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Michio Kaku

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Beschreibung

Wir stehen vor einer technischen Revolution, welche die Welt verändern wird: die Entwicklung des Quantencomputers. Der Wettlauf um die neuen Möglichkeiten, die er bedeutet, ist bereits in vollem Gange: zwischen den USA, China und auch Deutschland. Wer hier die Nase vorn hat, ist auch bei den Revolutionen vorn dabei, die diese Rechner möglich machen – eine neue Energiewirtschaft durch revolutionäre Speichertechnologien, eine neue grüne Revolution unserer Landwirtschaft und Ernährung sowie neue medizinische Heil- und Impfverfahren durch das Berechnen genetischer und chemischer Strukturen, wie es noch nie möglich war. Allesamt gute Voraussetzungen, um auch die globale Erwärmung zu kontrollieren.  Michio Kaku, Physiker und Futurologe von  Weltrang, nimmt uns mit auf die mitreißende Reise in eine magisch wirkende Zukunft. Anschaulich erklärt er die physikalischen Grundlagen dieser Revolution und beschreibt die Entwicklungen der Gegenwart, auf denen sie beruhen. Ein Buch für alle, die wissen möchten, wie die Chancen stehen, einige der drängendsten Menschheitsprobleme zu lösen.  «Michio Kaku scheut sich nicht, das scheinbar Unmögliche zu denken.» Deutschlandfunk Kultur

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Michio Kaku

Wettlauf um die Zukunft

Wie der Quantencomputer die Probleme der Menschheit lösen wird

 

 

Aus dem Englischen von Monika Niehaus und Bernd Schuh

 

Über dieses Buch

Wir stehen vor einer technischen Revolution, welche die Welt verändern wird: die Entwicklung des Quantencomputers. Der Wettlauf um die neuen Möglichkeiten, die er bedeutet, ist bereits in vollem Gange: zwischen den USA, China und auch Deutschland. Wer hier die Nase vorn hat, ist auch bei den Revolutionen vorn dabei, die diese Rechner möglich machen – eine neue Energiewirtschaft durch revolutionäre Speichertechnologien, eine neue grüne Revolution unserer Landwirtschaft und Ernährung sowie neue medizinische Heil- und Impfverfahren durch das Berechnen genetischer und chemischer Strukturen, wie es noch nie möglich war. Allesamt gute Voraussetzungen, um auch die globale Erwärmung zu kontrollieren. 

Michio Kaku, Physiker und Futurologe von  Weltrang, nimmt uns mit auf die mitreißende Reise in eine magisch wirkende Zukunft. Anschaulich erklärt er die physikalischen Grundlagen dieser Revolution und beschreibt die Entwicklungen der Gegenwart, auf denen sie beruhen. Ein Buch für alle, die wissen möchten, wie die Chancen stehen, einige der drängendsten Menschheitsprobleme zu lösen. 

«Michio Kaku scheut sich nicht, das scheinbar Unmögliche zu denken.» Deutschlandfunk Kultur

Vita

Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der Väter der Stringtheorie und zählt zu den berühmtesten Physikern der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für theoretische Physik an der City University of New York. Wie Albert Einstein und Stephen Hawking ist er auf der Suche nach der einen Theorie von allem zur Erklärung der fundamentalen Kräfte der Natur.

Impressum

Die englische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel «Quantum Supremacy. How the Quantum Computer Revolution Will Change Everything» bei Doubleday, New York.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juni 2023

Copyright der deutschen Erstausgabe © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Quantum Supremacy» Copyright © 2023 by Michio Kaku

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Anzinger und Rasp, München,

nach dem Original von Penguin Random House US; Design: Michael J. Windsor

Coverabbildung Victor de Schwanberg/Science Photo Library/Getty Images

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01395-7

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Für meine liebe Frau, Shizue, und meine Töchter, Dr. Michelle Kaku und Alyson Kaku

Teil I:Aufstieg der Quantencomputer

Kapitel 1:Das Ende des Siliziumzeitalters

Eine Revolution steht bevor

In den Jahren 2019 und 2020 erschütterten zwei Knalleffekte die wissenschaftliche Welt. Zwei Gruppen von Forschenden meldeten, sie hätten «Quantenüberlegenheit» (Quantum Supremacy) erreicht, jenen sagenhaften Punkt, an dem ein radikal neuer Computertyp, der sogenannte Quantencomputer, einen gewöhnlichen digitalen Supercomputer bei bestimmten Aufgaben an Leistungsstärke deutlich übertrifft. Dies kündigte einen Umbruch an, der die gesamte Computerlandschaft verändern und jeden Aspekt unseres alltäglichen Lebens auf den Kopf stellen kann.

Zuerst meldete Google, sein «Sycamore»-Quantencomputer könne ein mathematisches Problem in 200 Sekunden lösen, für das die schnellsten Supercomputer der Welt 10000 Jahre brauchen würden. Dem MIT-Magazin Technology Review zufolge bezeichneten die Google-Forscher dies als wichtigen Durchbruch. Sie verglichen es mit dem Start des Sputniks oder dem ersten Flug der Gebrüder Wright. Es sei «die Schwelle zu einem neuen Maschinenzeitalter, das die leistungsfähigsten Computer unserer Tage wie einen Abakus aussehen lassen» würden.[1]

Dann ging das Quantum Innovation Institute an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften noch einen Schritt weiter. Die Forscher dort behaupteten, ihr Quantencomputer sei hundert Billionen Mal schneller als ein gewöhnlicher Supercomputer.

Der Vizepräsident von IBM, Bob Sutor, meint in einem Kommentar zum kometenhaften Aufstieg der Quantencomputer lakonisch: «Ich denke, das wird die wichtigste Rechnertechnologie dieses Jahrhunderts werden.»[2]

Quantencomputer sind als die «ultimativen Computer» bezeichnet worden, ein entscheidender Technologiesprung mit tiefgreifenden Konsequenzen für die ganze Welt. Statt mit winzigen Transistoren zu rechnen, rechnen sie mit den winzigsten Objekten überhaupt, den Atomen selbst, und können daher unsere leistungsfähigsten Supercomputer problemlos übertreffen. Quantencomputer könnten für Wirtschaft, Gesellschaft und unsere Lebensweise ein völlig neues Zeitalter einläuten.

Quantencomputer sind jedoch mehr als nur ein weiterer leistungsfähiger Computertyp. Sie repräsentieren einen völlig neuen Computertyp, der Probleme in Angriff nehmen kann, die ein Digitalrechner selbst in einer unendlich langen Zeitspanne niemals lösen könnte. So können digitale Computer niemals genau berechnen, wie sich Atome bei wichtigen chemischen Reaktionen miteinander verbinden, vor allem solchen Reaktionen, die Leben möglich machen. Digitalrechner können nur mit Folgen von Nullen und Einsen rechnen, die zu grob sind, um die empfindlichen Elektronenwellen zu beschreiben, die tief im Inneren eines Moleküls tanzen. Um die Wege einer Maus in einem Labyrinth zu berechnen, muss ein Digitalrechner beispielsweise mühsam nacheinander alle möglichen Wege aufwendig analysieren. Ein Quantencomputer analysiert hingegen all diese Wege gleichzeitig (simultan), und das mit Lichtgeschwindigkeit.

Diese Situation hat zu einem verbissenen Wettstreit zwischen rivalisierenden Computergiganten geführt, die sich ein Rennen um die Schaffung des leistungsfähigsten Quantencomputers der Welt liefern. Im Jahr 2021 stellte IBM der Öffentlichkeit seinen Quantencomputer namens Eagle (Adler) vor, der über mehr Rechenkapazität als alle Vorgänger verfügt und damit die Spitze übernommen hat.

Diese Höchstleitungen sind jedoch wie sportliche Rekorde – dazu da, gebrochen zu werden.

Angesichts der tiefgreifenden Konsequenzen dieser Revolution überrascht es nicht, dass viele der weltweit führenden Unternehmen massiv in diese neue Technologie investieren. Google, Microsoft, Intel, IBM, Rigetti und Honeywell – sie alle sind dabei, Prototypen von Quantencomputern zu bauen. Die führenden Köpfe von Silicon Valley erkennen, dass sie mit dieser Revolution Schritt halten müssen, wollen sie nicht abgehängt werden.

IBM, Honeywell und Rigetti Computing haben ihre erste Generation Quantencomputer ins Internet gestellt, um den Appetit der neugierigen Öffentlichkeit zu wecken und den Menschen ihre ersten direkten Erfahrungen mit Quantencomputing zu ermöglichen. Man kann diese neue Quantenrevolution aus erster Hand erleben, indem man im Netz eine Verbindung zu einem Quantencomputer herstellt. So macht die «IBM Q Experience», die 2016 ins Leben gerufen wurde, 15 Quantencomputer via Internet kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich. Samsung und JPMorgan Chase gehören zu den Nutzern. Bereits heute nutzen rund 2000 Menschen, von Schulkindern bis zu Professoren, diese Möglichkeit jeden Monat.

Die Wall Street zeigte großes Interesse an dieser Technologie. IonQ war das erste wichtige Quantencomputer-Unternehmen, das an die Öffentlichkeit ging und 2021 bei seinem Börsengang 600 Millionen Dollar einwarb. Noch verblüffender: Offenbar ist die Rivalität so groß, dass ein neues Start-up namens PsiQuantum, das weder einen kommerziellen Prototyp auf dem Markt hat noch eine Erfolgsbilanz mit früheren Produkten aufweisen kann, an der Wall Street plötzlich mit 3,1 Milliarden US-Dollar bewertet wurde und fast über Nacht 665 Millionen Dollar an Kapital einwerben konnte. Sie hätten selten erlebt, notierten Business-Analysten, dass ein neues Unternehmen, auf der Bugwelle fieberhafter Spekulationen und sensationeller Schlagzeilen reitend, in solch schwindelerregende Höhen katapultiert wurde.

Das internationale Wirtschaftsprüfungs- und Consulting-Unternehmen Deloitte schätzt, dass der Markt für Quantencomputer in den 2020er-Jahren mehrere Hundert Millionen Dollar und in den 2030er-Jahren Dutzende Milliarden Dollar erreichen wird. Niemand weiß, wann Quantencomputer reif für den kommerziellen Markt sein und die Wirtschaftswelt verändern werden, doch die Prognosen werden ständig revidiert, um mit der beispiellosen Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts auf diesem Gebiet Schritt zu halten. Christopher Savoie, CEO von Zapata Computing, meint im Zusammenhang mit dem kometenhaften Aufstieg der Quantencomputer: «Es ist nicht länger eine Frage des ‹Ob›, sondern eine Frage des ‹Wann›.»[3]

 

Sogar der US-amerikanische Kongress zeigt großes Interesse daran, dieser neuen Quantentechnologie auf die Sprünge zu helfen. Als er erkannte, dass andere Länder die Entwicklung von Quantencomputern bereits großzügig finanziell unterstützten, verabschiedete der Kongress im Dezember 2018 die National Quantum Initiative, um Startkapital für neue Forschungsvorhaben bereitzustellen. Er verfügte die Bildung von zwei bis fünf neuen «National Quantum Information Science Research Centers», die mit 80 Millionen Dollar jährlich finanziert werden sollen.

Im Jahr 2021 kündigte die US-amerikanische Regierung zudem an, unter Federführung des Energieministeriums 625 Millionen Dollar in Quantentechnologien zu investieren. Führende Unternehmen wie Microsoft, IBM und Lockheed Martin unterstützten dieses Projekt mit weiteren 340 Millionen Dollar.

China und die Vereinigten Staaten sind nicht die einzigen Länder, deren Regierung diese Technologie finanziell unterstützt, um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Die britische Regierung richtete am Harwell-Labor des Science and Technology Facilities Council in Oxfordshire ein National Quantum Computing Center ein, das als Drehscheibe für Forschung zum Thema Quantencomputing dienen soll. Dank der finanziellen Unterstützung der Regierung wurden in Großbritannien bis Ende 2019 30 Quantencomputer-Start-ups gegründet.

Branchenanalysten sind sich klar, dass es sich dabei um ein Billionen-Dollar-Glücksspiel handelt. Auf diesem höchst konkurrenzbetonten Feld gibt es keine Garantien. Trotz der eindrucksvollen technischen Erfolge von Google und anderen Unternehmen in den letzten Jahren wird ein funktionstüchtiger Quantencomputer, der Probleme der wirklichen Welt lösen kann, noch jahrelang auf sich warten lassen. Vor uns liegt noch ein Berg harter Arbeit. Einige Kritiker warnen sogar, es könne sich um ein vergebliches Bemühen handeln. Computerunternehmen haben jedoch erkannt, dass ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen könnte, wenn sie jetzt keinen Fuß dareinsetzen.

Ivan Ostojic, Partner bei McKinsey, meint: «Unternehmen in Industrien, wo Quanten das größte Potenzial für eine vollständige Umwälzung haben, sollten sich jetzt schleunigst damit beschäftigen.»[4] Gebieten wie Chemie, Medizin, Öl und Gas, Logistik, Bankwesen, Arzneimittelherstellung und Cybersicherheit stehen große Umwälzungen bevor. Er fügt hinzu: «Prinzipiell sind Quanten für alle Informationsmanager von Bedeutung, denn sie werden Lösungen für ein breites Spektrum von Problemen beschleunigen. Diese Unternehmen müssen Eigentümer von Quantenkenntnissen werden.»

Verne Brownell, früherer CEO von D-Wave Systems, einem kalifornischen Quantencomputing-Unternehmen, meint dazu: «Unserer Meinung nach stehen wir kurz davor, Rechenfähigkeiten zur Verfügung zu stellen, die sich mit klassischen Computern nicht verwirklichen lassen.»

Viele Wissenschaftler glauben, dass wir gerade in ein ganz neues Zeitalter eintreten, das von Schockwellen begleitet wird, wie sie mit der Einführung des Transistors und des Mikrochips einhergingen. Auch Unternehmen ohne direkte Computerproduktion wie der Automobilgigant Daimler-Benz investieren bereits in die neue Technologie, weil sie der Ansicht sind, dass Quantencomputer den Weg für neue Entwicklungen in ihren eigenen Industrien ebnen könnten. Julius Marcea, ein leitender Angestellter des Rivalen BMW, schrieb dazu: «Wir freuen uns darauf, das transformative Potenzial des Quantencomputing für die Automobilindustrie zu erforschen, und sind bestrebt, die Grenzen der Ingenieurskunst zu erweitern.»[5] Andere große Unternehmen, wie Volkswagen und Airbus, haben allesamt eigene Quantencomputing-Abteilungen eingerichtet, um zu analysieren, wie dies ihr Geschäftsgebiet revolutionieren könnte.

Pharmaunternehmen beobachten die Entwicklung auf diesem Gebiet ebenfalls aufmerksam, denn sie wissen, dass Quantencomputer in der Lage sein könnten, komplexe chemische und biologische Prozesse zu simulieren, die die Fähigkeiten von digitalen Computern weit übersteigen. Riesige Anlagen mit dem Zweck, Millionen Arzneimittel zu testen, könnten eines Tages durch «virtuelle Labors» ersetzt werden, die Medikamente im Cyberspace testen. Manche fürchten, dass durch diese Technik eines Tages Chemiker ersetzt werden könnten. Derek Lowe, der einen Blog über die Entwicklung von Medikamenten unterhält, meint jedoch: «Es geht nicht um Maschinen, die Chemiker ersetzen werden. Vielmehr werden Chemiker, die Maschinen gebrauchen, solche Chemiker ersetzen, die das nicht tun.»[6]

Selbst die größte naturwissenschaftliche Maschine der Welt, der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC, deutsch Großer Hadronen-Speicherring) in der Nähe von Genf, der Protonen mit 14 Billionen Elektronenvolt aufeinanderprallen lässt, um Bedingungen wie im frühen Universum zu schaffen, setzt inzwischen Quantencomputer ein, um die riesigen dabei anfallenden Datenmengen zu sichten. In einer einzigen Sekunde können diese Quantencomputer bis zu eine Billion Bytes analysieren, die von rund einer Milliarde Teilchenkollisionen erzeugt werden. Vielleicht werden Quantencomputer eines Tages die Geheimnisse der Entstehung des Universums enträtseln.

Quantenüberlegenheit

Als der Physiker John Preskill am California Institute of Technology 2012 den Begriff Quantum Supremacy (deutsch: Quantenvorherrschaft, Quantenüberlegenheit) prägte, schüttelten viele in der Fachwelt den Kopf. Es werde Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte dauern, so ihre Meinung, bis Quantencomputer einem Digitalrechner überlegen sein würden. Schließlich galt das Rechnen mit einzelnen Atomen statt mit Siliziumchips als teuflisch schwierig. Die leichteste Erschütterung, das leiseste Geräusch kann den fragilen Tanz von Atomen in einem Quantencomputer stören. Doch haben die verblüffenden Ankündigungen die Unkenrufe der Neinsager einstweilen Lügen gestraft. Nun verlagert sich die Sorge darauf, wie rasch sich das Gebiet entwickelt.

Die Erschütterung, die von diesen bemerkenswerten Leistungen hervorgerufen wurde, hat auch Vorstandsetagen und Geheimdienste rund um die Welt aufgeschreckt. Von Whistleblowern zugespielte Dokumente zeigen, dass die CIA und die National Security Agency die Entwicklung intensiv verfolgen. Denn Quantencomputer sind so leistungsstark, dass sie im Prinzip alle bekannten Verschlüsselungscodes knacken könnten. Das heißt, dass alle von der Regierung so sorgsam gehüteten Geheimnisse, hochsensible Informationen, gleichsam ihre Kronjuwelen, nicht mehr vor Zugriffen sicher sind. Gleiches gilt auch für die bestgehüteten Geheimnisse von Unternehmen und selbst von Privatpersonen. Die Lage ist so bedrohlich, dass das National Institute of Standards and Technology (NIST, der deutschen Physikalisch-technischen Bundesanstalt vergleichbar), das nationale Normen festlegt, vor Kurzem sogar Richtlinien veröffentlichte, um große Unternehmen und Behörden beim unvermeidlichen Übergang in diese neue Ära zu unterstützen. Wie NIST verlautbaren ließ, erwartet das Institut, dass Quantencomputer bis 2029 in der Lage sein werden, die 128-Bit-AES-Verschlüsselung zu knacken, den Code, der von vielen Unternehmen eingesetzt wird.

Im Forbes-Magazin schrieb Ali El Kaafarani, Experte für Cybersicherheit: «Das ist eine ziemlich erschreckende Aussicht für sämtliche Organisationen, die sensible Informationen zu schützen haben.»[7]

China hat 10 Milliarden Dollar in sein National Laboratory for Quantum Information Sciences investiert, weil das Land fest entschlossen ist, eine Führungsrolle auf diesem sich so rasch entwickelnden Gebiet zu spielen. Weltweit wenden Nationen hohe Milliardensummen auf, um ihre Codes eifersüchtig zu schützen. Mithilfe eines Quantencomputers könnte ein Hacker vermutlich in jeden digitalen Computer auf der ganzen Welt einbrechen und dadurch Industrien aller Art und sogar das Militär lahmlegen. Die sensiblen Informationen könnten Meistbietenden in die Hände fallen. Auch die Finanzmärkte könnten ins Trudeln geraten, wenn Quantencomputer in das innerste Sanktum der Wall Street einbrächen. Überdies könnten Quantencomputer die Blockchains entschlüsseln und auch den Bitcoin-Markt ins Chaos stürzen. Schätzungen von Deloitte zufolge könnten rund 25 Prozent der Bitcoins durch Hackerangriffe mittels Quantencomputer gefährdet sein.

«Diejenigen, die Blockchains-Projekte am Laufen haben, werden wohl ein nervöses Auge auf die Fortschritte beim Quantencomputing werfen», schließt ein Bericht von CB Insights, einer Datensoftware-IT-Firma.[8]

Insofern steht nicht weniger auf dem Spiel als die Weltwirtschaft, die stark mit der Digitaltechnik verflochten ist. Wall-Street-Banken verwenden Computer, um Multimilliarden-Dollar-Transaktionen im Auge zu behalten. Ingenieure benutzen Computer, um Wolkenkratzer, Brücken und Raketen zu entwerfen. Künstler greifen auf Computer zurück, um Hollywood-Blockbuster zu animieren. Pharmaunternehmen verwenden Computer, um ihr nächstes Wundermittel zu entwickeln. Kinder brauchen Computer, um mit ihren Freunden das neueste Videospiel zu spielen. Und wir alle sind höchst abhängig von Mobiltelefonen, um uns direkt mit Freunden, Familie und Partnern auszutauschen. Jeder von uns kennt die Panik, die sich einstellt, wenn wir unser Mobiltelefon verlegt haben. Tatsächlich ist es außerordentlich schwierig, eine menschliche Aktivität zu finden, die nicht von Computern auf den Kopf gestellt wurde. Wir sind inzwischen derart von ihnen abhängig, dass unsere Zivilisation ins Chaos stürzen würde, wenn sämtliche Computer weltweit plötzlich ausfielen. Darum verfolgen Wissenschaftler die Entwicklung von Quantencomputern so aufmerksam.

Das Ende des Mooreschen Gesetzes

Was ist die Triebkraft hinter all dieser Unruhe und diesen Kontroversen?

Der Aufstieg der Quantencomputer ist ein Zeichen dafür, dass sich das Silizium Zeitalter allmählich seinem Ende zuneigt. In den letzten 50 Jahren ließ sich die Explosion der Computerleistung durch das Mooresche Gesetz beschreiben, benannt nach dem Intel-Gründer Gordon Moore. Dem Mooreschen Gesetz zufolge verdoppelt sich die Computerleistung alle 18 Monate. Dieses täuschend einfache Gesetz zeichnet das bemerkenswerte exponentielle Wachstum an Computerleistung nach; keine andere Erfindung in der menschlichen Geschichte hatte innerhalb einer so kurzen Zeitspanne eine so weitreichende Wirkung.

Im Lauf ihrer Geschichte sind Computer durch viele Stadien gegangen, wobei sie jedes Mal ihre Leistungsfähigkeit stark erhöht und große soziale Veränderungen in Gang gesetzt haben. Tatsächlich lässt sich das Mooresche Gesetz bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, in die Zeit der mechanischen Computer. Damals verwendeten Ingenieure sich drehende Zylinder, Zahnräder und Getriebe, um einfache arithmetische Operationen durchzuführen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann man, Elektrizität einzusetzen und Zahnräder durch Relais und Kabel zu ersetzen. Im Zweiten Weltkrieg stattete man Computer mit einer riesigen Anzahl von Vakuumröhren aus, um geheime Regierungscodes zu knacken. In der Nachkriegszeit wurden die Vakuumröhren durch Transistoren ersetzt, die sich bis auf Mikrochipgröße verkleinern ließen, was zu immer höherer Geschwindigkeit und Leistung führte.

Damals, in den 1950er-Jahren, konnten sich nur große Unternehmen, Regierungsbehörden wie das Pentagon und internationale Banken Großrechner leisten. Diese besaßen eine hohe Rechenkapazität (so konnte ENIAC beispielsweise in 30 Sekunden erledigen, wofür ein Mensch wohl 20 Stunden gebraucht hätte). Aber sie waren teuer und so groß, dass sie oft eine ganze Etage in einem Bürogebäude einnahmen. Der Mikrochip revolutionierte diesen ganzen Prozess und verringerte ihre Größe im Lauf der Jahrzehnte, sodass ein typischer Chip von der Größe eines Fingernagels heute rund eine Milliarde Transistoren enthalten kann. Inzwischen sind die Mobiltelefone, die von Kindern für ihre Videospiele benutzt werden, leistungsfähiger als ein ganzer Raum voll der trägen Dinosaurier, wie sie das Pentagon einst benutzte. Wir sehen es als selbstverständlich an, dass der Computer in unserer Westentasche die Leistungsfähigkeit von Computern während des Kalten Krieges übersteigt.

Alles muss vergehen. Jeder Übergang in der Entwicklung des Computers ließ in einem Prozess kreativer Vernichtung die Vorgängertechnik veralten. Die Entwicklung, die das Mooresche Gesetz beschreibt, verlangsamt sich bereits und kann schließlich zum Halt kommen. Denn inzwischen sind Mikrochips so kompakt, dass die dünnste Transistorschicht nur noch rund 20 Atome hoch ist. Bei einer Schichtdicke von fünf Atomen lassen sich Elektronen nicht mehr sicher lokalisieren; sie können austreten und den Chip kurzschließen oder so viel Wärme produzieren, dass er schmilzt. Mit anderen Worten muss das Mooresche Gesetz nach den Gesetzen der Physik schließlich kollabieren, wenn wir damit fortfahren, hauptsächlich Silizium einzusetzen. Wir könnten das Ende des Silizium Zeitalters miterleben. Der nächste Schritt könnte der Übergang ins Post-Silizium- oder Quanten Zeitalter sein.

Wie der Intel-Mitarbeiter Sanjay Natarajan einst meinte: «Unserer Meinung nach haben wir alles aus dieser Rechner-Architektur herausgepresst, was man aus ihr herauspressen kann.»[9]

Silicon Valley könnte schließlich der nächste Rust Belt (die einstmals größte Industrieregion der Vereinigten Staaten) werden.

Auch wenn die Lage gegenwärtig ruhig erscheint, wird früher oder später die Zukunft heraufdämmern. Wie Hartmut Neven, Direktor von Googles KI-Labor, meinte: «Es sieht so aus, als passiere gar nichts, als passiere rein gar nichts, und dann, schwuppdiwupp, befindet man sich in einer anderen Welt.»[10]

Warum sind sie so leistungsstark?

Was macht Quantencomputer so leistungsfähig, dass sich die Nationen der Welt darauf stürzen, diese neue Technologie zu beherrschen?

Im Wesentlichen basieren alle modernen Computer auf digitaler Information, die sich als Folge von Nullen und Einsen codieren lässt. Die kleinste Informationseinheit, eine einzelne Ziffer, wird als «Bit» bezeichnet. Diese Folge von Nullen und Einsen wird in einen Digitalprozessor eingespeist, der die Berechnung durchführt und dann ein Ergebnis (Output) ausspuckt. Beispielsweise lässt sich Ihre Internetverbindung in Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) bemessen, das heißt, dass jede Sekunde eine Milliarde Bit auf Ihren Computer geschickt wird, was Ihnen einen sofortigen Zugriff auf Filme, E-Mails, Dokumente und anderes mehr erlaubt.

Der Nobelpreisträger Richard Feynman sah 1959 jedoch einen anderen Zugang zu digitaler Information. In einem weit vorausschauenden, bahnbrechenden Artikel «There is plenty of room at the bottom» (deutsch: «Viel Spielraum nach unten») und Folgeartikeln fragte er: Warum diese Folge von Nullen und Einsen nicht durch atomare Zustände ersetzen und einen atomaren Computer bauen? Warum nicht Transistoren durch das kleinstmögliche Objekt, das Atom, ersetzen?

Atome sind so etwas wie Kreisel. In einem Magnetfeld können sie sich in Bezug auf das Magnetfeld nach oben oder nach unten ausrichten, was mit einer Null oder einer Eins korrespondieren kann. Die Leistungsstärke eines digitalen Computers hängt von der Anzahl der Zustände (Nullen oder Einsen) in Ihrem Computer ab.

Aufgrund der seltsamen Regeln der subatomaren Welt können Atome aber auch in jeder Kombination der beiden Kreiselzustände (man spricht von «Spins») auftreten. Beispielsweise gibt es einen Zustand, bei dem der Spin des Atoms 10 Prozent der Zeit nach oben und 90 Prozent der Zeit nach unten weist. Oder 65 Prozent der Zeit nach oben und 35 Prozent nach unten. Tatsächlich gibt es unendlich viele Zustände, wie sich der Spin eines Atoms zusammensetzen kann. Das lässt die Zahl der möglichen Zustände stark anwachsen. Daher kann das Atom weitaus mehr Information tragen, nicht nur ein Bit, sondern ein «Qubit», das heißt, eine simultane Mischung von Nach-oben- und Nach-unten-Zuständen. Digitale Bits können nur jeweils ein Bit an Information tragen, was ihre Leistung einschränkt, während die Leistungsfähigkeit von Qubits fast unbegrenzt ist. Die Tatsache, dass Objekte auf atomarem Niveau gleichzeitig in multiplen Zuständen existieren können, wird als Überlagerung (Superposition) bezeichnet. (Das bedeutet auch, dass die vertrauten Gesetze des gesunden Menschenverstands auf atomarem Niveau ständig verletzt werden. Auf dieser Größenskala können Elektronen gleichzeitig an zwei Orten sein, was bei größeren Objekten unmöglich ist.)

Zusätzlich können diese Qubits miteinander wechselwirken, gewöhnliche Bits hingegen nicht. Das nennt man Verschränkung (entanglement). Während digitale Bits unabhängige Zustände haben, interagiert jedes neu hinzukommende Qubit mit allen vorherigen Qubits, sodass sich die Anzahl der möglichen Interaktionen verdoppelt. Daher sind Quantencomputer ihrem Wesen nach exponentiell leistungsstärker als Digitalrechner, denn jedes Mal, wenn man ein Qubit hinzufügt, verdoppelt sich die Anzahl der möglichen Wechselwirkungen.

Beispielsweise können heutige Quantencomputer mehr als 100 Qubits aufweisen. Das heißt, dass sie 2100 Mal leistungsstärker sind als ein Supercomputer mit nur einem einzigen Bit.

Googles Quantencomputer Sycamore, der als erster Quantenüberlegenheit erreichte, kann mit seinen 53 Qubits 72 Millionen Milliarden Bytes verarbeiten. Daher stellt ein Quantencomputer wie Sycamore jeden konventionellen Computer, was dessen Rechenleistung angeht, in den Schatten.

Die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind enorm. Während wir im Begriff sind, von einer digitalen Weltwirtschaft in eine Quantenökonomie überzugehen, steht außerordentlich viel auf dem Spiel.

Hindernisse auf dem Weg zum Quantencomputer

Die nächste Schlüsselfrage lautet daher: Was hält uns davon ab, heute leistungsstarke Quantencomputer auf den Markt zu bringen? Warum baut nicht ein unternehmungslustiger Erfinder einen Quantencomputer, der jeden Code knacken kann?

Das Problem beim Bau von Quantencomputern wurde von Richard Feynman damals, als er das Konzept vorschlug, bereits vorausgesehen. Damit Quantencomputer funktionieren, müssen Atome so angeordnet werden, dass sie genau im Gleichtakt schwingen. Das nennt man Kohärenz. Aber Atome sind unglaublich kleine und empfindliche Objekte. Die geringste Verunreinigung oder Störung von außen kann dazu führen, dass diese Anordnung von Atomen ihre Kohärenz verliert und die gesamte Berechnung zunichtemacht. Diese Störanfälligkeit ist das Hauptproblem bei der Konstruktion von Quantencomputern. Daher ist die Milliarden-Dollar-Frage: Können wir die Dekohärenz kontrollieren?

Um die Kontaminierung von außen möglichst gering zu halten, benutzen Wissenschaftler Spezialgeräte, um die Temperatur auf nahe den absoluten Nullpunkt zu senken, wo unerwünschte Schwingungen minimal sind. Um derart niedrige Temperaturen zu erreichen, benötigt man einen Raum voll teurer Spezialpumpen und Schläuche.

Wir stehen jedoch vor einem Rätsel. Mutter Natur benutzt ohne die geringsten Probleme Quantenmechanik bei Raumtemperatur. Beispielsweise ist das Wunder der Fotosynthese, einer der wichtigsten Prozesse auf der Erde, ein Quantenprozess, und dennoch findet er bei normalen Temperaturen statt. Mutter Natur benutzt keinen Raum voller exotischer Geräte, die nahe dem absoluten Nullpunkt arbeiten, um sie zu betreiben. Aus noch weitgehend unverstandenen Gründen bleibt die Kohärenz in der Natur selbst an einem warmen, sonnigen Tag erhalten, an dem Störungen von außen eigentlich Chaos auf atomarem Niveau auslösen sollten. Wenn wir eines Tages herausfinden könnten, wie Mutter Natur ihre Magie bei Raumtemperatur ausübt, könnten wir das Quant und vielleicht sogar das Leben selbst beherrschen.

Die Wirtschaft revolutionieren

Quantencomputer können einerseits kurzfristig eine Bedrohung für die Cybersicherheit der Staaten darstellen, doch haben sie langfristig große praktische Konsequenzen und das Potenzial, die Weltwirtschaft zu revolutionieren, eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen und eine Ära der Quantenmedizin einzuläuten, die es erlaubt, bisher unheilbare Krankheiten zu heilen.

Es gibt viele Gebiete, auf denen Quantencomputer Digitalrechner übertrumpfen können:

1.Suchmaschinen

In der Vergangenheit wurde Reichtum vielleicht in Form von Öl oder Gold bemessen. Heute wird er zunehmend in Daten bemessen. Früher warfen Unternehmen ihre eigenen Finanzdaten in der Regel einfach weg, doch inzwischen ist diese Information bisweilen wertvoller als kostbares Metall. Sich durch riesige Datenmengen zu arbeiten, kann einen konventionellen digitalen Computer jedoch überfordern. Hier kommen Quantencomputer ins Spiel, die die Nadel im Heuhaufen finden können. Sie sind unter Umständen in der Lage, die Finanzen eines Unternehmens zu analysieren, um jene Handvoll Faktoren zu identifizieren, die sein Wachstum behindern.

Tatsächlich ist JP Morgan kürzlich eine Partnerschaft mit IBM und Honeywell eingegangen, um die Daten des Bankhauses zu analysieren. So sollen finanzielle Risiken sowie Unsicherheiten besser vorhergesagt werden, um die Effizienz der Bankoperationen zu steigern.

2.Optimierung

Sobald Quantencomputer Suchmaschinen eingesetzt haben, um die Schlüsselfaktoren in den Daten zu identifizieren, lautet die nächste Frage, wie man sie anpassen sollte, um bestimmte Größen, wie den Profit, zu maximieren. Zumindest große Unternehmen, Universitäten und Regierungsbehörden werden Quantencomputer verwenden, um ihre Kosten zu minimieren und ihre Effizienz wie auch ihren Profit zu maximieren. Beispielsweise hängt der Reingewinn eines Konzerns von vielen Hundert Faktoren ab, darunter Umsätze, Gehälter, Kosten, die sich alle rasch in Abhängigkeit von der Zeit verändern. Ein traditioneller digitaler Computer könnte damit überfordert sein, die richtigen Faktoren aus Myriaden von Kombinationen zu finden, um die Profitmarge des Konzerns zu vergrößern. Unterdessen möchte ein Finanzunternehmen vielleicht Quantencomputer einsetzen, um die Zukunft bestimmter Finanzmärkte vorherzusagen, die jeden Tag Milliarden Dollar an Transaktionen tätigen. In diesem Fall können Quantencomputer zur Optimierung des Reingewinns beitragen, indem sie die rechnerische «Muskelkraft» liefern.

3.Simulation

Quantencomputer können unter Umständen auch komplexe Gleichungen lösen, die digitale Computer überfordern. Beispielsweise könnten Ingenieurbüros Quantencomputer einsetzen, um die Aerodynamik von Flugzeugen und Autos zu berechnen und die ideale Form zu finden, die Reibung verringert, die Kosten minimiert und die Effizienz maximiert. Regierungen könnten Quantencomputer zur Wettervorhersage verwenden und so den Weg eines Monster-Hurrikans berechnen oder analysieren, wie die Klimaerwärmung die Wirtschaft und unsere Lebensweise zukünftig beeinflussen wird. Oder Wissenschaftler könnten Quantencomputer einsetzen, um die optimale Anordnung von Magneten in riesigen Kernfusionsanlagen zu finden, auf diese Weise eine Wasserstofffusion zu ermöglichen und «die Sonne in die Flasche» packen.

Der größte Vorteil von Quantencomputern besteht jedoch vielleicht darin, Hunderte von wichtigen chemischen Reaktionen zu simulieren. Der Traum wäre, das Ergebnis einer beliebigen chemischen Reaktion auf atomarem Niveau vorherzusagen, ohne überhaupt chemische Verbindungen einzusetzen, sondern lediglich Quantencomputer. Dieser neue Wissenschaftszweig, Computerchemie (computational chemistry) genannt, erforscht chemische Eigenschaften nicht mithilfe von Experimenten, sondern durch Simulation in einem Computer, der eines Tages teure und zeitaufwendige Tests überflüssig machen könnte. Die gesamte Biologie, Medizin und Chemie würden sich auf Quantenmechanik reduzieren. Das bedeutet die Schaffung eines «virtuellen Labors», in dem wir rasch neue Arzneimittel, Behandlungsmethoden und Heilmittel im Speicher eines Quantencomputers ausprobieren und damit jahrzehntelange langsame, mühsame Laborexperimente nach dem Versuch-und-Irrtum-Verfahren umgehen können. Statt Tausende komplexer, teurer und zeitaufwendiger chemischer Experimente durchzuführen, braucht man vielleicht einfach nur auf die Taste eines Quantencomputers zu drücken.

4.Verschmelzung von KI und Quantencomputern

Künstliche Intelligenz (KI) zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus Fehlern lernen und unglaublich schwierige Aufgaben erledigen kann. KI hat ihren Wert in Industrie und Medizin bereits bewiesen. Einschränkend für die KI ist jedoch, dass die riesige Datenmenge, die sie verarbeiten muss, einen konventionellen Digitalrechner leicht überfordern kann. Die Fähigkeit, große Datenmengen zu durchforsten, gehört jedoch zu den Stärken von Quantencomputern. Daher kann die gegenseitige Befruchtung von KI und Quantencomputern ihre Kompetenz zur Lösung von Problemen aller Art erheblich steigern.

Weitere Anwendungen von Quantencomputern

Quantencomputer haben das Potenzial, ganze Branchen zu verändern. Zum Beispiel könnten sie das lang erwartete Solarzeitalter einläuten. Seit Jahrzehnten sagen Futurologen und Visionäre voraus, dass erneuerbare Energien fossile Brennstoffe ersetzen und den Treibhauseffekt vermeiden können, der den Planeten erwärmt. Heerscharen dieser Denker und Visionäre haben die Vorteile von erneuerbaren Energien gepriesen.

Aber das Zeitalter der Solarenergie ist vom Weg abgekommen.

Obwohl die Kosten für Windräder und Solaranlagen gesunken sind, erzeugen sie bislang weltweit nur einen geringen Teil der Energie. Die Frage lautet: Was ist passiert?

Jede neue Technologie sieht sich mit einem Grundproblem konfrontiert: Kosten. Nach jahrzehntelangen Lobgesängen auf Solar- und Windenergie müssen Befürworter der Tatsache ins Auge sehen, dass diese Energien immer noch ein wenig teurer sind als fossile Energielieferanten. Der Grund dafür ist klar. Wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, kommt die Produktion erneuerbarer Energie zum Stillstand.

Der wichtigste Engpass für das Fortschreiten des Solarzeitalters wird oft übersehen: Es ist die Batterie. Wir haben uns davon in die Irre führen lassen, dass die Computerleistung exponentiell rasch wächst, und unbewusst angenommen, dasselbe Tempo gelte für alle elektronischen Technologien.

Die Leistungsstärke von Computern ist zum Teil auch deshalb exponentiell gewachsen, weil wir ultraviolettes Licht mit kürzeren Wellenlängen verwenden können, um winzige Transistoren auf einen Siliziumchip zu ätzen. Aber Batterien sind etwas anderes; sie sind chaotisch und basieren auf exotischen Chemikalien, die in komplexer Weise miteinander wechselwirken. Die Leistung von Batterien wächst langsam und mühsam, durch Versuch und Irrtum, nicht durch systematisches Ätzen mit kurzwelligerem UV-Licht. Zudem macht die in einer Batterie gespeicherte Energie nur einen winzigen Bruchteil der in Benzin gespeicherten Energie aus.

Quantencomputer könnten diese Situation verändern. Sie könnten Tausende möglicher chemischer Reaktionen simulieren, ohne Versuche im Labor durchführen zu müssen, um den effizientesten Prozess für eine Superbatterie zu finden und damit das Solarzeitalter einzuläuten.

Elektrizitätswerke und Automobilfirmen setzen bereits die erste Generation der IBM-Quantencomputer ein, um das Batterieproblem anzugehen. Sie versuchen, Kapazität und Wiederaufladungsgeschwindigkeit der nächsten Generation von Lithium-Schwefel-Batterien zu erhöhen. Aber das ist nur eine Möglichkeit, das Klima zu beeinflussen. Zusätzlich verwendet ExxonMobil den IBM-Quantencomputer, um neue chemische Verbindungen für energiearme Verarbeitung und CO2-Abscheidung (Carbon Capture) zu schaffen. Insbesondere wünscht man sich bei Exxon, dass Quantencomputer Materialien simulieren und deren chemische Eigenschaften vorhersagen, zum Beispiel ihre Wärmekapazität.

Jeremy O’Brian, Gründer von PsiQuantum, betont, dass es bei dieser Revolution nicht um den Bau schnellerer Computer geht.[11] Vielmehr geht es um die Inangriffnahme von Problemen wie zum Beispiel komplexen chemischen und biologischen Reaktionen, die kein konventioneller Computer lösen kann, ganz gleich, wie viel Zeit wir ihm geben. Er meint: «Wir sprechen nicht davon, Dinge schneller oder besser zu tun … Wir sprechen davon, diese Dinge überhaupt tun zu können. … Diese Probleme liegen für immer außerhalb der Reichweite eines jeden konventionellen Computers, den wir jemals bauen könnten. … Selbst wenn wir jedes Siliziumatom auf dem Planeten nehmen und es in einen Supercomputer einbauen würden, könnten wir … diese schwierigen Probleme nicht lösen.»

Den Planeten ernähren

Eine weitere entscheidende Anwendung von Quantencomputern könnte darin bestehen, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Gewisse Bakterien können Stickstoff aus der Luft in Ammoniak umwandeln, der dann als Grundstoff für Dünger dient. Diese sogenannte Stickstofffixierung ist der Grund dafür, dass die Erde Leben trägt; sie erlaubt ein üppiges Pflanzenwachstum, das Mensch und Tier ernährt. Die Grüne Revolution kam in Schwung, als es Chemikern gelang, diese Leistung mit dem Haber-Bosch-Verfahren nachzuahmen. Dieser Prozess kostet jedoch sehr viel Energie. Tatsächlich verschlingt er erstaunliche 2 Prozent der gesamten Energieproduktion weltweit.

Das ist wirklich eine Ironie: Bakterien können etwas kostenlos tun, das einen beträchtlichen Teil der weltweit erzeugten Energie auffrisst.

Die Frage ist: Können Quantencomputer dieses Problem einer effizienten Düngerproduktion lösen und eine Zweite Grüne Revolution in Gang setzen? Ohne eine weitere Revolution in der Nahrungsmittelproduktion prognostizieren einige Zukunftsforscher eine ökologische Katastrophe, da eine ständig wachsende Weltbevölkerung immer schwerer zu ernähren ist, was zu massiven Hungersnöten und Aufständen rund um den Erdball führen könnte.

Forschende bei Microsoft haben bereits erste Versuche unternommen, Quantencomputer einzusetzen, um die Erträge von Düngemitteln zu erhöhen und das Geheimnis der Stickstofffixierung zu lüften. Letztlich könnten Quantencomputer dazu beitragen, die menschliche Zivilisation vor sich selbst zu retten.

Ein weiteres Wunder der Natur ist die Fotosynthese, bei der Sonnenlicht und Kohlendioxid in Wasserstoff und einen Zucker (Glukose) umgewandelt werden, der anschließend die Grundlage fast allen Lebens auf der Erde bildet. Ohne Fotosynthese bricht die Nahrungskette zusammen, und das Leben auf diesem Planeten würde rasch zugrunde gehen. Wissenschaftler haben jahrzehntelang versucht, alle Schritte hinter diesem Prozess Molekül für Molekül aufzuklären. Hinter dem Problem, Licht und Kohlendioxid in Zucker umzuwandeln, steckt jedoch ein quantenmechanischer Prozess. Nach jahrelangen Bemühungen haben die Forschenden herausgefunden, an welchen Stellen Quanteneffekte diesen Prozess dominieren, und alle liegen außerhalb der Reichweite digitaler Computer. Eine synthetische Fotosynthese, die potenziell effizienter als die natürliche sein könnte, ist daher ein Unterfangen, das sich selbst von unseren besten Chemikern nicht verwirklichen lässt.

Quantencomputer könnten dazu beitragen, eine effizientere Fotosynthese zu entwickeln, oder vielleicht auch völlig neue Wege aufzeigen, die Energie des Sonnenlichts zu nutzen. Möglicherweise hängt die Zukunft unserer Lebensmittelproduktion davon ab.

Die Geburt der Quantenmedizin

Quantencomputer haben also die Macht, die Umwelt und das pflanzliche Leben zu regenerieren. Aber sie können auch Kranke heilen und Sterbenden helfen. Sie können nicht nur simultan die Wirkung von Millionen potenzieller Medikamente schneller als jeder konventionelle Computer analysieren, sondern auch die Natur der Krankheit selbst entschlüsseln.

Quantencomputer könnten Fragen wie diese beantworten: Was veranlasst gesunde Zellen, sich plötzlich in Krebszellen zu verwandeln, und wie kann man diesen Prozess stoppen? Was ruft die Alzheimer-Krankheit hervor? Warum sind Parkinson und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) unheilbar? Wir wissen, dass das Coronavirus in neuerer Zeit mutiert ist, aber wie gefährlich sind die einzelnen Virusmutanten, und wie werden sie auf eine Behandlung reagieren?

Zwei der größten Errungenschaften in der Medizin sind Antibiotika und Impfstoffe. Neue Antibiotika werden jedoch weitgehend nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum entdeckt, ohne dass wir genau verstünden, wie sie auf molekularer Ebene funktionieren, und Vakzine regen den menschlichen Körper lediglich dazu an, chemische Verbindungen zu produzieren, die eindringende Viren angreifen. In beiden Fällen sind die genauen molekularen Mechanismen noch immer ein Geheimnis, und Quantencomputer könnten uns helfen, bessere Impfstoffe und Antibiotika zu entwickeln.

Der erste Schritt zu einem genaueren Verständnis des Körpers war das Humangenomprojekt, das sämtliche drei Milliarden Basenpaare und 20000 Gene auflistete, die die Blaupause für den menschlichen Körper bilden. Aber das ist nur der Anfang. Das Problem ist, dass Digitalrechner hauptsächlich dazu verwendet werden, riesige Datenbanken bekannter genetischer Codes zu durchsuchen, aber aufgeschmissen sind, wenn es darum geht, genau zu erklären, wie DNA und Proteine ihre Magie innerhalb des Körpers entfalten. Proteine sind komplexe Objekte, die oft aus vielen Tausend Atomen bestehen und sich auf spezielle und unerklärliche Weise zusammenfalten, wenn sie ihre molekulare Magie ausüben. Auf seiner fundamentalen Ebene ist alles Leben quantenmechanisch und liegt damit außerhalb der Reichweite digitaler Computer.

Quantencomputer werden jedoch den Weg zum nächsten Stadium weisen. Mit ihrer Hilfe können wir die Mechanismen auf molekularer Ebene entziffern und verstehen, wie sie funktionieren. Das würde es Forschenden ermöglichen, neue genetische Wege, neue Therapien und neue Heilmethoden zu entwickeln, um zuvor unheilbare Krankheiten zu besiegen.

Beispielsweise richten Pharmaunternehmen wie ProteinQure, Digital Health 150, Merck und Biogen bereits Forschungszentren ein, um herauszufinden, wie Quantencomputer die Analyse von Arzneimittel beeinflussen werden.

Wissenschaftler staunen darüber, dass es Mutter Natur gelungen ist, einen riesigen Vorrat molekularer Mechanismen zu schaffen, die das Wunder des Lebens möglich machen. Diese Mechanismen sind jedoch Nebenprodukte des Zufalls und der zufälligen natürlichen Selektion, die über Milliarden Jahre auf Zellen eingewirkt hat. Deshalb leiden wir noch immer unter unheilbaren Krankheiten und dem Alterungsprozess. Wenn wir einmal verstehen, wie diese molekularen Mechanismen funktionieren, können wir Quantencomputer verwenden, um sie zu verbessern oder neue Versionen von ihnen zu schaffen.

Bei der DNA-Genomik können wir beispielsweise Computer einsetzen, um Gene wie BRAC-1 und BRAC-2 zu identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs erhöhen. Aber Digitalrechner sind nutzlos, wenn es darum geht, im Detail aufzuklären, wie genau diese defekten Gene zu Brustkrebs führen. Und sie können auch nicht verhindern, dass der Krebs sich im ganzen Körper ausbreitet. Aber wenn es uns mithilfe von Quantencomputern gelingt, die komplexen molekularen Wechselbeziehungen unseres Immunsystems zu entschlüsseln, können wir möglicherweise neue Medikamente und Therapien entwickeln, um diese Krankheit zu bekämpfen.

Ein anderes Beispiel ist die Alzheimer-Krankheit, von der manche glauben, sie werde aufgrund der Alterung der Weltbevölkerung zur «Krankheit des Jahrhunderts» werden. Mit digitalen Computern kann man zeigen, dass Mutationen in bestimmten Genen, wie dem ApoE4-Gen, mit Alzheimer assoziiert sind. Aber Digitalrechner helfen nicht weiter, wenn es darum geht zu erklären, warum das so ist.

Eine weitgehend akzeptierte Theorie ist, dass Alzheimer von «Prionen» hervorgerufen wird, anomal gefalteten Proteinen, die im Gehirn sogenannte Amyloid-Ablagerungen bilden. Wenn dieses anomal gefaltete Protein auf ein gleichartiges, aber normal gefaltetes Proteinmolekül stößt, bewirkt es, dass sich dieses Proteinmolekül ebenfalls falsch faltet. Daher kann sich die Krankheit durch Kontakt ausbreiten, obgleich weder Viren noch Bakterien beteiligt sind. Es wird vermutet, dass anomal gefaltete Prionen hinter Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, ALS und einer ganzen Palette anderer unheilbarer Krankheiten stecken könnten, unter denen besonders ältere Menschen leiden.

Daher ist das Problem der Proteinfaltung eines der größten noch unkartierten Gebiete der Biologie. Tatsächlich könnte es das Geheimnis des Lebens selbst in sich bergen. Aber herauszufinden, wie ein Proteinmolekül sich genau faltet, übersteigt die Fähigkeiten eines konventionellen Computers. Quantencomputer können hingegen neue Wege aufzeigen, wie sich defekte Proteine neutralisieren lassen, und neue Therapien liefern.

Zusätzlich könnte sich herausstellen, dass die Zukunft der Medizin in der bereits erwähnten Verschmelzung von KI und Quantencomputern liegt. Bereits heute sind KI-Programme wie AlphaFold in der Lage, die detaillierte atomare Struktur von erstaunlichen 350000 verschiedenen Proteintypen zu kartieren, einschließlich des kompletten Satzes von Proteinen, aus denen sich der menschlichen Körper aufbaut. Der nächste Schritt besteht darin, die einzigartigen Methoden von Quantencomputern einzusetzen, um herauszufinden, wie diese Proteine ihre magische Wirkung entfalten, und sie einzusetzen, um die nächste Generation von Medikamenten und Therapien zu entwickeln.

Quantencomputer werden bereits heute mit neuronalen Netzwerken verknüpft, um die nächste Generation von lernenden Maschinen zu schaffen, die sich buchstäblich selbst neu erfinden können. Im Gegensatz dazu lernt der Laptop, den Sie auf dem Schoß haben, niemals von sich aus etwas Neues. Er ist heute nicht leistungsfähiger als letztes Jahr. Erst seit Kurzem machen Computer dank Fortschritten beim Deep Learning die ersten Schritte in Richtung Fehlererkennung und Lernen. Quantencomputer könnten diesen Prozess exponentiell beschleunigen und Medizin und Biologie damit revolutionieren.

Googles CEO Sundar Pichai vergleicht die Entwicklung von Quantencomputern mit dem historischen Flug der Gebrüder Wright im Jahr 1903. Der ursprüngliche Test war, für sich gesehen, nicht besonders eindrucksvoll, denn der Flug dauerte nur bescheidene zwölf Sekunden. Doch dieser kurze Flug läutete die moderne Luftfahrt ein, die den Lauf der menschlichen Geschichte verändert hat.

Es geht um nichts Geringeres als unsere Zukunft. Wer in der Lage ist, einen Quantencomputer zu bauen, kann nach ihr greifen. Um wirklich zu verstehen, welche Konsequenzen diese Revolution für unseren Alltag haben könnte, lohnt es sich, einige der beherzten Versuche nachzuvollziehen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, um unseren Traum zu erfüllen: Computer zu verwenden, um die Welt um uns herum zu simulieren und zu verstehen.

Alles begann mit einem geheimnisvollen, 2000 Jahre alten Relikt, das auf dem Grund des Mittelmeers entdeckt wurde.

Kapitel 2:Das Ende des digitalen Zeitalters

Auf dem Grund der Ägäis stießen Taucher auf eines der faszinierendsten und fesselndsten Rätsel der antiken Welt. Im Jahr 1901 gelang es ihnen, in der Nähe der Insel Antikythera eine seltsame Kuriosität zu bergen. Zwischen verstreuten Scherben von Töpferwaren, Münzen, Schmuck und Statuen in einem Schiffswrack fanden die Taucher einen Gegenstand, der auf eigentümliche Weise anders war. Auf den ersten Blick sah er aus wie ein wertloses Stück korallenverkrustetes Gestein.

Doch als die Schmutzschichten abgetragen wurden, erkannten Archäologen, dass sie es mit einem äußerst seltenen, einzigartigen Schatz zu tun hatten. Es war ein Gerät von kompliziertem und ausgefallenem Design, bestückt mit Rädern, Zahnkränzen und seltsamen Inschriften.

Die Datierung der im Schiffswrack gefundenen Artefakte ergab, dass das Gerät irgendwann zwischen 150 und 100 v. Chr. hergestellt worden war. Einige Historiker glauben, dass es von Rhodos nach Rom unterwegs war, um Julius Cäsar als Geschenk bei einem Triumphzug überreicht zu werden.

Im Jahr 2008 gelang es Wissenschaftlern, mithilfe von Röntgentomografie und hochauflösender Oberflächenspektroskopie in das Innere dieses faszinierenden Objekts vorzudringen. Völlig überrascht stellten sie fest, dass sie ein uraltes mechanisches Gerät vor sich hatten, das unglaublich fortschrittlich war.

Nirgendwo in antiken Aufzeichnungen wurde ein derart ausgeklügelter Mechanismus erwähnt. Es dämmerte ihnen, dass diese großartige Maschine der Gipfel der wissenschaftlichen Erkenntnisse der antiken Welt gewesen sein musste. Es war eine Supernova der Brillanz, die aus vergangenen Jahrtausenden leuchtete. Es handelte sich um den ältesten Computer der Welt, ein Gerät, das erst in zweitausend Jahren nachgebaut werden würde.

Abb. 1: Der Mechanismus von Antikythera

Vor 2000 Jahren schufen die Griechen den Antikythera-Computer, den allerersten in der langen Entwicklungsgeschichte der Computer. Während er den Beginn der Computertechnologie darstellt, könnte der Quantencomputer die höchste Stufe in dieser Entwicklung sein.

Wissenschaftler begannen, dieses bemerkenswerte mechanische Gerät nachzubauen. Durch das Drehen einer Kurbel wurde zum ersten Mal seit Tausenden von Jahren eine Reihe von komplexen Rädern und Radzähnen in Bewegung gesetzt. Das Gerät hatte mindestens 37 Bronzezahnräder. Mit einem Teil dieser Zahnräder wurde die Bewegung von Mond und Sonne berechnet. Mit anderen konnte man die nächste Sonnenfinsternis vorhersagen. Das Gerät war von solcher Genauigkeit, dass es sogar kleine Unregelmäßigkeiten in der Mondumlaufbahn berechnete. Übersetzungen der Inschriften auf dem Gerät beschreiben die Bewegungen von Merkur, Venus, Mars, Saturn und Jupiter, jenen Planeten, die den Alten bekannt waren, und es wird vermutet, dass ein fehlender Teil des Mechanismus sogar die Bewegung der Planeten am Himmel aufzeichnen konnte.

Seitdem hat die Wissenschaft aufwendige Modelle vom Innenleben dieses Mechanismus erstellt, die Historikerinnen und Historikern einen beispiellosen Einblick in Wissen und Denken der Antike verschafft haben. Das Gerät war die Geburtsstunde eines völlig neuen Wissenschaftszweigs, der das Universum mit mechanischen Hilfsmitteln simuliert. Es handelte sich um den ältesten Analogrechner der Welt, also um eine Maschine, die mit kontinuierlichen mechanischen Bewegungen bestimmte Berechnungen durchführen konnte.

Der Zweck des ersten Computers der Welt bestand also darin, die Bewegung der Himmelskörper zu simulieren und die Geheimnisse des Kosmos in einem Gerät zu reproduzieren, das man in der Hand halten konnte. Anstatt einfach nur den Nachthimmel zu bestaunen, wollten die Wissenschaftler der Antike ihn im Detail verstehen, was ihnen einen noch nie da gewesenen Einblick in die Bewegung der Himmelskörper ermöglichte.

Quantencomputer: Die ultimative Simulation

Archäologen haben festgestellt, dass der Mechanismus von Antikythera den Höhepunkt aller antiken Bemühungen um die Simulation des Kosmos darstellt. Tatsächlich ist derselbe uralte Drang, die Welt um uns herum modellhaft abzubilden, eine der treibenden Kräfte hinter dem Quantencomputer, der die ultimative Anstrengung der 2000 Jahre währenden Reise darstellt, alles zu simulieren – vom Kosmos bis hin zum Atom.

Die Simulation gehört zu den tiefsten menschlichen Sehnsüchten. Kinder nutzen Simulationen mit Spielzeugfiguren, um menschliches Verhalten zu verstehen. Wenn Kinder Räuber und Gendarm, Lehrer und Schüler oder Arzt und Patient spielen, simulieren sie ein Stück Erwachsenengesellschaft, um komplexe menschliche Beziehungen zu verstehen.

Leider sollte es noch viele Jahrhunderte dauern, bis Wissenschaftler Maschinen von ausreichender Komplexität bauen konnten, um unsere Welt so gut zu simulieren, wie es der Mechanismus von Antikythera konnte.

Babbage und die Differenzmaschine

Mit dem Untergang des Römischen Reiches kam der wissenschaftliche Fortschritt auf vielen Feldern zum Stillstand, auch bei der Simulation des Universums.

Erst im 19. Jahrhundert erwachte das Interesse daran allmählich wieder.

Inzwischen gab es dringende, praktische Fragen, die nur mit mechanischen Analogrechnern beantwortet werden konnten. Zum Beispiel waren die Seefahrer auf detaillierte Karten und Diagramme angewiesen, um den Kurs ihrer Schiffe festzulegen. Sie benötigten Geräte, um diese Karten so wirklichkeitsgetreu wie möglich zu gestalten.

Immer komplexere Maschinen wurden auch benötigt, um den Überblick über Handel und Gewerbe zu behalten, da die Menschen immer mehr Wohlstand anhäuften. Buchhalter mussten ausführliche mathematische Tabellen mit Zinsen und Hypotheken von Hand zusammenstellen.

Menschen machten jedoch oft kostspielige und entscheidende Fehler. Daher war man sehr daran interessiert, mechanische Rechenmaschinen zu entwickeln, denen diese Fehler nicht unterlaufen würden. Als die Rechenmaschinen immer komplexer wurden, entstand ein zwangloser Wettbewerb zwischen unternehmungslustigen Erfindern, wer die fortschrittlichste Maschine bauen konnte.

Das vielleicht ehrgeizigste dieser Projekte wurde von dem exzentrischen englischen Erfinder und Visionär Charles Babbage geleitet, der oft als Vater des Computers bezeichnet wird. Er versuchte sich in einer Reihe von unterschiedlichen Bereichen, darunter Kunst und sogar Politik, blieb aber immer von Zahlen fasziniert. Glücklicherweise wurde er in eine wohlhabende Familie hineingeboren, sodass sein Vater, ein Bankier, ihn bei der Verfolgung seiner vielfältigen Interessen finanziell unterstützen konnte.

Sein Traum war es, die fortschrittlichste Rechenmaschine seiner Zeit zu erschaffen, mit der Banker, Ingenieure, Seeleute und das Militär mühsame, aber wichtige Berechnungen fehlerfrei durchführen konnten. Er verfolgte zwei Ziele. Als Gründungsmitglied der Royal Astronomical Society hatte er Interesse an einer Maschine, die die Bewegungen der Planeten und Himmelskörper verfolgen konnte (und er folgte im Wesentlichen dem Weg des mathematischen Genies, das den Mechanismus von Antikythera gebaut hatte). Außerdem war er bestrebt, genaue Karten für die Schifffahrt zu erstellen. England war eine bedeutende Seemacht, und Fehler in den Seekarten konnten zu teuren Katastrophen führen. Seine Idee war, den leistungsstärksten mechanischen Computer seiner Art zu entwickeln, um Bewegungen aller Arten – von den Planeten über Schiffe auf See bis hin zu Zinssätzen – zu berechnen.

Er überzeugte und rekrutierte eifrige Anhänger, die ihn und sein ehrgeiziges Projekt unterstützten. Eine von ihnen war Lady Ada Lovelace, eine Angehörige der Aristokratie und Tochter von Lord Byron. Sie war auch eine ambitionierte Studentin der Mathematik, was für Frauen in dieser Zeit selten war. Als sie ein kleines Arbeitsmodell von Babbages Projekt sah, war sie von diesem spannenden Programm fasziniert.

Man weiß, dass Lovelace Babbage bei der Einführung mehrerer neuer Konzepte im Bereich der Computertechnik half. Normalerweise benötigte ein mechanischer Computer eine Reihe von Zahnrädern und Rädchen, um langsam und mühsam eine Zahl nach der anderen zu berechnen. Um jedoch ganze Tabellen mit Tausenden von mathematischen Zahlen auf einmal zu erzeugen (z.B. Logarithmen, Zinssätze, Navigationskarten usw.), brauchte man eine Reihe von Anweisungen, die die Maschine über viele Iterationen hinweg anleitete. Mit anderen Worten, man brauchte eine Software, um die Abfolge der Berechnungen in der Hardware zu steuern. Also schrieb sie eine Reihe detaillierter Anweisungen, mit denen die Maschine systematisch die sogenannten Bernoulli-Zahlen erzeugen konnte, die für die von ihr durchgeführten Berechnungen unerlässlich waren.

Lady Lovelace war in gewissem Sinne die erste Programmiererin der Welt. Historiker sind sich einig, dass Babbage sich wahrscheinlich der Bedeutung von Software und Programmierung bewusst war, aber Lovelace’ detaillierte Notizen aus dem Jahr 1843 stellen den ersten veröffentlichten Bericht über ein Computerprogramm dar.

Lovelace erkannte auch, dass der Computer nicht nur in der Lage war, Zahlen zu verarbeiten, wie Babbage glaubte, sondern dass er auch zur Beschreibung symbolischer Konzepte in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt werden konnte. Der Autor Doron Swade schreibt: «Ada sah etwas, was Babbage in gewisser Weise nicht sah. In Babbages Welt waren seine Maschinen an Zahlen gebunden. Was Lovelace sah, war, dass Zahlen auch für andere Dinge stehen können als für Zahlenwerte. Wenn man also eine Maschine hatte, mit der man Zahlen manipulieren konnte, und wenn diese Zahlen andere Dinge repräsentierten, wie Buchstaben oder Musiknoten, dann konnte die Maschine Symbole verarbeiten, von denen die Zahl nur ein Beispiel war, und zwar nach bestimmten Regeln.»[12]

Lovelace schrieb zum Beispiel, dass der Computer programmiert werden könnte, Musikstücke zu erzeugen. Sie schrieb: «Die Maschine könnte kunstvolle und wissenschaftliche Musikstücke von beliebiger Komplexität und beliebigem Umfang komponieren.»[13]

Der Computer war also nicht nur ein Zahlenmagier, eine hochgejubelte Rechenmaschine. Er konnte auch zur Erforschung von Wissenschaft, Kunst, Musik oder Kultur eingesetzt werden. Leider starb Ada Lovelace im Alter von 36 Jahren an Krebs, bevor sie diese weltverändernden Konzepte weiter ausarbeiten konnte.

Unterdessen litt Babbage inzwischen unter chronischem Geldmangel und war ständig in Streitigkeiten verwickelt, sodass sein Traum, den fortschrittlichsten mechanischen Computer zu erschaffen, nie vollendet wurde. Als er starb, starben viele seiner Entwürfe und Ideen mit ihm.

Doch seither haben Wissenschaftler versucht, genau zu untersuchen, wie fortschrittlich seine Maschinen waren. Der Bauplan eines seiner unvollendeten Modelle enthielt 25000 Teile. Fertiggestellt hätte es vier Tonnen gewogen und wäre über zwei Meter hoch gewesen. Er war seiner Zeit so weit voraus, dass seine Maschine eintausend 50-stellige Zahlen hätte verarbeiten können. Diese enorme Speicherkapazität sollte bis 1960 von keiner anderen Maschine erreicht werden.

Etwa ein Jahrhundert später gelang es Ingenieuren des Londoner Wissenschaftsmuseums, ein Modell seiner Maschine nach seinen Entwürfen anzufertigen und auszustellen. Und es funktionierte, genau wie Babbage es ein Jahrhundert zuvor vorhergesagt hatte.

Ist die Mathematik vollständig?

Während die Ingenieure immer komplexere mechanische Computer bauten, um den Anforderungen einer zunehmend industrialisierten Welt gerecht zu werden, stellten sich die reinen Mathematiker eine andere Frage. Es war schon ein Traum der griechischen Geometrie gewesen zu zeigen, dass alle wahren Aussagen der Mathematik streng bewiesen werden können.

Doch bemerkenswerterweise frustrierte diese einfache Idee Mathematikerinnen und Mathematiker zweitausend Jahre lang. Jahrhundertelang mühten sich die Studenten von Euklids Elementen damit ab, ein Theorem nach dem anderen über geometrische Objekte zu beweisen. Im Laufe der Zeit gelang es brillanten Denkerinnen und Denkern, eine immer umfangreichere Reihe von wahren Aussagen zu beweisen. Noch heute verbringen Mathematiker ihr ganzes Leben damit, eine Vielzahl wahrer Aussagen zusammenzustellen, die mathematisch bewiesen werden können. Zu Babbages Zeiten begann man jedoch, eine ganz grundlegende Frage zu stellen: Ist die Mathematik vollständig? Stellen die Regeln der Mathematik sicher, dass jede wahre Aussage bewiesen werden kann, oder gibt es wahre Aussagen, die sich selbst den außergewöhnlichsten Köpfen der Menschheit entziehen können, weil sie tatsächlich nicht beweisbar sind?

Im Jahr 1900 listete der große deutsche Mathematiker David Hilbert die wichtigsten unbewiesenen mathematischen Fragen seiner Zeit auf und forderte damit die größten Mathematiker der Welt heraus. Diese bemerkenswerte Liste ungelöster Fragen bestimmte dann die Agenda der Mathematik für das folgende Jahrhundert, in dem ein unbewiesenes Theorem nach dem anderen bewiesen werden sollte. Im Laufe der Jahrzehnte erlangten junge Mathematikerinnen und Mathematiker Ruhm und Ehre, wenn sie einen dieser unbewiesenen Sätzen bezwangen.

Aber hier lag eine gewisse Ironie. Eines der von Hilbert aufgelisteten ungelösten Probleme war das uralte Problem, alle wahren Aussagen in der Mathematik zu beweisen, wenn eine Reihe von Axiomen gegeben ist. Im Jahr 1931, auf einer Konferenz, auf der Hilbert sein Programm zur Diskussion stellte, bewies ein junger österreichischer Mathematiker, Kurt Gödel, dass dies unmöglich war.

Schockwellen durchliefen die mathematische Gemeinschaft. Zweitausend Jahre griechisches Denken wurde vollständig und unwiderruflich zerstört. Man musste sich mit der Tatsache abfinden, dass die Mathematik nicht mehr die saubere, ordentliche, vollständige und beweisbare Sammlung von Theoremen war, die einst von den Griechen postuliert wurde. Selbst die Mathematik, die die Grundlage für das Verständnis der uns umgebenden physikalischen Welt bildete, war chaotisch und unvollständig.

Alan Turing: Pionier der Informatik

Einige Jahre später fand ein junger Mathematiker, der von Gödels berühmtem Unvollständigkeitssatz fasziniert war, einen genialen Weg, die gesamte Frage neu zu formulieren. Dies sollte die Richtung der Informatik für immer verändern.

Alan Turings außergewöhnliche Fähigkeiten wurden schon frühzeitig erkannt. Die Direktorin seiner Grundschule schrieb, dass sie unter ihren Schülern «kluge Jungen und fleißige Jungen» habe, «aber Alan ist ein Genie».[14] Später wurde er als Vater der Computerwissenschaft und der künstlichen Intelligenz bekannt.

Turing war fest entschlossen, die Mathematik trotz aller Widerstände und Entbehrungen zu meistern. Sein Schuldirektor versuchte sogar aktiv, ihn zu ermutigen, und meinte, er würde «seine Zeit an einer öffentlichen Schule nur verschwenden». Doch diese Widerstände stachelten seine Entschlossenheit nur noch mehr an. Als er 14 Jahre alt war, kam es zu einem Generalstreik, der weite Teile des Landes lahmlegte. Er wollte jedoch unbedingt in die Schule gehen und fuhr deshalb allein fast 100 Kilometer mit dem Fahrrad, um am Unterricht teilzunehmen, wenn die Schule nach dem Streik wieder öffnete.

Anstatt immer komplexere Rechenmaschinen wie Babbages Differenzmaschine zu bauen, stellte sich Alan Turing schließlich eine andere Frage: Gibt es eine mathematische Grenze für die Leistungsfähigkeit eines mechanischen Computers?

Mit anderen Worten: Kann ein Computer alles beweisen?

Um dies zu erreichen, musste er das Gebiet der Informatik, das bis dahin eine lose Ansammlung von unzusammenhängenden Ideen und Erfindungen exzentrischer Ingenieure war, in strenge Voraussetzungen fassen. Es gab keine systematische Methode, um Fragen wie die Grenze des Berechenbaren zu diskutieren. Daher stellte er 1936 das Konzept der später so genannten universellen Turing-Maschine vor, ein täuschend einfaches Gerät, das das Wesen des Rechnens erfasst und es ermöglicht, das gesamte Gebiet auf eine solide mathematische Grundlage zu stellen. Heute bilden Turing-Maschinen die Grundlage für alle modernen Computer. Alles, von den riesigen Supercomputern des Pentagons bis hin zum Handy in Ihrer Tasche, sind Beispiele für Turing-Maschinen. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass fast die gesamte moderne Gesellschaft auf Turing-Maschinen aufbaut.

Turing stellte sich ein unendlich langes Band vor, das eine Reihe von quadratischen Zellen enthielt. In jedes Quadrat könnte man eine 0 oder eine 1 schreiben oder es leer lassen.

Dann ging ein Prozessor in Form eines Lese- und Schreibkopfs über das Band und durfte darauf nur sechs einfache Operationen durchführen. Im Grunde konnte man eine 0 durch eine 1 ersetzen oder umgekehrt und den Prozessor um ein Feld nach links oder rechts bewegen:

a)

Lies die Zahl im Quadrat.

b)

Schreib eine Zahl in das Quadrat.

c)

Geh ein Feld nach links.

d)

Geh ein Feld nach rechts.

e)

Ändere die Zahl im Quadrat.

f)

Halt an.

Die Turing-Maschine ist nicht in der Dezimalbasis geschrieben, sondern in Binärsprache. In der Binärsprache wird die Zahl eins durch 1 dargestellt, die Zahl zwei durch 10, die Zahl drei durch 11, die Zahl vier durch 100 und so weiter. Es gibt auch einen Speicher, in dem Zahlen gespeichert werden können. Das endgültige numerische Ergebnis kommt dann als Ausgabe aus dem Prozessor.

Mit anderen Worten: Die Turing-Maschine kann eine Zahl nehmen und sie nach präzisen Befehlen in der Software in eine andere verwandeln. So reduzierte Turing die Mathematik auf ein Spiel: Durch systematisches Ersetzen von 0 durch 1 und umgekehrt konnte man die gesamte Mathematik verschlüsseln.

Abb. 2: Turing-Maschine

Eine Turing-Maschine besteht aus (a) einem unendlich langen digitalen Eingabeband, (b) einem digitalen Ausgabeband und (c) einem Prozessor, der die Eingabedaten nach einem festen Regelwerk in die Ausgabe umwandelt. Die Turing-Maschine ist die Grundlage aller modernen Digitalcomputer.

In dem Artikel, in dem diese Ideen dargelegt wurden, zeigte Turing mit einem knappen Satz von Anweisungen, dass man mit seiner Maschine alle arithmetischen Operationen durchführen konnte, d.h., sie konnte addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Er nutzte dieses Ergebnis, um einige der schwierigsten Probleme der Mathematik zu lösen, indem er alles im Hinblick auf Berechenbarkeit neu formulierte. Die gesamte Mathematik wurde unter dem Gesichtspunkt der Berechnung neu geschrieben.

Zeigen wir zum Beispiel, wie 2+2=4 auf einer Turing-Maschine berechnet wird, was zeigt, wie damit die gesamte Arithmetik kodiert werden kann. Beginnen Sie das Band mit der Eingabe, die durch die Zahl 2 oder 010 gegeben ist. Gehen Sie dann zur mittleren Zelle, wo sich eine 1 befindet, und ersetzen Sie diese durch eine 0. Gehen Sie dann einen Schritt nach links, wo sich eine 0 befindet, und ersetzen Sie diese durch eine 1. Das Band zeigt nun 100 an, was gleich vier ist. Wenn man diese Befehle verallgemeinert, kann man jede Operation durchführen, die Addition, Subtraktion und Multiplikation beinhaltet. Mit ein wenig mehr Arbeit kann man auch Zahlen dividieren.

Turing stellte sich dann eine einfache, aber wichtige Frage: Kann der berüchtigte Unvollständigkeitssatz von Gödel, der höhere Mathematik involvierte, mit seiner Turing-Maschine bewiesen werden, die viel einfacher war, aber dennoch das Wesen der Mathematik erfasste?