 30000fachen des Erdmagnetfeldes, haben Wissenschaftler bereits kleine Lebewesen wie Frösche zum Schweben gebracht. Sollten Zimmertemperatur-Supraleiter Wirklichkeit werden, dann ließen sich allerdings auch große nichtmagnetische Objekte aufgrund ihrer diamagnetischen Eigenschaft anheben.

Wir kommen zu dem Schluss, dass die in der Science-Fiction-Literatur üblicherweise beschriebenen Kraftfelder nicht zu der Beschreibung der vier Kräfte im Universum passen. Dennoch wäre es möglich, viele Eigenschaften von Kraftfeldern zu simulieren, indem man vielschichtige Schilde benutzt, die aus einem Plasmafenster, Laservorhängen, Kohlenstoff-Nanoröhren und photochromatischen Materialien bestehen. Aber bis zur Entwicklung eines solchen Schildes könnten noch viele Jahrzehnte, wenn nicht gar ein Jahrhundert vergehen. Und sollten wir Zimmertemperatur-Supraleiter entdecken, wären wir in der Lage, mit leistungsfähigen Magnetfeldern Autos und Züge anzuheben und uns selbst in die Lüfte zu schwingen – wie in den Science-Fiction-Filmen.

Angesichts dieser Überlegungen möchte ich Kraftfelder als Unmöglichkeit ersten Grades einstufen. Das heißt, sie sind nach dem heutigen Stand der Technik unmöglich, aber, in modifizierter Form, innerhalb von hundert oder ein paar mehr Jahren durchaus denkbar.

2.Unsichtbarkeit

Man kann sich nicht auf seine Augen verlassen, wenn die Vorstellungskraft verschwommen ist.

MARK TWAIN

In dem Kinofilm Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart wird ein Schlachtkreuzer der Klingonen von der Enterprise-Crew gekapert. Im Gegensatz zu den Raumschiffen, die zur Sternenflotte der Föderation gehören, haben die Raumschiffe des Klingonenimperiums eine geheime «Tarnkappen»-Technik, mit der sie in Licht und unter Radar unsichtbar werden, sodass sie sich hinter die Raumschiffe der Föderation schleichen und sie aus dem Hinterhalt angreifen können. Der Tarnkappenmechanismus hat dem Klingonenimperium einen strategischen Vorteil gegenüber der Planetenföderation verschafft.

Ist eine solche Vorrichtung wirklich möglich? Unsichtbarkeit ist seit jeher eines der Wunder in der phantastischen Literatur. Wir lesen davon auf den Seiten des Unsichtbaren von H.G. Wells, Harry Potter trägt seinen Zaubermantel, der ihn unsichtbar macht, und auch der Ring in der Trilogie Der Herr der Ringe verleiht dem Träger diese Fähigkeit. Dennoch behaupten die Physiker seit mindestens hundert Jahren, dass Unsichtbarkeitsmechanismen rundweg unmöglich seien, da sie die Gesetze der Optik verletzten und nicht mit den bekannten Eigenschaften der Materie übereinstimmten.

Gegenwärtig aber könnte das Unmögliche wahr werden. Neue Fortschritte auf dem Gebiet von Metamaterialien erzwingen eine wesentliche Überarbeitung der Optiklehrbücher. In den Labors sind bereits funktionierende Prototypen solcher Materialien erprobt worden. Diese Versuche, Sichtbares unsichtbar zu machen, haben reges Interesse bei den Medien, der Industrie und beim Militär hervorgerufen.

Unsichtbarkeit im Lauf der Geschichte

Unsichtbarkeit ist wahrscheinlich eine der ältesten Vorstellungen in der antiken Mythologie. Seit Geschichte aufgezeichnet wird, haben sich einsame Menschen in unheimlichen Nächten vor den unsichtbaren Geistern der Toten und den Seelen der lange Verblichenen gefürchtet, die dort in der Dunkelheit lauerten. Der griechische Held Perseus konnte die böse Medusa nur deshalb erschlagen, weil er eine Tarnkappe besaß. Generäle träumen seit jeher von einem Unsichtbarkeitsmechanismus. Unsichtbare Soldaten könnten mühelos durch die feindlichen Linien preschen und einen Überraschungsangriff starten. Kriminelle könnten Unsichtbarkeit nutzen, um auf spektakuläre Raubzüge zu gehen.

In Platons Theorie der Ethik und Moral spielte Unsichtbarkeit eine wesentliche Rolle. In seinem philosophischen Meisterwerk Republik erzählt er den Mythos des Rings von Gyges. Der arme, aber ehrliche Hirte Gyges aus Lydien betritt eine verborgene Höhle und findet ein Grab mit einem Leichnam, der einen goldenen Ring trägt. Gyges entdeckt, dass dieser Ring die magische Kraft hat, ihn unsichtbar zu machen. Schon bald ist der einfache Hirte von der Macht berauscht, die der Ring ihm verleiht. Er schleicht sich in den Palast des Königs, verführt die Königin, ermordet mit ihrer Hilfe den König und wird so zum nächsten König von Lydien.

Die Moral, die Platon aus der Geschichte herleiten will, lautet, dass kein Mann der Versuchung widerstehen kann, nach Belieben zu stehlen und zu töten. Jeder Mensch ist bestechlich. Moral ist ein soziales Konstrukt, das ihm von außen auferlegt wird. In der Öffentlichkeit mag ein Mann zwar nach moralischen Standards handeln, um seinen Ruf zu wahren, integer und ehrlich zu sein, doch sobald er die Möglichkeit besäße, unsichtbar zu sein, würde er diese unwiderstehliche Macht auch ausüben. Es gibt Vermutungen, dass sich J.R.R. Tolkien von dieser Moralgeschichte zu seiner Trilogie Der Herr der Ringe inspirieren ließ, in der der Ring, der seinem Träger Unsichtbarkeit gewährt, auch eine Quelle des Bösen ist.

In der Science-Fiction ist Unsichtbarkeit ebenso ein geläufiger dramaturgischer Kunstgriff. So wird etwa der Held der Flash-Gordon-Reihe aus den 1930er Jahren unsichtbar, um dem Exekutionskommando von Ming, dem Gnadenlosen, zu entkommen. In den Harry-Potter-Romanen und ihren Verfilmungen wirft Harry einen speziellen Umhang über, der es ihm erlaubt, unentdeckt Hogwart zu durchstreifen.

H.G. Wells hat viele Elemente dieses Mythos in seinen klassischen Roman Der Unsichtbare einfließen lassen, in dem ein Medizinstudent zufällig die Macht der vierten Dimension entdeckt und unsichtbar wird. Unglücklicherweise nutzt er diese phantastische Fähigkeit, um sich zu bereichern, begeht eine Reihe trivialer Verbrechen und stirbt schließlich bei dem verzweifelten Versuch, der Polizei zu entwischen.

Maxwells Gleichungen und das Geheimnis des Lichts

Erst mit dem Werk des schottischen Wissenschaftlers James Clerk Maxwell – einem der großen Helden der Physik des 19. Jahrhunderts – begannen die Physiker, die Gesetze der Optik gründlich zu verstehen. Maxwell war in gewissem Sinn das Gegenteil von Michael Faraday. Während Faraday eine überragende natürliche Begabung für Experimente, aber keinerlei traditionelle Ausbildung hatte, war Maxwell als Zeitgenosse Faradays ein Meister der höheren Mathematik. Er brillierte als Student der Mathematischen Physik in Cambridge, wo zwei Jahrhunderte zuvor Isaac Newton gewirkt hatte.

Newton hatte die Differenzialrechnung erfunden, die in der Sprache von Differenzialgleichungen zum Ausdruck kommt. Die Gleichungen beschreiben, wie Objekte geschmeidig allerkleinste Veränderungen in Zeit und Raum durchlaufen. Das Auf und Ab der Meereswellen, die Bewegungen von Flüssigkeiten, Gasen und Kanonenkugeln ließen sich auf einmal in der Sprache der Differenzialgleichungen ausdrücken. Maxwell setzte sich ein klares Ziel: Er wollte die revolutionären Funde Faradays und seine Kraftfelder durch präzise Differenzialgleichungen ersetzen.

Maxwell begann mit Faradays Entdeckung, dass elektrische Felder sich in magnetische Felder verwandeln können und umgekehrt. Also nahm er sich Faradays Darstellungen der Kraftfelder vor, übertrug sie in die genaue Sprache der Differenzialgleichungen und schuf damit acht schwierig aussehende Gleichungen, die zu den wichtigsten Errungenschaften der modernen Wissenschaft gehören. Heute muss jeder künftige Physiker und Ingenieur an jedem Ort der Welt über ihnen schwitzen, wenn er in den höheren Semestern den Elektromagnetismus studiert.

Als Nächstes stellte Maxwell die schicksalhafte Frage: Falls magnetische Felder sich in elektrische Felder und umgekehrt verwandeln, was geschieht dann eigentlich, wenn sie sich in einem nie endenden Muster ständig ineinander überführen? Er fand heraus, dass diese elektromagnetischen Felder eine Welle erzeugen würden, die ziemlich genau einer Meereswelle ähnelte. Maxwell errechnete die Geschwindigkeit dieser Wellen und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass sie der Geschwindigkeit des Lichts entsprachen! 1864 schrieb er unmittelbar nach dieser Entdeckung die geradezu prophetischen Worte: «Diese Geschwindigkeit kommt der des Lichts so nahe, dass wir offenbar gute Gründe haben, zu dem Schluss zu kommen, dass das Licht selbst … eine elektromagnetische Störung ist.»

Das war wohl eine der größten Entdeckungen in der Geschichte der Menschheit. Endlich war das Geheimnis des Lichts ein klein wenig enthüllt worden. Maxwell wurde plötzlich bewusst, dass er alles durch Wellen beschreiben konnte, die er nur auf ein Blatt Papier kritzeln musste: den strahlenden Glanz des Sonnenaufgangs, das Leuchten der untergehenden Sonne, die grellen Farben des Regenbogens und das Funkeln der Sterne am Firmament. Heute wissen wir, dass das gesamte elektromagnetische Spektrum – Radar, Fernsehen, Infrarotlicht, sichtbares Licht, ultraviolettes Licht, Röntgenstrahlen, Mikrowellen und Gammastrahlen – nichts weiter ist als Maxwells Wellen, die wiederum vibrierende Faraday’sche Kraftfelder sind.

In einem Kommentar zur Bedeutung der Maxwell’schen Gleichungen schrieb Einstein, sie seien «die tiefgründigsten und fruchtbarsten, die die Physik seit Newton kennengelernt» habe.

Tragischerweise starb Maxwell als einer der größten Physiker des 19. Jahrhunderts bereits mit 48 Jahren an Magenkrebs, wahrscheinlich die gleiche Krankheit, der seine Mutter in ebendem Alter erlegen war. Hätte er länger gelebt, hätte er womöglich entdeckt, dass seine Gleichungen Dehnungen der Raumzeit ermöglichten, die unmittelbar zu Einsteins Relativitätstheorie führen sollten. Es ist schon erstaunlich, festzustellen, dass die Relativität vielleicht zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs entdeckt worden sein könnte, wenn Maxwell nur etwas länger gelebt hätte.

Seine Theorie des Lichts und die Atomtheorie liefern einfache Erklärungen für Optik und Unsichtbarkeit. In einem Festkörper sind die Atome dicht gepackt, während die Moleküle in einer Flüssigkeit oder in einem Gas wesentlich weiter voneinander entfernt sind. Die meisten Festkörper sind undurchsichtig, weil die Lichtstrahlen ihre dichte Atommatrix, die man sich wie eine Backsteinmauer vorstellen muss, nicht durchdringen können. Viele Flüssigkeiten und Gase sind im Gegensatz dazu transparent, weil das Licht ohne weiteres die Abstände zwischen den Atomen passieren kann. Diese Zwischenräume sind größer als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. So sind beispielsweise Wasser, Alkohol, Ammoniak, Aceton, Wasserstoffperoxid und Benzin transparent. Das Gleiche trifft auf Gase zu wie Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Kohlendioxid oder Methan.

Allerdings gibt es ein paar wichtige Ausnahmen von der Regel. Viele Kristalle sind zwar Festkörper, aber dennoch transparent. Die Atome eines Kristalls sind in einer präzisen Gitterstruktur angeordnet, in gleichmäßigen Reihen gestapelt und mit regelmäßigen Abständen dazwischen. Daher gibt es viele Pfade, auf denen ein Lichtstrahl durch ein Kristallgitter dringen kann, selbst wenn der Kristall genauso dicht gepackt sein mag wie ein Festkörper.

Unter bestimmten Umständen kann ein Festkörper durchsichtig werden, wenn nämlich seine Atome willkürlich arrangiert sind. Erhitzt man gewisse Materialien auf eine hohe Temperatur und kühlt sie anschließend rasch ab, lässt sich der gewünschte Zustand erreichen. So ist Glas beispielsweise wegen der willkürlichen Anordnung seiner Atome ein Festkörper mit vielen Eigenschaften einer Flüssigkeit. Auch bestimmte Süßigkeiten werden mit Hilfe dieser Methode durchsichtig.

Natürlich ist Unsichtbarkeit eine Eigenschaft, die durch die Maxwell’schen Gleichungen auf atomarer Ebene wirksam wird. Daher wäre es außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, sie mit gewöhnlichen Hilfsmitteln herbeizuführen. Um Harry Potter unsichtbar zu machen, müssten wir ihn verflüssigen, kochen, um Dampf zu erzeugen, ihn kristallisieren, erneut erhitzen und ihn dann abkühlen, was zu überstehen selbst für einen Zauberer eine echte Herausforderung wäre.

Da es den Militärs nicht gelungen ist, unsichtbare Flugzeuge zu bauen, haben sie es mit der zweitbesten Lösung versucht und die Stealth-Technik entwickelt, mit deren Hilfe die Flugzeuge für das Radar unsichtbar werden. Diese «Tarnkappentechnik» vollführt ein paar Tricks auf der Grundlage der Maxwell’schen Gleichungen. Ein Tarnkappenbomber ist für das menschliche Auge zwar sichtbar, aber sein Radarbild auf den feindlichen Schirmen entspricht nur dem eines großen Vogels. Eigentlich ist die Tarnkappentechnik eine bunte Mischung von Tricks: Man verwendet andere Materialien für den Düsenjäger, reduziert den Stahlanteil und verarbeitet stattdessen Kunststoffe und Harze, verändert die Winkel des Rumpfs, ordnet die Abzugsrohre neu an und dergleichen. Damit lässt man die feindlichen Radarstrahlen, die auf das Flugzeug treffen, in alle Richtungen abprallen, sodass sie nicht mehr auf die Radarschirme zurückkehren können. Aber selbst mit der Tarnkappentechnik ist ein Düsenjäger nicht gänzlich unsichtbar. Man hat lediglich so viele Radarstrahlen abgelenkt und zerstreut wie technisch möglich.

Metamaterialien und Unsichtbarkeit

Aber die womöglich vielversprechendste neue Entwicklung zum Thema Unsichtbarkeit ist ein exotischer neuer Werkstoff, ein sogenanntes Metamaterial, das eines Tages Objekte wirklich unsichtbar werden lassen könnte. Ironischerweise galt die Herstellung von Metamaterialien in der Vergangenheit als unmöglich, weil sie angeblich die Gesetze der Optik verletzte. Doch im Jahr 2006 trotzten Forscher an der Duke University in Durham, North Carolina, und am Imperial College in London erfolgreich traditioneller Weisheit und benutzten Metamaterialien, um ein Objekt gegenüber Mikrowellenstrahlung unsichtbar zu machen. Obwohl es noch manche Hindernisse zu überwinden gilt, liegt nun zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte ein Plan vor, wie man gewöhnliche Objekte unsichtbar machen kann. Dieses Projekt wurde von DARPA finanziert, einer Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums.

Nathan Myhrvold, der frühere Leiter der Forschungsabteilung bei Microsoft, vermutet, dass das revolutionäre Potenzial von Metamaterialien «unsere Einstellung zur Optik und zu fast jedem Aspekt der Elektronik verändern wird … Einige dieser Metamaterialien können Kunststücke vollbringen, die vor ein paar Jahrzehnten noch als Wunder durchgegangen wären».

Woraus bestehen diese Metamaterialien? Es sind Substanzen, die optische Eigenschaften besitzen, welche in der Natur nicht vorkommen. Man stellt sie her, indem man eine Substanz mit winzigen Implantaten versieht, die elektromagnetische Wellen dazu bringen, sich auf ungewöhnliche Weise zu krümmen. An der Duke University haben Wissenschaftler winzige elektrische Schaltkreise in Kupferstreifen eingelassen, die in flachen konzentrischen Kreisen angeordnet sind und dabei ein wenig den Spiralen eines Elektroheizstrahlers ähneln. Das Ergebnis war eine raffinierte Mischung aus Keramik, Teflon, Kunstfaserwerkstoff und Metallkomponenten. Die winzigen Implantate im Kupfer ermöglichten es, den Pfad der Mikrowellenstrahlung auf besondere Art und Weise zu krümmen und zu kanalisieren. Stellen Sie sich vor, wie ein Fluss um einen Felsbrocken herumfließt. Da das Wasser sich schnell um den Stein bewegt, findet sich ein Stück flussabwärts keine Spur mehr von der Existenz des Felsbrockens. Ganz ähnlich können Metamaterialien unablässig den Pfad von Mikrowellen ändern und krümmen, sodass diese beispielsweise um einen Zylinder herumströmen. Dabei wird im Wesentlichen alles innerhalb des Zylinders für Mikrowellen unsichtbar. Wenn also das Metamaterial alle Reflektionen und Schatten eliminieren kann, dann lässt sich für diese Art Strahlen auch ein Objekt völlig unsichtbar machen.

Wissenschaftler haben dieses Prinzip erfolgreich anhand einer Vorrichtung demonstriert, die aus zehn mit Kupferelementen bedeckten Glasfaserringen bestand. Ein Kupferring in der Anordnung wurde für Mikrowellenstrahlung beinahe völlig unsichtbar gemacht. Er warf nur einen winzigen Schatten.

Ausschlaggebend bei Metamaterialien ist ihre Fähigkeit, den sogenannten Brechungsindex zu manipulieren. Damit ist die Krümmung des Lichts bei seiner Bewegung durch transparente Medien gemeint. Wenn Sie Ihre Hand ins Wasser halten oder durch die Linsen Ihrer Brille schauen, stellen Sie fest, dass Wasser und Glas den Pfad des gewöhnlichen Lichts verzerren und krümmen. Das Licht wird in Glas und Wasser gekrümmt, weil es langsamer wird, wenn es in ein dichtes, transparentes Medium eindringt. Die Lichtgeschwindigkeit im reinen Vakuum bleibt stets gleich, aber das Licht, das sich durch Glas und Wasser fortbewegt, muss Billionen von Atomen durchdringen und wird deshalb langsamer. Genauer: Der Brechungsindex ist die Geschwindigkeit des Lichts geteilt durch dessen niedrigeres Tempo innerhalb des Mediums. Da Licht in Glas langsamer wird, ist der Brechungsindex immer größer als 1,0. Für ein Vakuum beträgt er beispielsweise 1,00, für Luft 1,0003, für Glas 1,5 und für Diamanten 2,4. Normalerweise sind Krümmungsgrad und Brechungsindex umso größer, je dichter das Medium ist.

Ein bekanntes Beispiel für den Brechungsindex ist eine Fata Morgana. Wenn Sie an einem heißen Tag die Straße entlangfahren und geradeaus bis zum Horizont schauen, scheint die Straße zu flimmern und erzeugt die Illusion eines glitzernden Sees. In der Wüste meint man manchmal, die Konturen weit entfernter Städte und Berge am Horizont zu sehen. Der Grund ist heiße Luft, die vom Asphalt oder vom Wüstensand aufsteigt und eine niedrigere Dichte hat als normale Luft und dadurch auch einen niedrigeren Brechungsindex als die kühlere Umgebungsluft. Deshalb wird das Licht entfernter Objekte vom Asphalt gebrochen und gelangt in Ihr Auge, wobei die Illusion erzeugt wird, Sie könnten in der Ferne etwas sehen.

Normalerweise ist der Brechungsindex eine Konstante. Wenn ein schmaler Lichtstrahl in Glas eindringt, wird er gekrümmt und bewegt sich anschließend in einer geraden Linie fort. Aber nehmen wir einmal an, wir könnten den Brechungsindex nach Belieben manipulieren, sodass er ununterbrochen an jedem Punkt im Glas einen anderen Wert annehmen könnte. Wenn nun Licht in das neue Material eindringen würde, könnte es sich krümmen, in neue Richtungen abschweifen und dabei einen Pfad einschlagen, der sich wie eine Schlange durch die Substanz winden würde.

Ließe sich der Brechungsindex in einem Metamaterial so kontrollieren, dass das Licht um ein Objekt herumgelenkt würde, wäre dieser Gegenstand unsichtbar. Um dies zu erreichen, müsste das Metamaterial einen negativen Brechungsindex haben, was jedes Optiklehrbuch als Unmöglichkeit verwirft. Der sowjetische Physiker Victor Veselago stellte 1967 als Erster die Theorie über Metamaterialien vor. Er zeigte, dass sie seltsame optische Eigenschaften haben müssten wie einen negativen Brechungsindex und einen umgekehrten Dopplereffekt. Metamaterialien sind so merkwürdig und absurd, dass man lange Zeit glaubte, sie nicht konstruieren zu können. Aber in den letzten paar Jahren sind sie tatsächlich in den Labors hergestellt worden, sodass die zögerlichen Physiker nun gezwungen sind, die Optiklehrbücher zu überarbeiten.

Die Wissenschaftler in der Metamaterialienforschung werden ständig von Journalisten bedrängt, die gern wissen möchten, wann der erste Unsichtbarkeitsmantel auf den Markt kommen wird. Die Antwort lautet: So bald noch nicht.

David Smith von der Duke University sagt: «Die Reporter rufen ständig an und wollen eine Zahl hören. Wie viele Monate oder Jahre es noch dauern werde. Sie melden sich wieder und wieder, und schließlich sagt man, na ja, vielleicht in 15 Jahren. Und dann hat man die Schlagzeile: Noch 15 Jahre bis zu Harry Potters Mantel.» Deshalb lehnt er inzwischen jede konkrete Zeitangabe ab. Die Fans von Harry Potter und Raumschiff Enterprise müssen sich wohl noch eine Weile gedulden. Die meisten Physiker werden zustimmen, dass ein echter Unsichtbarkeitsmantel nicht gegen die Naturgesetze verstößt. Allerdings werden noch riesige technische Hindernisse zu überwinden sein, bevor diese Technik so fortgeschritten ist, dass sie auch bei sichtbarem Licht funktioniert und nicht nur bei Mikrowellenstrahlung.